In einer Inszenierung von Christian Brey sind die Piraten von Penzance zu sehen. Das ist eine komische Oper von Gilbert und Sullivan aus dem Jahre 1879. Während das Autorenteam in England und den USA eine bekannte Größe ist, kennt man das Stück hierzulande kaum. Wer jetzt über den Film „Einfach unverbesserlich 3“, die Minions und Monty Python auf YouTube zu dem Stück gekommen ist, hat nun entsprechende Vorstellungen. Das Risiko ist groß, dass dieses Stück ins Flache, Alberne abdriftet. Dass aber auch lächerliche Piraten, wie in diesem Fall mit einem kruden Ehrenkodex eine Zugnummer sein können, muss die Gunst des Publikums in Nürnberg beweisen. Musikalisch hat Guido Rumstadt jedenfalls eine beschwingte, heitere Vorlage geliefert, die an Offenbach erinnert. Christian Breys Inszenierung liefert dazu ein optisch ansprechendes Bühnenbild, bei dem vor allem die Kostümschneiderei unter Anette Hachmann gut gearbeitet hat. Egal, wie die folgenden Kritiken ausfallen, dem Publikum in der Premiere hat es gefallen, klar dass man am Niveau der Handlung Kritik üben kann. Es ist dieser besagte englische Humor, den man hier haben muss mit einem Sinn für spleenige Leute und eine Portion Patriotismus für die Monarchie und die englische Königin.
Wir befinden uns gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Cornwall. Während der Ouvertüre sieht man einen blauen Meeresspiegel, auf dem ein Piratenschiff mit roten Segeln anlandet. Als das Schiff aus der Projektion verschwindet, tauchen drei Masten aus dem Bühnenboden auf. Das Schiff ist angelandet, an einer grünen, schiefen Ebene mit einem schwarzen und sechs weißen Plastikschafen. Frederic feiert das Ende seiner Ausbildung zum Piraten, wir dürfen die letzten Minuten erleben, bis er endlich 21 Jahre ist und das Schiff der Piraten verlassen darf. In einem Running Gag sieht man zu einem Wasserspritzer immer wieder Leute ins Meer gehen. Dass er überhaupt auf das Schiff gekommen ist, ist einem Hörfehler der schwerhörigen Gouvernante zu verdanken. Sie wollten ihn zu den Privaten in die Lehre geben, und hat ihn stattdessen zu den Piraten gegeben. Nichtsdestotrotz hofft sie, Frederic heiraten zu können, der bis dato noch keine Frau gesehen hat. Mit ihren 47 Jahren ist sie jetzt nicht mehr Frederics Altersklasse. Die Piraten sind aber die Karikatur in sich. Klar muss heutzutage mindestens ein Pirat aussehen wie Johnny Depp im Fluch der Karibik. Der Piratenkönig hat ein Brusttoupet, Schnurrbart und offenem Hemd und verbreitet den Machocharme alter Hollywoodfilme. Zu Soundeffekten wird mit dem Degen gefuchtelt, der ab und zu aber auch als Mikro dient. Respekt jedenfalls auch vor den Fechtszenen. Wer jetzt meint, das Zitat aus dem Barbier von Sevilla wäre zufällig, muss noch eine Weile warten, bis sich das erschließt. Frederic und Ruth gehen jedenfalls an Land. Frederic lässt aber keinen Zweifel, dass er den Piraten nach seiner Lehre den Kampf ansagt und alle Anstrengungen unternehmen wird, diese auszuschalten. An Land, mit einem Fernrohr, entdeckt er jetzt aber andere Mädchen in der Ferne. Er stellt fest, dass Ruth mit ihren 47 Jahren vielleicht mal in jungen Jahren schön war, aber die nun kommenden 10 Töchter des Generals an Schönheit Ruth bei Weitem in den Schatten stellen. Die Mädchen kommen in Pastelltönen gekleidet auf die Bühne, vom Bühnenhimmel werden mitten auf der grünen Wiese vier Schaukeln heruntergelassen. Die höheren Damen sind natürlich bei Frederics Anblick ebenfalls angetan, erschrecken aber hysterisch, als sie hören, dass er Pirat ist oder war. Nur die Mabel, die später vom Bühnenhimmel in einer Extraschaukel kommt, lässt sich nicht abschrecken und wirft ihren Schwestern einen Mangel an Hilfsbereitschaft vor. Bei dem Duett verschwindet Frederic schon mal in einer Art Gullydeckel im Rasen. Mabel hat schon bei ihrem Auftritt schwierige Koloraturen zu singen, auch wenn Frederic sich an den schrillen Stellen die Ohren zuhält. Da es zwischen Frederic und Mabel zu funken scheint, lassen die Schwestern die beiden allein und reden über das Wetter. Nun kommen die Piraten an und greifen sich jeweils eine der Töchter. Mabel schreitet ein und sagt, die Piraten müssen Angst vor ihrem Vater haben, der Generalmajor ist. Der tritt dann in einer roten Generalsuniform mit Hut auf und singt die bekannte Arie aus dem Stück. Vorher schießt er noch mit seinem Schirm lautstark einen Vogel ab. Es handelt sich um eine Plapperarie, wie im Barbier von Sevilla, bei dem es darum geht, möglichst viel sinnfreien Text in kurzer Zeit unterzubringen. Der Generalmajor ist dabei nicht zimperlich und klaut das Motiv vom Piratenkönig, immer wieder von Denkpausen unterbrochen, bei dem der alte Generalmajor Stanley um Worte ringt, folgt noch einmal ein Da capo mit erhörter Geschwindigkeit. Hans Kittelmann liefert hier eine Hochglanzleistung ab, schon allein wegen dieser Arie hat sich dieser Abend gelohnt. Da der Generalmajor nun fürchtet, alle seine Töchter könnten bei den Piraten landen, wendet er einen Trick an. Er behauptet, er wäre eine Waise, wobei immer wieder der Gag zwischen Weise und Waise gebracht wird. Er hätte eben keine Eltern mehr und die Töchter wären sein ein und alles. Die Piraten sind daraufhin weich, weil sie genau an ihrem Ehrenkodex erwischt wurden und lassen den Generalmajor mit seinen Töchtern ziehen. Mehr noch, sie nehmen in als Ehrenmitglied auf und die Piratenflagge weht einmütig neben dem Union-Jack.
