Die Sizilianische Vesper - Grand opéra im kleinen Haus
Zu einem selten gespielten Verdi zog es mich dieses Mal ins Mainfranken Theater nach Würzburg. ‚Les vêpres siciliennes‘, eine Grand Opéra von Verdi, die vermutlich auch deshalb selten gespielt wird, da es ein Großaufgebot an Chor und Orchester braucht, um die Tableaus und Massenszenen dieser Oper adäquat darzustellen. Verdi schafft es aber dennoch, spannende Dialoge der handelnden Personen vor die Tableaus zu setzen. Es sind auch zwei Ballettszenen in dem Stück, um den Anforderungen dieses Opernstils gerecht zu werden. So meinte man in der Einführung, dass man alles auf die Beine gebracht hat, was in Würzburg mit dem Theater zu tun hatte. Die Hauptpartien der Hélène und Henri waren mit Gastsängern besetzt. Historisch ist an dem Stück nur eine Person: Jean de Procida. Der Rest der Handlung ist eine Umarbeitung des Stücks des Herzogs von Alba. Auch der Kniff, dass der Franzose Guy de Montfort einen Sohn hat, der auf der Gegenseite für die Freiheit Siziliens kämpft, hat man aus Meyerbeers ‚Le prophète‘ geklaut. Kein Wunder, denn die Opernwerkstatt von Eugène Scribe hatte damals im großen Stil Libretti geschrieben. Historisch ist das Werk aber ziemlich genau auf einen Ostermontag, den 30. März 1282 gelegt, als mit einem Aufstand in Palermo nach einer Vesper ein blutiger Krieg gegen die französischen Besatzer geführt wurde. Das Werk behandelt die Vorgeschichte, wie es zu dem Aufstand kam und wurde in französischer Originalsprache mit deutschen Übertiteln aufgeführt; wobei man Jean de Procida seine Arie ‚O Palermo‘ zu Beginn des zweiten Akts in italienisch singen ließ. Gelegt hat man das in die 1910er Jahre.
Der erste Akt ist ein Kinosaal in Palermo, links rattert ein Projektor. Man sieht eine große Seitenbühne mit rotem Vorhang. Das Volk sitzt auf den Stühlen und amüsiert sich über den Film, während die Franzosen einheitlich getrennt in Uniform das Geschehen kontrollieren. Hélène tritt auf und beklagt den Mord an ihrem Bruder. Sie sieht dabei aus, wie Pola Negri, eine Stummfilmdiva und schon der Auftritt verspricht großes Drama. Allerspätestens als sie ein Freiheitslied anstimmt. Henri ist frisch aus der Haft entlassen. Passend sieht man dazu im Hintergrund ein Gewitter, es braut sich was zusammen.
Im zweiten Akt legt Hélène Blumen am Grab ihres Bruders nieder. Es erscheint Jean de Procida und singt seine Arie ‚O tu, Palermo‘. Man hat die Aufständischen um einen Tisch gruppiert, wo sie ein Dokument mit ihrem Blut unterzeichnen. Man versucht Henri und Hélène für den Aufstand zu gewinnen. Dabei gibt Hélène nun Henri den Auftrag, den Bruder zu rächen. Henri bekommt eine Einladung zum Gouverneurspalast. Dort tanzen Bräute mit verbunden Augen zu einer Tarantella einen Galopp. Man amüsiert sich trotz der Besatzung blenden zur Ballettmusik. Jean de Procida stachelt nun die Franzosen auf, die Bräute zu rauben. Von der seitlichen Bühne werden sie von vier rot gekleideten Franzosen in Fantasiekostümen auf einem Tisch flach gelegt. Sie stecken sich Äpfel in den Mund. Die vier Franzosen wetzen die Messer, was dann geschieht, kann man nur erahnen.
Im dritten Akt tröstet sich der Gouverneur mit reichlich Alkohol. Seine Frau hat ihn verlassen und in einem letzten Brief teilt sie ihm mit, dass Henri sein Sohn ist. Er lässt Henri herbringen und gibt sich als sein Vater zu erkennen. Den Brief der Mutter unterzeichnet er wieder mit seinem Blut. Gerade dieses Duett zwischen Henri und Guy de Montfort ist sehr schön. Etwas launiger dagegen gestaltet sich der nun folgende Maskenball. In fünf Runden findet mit lautem Gong ein Boxkampf statt. Es kämpfen zwei ungleiche Partner von einem gelangweilten, kaugummikauenden Nummerngirl angekündigt gegeneinander. In Runde 5 wird das Nummerngirl gegen eine als ebensolche verkleidete Hélène ausgetauscht. Es kommt zu einem großen Schlusstableau. Henri verrät seinem Vater, dass ein Attentat geplant ist, und wirft sich vor Hélène, die Guy de Montfort umbringen will. Damit ist er für die Sizilianer zum Verräter geworden.
Im vierten Akt soll Hélène für ihre Taten büßen und wird hingerichtet. Guy de Montfort bietet die Begnadigung von Jean de Procida und Hélène an. Einzige Bedingung: Henri müsste ihn öffentlich als Vater bezeichnen. Als nun die Schusswaffen auf die beiden Aufständischen gerichtet sind, gibt Henri nach. Guy de Montfort bietet beiden die Hochzeit an, am darauffolgenden Montag zur Vesperstunde. Die Hochzeitsgäste zücken aber schon mal die Messer und bereiten den Aufstand vor. Ein Schiff Peters von Aragón ist schon zur Unterstützung unterwegs.
Im letzten Akt sieht man ein Festbankett zur Hochzeit von Henri und Hélène. Hélène trägt ein Hochzeitskleid und hofft auf die Aussöhnung zwischen Franzosen und Italienern. Es nähert sich aber Jean de Procida und sagt, ihr, dass nach dem Läuten der Hochzeitsglocken ein Aufstand losbrechen wird. Hélène weigert sich nun Henri zu heiraten, da sie das Glockengeläut verhindern will. Sie greift in ihrer Panik sogar zum Telefonhörer. Sie sagt wiederholt Nein zur Hochzeit, jedoch zu spät: Die Glocken läuten. Die Hochzeitsgäste zücken nun die Messer und die Pistolen und metzeln die Franzosen nieder.
Während ich dem Livestream aus München vor Kurzem noch wenig abgewinnen konnte, hat mir das Stück nun doch gefallen. Am Anfang des ersten Akts war ich etwas von dem Fiepen des Verstärkers genervt, das dann im zweiten Akt erledigt war. Auch bei den Quartetten ohne musikalische Begleitung des Orchesters hatte ich Bedenken, ob das wirklich gut geht. Am Schluss überwogen dann doch die positiven Aspekte. Die beiden Hauptdarsteller Uwe Stickert und Claudia Sorokina konnten in der, nicht immer ganz logischen Handlung, überzeugen. Matthew Ferraro hat eine Inszenierung hingelegt, die zwar weit von dem Zeitpunkt der Handlung entfernt ist, der aber doch überzeugen kann. Last not least zeigt Enrico Calesso, was man aus dem Philharmonischen Orchester Würzburg an Klangzauber herausholen kann. Chapeau! für dieses Opernwagnis Grand Opera mit den vorhandenen Mitteln.
Quelle: YouTube | Mainfranken Theater Würzburg
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