Zu einem Londonbesuch gehört auch ein Musical dazu. Die Auswahl in London ist groß, letztlich fiel die Wahl auf Frozen/Die Eiskönigin. Ja, Disney-Musicals, nicht jeder mag das, dennoch sind wir ins Theatre Royal in der Drury Lane. Wir hatten relativ kurzfristig noch Karten bekommen und saßen oben im Rang. Mit uns im Publikum waren viele junge Zuschauer, die begeistert mitgegangen ist. Das Musical hält sich ziemlich genau an den Film. Man könnte jetzt die Diskussion darüber führen, ob eine Dunkelhäutige wirklich die blonde Eiskönigin spielen sollte, aber das wäre jetzt spitzfindig, denn musikalisch gab es nichts auszusetzen. Die Ausstattung ist üppig, die Kostüme toll und die Effekte mit dem Eis hervorragend. Bei diesem Sommer sehnt man sich doch den Winter wieder herbei. Das Theater war hervorragend klimatisiert, sodass es auch Olaf dem Schneemann nicht zu warm wurde. Wenn mich jemand nach dem Soundtrack zur Pandemie fragt, ist das eindeutig Vuelie von Cantus, denn während der Pandemie lief dieses Lied mit schöner Regelmäßigkeit bei meinen ausgedehnten Spaziergängen. So war auch die Eröffnung des Musicals am West End mehrfach verschoben worden. Ich hatte schon überlegt, nach Hamburg zu fahren, aber so lag das Musical quasi vor unserer Hoteltür.
Das Musical startet mit der Nummer Vuelie, dann sieht man die junge Anna mit Elsa zusammen einen Schneemann bauen. Elsa hat die Kraft, es schneien zu lassen, die sie irgendwie wie Spiderman aus den Händen schießen kann. Da sie in den jungen Jahren aber ihre Kraft noch nicht kontrollieren kann, trifft der Eisstrahl ihre Schwester Anna. Zum Glück ist der Treffer nur im Kopf und nicht im Herzen, so kann ein Naturmensch, der gerufen wurde, mit Magie den Zauber brechen und die Erinnerung an dieses Ereignis löschen. Elsa und Anna wachsen in der Folge getrennt auf. Elsa bekommt Handschuhe, damit so ein Unglück nicht noch mal passiert. Man sieht Anna immer wieder an der Tür klopfen, aber Elsa bleibt hinter der Tür. Die Eltern reduzieren das Personal, sagen alle Feste ab, um Elsa zu schützen. Nun kommen die Eltern der Kinder in einem Sturm auf einer Schifffahrt ums Leben. So müssen die Kinder die Regentschaft von Arendal übernehmen. Am Krönungstag wird nach langer Zeit der Palast aufgeschlossen und Elsa wird zur Königin gekrönt. Anna verliebt sich an dem Tag in das 13. Kind eines anderen Königs namens Hans von den südlichen Inseln. Der soll sich aber später als Schurke herausstellen. Anna verliebt sich sofort und will ihn heiraten, dabei ist Hans nur auf eine bessere Position in der Thronfolge aus. Während die Krönungszeremonie noch einigermaßen glattgeht, kommt es zum Bruch zwischen Elsa und Anna, als Anna fragt, ob sie Hans heiraten darf. Elsa hält das für keine Idee, gleich einen Mann zu heiraten, den man eben erst kennengelernt hat. Wutentbrannt entgleitet ihr ein Eisstrahl, der sehr effektvoll dargestellt wird. Arendal kippt mitten im Sommer plötzlich in einen Winter und Elsa flüchtet auf einen Berg. Anna folgt ihr und trifft auf dem Weg Christopher mit seinem Rentier Sven. Da muss man jetzt einen extra Applaus geben, denn die Nummer als Rentier auf Stelzen ist echt sportlich. Es taucht auch der Schneemann auf, der sofort der Publikumsliebling ist. Seine Tanznummer zum Thema Sommer kommt so im Stil einer Fred-Astaire-Nummer daher. Der Schneemann träumt vom Sommer und ahnt nicht, was ihm da blühen wird. Sie kommen an einem Laden vorbei, wo sich Anna erst mal gegen horrendes Geld ein paar Winterstiefel kauft. Die Sommerartikel hat der Verkäufer gerade im Ausverkauf. Im Schloss unterdessen beschließt Hans Anna zu suchen. In einer Überblendung sieht man nun Elsa in ihrem Eispalast, den sie mit ihren Kräften gebaut hat. Dort singt sie das berühmte ‚Let It Go‘… Zum Höhepunkt verwandelt sie in einem Effekt ihr Kleid auf Blau, das Publikum ist außer sich und mit einem schlagartigen Dunkel endet der erste Akt.
