Bandsalat in der Götterdämmerung
Georg Schmiedleitner hat es geschafft und an der Staatsoper Nürnberg in dieser Spielzeit den Ring von Richard Wagner vollendet. Wer jetzt die große Überraschung erwartet hat, ist vielleicht enttäuscht. Die Wende in der Deutung bringt die Götterdämmerung nicht, aber das Ende. Wagners Untergangsvision, der vorher mühsam aufgebauten Welt, ist vielschichtig. Die Götter haben sich also in ihr Walhalla zurückgezogen und den Menschen Platz gemacht. Man landet mit der Götterdämmerung quasi tagaktuell in der Medienwelt des 21. Jahrhunderts. Wobei die Nornen zu Beginn der Aufführung im ersten Rang singen und alte Tonbänder abwickeln. Man kann dies als Zeichen einer antiquierten Welt sehen, die ihre Tage gesehen hat. Die Bänder werden geflochten und reißen schließlich, was eigentlich nur das Ende der Götter bedeuten kann. Aus einem versenkten Bühnenkasten fahren nun Siegfried und Brünnhilde aus dem Boden heraus. Ihr Steingemach ist mit dem Fernseher aus dem Siegfried-Teil ausgestattet, der kopfüber von der Decke hängt und alte Stummfilme abspielt. Siegfried ist rechts an der Wand und lehnt in der Luft von der Seite. Man erkennt in dem Steingemach, einen Teil eines Baumes und das bekannte braune Ledersofa. Den Helden des letzten Teiles zieht es mit einem kleinen, braunen Stoffpferd hinaus in die Welt. Er zieht sich dazu seinen Anzug aus und ein kariertes, rot-weißes Hemd an. Dazu trägt er eine Lederhose und wenig passende, orange Turnschuhe. Die Karikatur des Helden findet also nur konsequent die Fortsetzung in diesem Teil. Mit einem Papierschiffchen geht es runter zum Rhein in die Halle der Gibichungen. Am Rhein trifft man auf Flüchtlinge, die sich mit nacktem Oberkörper die Laster der Menschen auf die Brust gemalt haben. Gnadenlos klappt der weiße Boden der Gibichungenhalle herunter und begräbt die Flüchtlinge unter sich. Im weißen Saal der Gibichungen prangt ein großes „G“- in Form des Google-Schriftzugs von der Decke. In der Wand sind kleine Löcher, die gelb hinterleuchtet werden, sodass man den Eindruck von vielen LEDs hat. Auf die Rampe montiert sind zwei Sessel in Metalloptik, die den Eindruck einer Chefetage vermitteln. Im hinteren Teil steht ein Kühlschrank, der eigentlich nur zwei Flaschen Sekt und einen Energy-Drink beinhaltet. Mit diesem Vergessenstrank heckt nun das Geschwisterpaar Gunther und Gutrune einen Plan aus. Auf Rat eines leicht übergewichtigen Hagen setzt nun der Partnertausch ein. Hagen klärt Siegfried über die Bedeutung des Tarnhelms auf. Gunther und Siegfried schließen Blutsbrüderschaft, wobei Siegfried seine Kleidung mit Blut verschmiert. Womit wir wieder bei der Vorliebe des Regisseurs für Theaterblut wären. Damit die Verwandlung auch gut klappt, zieht Siegfried nun den blauen Anzug von Gunther an und als er Brünnhilde vergessen hat, entbrennt er sofort in Leidenschaft für Gutrune und verspricht Gunther Brünnhilde als Braut zu bringen. Es fährt wieder der Kasten aus dem Bühnenboden, geblieben ist das braune Ledersofa, aber im Hintergrund sieht man ein überlebensgroßes Konterfei des Helden. Es gibt sogar eine Tür, durch die Waltraute hereinstürmt und versucht, Brünnhilde zur Rückgabe des Rings zu bewegen, auf den Wotan wartet. Er würde Holdas Äpfel nicht essen, hätte die Weltesche gefällt und das Holz um Walhalla auf schlichten lassen. Er würde auf das Ende warten. Waltraute ist zudem gegen den Willen Wotans unterwegs. Sie hat die Lösung: Der Ring müsste den Rheintöchtern zurückgegeben werden. Da Brünnhilde den Ring als Liebespfand von Siegfried bekommen hat, stößt sie Waltraute zur Tür hinaus. Nun flammt der Walküren Fels auf, was sehr eindrucksvoll am Bühnenrand mit Feuerprojektionen gelingt. Aber es nicht Siegfried, der kommt, sondern für Brünnhilde scheinbar Hagen. Hätte sie mal ein bisschen besser im Textbuch der Walküre aufgepasst, wäre ihr klar gewesen, dass nur Siegfried durch den Ring kommen kann. Der getarnte Siegfried entreißt ihr nun den Ring. Auch wenn er sich am braunen Sofa nun breitmacht, er hält zu Brünnhilde doch eine Schwertlänge Abstand, als Treue zu seinem Blutsbruder Gunther.
