Di quella pira - der Troubadour
Eigentlich ist es ein Wunder, dass der Troubadour diesmal im Opernhaus in Nürnberg wirklich stattgefunden hat. Nach einem erfolglosen Anlauf im November und mit einer neuen Corona-Variante am Start standen auch diesmal die Zeichen eher schlecht. Ein großer Chor, viele Musiker im Orchestergraben, das alles lässt so eine Aufführung derzeit eher scheitern. Und trotzdem hat es dieses Mal geklappt. Zu sehen ist eine leicht angepasste Fassung des Troubadours, den man hier ohne eine Pause gibt. Daher musste in der Roma-Szene im 2. Akt der Chor der Soldaten einmal übernehmen. Auch bühnentechnisch konnte man sich kein großes Bühnenbild mit aufwendigen Umbauarbeiten leisten. Das besteht im Wesentlichen aus einem Scheiterhaufen und einem Puppentheater. Die Verbrennung der Mutter von Azucena, einer Roma, vor 25 Jahren ist so zentral, dass sie im 2. Akt eine drastische szenische Umsetzung erfährt. Darin wird eine schreiende, rothaarige Darstellerin symbolisch verbrannt. Die Asche verteilt sich auf dem ganzen Bühnenboden und fällt auch teilweise vom Himmel. Das zweite Element, das Puppentheater, lässt die vier Protagonisten teilweise als Puppendouble auftreten. Das ist ein typisches Element von Konwitschny, das schon in Boris Godunow Verwendung fand. Während die Puppen und der Chor historische Kostüme haben, treten die vier Protagonisten in heutiger Kleidung auf. Das Puppentheater kracht am Ende des 2. Akts aber auch auseinander, als Leonora aus dem Kloster entführt wird. Dass die Oper eigentlich im 15. Jahrhundert in Spanien während eines Erbfolgestreits um die Herrschaft von Aragón spielt, muss man eben der Einführung entnehmen. Die beiden Brüder stehen sich auf verfeindeten Lagern gegenüber. Während der Graf Luna zur Seite des kastilischen Königs Ferdinand steht, steht Manrico auf der Seite der Aufständischen um Jakob II. von Urgell. Die Geschichte der Oper zu erzählen ist schwierig, da sie viele Brüche und Wendungen hat und man sich eigentlich mit den überdrehten Hauptpersonen nicht wirklich identifizieren kann.
Der erste Akt spielt vor dem Puppentheater. Das soll also die Vorhalle des Schlosses Aliaferia sein. Ferrando, der Hauptmann, raucht und erzählt mit Kreidestrichen die Vorgeschichte der Oper. Eine Roma hätte den Sohn des alten Grafen mit einer Krankheit verhext, die hätte man mit Verbrennung bestraft, worauf sich die Tochter gerächt hätte, den Sohn des Grafen entführt und ins Feuer geworfen. Der Graf hätte aber die Suche nach seinem Sohn nie aufgegeben und der Tochter der Zigeunerin. Zu Recht glaubte der Graf daran, dass sein jüngerer Sohn noch lebte. Am Ende findet ein Gin-Besäufnis der dort lagernden Truppe statt. Das folgende Bild spielt im Puppentheater. Leonora, eine Hofdame der Prinzessin von Aragón, hat sich in Manrico einen Troubadour verliebt, sie schwärmt vom Troubadour. In einer Täuschung läuft sie aber dem Grafen Luna in die Arme. Dieser hält sie für treulos und es kommt zum Duell, das in der Darstellung leider etwas untergeht. Manrico gewinnt in dem Duell und besiegt den Grafen, lässt diesen aber ziehen.