Im zweiten Akt ist dann eine etwas alberne Nummer mit einer Sauna-Party zum Thema Hygge dran. Der Schneemann, Anna und Christopher mit Sven machen sich auf die Suche. Sie treffen Elsa, aber die ist erneut außer sich und trifft Anna ein weiteres Mal mit einem Eisstrahl. Die Haare von Anna werden drauf hin weiß. Diesmal wurde aber wirklich das Herz getroffen, was nicht so leicht zu beheben ist. Selbst der Medizinmann aus dem ersten Akt kann nicht mehr ordentlich helfen. Er meinte: nur wahre Liebe könne das gefrorene Herz heilen. Man meint in Hans die Lösung dafür gefunden zu haben. Nur der Hans entpuppt sich nun wirklich als Fiesling, der lieber Anna sterben lässt und eine Jagd auf Elsa anzettelt. Der Schneemann kommt nun in die warme Stube und lässt Anna frei. Christopher, der vielleicht auf Rat des Schneemanns auch infrage kommt, da er sich in Anna verliebt hat, ist ebenfalls kein Kandidat. Aber die Schwesternliebe von Elsa rettet Anna dann am Ende. Es gibt ein großes Finale.
Das Disney-Musical lebt von üppiger Ausstattung, etwas Kitsch und Tanznummern. Ich bin jetzt vielleicht nicht ganz das Zielpublikum dieser Aufführung, dennoch hatte auch ich meinen Spaß und fand die 2 h 15 Min angemessener als eine missratene Götterdämmerung aus Bayreuth, die zeitgleich stattfand. Das Handyverbot wurde ziemlich streng kontrolliert, zudem ist Mitsingen verboten. Die Nummern, die Original aus dem Film kommen, stechen von der Qualität ziemlich heraus. Man hat noch ein paar Nummern dazu komponiert, die deutlich abfallen. Auch die Hygge-Nummer mit der Sauna hätte es für meinen Geschmack nicht gebraucht. Dennoch konnte ich mich von dem hohen Musical-Niveau in London überzeugen. Klimatisiert und etwas eingelullt, hofft man dann auf den Winter und fühlt sich in der Londoner Hitze dann etwas wie Olaf der Schneemann.
Kurzentschlossen war ich in der Deutschland-Premiere der Frau in Weiß von Andrew Lloyd-Webber. In Kooperation mit dem Musical Frühling Gmunden gastiert die Produktion derzeit im Stadttheater in Fürth. Inzwischen hat das Stadttheater eine Klimaanlage, sodass dem Musicalgenuss auch bei hochsommerlichen 36 Grad nicht mehr im Wege steht. Das Stück aus dem Jahr 2004 wurde 2017 noch einmal für ein Revival am West-End überarbeitet. Die Bühne besteht aus einem dunklen Stabambiente, das sich mit Beleuchtung und Vorhängen in die fünf Schauplätze verwandeln lässt. Zu der düsteren, viktorianischen Schauergeschichte passt das dunkle Bühnenbild jedenfalls gut.