Im zweiten Aufzug spitzt sich die Situation nun zu. Hagen schläft in einem der Sessel in der Gibichungenhalle. Zwischen halbdurchsichtigen Plastikvorhängen schleicht er umher. Sein Vater Alberich fordert nun den Ring von Hagen ein, was er letztendlich bewilligt. Siegfried taucht unvermittelt auf und sagt, er habe Brünnhilde erobert. Es soll eine Hochzeit geben. Statt des Kahns kommt nun ein Flüchtlingsboot auf die Bühne mit blauen Plastiksäcken beladen mit der Aufschrift Syria. Auf diese Menschen prügeln nun die gut gekleideten Gibichungen ein. Man könnte die Menschen hier als Tieropfer sehen, von denen Gunther spricht. Die Stimmung ist aber ausgelassen. Es werden fleißig Luftschlangen verteilt und Gunther lässt sich auf einem Möbelroller von Brünnhilde in die Halle ziehen. Hinter einer Plexiglaswand sieht man nun wieder die Flüchtlinge, die dem Treiben nur zusehen dürfen. Nun sieht aber Brünnhilde Siegfried und erkennt an ihm auch den Ring, den sie im ersten Aufzug vermeintlich an Gunther verloren hat. Brünnhilde fühlt sich nun verraten und Siegfried schwört nun bei der Speerspitze Hagens, dass er Brünnhilde nicht angefasst hat. In einer Nachtszene sinnen Hagen, Brünnhilde und Gunther auf Rache. Ein allseits beliebter Jagdunfall mit einem Eber soll nun die Ursache für das Ableben des Helden sein.
Im letzten Aufzug erkennt man nun wieder das wilde, vermüllte Wald- und Felsental am Rhein. Gegen die pralle Sonne cremen sich die Rheintöchter nun reichlich ein. Zwei zerrissene Sonnenschirme, einer von einem lokalen Eisproduzenten, sollen gegen die Sonne schützen. Mehrfach flitzt Siegfried über die Bühne. Das Planschbecken mit den Wellenverzierungen hat kein Wasser. Das wurde ja im Rheingold schon von einem Lebensmittelkonzern in Flaschen verpackt. Lustig, wie die Rheintöchter sich im Planschbecken wälzen und Siegfried necken. Eines ist klar, auch sie wollen ihm den Ring abluchsen. Sie warnen ihn sogar, dass er heute noch den Tod finden würde. Es trifft die Jagdgesellschaft ein. Auch die Gesellschaft hat schon Smartphones und macht Selfies mit dem Helden nach der Jagd. Siegfried meinte, er hätte nur Wasserwild gefangen und wäre glücklos. Die Jagdgesellschaft macht es sich mit Bierkästen einer lokalen Brauerei gemütlich. Nun entlockt ihm Hagen die Geschichte von alter Zeit (aus dem Siegfried). Er erinnert sich an seine Jugend bei Mime, wie er den Drachen tötete und den Ring bekam und wie er mit einem Kuss, der schönen Brünnhilde in den Armen lag. Das ist der Moment, in dem Hagen einschreitet und mit einem Speer Siegfried von hinten erledigt für den Meineid. Damit das Ganze ohne viel Kleckerei abläuft, findet das im Planschbecken der Rheintöchter statt. Sterbend erinnert sich Siegfried an Brünnhilde. Da der schmächtige Gunther, Siegfried nicht abtransportieren kann, stellt er den blutüberströmten Helden auf. In der Gibichungenhalle wartet nun Gutrune auf ihren Mann. Sie legen den toten Siegfried in die Halle. Nun fordert Hagen den Lohn ein, nämlich den Ring. Dafür räumt er auch Gunther zur Seite. Nun hebt sich die Hand von Siegfried empor, was Hagen nun unheimlich wird. Brünnhilde bringt nun den Rheintöchtern den Ring zurück. Diese haben vor der Halle ein kleines Büro mit einem Laptop aufgebaut. Dort senden sie Twitter Feeds mit den letzten Worten von Brünnhilde ab. Es kommt ein Fernsehteam auf die Bühne, die Brünnhilde zum Geschehen interviewt. Die Halle der Gibichungen verliert ihre Wände und die Mannen bringen auf Smartphones das Feuer nach Walhalla. Damit endet die Oper.
Ich war in der letzten Aufführung in dieser Spielzeit. Das Team war gut eingespielt und das Orchester hat die 4 ½ Stunden reine Spielzeit mit Bravour absolviert. Selbst die als krank angekündigte Rachael Tovey hat den Abend bestens überstanden und einen fulminanten Schlussmonolog hingelegt. Die Überraschung des Abends war für mich Roswitha Christina Müller, die eine tolle Waltraute abgab. Markus Bosch dirigierte den Abend hervorragend und zum Schluss gab es Blumen für Vincent Wolfsteiner als Siegfried, der Nürnberg leider verlässt. Ob in einem Jahr die Einblendung und der Bezug auf die aktuelle Tagespolitik noch verständlich sein werden, mag dahingestellt sein. Während der Pausen lief auf dem Vorhang der Bühne CNN. Ein leises Buh gab es doch am Ende für die Regie. Mit Siegfried als Held geht man auch mir in diesem Ring etwas zu respektlos um. Aber es sind wirklich viele gute Einfälle dabei und vielleicht erklären sich im kompletten Durchlauf nächstes Jahr auch noch die Kühlschränke auf der Bühne.
Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg
Quelle: YouTube | Bayerischer Rundfunk
Einen Kommentar hinterlassen