Don Carlos goes Christkindlesmarkt
Das Nürnberger Staatstheater wagte sich an die fünfaktige Fassung von Verdis Don Carlos. Jens-Daniel Herzog führte dabei die Regie, es dirigierte Joanna Mallwitz. Gerade an Regie und Dirigat gab es im Vorfeld viel Kritik. Don Carlos selbst sitzt über mehrere Akte am Rande der Bühne in einem grünen Polstersessel, auch wenn er im Stück eigentlich gar nicht erscheinen soll. Das Bühnenbild ist kahl und besteht aus viel Seitenwänden, die man nach Bedarf mit einer Holzvertäfelung oder ganz in Weiß zu sehen bekommt. Dass man aber die fünfaktige Fassung mit dem Fontainebleau-Akt ausgewählt hat, ist positiv zu vermerken. Es erschließt doch den Verfassungszustand von Don Carlos besser.
Zu Beginn jagt ein Männerchor die Prinzessin von Spanien durch den Wald von Fontainebleau. In Weiß wird die Elisabeth von Valois durch den Wald getrieben. Sie verkündet die Unterzeichnung des Friedensvertrags durch die Heirat mit Don Carlos. Im Wald erwartet Don Carlos seine Braut. Er möchte diese unerkannter Weise begegnen. Ein Amulett spielt dazu eine Schlüsselrolle, mit dem sich Don Carlos schließlich zu erkennen gibt. Sie sind sofort ineinander verliebt. Sie legen ihre Hochzeitskleidung an, Don Carlos einen grauen Frack und Elisabeth einen weißen Reifrock. Allerdings wird sich jetzt die Lage verkomplizieren, denn es kommt die Kunde, dass eine Heirat nur zwischen Elisabeth und Philippe II den Frieden sichern kann. Alle flehen sie an, in die Hochzeit einzuwilligen, was sie schließlich auch tut. Das Volk hält sich dabei Bilder von König Philipp vor das Gesicht. Ein zu tief verletzter Don Carlos bleibt zurück, der seine Liebe an seinen Vater abtreten muss. Philipp zieht höchstpersönlich Elisabeth an seinen Hof. Das Trauma des Verlusts der Geliebten arbeitet er die ganze Oper ab.
Wie versteinert verfolgt nun Don Carlos im Sessel die nächsten drei Akte, dies soll die Ereignisse aus seiner Sicht schildern. Im Hintergrund sieht man ein großes Ölgemälde von Karl V.. Philippe und sein Gefolge legen dort einen Kranz ab. Nun erscheint Marquis de Posa, den Schiller in die Zeit reinerfunden hat. Posa und Carlos sind Jugendfreunde und miteinander erzogen worden. Posa verkörpert den Geist der Französischen Revolution und das eigentlich im 16. Jh. in Spanien. Warum der Mönch im Hintergrund sich mit einem Messer in die Brust ritzen muss, erklärt sich nicht. Auch der Bombenkoffer erscheint etwas deplatziert. Don Carlos bekennt seine Liebe zu seiner Stiefmutter, während Posa nun vorschlägt, der Bevölkerung in Flandern gegen die Unterdrückung zur Seite zu stehen. Das alles wir von einem wunderbaren Duett untermalt. Das Motiv dieses Duetts zieht sich immer wieder durch die Oper. Es wird zum Freundschaft-Duett die Fahne Flanderns ausgerollt und man sieht das erste Mal die Gesandten Flanderns.
Im nächsten Bild vertreiben sich die Hofdamen die Zeit im Garten von Yuste. Hier ist der erste Auftritt der Prinzessin Eboli, warum die sich nun ausgerechnet auf offener Bühne die Zeit mit einem Pagen vertreibt, ist eben Regie und eigentlich nicht klostertauglich. Elisabeth soll nun Einfluss auf Philippe nehmen und den Einsatz in Flandern erlauben. Dabei fällt er zu Boden und gesteht ihr seine Liebe. Dass sie dabei wieder übereinander herfallen müssen? Regie eben. Elisabeth meint nun, er müsse dazu schon seinen Vater töten. Philippe tritt nun auf, in Gefolge eines kleinen Kindes. Er ist verärgert darüber, dass Elisabeth allein ist. In dieser Inszenierung erschießt er die Gräfin von Aremberg mit lautem Knall, die eigentlich nach Frankreich zurückkehren soll. Nun ist sie eben tot. Der Hofstaat zerstreut sich und Philippe unterhält sich mit Posa. Das Kind wird kurzerhand vor einen Fernseher gesetzt, auf dem Zeichentrickfilme laufen. Philippe beharrt auf seiner harten Position gegen Flandern und bittet Posa, ein Auge auf Don Carlos zu haben.
Im Garten des Hofes wird nun Don Carlos getäuscht. Es schleicht Elisabeth über der Bühne. Der Infant unterliegt einer Täuschung und macht ausgerechnet Prinzessin Eboli eine Liebesoffenbarung. Sie erkennt, dass dieses Bekenntnis eigentlich nicht ihr gemeint war und beschließt, dieses Wissen gegen die Königin einzusetzen. Diese Tatsache will Eboli nun den König Philippe melden. Posa sieht das und will Eboli umbringen, wovon ihn Don Carlos abhält.
