Die Soldaten - für Einsteiger
Zum 100. Todestag von Bernd Alois Zimmermann hat sich das Staatstheater in Nürnberg seine einzige vollendete Oper vorgenommen. Peter Konwitschny bearbeitete das Stück und die Art, wie er es umgesetzt hat, sorgte für reichliche Diskussion. Zum einen wurde der Bezug zum Soldatentum im 18. Jahrhundert gekippt und gegen glatt gebügelte Banker in Anzügen ersetzt. Die Banker wäre die Soldaten der Neuzeit, wollte man damit zum Ausdruck bringen. Wenn man ins Textbuch sieht, soll die Handlung in Zeit und Raum verschwimmen. Das tut sie zum Glück gar nicht, der Regie ist es gelungen, die Geschichte um den Fall der Marie sehr nachvollziehbar zu erzählen. Dies kann man aber auch kritisch sehen, da dem Stück die Drastik genommen wurde und es eine Soldatenvariante für Einsteiger geworden ist. Die Besetzungsliste für das Stück ist so üppig, dass das Stück lange als unaufführbar galt. Es gibt einen großen Zusatz an extra Schlagzeug, das teilweise auf der Bühne und in den Seiten agieren muss. Wer sich jetzt wundert, warum das Theater trotz Ausverkaufs nicht voll war, das hatte einen technischen Grund. Zum vierten Akt werden alle Zuschauer auf die Bühne geführt und sehen die Katastrophe dann gespielt im Zuschauerraum. Die Bühne hat aber nur eine Tragkraft für 700 Personen, Glück hat also, wer an die raren Karten überhaupt kommt.
Der Beginn des Stücks ist von einem großen Aufbrausen im Orchestervorspiel geprägt. Allein eine Pauke gibt eine gewisse Konsistenz in dem Stück wieder. Dass hier ein Dies Irae erklingt, muss man schon sehr genau verfolgen. Die Musik verlangt einem viel Konzentration ab. Wenn man den Einführungen von Kai Weßler gefolgt ist, erkennt man auch die Details wieder. Das Stück besteht aus 12 Sequenzen in den ersten drei Akten. Nach jeder Sequenz gibt es eine Umbaupause, die unbegleitet ist. Die Szenerie beginnt eigentlich recht farbenfroh mit einer grünen Wand und Charlotte und Marie, zwei Schwestern. Marie ist in der ersten Szene noch ganz Girlie und schwärmt von Stolzius, einem Tuchhändler. Sie schreiben sich Briefe voller Liebesschwüre. Die Rückwand wird ausgetauscht und man befindet sich im Hause von Stolzius. Der hat Kopfschmerzen und bekommt von seiner Mutter Kopfwickel verpasst. Die diagnostiziert, dass seine Beschwerden von der Frau kommen, was der wiederum gar nicht hören will. Es wäre so schön, gäbe es nicht den Widersacher Desportes, der Marie ebenfalls seine Aufwartung macht. Er möchte Marie zu einer Komödie ausführen. Ihr Vater ist dagegen und meint, Marie solle sich nicht mit Soldaten einlassen. Es folgt eine Szene in einem angedeutetem Wald mit einem Fußballtor. Vor dem ‚Tor‘ der Stadt, einem Fußballtor spielen die Banker Fußball. Sie unterhalten sich über die Komödie, Frauen und gefallene bürgerliche Mädchen. Nun schreibt Desportes Marie Liebesbriefe, die der Vater wiederum abfängt. Marie kann sich nicht zwischen Stolzius und Desportes entscheiden.
