Ein unterhaltsamer Wildschütz
Im Klavierauszug waren mir Teile des Wildschützes von Albert Lortzing schon geläufig, dennoch bietet die Musikhochschule Nürnberg eine Möglichkeit, dieses Werk komplett zu sehen. In einer Regie von Thomas Mittmann, macht man mit der Moderne wenig Experimente, sondern setzt ganz auf den Charme einer klassischen Inszenierung. Am Pult des Orchesters steht niemand anderes als Guido Rumstadt, der mit den 16 Musikern einen fast vergessen lässt, dass das Orchester relativ klein ist. Mit dem jungen Ensemble zusammen und eine textuelle Bearbeitung an der ein oder anderen Stelle verzaubert auch der vielleicht etwas angestaubte Stoff. Ein Graf, der seine eigene Schwester nicht erkennt, die zuerst als Student, dann als Frau zum Geburtstag auf dessen Schloss kommt. Ein Baron, der auf dem Schloss als Stallmeister arbeitet und seine eigene Schwester nicht erkennt. Ein trotteliger Schulmeister, der sich für schuldig hält, gewildert zu haben und den Grafen um Verzeihung bittet, aber eigentlich unschuldig ist. All die Handlung macht vielleicht nur Sinn, wenn man sich am Ende auf die Stimme der Natur beruft. Dazu tritt am Anfang und am Ende des Stücks ein Kinderchor auf. Hier wurde schon mit sehr viel Liebe zum Detail gearbeitet.
Im ersten Akt wird durch Fachwerk ein Dorfgasthof angedeutet. In der Mitte ist eine Tür, die auf und Abgänge der handelnden Personen ermöglicht. Gretchen und der deutlich ältere Schulmeister Baculus liegen bei ihrer Verlobung im Streit. Für die Hochzeit in acht Tagen war der Bräutigam wildern und hat angeblich einen Rehbock erschossen. Der Graf hat dies Mitbekommen und den Schulmeister daraufhin entlassen. Der Bock ist entkommen, sodass man ohne Hochzeitsmahl dasteht und nun auch noch ohne Anstellung. Baculus überleg nun, wie man mithilfe seiner angehenden Braut beim Grafen um Milde bitten kann. Der Graf würde auf junge Mädchen stehen, jedoch will er seine Braut nicht unbedingt vom Grafen verführt wissen. Es kommen nun zwei Studenten in die Wirtschaft, die eigentlich verkleidete Frauen sind. Einer der Studenten ist nun die verwitwete Schwester des Grafen, die von ihrem Bruder mit einem Baron Kronthal verheiratet werden soll, den sie nicht mal kennt. Der angebliche Student bietet sich nun als Frau des Schulmeisters auf das Schloss zu kommen. Aus den Zuschauerrängen tauchen nun der Graf und der Baron von Kronthal auf. Diese sind bei einer Jagdgesellschaft und kommen zufällig ins Gasthaus. Der Graf lädt nun alle zum Geburtstag ein. Damit ist Pause.
Im zweiten Akt wurden die Wände des Gasthofes gedreht und stellen nun ein weißes Schloss da. Die Gräfin mit ihrer langen, blauen Robe ist komplett der antiken Komödie verfallen und rezitiert auf einem Tisch einen antiken Stoff von Sophokles. Der Schulmeister kommt nun mit dem falschen Gretchen auf das Schloss und stört die Darbietung, die aber niemand versteht, da sie auf Altgriechisch ist. Der Schulmeister versucht nun bei der Gräfin um Milde zu bitten, die findet erst Interesse an seiner Sache, als er sich als Kenner der Antike ausgibt. Die Täuschung gelingt ihm zwar bei der Gräfin, der Graf erkennt ihn aber eindeutig als Schulmeister und Wilderer und möchte ihn nicht mehr sehen. Allerdings hab sein Stallmeister und der Graf inzwischen ein Auge auf das falsche Gretchen geworfen. Jetzt zieht ein Gewitter auf und der Schulmeister und Gretchen müssen im Schloss übernachten. Der Schulmeister wird vom Grafen dabei in einen hypnotischen Schlaf geschnippt. Der Graf und der Stallmeister spielen nun eine Partie Billard, wer von ihnen als Sieger hervorgeht, darf das falsche Gretchen haben. Plötzlich geht das Licht aus, es wird laut im Schloss und die Gräfin wacht auf. Im Schlafanzug bietet sie dem falschen Gretchen eine Übernachtungsmöglichkeit in ihrem Schlafgemach an. Der Stallmeister bietet für das falsche Gretchen jetzt 5000 Taler und der Schulmeister ist außer sich, dass er plötzlich so viel Geld hat. In einer aktualisierten Arie überlegt er, was er mit dem Geld machen könnte (Twitter kaufen, Real Madrid oder einen Tank voll Sprit). Der textuelle Ausflug in die Moderne ist wirklich lustig und der Schulmeister kann sein komödiantisches Talent voll ausspielen.
Es folgt eine kurze Umbauphase zum dritten Akt. Der Schulmeister bringt nun das richtige Gretchen zum Schloss, mit der Aussicht, Baronin zu werden, kann sie sich gut anfreunden. Der Stallmeister besteht aber darauf, das falsche Gretchen zu daten, was nach dem Schulmeister unmöglich sei, da dieses Gretchen ja eigentlich ein Mann ist. Auf der Geburtstagsfeier des Grafen klären sich aber nun alle Beziehungen. Das falsche Gretchen und der Stallmeister, der eigentlich der Baron Kronthal ist, heiraten. Der Schulmeister wird in den Schuldienst eingestellt, denn der Diener im Schloss enthüllt die peinliche Tatsache, dass der Schulmeister seinen eigenen Esel erschossen hat.
Eine komische Oper ist immer deutlich schwieriger auf die Bühne zu bringen als eine Tragödie. Hier in der Hochschule ist dies jedoch gut gelungen. Vor allem bei der 5000-Taler-Arie kommt man voll auf seine Kosten. Jedoch hätte ich auch dieser Aufführung mehr Besucher gewünscht, die Zurückhaltung ist immer noch groß. Sofia Savenko gibt aber eine wunderbare Baronin von Freimann in der Doppelrolle als Studentin. Die Herrenpartien in dem Stück sind etwas undankbar, vom Schulmeister einmal abgesehen. Die kommen als trottelige, hormongesteuerte Knallchargen daher, die nicht einmal ihre eigenen Schwestern erkennen. Sogar an den Kinderchor zu Beginn und am Ende wurde gedacht, worüber ich sehr überrascht war. Elena Eismont als Fan griechischer Antike schafft sowohl die Anmut in der blauen Robe zu sein als auch die Karikatur im Schlafanzug im zweiten Akt. Mit Guido Rumstadt am Pult hat man eine gute Wahl getroffen, sodass die Oper musikalisch eine Runde Sache wurde. Die Aufführung war sehr erfreulich.
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