Der Zeichenlehrer Walter Hardright ist auf dem Weg nach Limmeridge House zu seiner neuen Einsatzstelle. Dort soll er die Halbschwestern Marian und Laura unterrichten. An der Bahnstrecke trifft er zuerst die Frau in Weiß, die ohne Schuhe ein Geheimnis zu teilen sucht. Dann trifft er auf einen Bahnwärter, der ihm eine düstere Vorhersage macht, dass bald ein Mann tot an den Gleisen gefunden wird. Von der Begegnung mit der weißen Frau erzählt er auf Limmeridge House auch Marian und Laura. Die Halbschwestern unterscheiden sich sehr: Die burschikose Marian ist künstlerisch untalentiert, während die blonde Laura Klavier spielt und gut im Malen ist. Verwalter von Limmeridge House ist der Onkel. Es entwickelt sich eine Dreiecksbeziehung: Die beiden Schülerinnen lieben beide Walter, den Zeichenlehrer, während Walter nur Augen für Laura hat. Man feiert das Erntedankfest vor der Kirche, eine Jugendliche wird dabei ausgeschlossen, die angeblich die Frau in Weiß gesehen hat. Walter folgt nun auf den Friedhof, wo er die Frau in Weiß sieht. Diese sagt, dass sie schrecklich Angst vor Percival Glyde hat. Etwas später bemerkt Marian die Liebe von Walter zu Laura. Sie holt ihn auf den Boden der Tatsachen zurück, dass Marian längst verlobt ist, mit Percival Glyde. Dieser ist der Bösewicht des Musicals, elegant als Lord gekleidet. Percival schlägt vor, die Hochzeit mit Laura auf Weihnachten vorzuverlegen. Inzwischen trifft auch ein ziemlich zwielichtiger Count Fosco ein, der Marian Komplimente macht. Sie stünde ja nur im Schatten ihrer Halbschwester. Count Fosco findet Marian aber ziemlich attraktiv. Walter fragt vor der Hochzeit Percival nach Ann Catherick, der Frau in Weiß. Percival sagt darauf, dass Ann Catherick bedauerlicherweise nervenkrank wäre. Laura heiratet nun wirklich Percival Glyde, was dazu führt, dass Walter das Anwesen verlässt. Zum Abschied schenkt Laura dem Zeichenlehrer ein Bild von sich. Marian und Laura begeben sich nach der Hochzeit nach Blackwater, dem Anwesen von Percival Glyde. Schon nach der ersten Hochzeitsnacht wurde Laura von Percival geschlagen. Laura soll zudem einen Vertrag unterschreiben, dessen Inhalt weiter unklar ist. Schon am nächsten Tag treffen sie Ann Catherick wieder. Diese Gelegenheit wurde aber von Percival genutzt, Ann Catherick erneut in die Anstalt zu bringen. Count Fosco gibt ihr noch eine Beruhigungsspritze.
Zu Beginn des zweiten Akts belauscht Marian während eines Gewitters Fosco und Glyde. Sie wollen schnell an das Erbe von Laura kommen und die 20000 Pfund erben. Bei der Rückkehr ins Haus wird Marian ertappt und mit einem Schlafmittel von Fosco zu Bett gebracht. Die nächste Szene ist abrupt, die Beerdigung von Laura. Sie hatte schon früher im Schlaf gewandelt und wäre gefallen. Fosco wird das nun zu heiß und fährt nach London. Laura fährt ihm hinterher und sucht Walter, um ihm die Neuigkeit des Todes ihrer Halbschwester mitzuteilen. Über das Bild aus dem ersten Akt findet sie Walter schließlich allein und verzweifelt, da er die Todesnachricht von Laura bereits erhalten hat. Marian will nun den Aufenthaltsort von Ann Catherick herausbekommen und greift zu einem roten Kleid. Es folgt eine Roulette-Szene, in der Glyde mehr Geld einsetzt, als er hat. Jedoch gewinnt er glücklicherweise und Count Fosco bekommt seinen Anteil am Erbe ausbezahlt. Count Fosco bricht aber gerade die Zelte ab, ihm ist das wieder zu heikel. Marian besucht Count Fosco unter dem Vorwand eines amourösen Abenteuers, aber eigentlich will sie nur den Aufenthaltsort von Ann Catherick herausbekommen. Count Fosco ertappt Marian und diese verlässt den Raum wieder und geht in die Anstalt zu Ann Catherick. Dort stellt sich nun heraus, dass Laura noch lebt und in Wahrheit Ann Catherick im Grab liegt. Ein letztes Mal soll nun die Frau in Weiß Glyde erscheinen und ihm einen Schrecken einjagen. Dabei kommt es zu einer Begegnung mit Glyde, bei der er selbst zugibt, Ann Catherick so geschlagen zu haben, dass sie eine Fehlgeburt erleidet hat. Ann Catherick hatte mit 15 ein uneheliches Kind von Glyde, dessen Herkunft er vertuschen wollte. Bei dem Fluchtversuch kommt Glyde aber in den Zug und stirbt, so hat sich die Weissagung des Bahnwärters erfüllt. Walter und Laura finden endlich zueinander und Marian bleibt allein zurück.
