Don Giovanni im Spiegelsaal oder Wer war der Mörder des Komtur?
Kann man den Vorabend von Mozarts 257. Geburtstag besser begehen als mit einer Premiere von Mozarts Don Giovanni? Peter Schmiedleitner hat sich dieses Stück vorgenommen und für das Staatstheater in Nürnberg neu erarbeitet. Aufgeführt wird eine “nachgebesserte” Wiener Version. Schon zu Beginn sieht man den Hauptdarsteller in einer Großprojektion auf dem Bühnenvorhang. Es dauert eine Weile, bis man merkt, dass man es mit einer Videoprojektion zu tun hat. Don Giovanni ist leicht bekleidet mit einem blauen Tuch. Der erste und der zweite Akt spielen in einem Spiegelsaal. Die Spiegel sollen die Selbstverliebtheit Don Giovannis zum Ausdruck bringen. Zu Beginn geschieht der Mord am Komtur. Don Giovanni hatte dessen Tochter Donna Anna versucht zu vergewaltigen, bei diesem Versuch wird Don Giovanni gestellt. Es kommt zu einem Duell mit dem Komtur, das dieser blutig verliert. Gegen den Diener Leporello und Don Giovanni hat der Komtur keine Chance. Als Kreideumriss ist er während der darauffolgenden Zeit ständig mit einem Blutfleck auf der Bühne präsent. Dieser Mord wird so etwas in den Mittelpunkt der Inszenierung gerückt. Da es dunkel war, kann der Mörder unerkannt verschwinden. Das blutgetränkte Hemd wechselt Don Giovanni auf der Bühne. Darauf erscheint Donna Elvira, eine verflossene von Don Giovanni mit Gepäck und Brille. Ganz als Rächerin in Rot versucht sie aber immer wieder, Don Giovanni für sich zurückzuerobern. Leporello rechnet ihr aber mit der Registerarie vor, wie viele Herzen Don Giovanni schon gebrochen hat. Dabei führte er immer in einem Notizbuch auf, wie viele Frauen es waren und zeigt Donna Elvira Bilder der Eroberungen und Schlüpfer. Während der Arie scheut Don Giovanni nicht zurück, in die erste Reihe des Theaters zu steigen und dort sein Glück bei den Damen per Handkuss zu probieren. Elvira schwört Rache. Es erscheint eine Hochzeitgesellschaft mit Masetto und Zerlina. Die Partygäste sind gut drauf und tanzen Gangnam-Style, also den Pferdetanz des Rappers Psy. In der Braut Zerlina sieht Don Giovanni seine nächste Eroberung (la ci darem la mano). Der Annäherungsversuch an Zerlina platzt durch Intervention von Donna Elvira. Don Giovanni ist von der Flucht so geschafft, dass er sich erst einmal ein paar Pillen genehmigt, um wieder fit für neue Abenteuer zu sein. Es kommen Ottavio und Donna Anna hinzu. Sie erinnert sich an die Nacht, in der ihr Vater ermordet wurde. Das nun folgende “Or sai chi l’onore” der Donna Anna gelingt so gut, dass die Arie schon vor Ende durch Applaus unterbrochen wird. Ottavio beschließt, den vermutlichen Mörder im Auge zu behalten. Don Giovanni weist Leporello an, eine Party mit Kaffee und Schokolade für die Hochzeitsgäste zu geben. Vorher zieht er sich noch eine Ladung Koks, bevor er die Champagnerarie zum Besten gibt. In einer Videoprojektion lädt er übergroß zur Party ein. Er versucht, Masetto von Zerlina zu trennen. Wieder probiert er bei Zerlina zu landen, in dem er mit ihrer rosa Schärpe spielt. Masetto tritt aber jetzt wutentbrannt mit einem Baseballschläger auf und stellt Don Giovanni. Auf dem nun folgenden Maskenball geht es recht freizügig zu. Die Männer der Feier scheinen Troll Face-Masken aufzuhaben. Statt des Kaffees und der Schokolade verteilt Leporello Pizzaschachteln an die Gäste. Elvira, Anna und Ottavio erscheinen ebenfalls auf dem Ball verkleidet nur mit Sonnenbrillen. Am Ende der Szene klappt der Spiegelsaal zu. Das ist sozusagen das Seitenzimmer, in dem Don Giovanni Zerlina zu erobern versucht. Don Giovanni wird von Ottavio mit einer Pistole bedroht. Am Bühnenrand kommt es zum Schlussbild des ersten Aktes, bei dem Leporello und Don Giovanni mit einer Handschelle aneinander gekettet werden.
