Hoffmanns Erzählungen - Alle 4 in Berlin
Foto: Sandra Ott
Zu einer Aufführung von Hoffmanns Erzählungen von Jacques Offenbach bin ich nach Berlin an die Deutsche Oper gefahren. Zu sehen ist dort in einer Wiederaufnahme eine Inszenierung von Laurent Pelly, die schon 14 Jahre alt ist, aber schon weltweit gezeigt wurde (Barcelona, Lyon, San Francisco). Auch wenn man die Regie als etwas konservativ bezeichnen mag, so wird sie doch dem Stück sehr gut gerecht. Und die Art und Weise, wie Laurent Pelly die Chöre über die Szene bewegt, ist typisch und schon aus so Inszenierungen wie der Regimentstochter bekannt. Das Besondere an der Inszenierung: Alle vier Frauenrollen werden von derselben Sängerin gesungen, nämlich Cristina Pasaroiu. In den Textpassagen wird von den drei Abenteuern des Hoffmann gesprochen, dass es sich eigentlich immer um dieselbe Frau dreht, dennoch sind die stimmlichen Anforderungen an die Hauptdarstellerin weit auseinander. So muss man erst eine Sängerin finden, die sowohl Koloratur- , Lyrischer und Dramatischer Sopran ist.
Die Szene beginnt links am Bühnenrand mit einem am Boden liegenden Hofmann. Die Muse, die in der folgenden Oper schützen soll, kriecht aus dem Bühnenboden und verwandelt sich in den männlichen Begleiter Nicklausse. Der Chor stimmt derzeit ein lustiges Trinklied an (Gluck, Gluck, Gluck), ist aber schon mit rot beleuchteten Masken etwas gruselig. In der Oper tritt auch immer wieder der Teufel auf und treibt in verschiedenen Rollen sein Unheil. Schon am Anfang steht er vor zwei unterschiedlichen großen Türen als Lindorf. Die Szene wechselt zu einer Art Garderobe mit verschiebbaren Sitzmöbeln und einer Hutablage. Hoffmann stimmt das Lied von Klein-Zack an, das ihn vor der letzten Strophe in eine Traumwelt mit drei Episoden mit Frauengestalten abgleiten lässt. Eigentlich warten die Herren auf die Aufführung von Mozarts Don Giovanni, in der die Sängerin Stella einen Auftritt hat.
Bei der ersten Frauenfigur handelt es sich um Olympia. Olympia ist das Geschöpf Spalanzanis und eigentlich eine Puppe. Am Anfang sieht man eine Experimentierkammer des Physikers mit Starkstromleitungen und seitlichen Rängen. Diese Szene schließt sich relativ schnell und man ist wieder außen vor der Fensterfront des Labors. Dort blickt Hoffmann sehnsuchtsvoll nach seiner geliebten Olympia. Dieser fehlen aber noch die Augen, die ihr ein dämonischer Kaufmann Coppélius gegen einen Wechsel verkaufen will. Nicklausse warnt Hoffmann vor Olympia, die nur dümmliche Antworten geben wird. Dabei äfft er die Puppe nach. Der Coppélius, der nun erscheint, hat in seinem Wams eine ganze Sammlung von Augen. Das Geschäft zwischen Spalanzani bleibt im Dunkeln und schließlich kauft Hoffmann für drei Dukaten die Augen vom Teufel. Die Szene öffnet sich wieder und man befindet sich im Labor. Der Laborhelfer stellt die Puppe vor. Diese bewegt sich auf einem mechanischen Hebekran synchron zu den Koloraturen auf und ab. Zweimal wird diese Puppe während der Arie aufgezogen. Gegen Ende der Arie fährt der Kran mit der Sopranistin Karussell und die letzten Töne singt diese frei schwebend über den Orchestergraben. Hoffmann ist schließlich mit Olympia alleine, aber sie gibt nur ein einsilbiges „Qui-Qui“, von sich. Es kommt zu einer Massenszene, wo Hofmann mit Olympia Walzer tanzt. Dabei steht Olympia auf Inline-Skates. Der Walzer wird immer schneller und Olympia ist am Ende defekt. Zerlegt in Einzelteilen kommt sie als lebensgroße Puppe auf die Bühne. Der Kopf wird vom Rumpf getrennt und Hofmann liegt ratlos vor der zerlegten Olympia, Coppélius holt sich seine Augen wieder.