Je weniger man also von der Handlung kennt, desto besser ist es für das Stück. Die deutschsprachige Zusammenfassung ist da sehr vage. Das Musical hat sehr schöne Nummern und man erkennt die typische Handschrift von Webber. Mich erinnerte der Stil etwas an Sunset Boulevard. Der Mezzosporan Carin Filipčić spielt die unglückliche Marian sehr überzeugend und ist damit quasi die eigentliche Hauptrolle des Abends, die die Handlung vorantreibt. Yngve Gasoy-Romdal als schmieriger Count Fosco hat an dem Abend die meisten Lacher auf seiner Seite. Er bringt mit seinen komischen Einlagen immer wieder heitere Momente in die düstere Handlung. Anaïs Lueken als Ann Catherick läuft bei der Produktion immer barfuß durch die Szene und bringt die angeschlagene Rolle plausibel ein. Kleinere Tonprobleme mit den Mikrofonen trübten am Ende den Musicalgenuss etwas, aber insgesamt war es ein spannender, überzeugender Musicalabend.
Quelle: YouTube | Musical Frühling Gmunden
Unfassbar, aber die Aufführung von Hair an der FAU in Nürnberg hat diesmal wirklich stattgefunden. An die Karten bin ich per Zufall gekommen. Jetzt ist so ein vollbesetztes Auditorium, nach all den Jahren des Abstandshaltens, eine echte Herausforderung. Wenn das keine Risikobegegnungen gibt, esse ich meine Maske. Im Ernst, ich habe auch während der Aufführung meine Maske aufbehalten, bis ich aus dem Hörsaal draußen war, so viel Nähe nach zwei Jahren Distanz muss man erst einmal verkraften.
Wie ich das letzte Mal schon sagte, dieses Musical besitzt ein schlechtes oder besser gesagt, kein richtiges Libretto. Daher kann man auch vor allem im zweiten Teil im Drogentrip, lustige Dinge einbauen, die es in der Originalfassung nicht gibt. Wenn es sowas wie eine Originalfassung denn überhaupt gibt, da das Musical mehrfach umgearbeitet wurde. Die Darsteller bemühen sich mit aller Kraft, Flower-Power und Hair anzubringen. Jedenfalls gibt es kahlrasierte Achselhöhlen und kurz geschorene Haare, was sicher damals nicht der Fall gewesen wäre. Haare schön und gut, aber dann bitte mit der Ästhetik des Instagram-Zeitalters.