Im zweiten Akt befindet man sich in einer Kaffeehausszene. 16 Offiziere sprechen durcheinander, man bekommt quasi nur noch Gesangsfetzen mit. Es wird ein Mikrofon herumgereicht und es treten drei Kleinwüchsige in roten Uniformen auf. Die Offiziere machen mit dem Geschirr ebenfalls einen Rhythmus. Sie besingen die Freiheit und schreiben mit Kreide ‚Götter wir sind‘ an die Wand. Es tritt eine Andalusierin auf, die sehr stark an Lara Croft aus dem Videospiel erinnert und um sich schießt. Also noch eine Jazzkapelle Free Jazz intoniert, tritt das ein, was schon angekündigt wurde. Die Musik schichtet sich übereinander. Die folgende Szene findet in einem großen Ehebett statt. Während klar ist, was Desportes und Marie dort tun, sind die anderen irgendwie überzählig. In dieser Inszenierung bringt Stolzius nacheinander die Personen um, um als Einziger zu überleben.
Der dritte Akt ist wieder im Stadtgraben, also als Waldszene angelegt. Stolzius bewirbt sich jetzt als Soldat bei Mary dem Freund von Desportes. Er hegt einen Racheplan gegen Desportes. Marie dagegen tritt immer wieder auf und wird von den Soldaten jetzt herumgereicht und reich beschenkt. Die Kleidung wird immer aufreizender. Sie trägt zum Schluss sogar schwarze Spitze. Inzwischen hat Marie aber auch Umgang mit dem jungen Grafen de la Roche. Vor einer goldenen Wand nimmt er Marie vor seiner Mutter in den Schutz. Die Grafen sind dabei ganz in Weiß. Marie bekommt eine Chance, als Bedienstete im Hause de la Roche zu arbeiten und zieht graue Dienstkleidung an. Ihre Schwester bekommt scheinbar ebenfalls dieses Angebot. Diese Szene, in denen die drei Frauen singen, mutet etwas an den Rosenkavalier an, mit Absicht.
Im letzten Akt wird das Publikum hinter den Eisernen Vorhang gebeten. Wenn man einen Platz vorn am Bühnenrand erwischt, gleich an dem Laufsteg, hat man Glück. Oben im Bühnenraum rezitieren jetzt alle Schauspieler und Sänger Texte und spekulieren über den Verbleib Maries. Der Vorhang hebt sich und man sieht im ersten Rang eine Szene, wie Stolzius, Desportes und Mary Suppe serviert. In die Suppe von Desportes mischt Stolzius Gift. Es kommt zu einem Übergriff in der Loge, wobei Stolzius, Desportes sein wahres ich zeigt. Mary schießt und flieht über die Stühle. Stolzius wirft dagegen sein Alter-Ego als Puppe ins Parkett. In der Schlussszene läuft eine total heruntergekommen Marie zwischen den Zuschauern rum und bettelt um Geld. Selbst ihr eigener Vater erkennt sie nicht mehr. Auf den Monitoren sieht man die grüne EKG-Linie von Marie. Das Orchester braust ein letztes Mal auf zum Forte, um dann auf dem ausklingendem Ton D zu verharren. Als die EKG-Linie keinen Ausschlag mehr zeigt, ist das Stück vorbei.
Ich hatte das Stück ja schon in der Liveübertragung des BRs gehört und da schon tapfer durchgehalten. Jetzt mit einem Szenenbild macht die Oper deutlich mehr Sinn. Mit der Zwölftonmusik und der vielschichtigen Überlagerung hatte ich so meine Schwierigkeiten. Das fordert den Zuhörer schon sehr und man ist auch nicht unglücklich über die Stopps in der Musik, die sich durch die Umbaupausen ergeben. Die Geschichte um Marie ist jedenfalls gut herausgearbeitet, das muss man der Regie lassen. Manche behaupten ja, man hätte aus der Oper eine Traviata gemacht. Es ist gerade in den Anfangsszenen sehr geglättet, eben eine verträglichere Fassung der Soldaten, die auch Einsteigern entgegenkommt. Es gibt aber auch hier eindringliche Szenen, wie Marie im Gewitter zwischen den Schlagwerken auf der Bühne umherrennt und so ganz als naives Mädchen erscheint. Nicht zuletzt bleibt die Sequenz im vierten Akt in Erinnerung, bei der es aber stark abhängt davon, wo man auf der Bühne steht. Wenn einem die Marie dann so in einem Meter Entfernung und um Geld bettelnd begegnet, ist das schon sehr berührend.
Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg
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