Im zweiten Akt dreht der Klamauk noch mal so richtig auf. Man befindet sich auf dem Anwesen von Generalmajor Stanley. Der wird nun von Gewissensbissen geplagt, da er vor den Piraten gelogen hat. Im Nachthemd sitzt auf einer kleinen Brücke im Garten, wobei sich seine Töchter um den besten Platz an seiner Seite streiten. Er bedauert jedenfalls seine Lüge. Frederic, nun in einem blauen Matrosenanzug, hat einen etwas furchtsamen 12er Pack blauer Polizisten geordert, die in Reih- und Glied aufmarschieren und ihm helfen sollen, die Piraten festzunehmen. Die Töchter des Generalmajors feiern die Polizisten als Helden, die etwas schreckhaft dann doch losziehen. Der Piratenkönig und Ruth kommen nun, um Frederic ein Paradoxon zu präsentieren. Da im Vertrag steht, dass er bis zu seinem 21. Geburtstag bei den Piraten dienen muss, ist er dadurch, dass er am Schaltjahr am 29.02. seinen Geburtstag feiert, eigentlich erst 5 ¼. Er müsse eigentlich noch weitere 63 Jahre dienen, bis die Schuld aus dem Vertrag erloschen ist und appellieren an sein Pflichtgefühl. Schweren Herzens trennen sich nun Mabel und Frederic wieder, wobei sie sich versprechen so lange aufeinander zu warten. Da Frederic nun erneut die Seiten gewechselt hat, petzt er den Piraten, dass der Generalmajor gelogen hat. Mabel baut nun einen Hinterhalt mithilfe der Polizei auf, die sich hinter 12 Büschen verstecken, die aber beweglich sind. Es treffen nun die Piraten ein, die das offensichtliche Versteck der Polizisten nicht sehen. Als es zum Angriff kommt, gerät der Polizeianführer mit seinem Schlagstock in einer der elektrischen Laternen, die es vermutlich zu der Zeit des Stücks noch gar nicht gegeben hat. So geschwächt und elektrogeschockt unterliegen die Polizisten im Kampf den Piraten. Die Polizei spielt aber nun einen letzten Trumpf aus und verlangt die Beute im Namen der Königin Viktoria, die sich in einem großen Bild zeigt. Nun knicken die Piraten als Patrioten abermals ein. Ruth erklärt, dass die Piraten eigentlich alle Edelleute auf Abwegen seinen und den Töchtern des Generals würdig.
Klar, kann man jetzt über das Niveau der Handlung debattieren, wie jetzt die Gartenschaukel an die Küste von Cornwall kommen oder wer in der Zeitmaschine dorthin elektrische Straßenlampen portiert hat. Dennoch ist das Ganze ein großer Spaß und trägt sehr zur Erheiterung in der aktuellen Nachrichtenlage bei. Besonders einfallsreich fand ich die Seitentitel, die durchaus einen Blick lohnen, obwohl man in Deutsch spricht und singt. Fakt ist, es ist ein großes Aufgebot an Darstellern nötig, um dieses Stück auf die Bühne zu bringen. Bevor es schlechte Kritiken gibt, wollte ich das Stück unbedingt selbst gesehen haben. Emily Bradley als Mabel leistet wirklich große Koloraturarien und Hans Kittelmann als Generalmajor Stanley mit grauem Backenbart ist kaum wieder zu erkennen. Die Piraten sind jedenfalls gelandet, ob es ein Erfolg wird, entscheidet das Publikum und das war in der Premiere eindeutig auf der Seite von Christian Brey und Guido Rumstadt.
Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg