Lohengrin - Gemeinsam in trüben Tümpeln
Der Filmressigeur Kornél Mundruczó inszeniert den Lohengrin in München als gescheitertes Sozialexperiment mit einem weißen Bühnenbild von Monika Pormale. Wer den Lohengrin von Richard Wagner nicht kennt, wird ihn dort wahrscheinlich auch schwer verstehen. Es ist perfide Absicht des Regisseurs, dass alle Akteure im gleichen weiß-grauen Homeoffice-Schlabberlook erscheinen. Lohengrin soll ein nicht so ganz positiv besetzter Held aus dem Volk sein. König Heinrich erkennt man leicht, denn er ist der einzige Brillenträger, aber schon beim Heerrufer wird es schwierig. Die Hauptakteure können einfach in der Masse der weißen Jogginganzüge und Merinorunners untertauchen, wobei wir schon bei einem der Kritikpunkte des Werks sind. Die Sneakers verursachen unangenehme Quietschgeräusche an den leisen Stellen der Partie. Wenn die Musik dann auch mal runterregelt, was leider erst gegen Ende bei der Gralserzählung der Fall ist. Besonders die Pauke im Orchestergraben hat bei diesem Lohengrin ihren Spaß, denn die leisen Einsätze vor allem im ersten Akt sind jetzt nicht die Stärke von François-Xavier Roth. Gegen Ende ist man aber musikalisch wieder versöhnt, denn gegen Thielemann im Lohengrin hat wohl fast jeder Dirigent schlechte Karten.
Die Brabanter sitzen zu Beginn traurig auf einem grünen Hügel, zwei Kunstbäume und ein Tümpel laden zum Verweilen ein. Leichte Kunstnebelschwaden wabern über das Grün. Der Chor ist von Anfang an präsent, winkt, sucht den Retter. Szenisch wird der Verlust von Elsas Bruder dargestellt, wobei Elsa von einigen Leuten aus dem Wasser gezerrt wird. Als Erinnerung an den Bruder liegen dann eine weiße lange Unterhose und ein Shirt auf einem Stein zum Trocknen. Das ist wohl das Einzige, was man von Ihrem Bruder Gottfried noch zu finden war. Elsa trägt vielleicht wegen des Verlusts des Bruders schwarze Kleidung. Aber auch die Gegenspieler Ortrud und Telramund stehen auch schon auf der Bühne. Sie sind während des ersten Aktes ständig präsent, haben aber eigentlich wenig zu singen und wirken etwas unterbeschäftigt. Ortrud ist an ihren roten Haaren zu erkennen. Als Elsa sich des Brudermordes angeklagt sieht und den Retter herbeiruft, kommt er nicht mit dem weißen Schwan gefahren, sondern ist einfach irgendwo aus der Menge am rechten Bühnenrand aufgetaucht. Wie entgeht einem leider, er ist plötzlich da, wobei man vor ihm auch eine Reihe anderer Personen ausprobiert hat, die aber alle nicht den Retter bei Elsa spielen wollen und abwinken. Nun hat der gerufene Held aber die Bedingung an Elas, seine Herkunft nie zu erfahren. Dass sich der Chor und Elsa ausgerechnet beim Frageverbot den Mund zu halten, erinnert etwas peinlich an die Nationalmannschaft in Katar. Elsa akzeptiert die Bedingungen von Lohengrin und es kommt zum Gottesgericht. Nun muss aber aus Platzgründen das Ausmessen des Kampfrings entfallen. In diesen Minuten steht man nur und wartet ab, bis das Kampfgeschehen einsetzt. Beim Kampf kommt neben einem normalen Schwert, jetzt Pyrotechnik mit Bandschleifern zum Einsatz und die Lage wird mit Schwertern und Feuerspeiern entschieden. Wie es Wagner vorsieht unterliegt Telramund. Zum Kampfgeschehen zieht der Chor jetzt die weißen Oberteile aus und macht einen Farbwechsel auf Rot durch. Ihre Sweatshirts werden dabei feinsäuberlich zusammengewickelt. Als Lohengrin dann tatsächlich gesiegt hat, wird er mit Palmwedeln begrüßt. Vielleicht ist es ja in Zukunft in Brabant möglich, dass dort Palmen wachsen, wer weiß. Vor allem der erste Akt ist sehr irritierend, was das Münchner Publikum aber erstaunlich gelassen hinnimmt.
Im zweiten Akt sieht man ein offenes Portal, in das in einer endlosen Prozession Brabanter über Stufen aus dem Keller kommen und in der offenen Tür verschwinden. Das ist zwar sehr effektvoll, trägt aber nur bedingt zur Erklärung des musikalisch interessanten Verschwörungsteils von Ortrud und Telramund bei. Die sind vor einer Steinbalustrade bei einer Flasche Rotwein. Was in dem Alukoffer von Telramund ist, bleibt verborgen, er ist halt einfach da. Die Brabanter feiern den neuen Helden, wobei Elsa oben am Balkon erscheint und einen Joint raucht. Überhaupt ist Elsa von der Regie am interessantesten herausgearbeitet. Sie ist ein zerbrechliches, kiffendes Nervenbündel und wenig glamourös bisher. Sie kommt vom Balkon runter an die Balustrade und kifft mit Ortrud. Diese tut aber nur so, und versenkt den Joint angewidert in dem Weinglas. Es ist ihr aber mit dem gemeinsamen Rauchen gelungen Elsas Vertrauen zu erschleichen. Telramund muss scheinbar sich zur Strafe mit dem Gesicht zur Wand stellen. Auf dem Balkon erscheinen jetzt vier Jungs des Tölzer Knabenchors, die anscheinend nur Blödsinn im Kopf haben. Sie strecken dem Helden von Brabant die Zunge raus und provozieren ihn indem sie mit den Handflächen am Kopf winken. Jetzt werden aber effektvoll rote Bänder vom Balkon geworfen, sechs Stück und noch mal drei Bänder links und rechts. Damit schmückt man das Portal jetzt und rüstet quasi zur Hochzeit um. Kunstvoll werden die Bänder geflochten. Konfettikanonen sprengen Silberflitter in den Bühnenraum und den Orchestergraben. Es deutet sich schon an, dass der Chor mit roten Winkelementen ausgestattet wird. In der weißen Wand neben dem Portal öffnen sich 34 Gucklöcher in denen der Chor singt zum Teil. So recht weiß die Regie nicht, ob es zu den Heilrufen noch politisch korrekt ist, die Hand zu heben. Zu sehr erinnert das ans dritte Reich, so winkelt man die Arme immer etwas verschämt an. Leider ist auch hier die Personenregie nicht besonders schlüssig. Elsa bekommt am Ende einen Umhang verpasst und schlägt mit dem Umhang einen goldenen Kreis, erinnert etwas an die Rauschgoldengel von Nürnberg, passt vielleicht gut zum Christkindlesmarkt am Marienplatz. In dem Akt punktet aber immerhin die Musik inzwischen. Die Verschwörungsszenen hat die nötigen Längen für Ortrud, man gibt der Fiesheit der Verschwörer einen musikalischen Raum.
Der dritte Akt befördert einen in einen weißen Raum mit einem grünen Rasenstück. In der Mitte befindet sich eine weiße Tür. Die Goldflügel von Elsas Umhang werden eingefahren und Elsa befreit sich aus dem Korsett mit Hilfe einiger Damen. Sie hat ein weißes Oberteil mit einem Fragezeichen an. Den Kopf bedeckt sie kurzzeitig mit dem Oberteil von Gottfried. Was die allerdings mit Elsas Unterarmen machen, ist wieder ein Rätsel. Vom zweiten Rang sieht das so aus, als ob man diese mit weißer Farbe bemalt, wozu ist unklar. Die Bemalung wirkt etwas wie Brauthandschuhe. Dann ein unfreiwilliger Lacher, als Lohengrin singt: Wir sind allein, endlich allein. In diesem Moment sind aber rund 60 Chormitglieder auf der Bühne, die bis eben den Brautchor gesungen haben. Lohengrin wird auf dem Rasenstück jetzt aber richtig zudringlich, was angesichts der Umstände, dass man gerade Hochzeit hatte, aber okay ist. Elsa ist Lohengrin aber immer unheimlicher und will nun endlich wissen, wo er herkommt. Wohl wissend, dass damit umgehend gegen den Ehevertrag verstoßen wird und die Trennung unausweichlich ist. Just in dem Moment kommt Telramund auf die Bühne und versucht Lohengrin zu ermorden. Der wehrt sich nun mit dem ganzen Chor und Telramund wird gesteinigt. Der tote Telramund wird an den rechten Rand getragen und mit einem blutigen Laken zugedeckt. Der Chor muss sich wieder mit dem Gesicht zur Wand stellen auf Handzeichen von Lohengrin. Die Brabanter versammelt sich nun wieder, wobei der Heerrufer mehrfach über die Blumen am Rand des Rasenstücks mit beiden Beinen hüpft. König Heinrich trampelt dagegen mitten durchs Gemüse. Über dem Chor senkt sich nun langsam ein übergroßer Meteor auf die Bühne. Elsa kniet auf einem Stein darunter. Drohend liegt er als Unheil über dem Chor und senkt sich der Meteor immer mehr. Allerdings kann Elsa den Meteor besteigen und ihre Schlusstöne mit Lohengrin zusammen in dem dunklen Kunststein singen. Dort übergibt Lohengrin eine leuchtende Truhe mit Horn, Ring und Schwert für Gottfried. Jetzt tritt nochmal Ortrud auf, die das Ganze Spiel längst durchschaut hat, im Gegensatz zum Zuschauer. Der Meteor am Ende ist effektvoll, aber was sagt er aus? Der Erbe von Brabant Gottfried tritt am Ende auf, während der gesamte Chor ohnmächtig am Boden liegt.
Nach dem Knüller in Bayreuth hatte François-Xavier Roth eine fast unlösbare Aufgabe zu meistern, wie schafft man nach dem Lohengrin in Bayreuth nun einen passenden Anschluss. Musikalisch hat er mich zumindest bei der Gralserzählung am Ende wieder abgeholt, die war wirklich erstklassig. Es war natürlich Premiere und einige Sänger hatten ihr Rollendebüt. Johanni van Oostrum gibt eine hochsensible Elsa ab, die sehr zart und lyrisch ist. Anja Kampe als Ortrud hatte vor allem im Finale etwas zu kämpfen, war im zweiten Akt aber sehr überzeugend. Mika Kares war das wahre Basswunder als König Heinrich, während Klaus-Florian Vogt wie immer einen Lohengrin auf hohem Niveau bot, wenn man seine Stimme mag. Am Schwierigsten fand ich bei der Inszenierung den Ansatz der Regie, den Chor ständig auf der Bühne zu lassen und mit fragwürdigen Winkaktionen zu beschäftigen. Aber auch die anderen Akteure waren teilweise auf der Bühne, ohne wirklich einen Plan zu haben, was sie jetzt genau tun müssen. Das Münchner Publikum nahm es gelassen. Am Ende gab es wenige Buhs für die Regie. Bei den Sängern und dem Orchester war man sich aber einig, die waren eindeutig gut. Ich konnte zwischen den Akten eine deutliche musikalische Steigerung feststellen, während es anfangs deutlich zu laut war, hat man gegen Ende endlich die gewünschte Balance gefunden. Eigentlich ein solider Lohengrin, wenn da die Regie nicht wäre. Der Beifall war kurz, die Buhs wenige, man gab sich versöhnlich.
Quelle: YouTube | BayerischeStaatsoper
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