Den folgenden Beginn des 2. Aktes müssen Don Giovanni und Leporello gemeinsam durchstehen. Immer noch aneinander gekettet vertauschen sie ihre Rollen. Das sind dann lustige Momente, in denen sie zu zweit über die Bühne gehen müssen und der eine jeweils den Part des anderen übernehmen muss. In der Zofe von Donna Elvira hat Don Giovanni ein weiteres Opfer entdeckt, das er mit einer Arie zu erobern sucht. Es erscheint aber in Wirklichkeit Donna Elvira, die mit dem Diener nun flüchtet. Wieder treten Masetto und seine Freunde mit Baseballschlägern auf und verprügeln Leporello, der prompt ein blaues rechtes Auge für seinen Herrn bekommt. Im Bühnenboden verschwindet nur Don Giovanni, immer noch mit der Handschelle an Leporello gefesselt. Aus der Klappe taucht aber dann zur Überraschung Donna Elviras Kammerzofe am anderen Ende der Handschelle auf. Elvira, Ottavio und Anna enttarnen Leporello jetzt. Dabei wird immer mehr zur Gewissheit, dass Don Giovanni der Mörder des Komturs ist. Elvira sieht ihren Plan, Don Giovanni für sich zu erobern, endgültig für gescheitert an und ertränkt ihren Kummer in Alkohol und Zigaretten. Auf dem Bühnenboden macht es sich nun Don Giovanni gemütlich, es ist nachts zwei und man befindet sich auf dem Friedhof. Hier läuft ein untoter Komtur herum, mit einer großen Bauchwunde. An einem Tattoo am linken Unterarm steht: “Hier erwarte ich die Rache an dem Gottlosen, der mich erschlug". Don Giovanni findet das eher belustigend und lädt diesen untoten Komtur zum Abendessen ein. Wieder tritt Anna auf einem Strauß weißer Lilien, die sie an der Kreidezeichnung ihres Vaters ablegt. Ottavio macht ihr Vorwürfe, dass die Hochzeit abermals verschoben ist. Bei dem nun folgendem Abendessen, liegt eine leicht bekleidete Frau auf der Tafel. Das ist Don Giovannis letzte Eroberung, die er zusammen mit seinem Diener vernaschen will. Don Giovanni gibt sich als echter Lüstling und trinkt Sekt aus ihrem Bauchnabel. Mitten bei diesen fleischlichen Gelüsten klopft der untote Komtur an die Tür. Begleitet von vier Frauen mit Schleiern setzt er sich an Don Giovannis Tafel. Als Don Giovanni ihm die Hand gibt, heben sich die Wände des Spiegelsaals und die schwarze Bühne kommt zu Vorschein. Don Giovanni fährt mit seiner Gespielin zur Hölle und der Mord ist gerächt. Im Abschluss geben Elvira, Zerlina, Masetto, Ottavio und Anna ihre zukünftigen Pläne bekannt.
Die Handlung der Oper ganz in einem Spiegelsaal spielen zu lassen ist ein Wagnis. Die Mailänder Scala hatte in ihrer Aufführung 2011 ebenfalls einen Spiegel zu bieten. Die unterschiedlichen Orte fließen ineinander über. Man braucht Phantasie, sich die unterschiedlichen Szenen vorzustellen, an denen die Oper spielt. Der Kreideumriss, der immer auf der Bühne präsent ist, macht aus der ganzen Oper einen Krimi. Die Suche nach der Frage, “Wer war der Mörder des Komtur"? wird immer wieder in den Mittelpunkt gestellt. Dass dieser Don Giovanni auch komische Aspekte hat, wird am Beginn des 2. Aktes klar. Die Szene, an denen Herr und Diener aneinander gekettet sind, ist wirklich gekonnt umgesetzt. Lustiger als sonst, wenn Leporello und Don Giovanni wirklich Rollen tauschen. Die Sänger waren an der Premiere großartig. Egal ob es Tilman Lichdi als Ottavio war oder Hrachuhí Bassénz als Elvira oder auch Michaela Maria Mayer als Donna Anna, die spontanen Szenenapplaus erhielt. Einzig die Regie wurde mit einer geteilten Meinung aus Buhs und Bravos konfrontiert.
Quelle: Staatstheater Nürnberg
Kritik in der Nürnberger Zeitung: Georg Schmiedleitner inszeniert “Don Giovanni”
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