Blaubarts Burg als Beziehungsdrama
Für Bela Bartoks einzige Oper war ich zur Premiere in Essen. Da die Aufführung in Nürnberg mir so gut gefallen hatte, wollte ich die Oper gerne nochmal sehen. Wir auch in Nürnberg brachte man das Werk in Ungarisch auf die Bühne. Das Werk entstand 1911 und wurde 7 Jahre später 1918 uraufgeführt. Wegen der spröden Handlung, da es nur einen Ort gibt und zwei Darsteller und mit einer guten Stunde Spielzeit auch ziemlich kurz ist, galt es als unspielbar. Tief verankert im Werk ist die Psychoanalyse einer Beziehung, einer selbstbewussten Judith, die ihre Rechte einfordert und ein brüchiger Ehemann, der versucht, seine Geheimnisse hinter den Türen geschlossen zu halten. Während die Personen in Nürnberg kaum interagierten, wurde hier auf der Bühne bis zum blutigen Ende gekämpft. So war die Deutung hier mehr auf den Konflikt gelegt. Klar kann man an der Handlung nichts ändern.
Schon zu Beginn blickt man auf die verschlossene Bühne. Man hört den Wind blasen und Judith wird beim Namen gerufen. Als der eiserne Vorhang runter gefahren ist, blickt man auf eine runde Bühne. Am Rand sitzen in weißen Hängeschaukelstühlen ein paar Zuschauer. Mit sogenannten Bühnenkarten, werden die in die Handlung mit einbezogen. Immer wieder steht jemand aus den Zuschauern auf und interagiert mit Judith oder Blaubart. Blaubart selbst hat einen schweren Mantel an und ist gekleidet wie im 18. Jhd. Judith dagegen mit Bluse, gelber Hose und hochhackigen Schuhen, kleidet sich erst zu Beginn um und trägt dann ein rotes Kleid mit Pelzbesatz, als die Handlung einsetzt. Zentral ist das Frageverbot in der Oper, denn Judith soll nicht wissen, was hinter den Zimmer steht. Die düsteren Klänge am Anfang bei der Folterkammer lassen auf einen blauen Raum blicken, der aus dem Bühnenhimmel abgelassen wird. In der Folterkammer sitzt ein Mädchen, das ein Kopfkissen mit Federn auseinander nimmt. Immer wieder kippt der teils durchsichtige Raum, der mit Eisenornamenten versehen ist. Als der Raum kippt und zur Waffenkammer mutiert, werfen Statisten weiße Kunstlilien mit scharfen Enden in den Boden. Immer wieder hebt sich die Raumbegrenzung, dreht sich und gibt neue Einblicke in die Schatzkammer, die dann folgt und den Garten frei. Auf der kreisrunden Begrenzung der Bühne mit Neonröhren, läuft eine Projektionsfläche, auf der schwarz-weiße Großaufnahmen gezeigt werden. Judith und Blaubart kämpfen auf der Bühne weiter, um jedes Zimmer. Das Blut, das Judith immer besingt, ist jetzt auch auf den Darstellern zu sehen, die nach und nach ihre Kleider verlieren. Zum Zimmer des Reichs fährt eine Leuchtschild mit der Aufschrift „Es war einmal-war nicht“ aus dem Bühnenhimmel. Dort gerät die Musik eindrucksvoll und bombastisch. Der Höhepunkt ist eigentlich erreicht. Aber Judith macht weiter und entdeckt im nächsten Zimmer einen Tränensee. Vier Statisten stehen auf und halten sich Spiegel vor die Gesichter. Einen der Spiegel zerschlägt Judith. Aber wo kommen die Tränen her? Judith verlässt die Bühne und geht auf die Suche im Zuschauerraum. Im letzten Zimmer kommt sie drauf, es sind die Tränen seiner verflossenen Frauen. Blaubart hatte davon drei: Eine junge Frau für den Morgen, eine junge Erwachsene für den Mittag, eine etwas reifere Frau für den Abend. Judith wird die Frau für die Nacht. Judith knipst an dem Schild, das N und das T aus. Somit steht unter dem „Es war einmal-war ich“. Im Kampf hat sich Blaubart aufgelöst und Judith steht alleine auf der Bühne. Es werden Lampen an die Zuschauer auf der Bühne ausgeteilt. Das Zimmer senkt sich erneut ab und die Zuschauer sammeln sich im Innenraum. Inzwischen haben alle gelbe Regenumhänge. Bei den letzten Zimmern wurden blaue Sprüche an die weißen Ränge des Theaters geworfen. Das fiel mir erst gegen Ende auf, als sich Leute umgedreht hatten.
Am Ende gab es langen Applaus für die beiden Protagonisten und den Dirigenten. Es gab noch reichlich Karten für die Premiere. Karl-Heinz Lehner als Blaubart und Deidre Angenent als Judith müssen für die ganze Stunde vollen Einsatz zeigen. Es ist nicht klar, wer am Ende stirbt, denn auch Blaubart verausgabt sich in dieser Stunde völlig. Mir hat es jedenfalls gefallen. Die Musik mit den unterschiedlichen Räumen, die Judith öffnet, erschließt jedesmal andere Tonarten.
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