Im zweiten Akt findet nun ein Rollentausch statt. Die Truppen aus dem ersten Akt spielen die Roma-Gruppe, die sich die Geschichte von Azucena anhört. Sie erzählt vom Puppentheater herunter die Geschichte von der Verbrennung ihrer Mutter. Unter Schreien wird eine rothaarige Statistin auf einen elektrischen Scheiterhaufen gefesselt, vergewaltigt, mit einem Benzinkanister übergossen und verschwindet hinter einem hinterleuchteten Gaze-Schal, der die Flammen darstellt. Am Ende bleibt ein verkohltes Gerippe auf dem Scheiterhaufen. Die zeigt, wie elementar diese Vorgeschichte die Handlung bestimmt. Sie erzählt Manrico auch in ihrer Trance, wie sie damals ihren eigenen Sohn versehentlich dem Feuer übergeben hat. Dennoch klärt sich das Verwechslungsmotiv an der Stelle noch nicht auf. Manrico erzählt auch, wie er seinen Rivalen nicht töten konnte im Duell. Dennoch verfolgt ihn der Graf weiter als politischen Rebellen. Nun erfährt Manrico, dass Leonora ins Kloster gehen will. Im nächsten Bild kommt zuerst Luna mit seinen Leuten und will Leonora aus dem Kloster entführen. In diese Entführungsaktion kommt nun Manrico mit einer zweiten Entführung mithilfe einer Cowboy-Truppe. In diesem Moment bricht das Puppentheater auseinander. Der Nonnenchor bewaffnet sich an einem Taufbecken, die drei Chöre stehen sich mit Waffen gegenüber, in der Mitte Leonora, Manrico und Luna. Die Szene erinnert etwas an Sister Act und der Regisseur meinte, hier wäre es fast ein Musical. Zumindest die schwarz-weißen Nonnen mit ihren Hauben erinnern daran.
Im dritten Akt planen die Aufständischen einen Angriff. Azucena schleicht sich hier ins Gegenlager und wird von einer Truppe Soldaten gestellt. Ferrando erkennt die Tochter der Roma wieder, sie wird mit vielen Feuerzeugen gestellt und soll nun ebenfalls auf einem Scheiterhaufen verbrannt werden. In Castellor wollen sich inzwischen Leonora und Manrico trauen lassen, da platzt die Nachricht von der Gefangennahme der Mutter herein. Mit dem „Di quella pira“ und einem hohen C versucht sich Manrico aufzumachen.
Im vierten Akt hat Luna gesiegt. Leonora versteckt sich im Unterbau des zerfallenen Puppentheaters und vergiftet sich. Sie sieht keinen anderen Ausweg, als dem Drängen des Grafen nachzugeben, damit Manrico freikommt. In einem Zug trinkt sie das Gift und wirft die Flasche in die rechte Ecke. Der Graf glaubt nun am Ziel zu sein und krabbelt Leonora hinterher. Der Schluss wirkt etwas enttäuschend. Müde sitzen irgendwann alles vier Darsteller nebeneinander. Der große Showdown am Ende wird nicht mehr groß szenisch umgesetzt. Darin enthüllt in der Sterbeszene von Leonora und dem anschließenden Duell Azucena, dass die beiden Rivalen in Wirklichkeit Brüder sind. Da ist es aber schon zu spät, Luna hatte da schon Manrico getötet. Am Ende lacht Graf Luna wahnsinnig auf.
Über das Ende habe ich viel nachgedacht, ob es wohl dran lag, dass die Regiearbeit 14 Tage vor der Premiere beendet wurden? Das wirkte irgendwie unfertig für mich. Es war eine Aufführung mit Ecken und Kanten. Emily Newton als Leonora war teilweise etwas zu hochdramatisch, das Hohe C in der Cabaletta wurde versucht von Manrico (Angelos Samartzis). Dafür war Graf Luna (Sangmin Lee) sehr gut und auch die Azucena (Raehann Bryce-Davis) des Abends. Der Chor und die Chorszenen überhaupt waren aber hervorragend, auch an der musikalischen Umsetzung gab es nichts auszusetzen. Es war einfach noch einmal die Gelegenheit für eine Live-Aufführung einer Oper für längere Zeit vermutlich. Es galt die Chance einfach noch einmal zu nutzen. Mit 25 % Belegung war die Aufführung an diesem Tag auch ausverkauft. Oper live, schlägt einfach immer noch jeden Stream, den man sich derzeit ansehen kann.
Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg
Einen Kommentar hinterlassen