Im dritten Akt gehen die Hochzeitsfeierlichkeiten ihrem Höhepunkt entgegen. Die Hochzeitsgesellschaft trägt teilweise Clownsmasken. Posa bittet um die Papiere über Flandern in dem schwarzen Koffer. Er lässt sich von der Treue seines Freundes überzeugen. Gegen Ende ballern die Konfettikanonen und es kommt Elisabeth mit der Infantin.
Es gibt einen Szenenwechsel zu einem Autodafé. Das Licht ist dabei blendend auf die Zuschauer gerichtet. König Philipp wird in einer Art Ringkampf handgreiflich gegen einen Statisten. Der König gewinnt natürlich den Kampf und wird bejubelt. Die Inquisition verbrennt zur Feier des Tages ein paar Ketzer. In grüner Beleuchtung wird das schon ziemlich schaurig. Flandrische Gesandte bitten um Gnade für ihr Land und werden von Don Carlos und Elisabeth unterstützt. Als Philippe dies ablehnt, greift Don Carlos mit einem Messer seinen eigenen Vater an. Posa nimmt Don Carlos die Waffe ab und wird zur Belohnung zum Herzog ernannt. Am Ende des Aufzugs erscheint ein kitschiger Engel mit goldenen Flügeln und rosa schillerndem Kleid, als Stimme von oben. Nach meinen Erfahrungen bei der Eröffnung des Christkindlesmarktes in Nürnberg, hätte die Oper da Passenderes im Fundus.
Der vierte Akt beginnt mit einem eindringlichen Monolog von Philippe. Vorher gibt es wieder eine Rangelei mit Elisabeth, wo sie sich den Liebkosungen von Philipp widersetzt. Dieser ist enttäuscht, denn Elisabeth hätte ihn nie geliebt. Die Infantin wird dazu vor den Fernseher gesetzt, was die Szene ziemlich schädigt. Der Großinquisitor wird gezeichnet als 90-jähriger blinder Greis. Der Großinquisitor mit Sonnenbrille und Krückstock wird gefragt, ob Philippe seinen Sohn wegen der heimlichen Liebe zu seiner Stiefmutter in die Verbannung senden soll oder töten. Der Großinquisitor empfiehlt den Tod. Dieses Duett zweier tiefer Bässe hat Seltenheitswert. Außerdem empfiehlt der Großinquisitor dem König, Posa der Inquisition zu übergeben. Posa wäre mit seinen liberalen Ansichten eine viel größere Gefahr als Don Carlos. Vor diesem Rat der Inquisition beugt sich der König. Dem Großinquisitor streckt die Infantin frech die Zunge raus, als dieser abtritt.
Elisabeth beklagt nun den Diebstahl einer Kassette mit wichtigen Dokumenten. Es stellt sich heraus, dass Eboli sie dem König zukommen ließ. In der Schatulle ist pikanterweise das Amulett mit dem Bild von Don Carlos. Jetzt packt Eboli noch mal richtig aus. Sie gesteht einen Ehebruch mit dem König und die Liebe zu Don Carlos. Sie versucht, Don Carlos zu retten, in dem sie das Volk aufwiegelt.
Posa sagt Don Carlos im Gefängnis Lebewohl, denn die Papiere verraten seine Schuld. Auf eine weiße Wand schreibt dieser prisonnier de l’inquisition (Gefangener der Inquisition). Posa wird nun von hinten von Philippe selbst erstochen, was ziemlich unsinnig ist, denn eigentlich ist er sein Vertrauter. Sterbend verkündet er, dass Elisabeth im Kloster von St. Yuste wartet.
Nun wird der tote Posa mit einem großen Schild Liberté auf den Stuhl gesetzt. Hinter ihm im Kloster von St. Yuste treffen sich Elisabeth und Don Carlos. Elisabeth verliert nun ihr Leben und wird mit einem Baseballschläger erschlagen, während Don Carlos entsetzt an der Seite zusehen muss. Am Ende triumphiert das kleine Kind als Infantin von Spanien.
Auch ich war mit der Regie nicht besonders zufrieden, denn das Bühnenbild verdeutlicht die einzelnen Schauplätze nur unzureichend. Die Musik war an einigen Stellen deutlich zu laut, was die Sänger teilweise sehr forderte. Gut gefallen hat mir an diesem Abend Prinzessin Eboli dargestellt durch Raehann Bryce-Davis, gerade Ebolis Schlussmonolog ist sehr ergreifend gelungen. Nicolai Karnolsky spielt eindringlich den zerrissenen König Philippe, der von seiner Frau nie geliebt wurde. Die Vorlage dazu ist ein autokratischer König, der sehr im Verborgenen mit Papieren regiert hat. Tadeusz Szlenkier gibt einen heldischen Don Carlos und kann sich oft gegen das Orchester durchsetzen. Verdi hat es in diesem Auftragswerk der Pariser Oper geschafft, unglaublich schöne Melodien unterzubringen. Auch sind die Grundkonflikte des Werks von Schiller gut umgesetzt. Auch wenn es von diesem Werk sieben verschiedene Fassungen gibt, in Nürnberg läuft die schlüssigste, wie ich finde. Nach dieser Zählung spielt man die dritte Fassung auf Französisch ohne Ballette.
Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg
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