Die zweite Frauenfigur ist Antonia. Sie blättert in alten Noten und singt von ihrer Liebe zu Hoffmann. Antonias Mutter sei wohl am Gesang gestorben, Antonia hätte die tödliche Krankheit ererbt. Ihr Vater verbietet ihr das Singen daher. Er steht auch im Kontakt mit einem mysteriösen Arzt dem Dr. Miracle, der auch Antonias Mutter kuriert hätte. Der Gehilfe Franz macht am Anfang der Szene Ballettübungen an einem Geländer. Man befindet sich in einem großen Treppenhaus. Oben sieht man eine Tür mit einem Geigenzimmer. Antonias Vater ist Geigenbauer und will hinter das Geheimnis des Geigenklangs kommen. Eine Geige bringt Antonia hoch ins Zimmer, die noch zerlegt werden soll. Auf zwei Treppenhälften singen Hoffmann und Antonia sich an. Hoffmann versucht Antonia nun mitzunehmen und hinter das Geheimnis zu kommen, weshalb Ihr Vater ihr das Singen verbietet. Er belauscht eine Unterhaltung mit dem diabolischen Arzt, der ihm eine grüne Tinktur empfiehlt. Das Treppenhaus ist verschiebbar und erinnert etwas an die Hogwarts Treppenhäuser in Harry Potter. Mit kreiselnden Spiralen und einem Ritt auf der Lampe beschwört Dr. Miracle den Vater Antonias, ihr die Medizin zu geben. Mit seinen magischen Kräften öffnet der Dr. Miracle nun die Tür und prophezeit Antonia einen frühen Tod mit 20, wenn sie weiter Singen würde. Schon etwas angegriffen trifft sie Hoffmann, der ihr den Schwur abnimmt, dem Singen und jede Art von Auftritten zu entsagen. Der Teufel holt eine negative Projektion der Mutter heraus, die nach ihrer Tochter ruft. Faszinierend, wie der Teufel die Türen wechselt und von unterschiedlichen Ecken der Bühne aufbraucht. Entkräftet stirbt nun Antonia. Am Ende liegt sie wieder in dem Zimmer, wo Hoffmann und Nicklausse sie nochmals treffen. Antonias Vater beschuldigt Hoffmann schuld am Tod seiner Tochter zu sein. Auch die lyrische Figur von Antonia überlebt den Akt nicht.
Die letzte Frauenfigur ist die Kurtisane Guiletta in Venedig. Man hört gleich zu Anfang die bekannte Barcarole. Es wird ein Palazzo angedeutet mit wehenden Vorhängen. Guiletta singt auf einem Sessel. Schlemihl hätte Dapertutto seinen Schatten verkauft. Diesen will er wiederhaben. In einem Duell sticht Hoffmann Schlémil nieder. Gegen Diamanten verspricht Guiletta Dapertutto, das Spiegelbild des Hoffmanns zu besorgen. In einem großen Monitor an der Decke und geschickten Projektionen sieht man, wie das Spiegelbild Hoffmanns verschwindet. Es kommt der Chor auf die Bühne mit kleinen Spiegeln in der Hand und bedrängt Hoffmann. Der Teufel triumphiert mit Guiletta, die am Ende von Hofmann mit dem Degen erstochen wird. Der ist inzwischen in Verzweiflung und flüchtet.
Wie aus einem Fiebertraum erwacht ist Hoffmann wieder im Keller von Lutter und Wegner. Der Herrenchor stimmt wieder das Trinklied an. Hofmann beendet das Lied von Klein-Zack. Stella beendet ihren Auftritt im Don Giovanni und Hofmann weißt sie zurück. Nicklausse verwandelt sich in die Muse zurück. Hoffmann und die Muse, kauern am linken Bühnenrand und die Oper endet, wo sie vor vier Stunden begonnen hatte.
Mir hat es wirklich gut gefallen. Um die Geschichte der unvollendeten einzigen Oper von Jacques Offenbach ranken sich Unheilsgeschichten. So werden die beiden Brände in der Oper von der der Opera Comique und der Wiener Ringbrand mit dieser Oper in Verbindung gebracht. Daher haftete der Oper der Dünkel an, Unheil zu verbreiten. Alex Esposito schafft es, mit den Regieeinfällen von Laurent Pelly, wirklich eine beklemmende Stimmung zu verbreiten. Ob das alles nur ein Traum von Hofmann um eine Frauenfigur war, oder ob sich jetzt alles nur um dieselbe Frau gedreht hat, bleibt letztendlich offen. Die Rolle der Frauenfiguren mit nur einer einzigen Sängerin zu besetzen, wie das in Lyon ebenfalls der Fall war, ist ein Herausforderung an die Darstellerin Cristina Pasaroiu, die in den drei Akten ganz unterschiedliche Stimmaspekte präsentieren muss. Die kräftezehrende Rolle des Hoffmann hat Johannson gut bewältigt. Blass geschminkt hat er wirklich einen überzeugenden Dichter geliefert. Alex Esposito als Teufel in den unterschiedlichen Rollen, versteht es, Grusel zu verbreiten. Mir hat die Aufführung dort sehr gut gefallen, auch was Laurent Pelly dort als Regiearbeit abgeliefert hat. Man kann jetzt bemängeln, dass die Oper mit zwei Pausen und den etwas länglichen Dialogen etwas zu einem XXL-Format ausufert. Letztlich stimmt meiner Ansicht nach das Ergebnis.
Quelle: YouTube | Deutsche Oper Berlin
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