Über die ganze Bühne zieht sich eine graue Wellblech-Wand, in der wabenförmige Aussparungen sind. Oben ist ein Steg und links oben sitzt die Band, die ganze Arbeit leistet. Toll ist die Sängerin des Aquarius, der Eröffnungsnummer, die wie eine Sternengöttin rechts oben auf der Bühne thront. Wie schon bei Hair üblich, gehen die Darsteller am Anfang durch die Reihen und schnorren um Geld für ihren nächsten Trip aus. Dass aus dem Berger, ein Burger wurde, wer kennt schon das Original so genau. Was allerdings stimmig ist, dass Claude aus dem Tribe und Burger eine homoerotische Affäre haben. Das wurde in der Filmversion gestrichen. Es geht um freie Liebe im Tribe der 26 Darsteller. Und so eng, wie die Interaktion auf der Bühne ist, ist das leider gar nicht coronakonform. Claude meint seinen Einberufungsbescheid zu verbrennen, hat aber im Rausch seinen Führerschein verbrannt. Es ist wieder mal Krieg, insofern ist das Musical sehr nah am Puls der Zeit, mit seiner radikalen Friedensforderung. Es werden immer wieder Peace-Chöre skandiert. Man feiert auch hier sich im ersten Akt hauptsächlich selbst. Eine Handlung ergibt sich am Anfang nur sehr zaghaft, als sich entwickelt, wer im Stück die Hauptpersonen sind. So gibt es einen Einwurf mit drei Unigelehrten, der sicher nicht so im Original enthalten ist, die die Ausschweifungen der Hippies natürlich verurteilen. Es gibt auch eine Puppenshow auf fränkisch mit Schorsch und Magret, wie gesagt, alles sehr frei vom Original weg. Die Moral-predigenden Eltern werden in Glaskästen auf die Bühne gefahren. Dabei spielen die Frauen die Väter und die die Herren die Mütter. In drei Plexiglas-Vitrinen. Es gibt auch beim Veralbern einer Blondine eine Anspielung auf Helene Fischer, scheinbar wollte man einfach ‚Atemlos‘ singen. Die Frau mit Kind, die versucht, ihren Mann aus dem Hippie-Tribe zu lösen hat man drin gelassen. Die Nacktszene am Ende des ersten Akts entfällt jedenfalls. Man ist nach 75 Minuten eigentlich fast mit der Handlung durch und fragt sich dann, was nach der Pause von 20 Minuten noch kommt.
Es kommt im zweiten Akt ein ausufernder Drogentrip von Claude. Die Flower-Power-Girls singen: Sag mir, wo die Blumen sind. Ein riesiger LED-beleuchter Joint wird über die Bühne getragen und alle sind bekifft. Claude fliegt quasi zuerst in ein blaues Firmament. Die Drogen haben zur Folge, dass Claude eine Hexenverbrennung sieht. Die drei Gelehrten aus dem ersten Akt sind drei Priester. Man sieht ein Paar aus Shakespears-Zeiten über die Bühne stolzieren. Aber auch eine Mittelmeer-Schlauchboot-Fahrt zu „Pata Pata“ von Miriam Makeba ist dabei. Eine Videospiel-Projektion mit Super-Mario und stolzierende Nussknacker sind ebenso mit von der Partie. Das alles dauert ziemlich lange und endet dann auch abrupt. Claude und Burger tauschen die Rollen. Zur Einberufung für Vietnam geht schließlich Burger statt Claude. Man erlebt Absprungszenen aus dem Hubschrauber in Vietnam und auch die gestrichene Tötungsszene. Letztlich landen alle Darsteller in Militärklamotten und singen ein ‚Let the sun shine in‘. Dies gerät aber nicht zur Mitklatschnummer, sondern endet mit dem Auszug der Darsteller ganz leise, in der Ferne.
Als Zugabe gab es Imagine von John Lennon, da durften dann alle auch das Handy zücken und Bilder machen für die sozialen Netzwerke.
Nach 2h 45 Minuten war die Vorstellung beendet. Das ist gut eine Stunde länger als üblich. Im vollbesetzten Auditorium ist die nächste Riskobegegnung der Corona-App damit schon vorprogrammiert. Instagram und die Wirklichkeit von 2022 passt so gar nicht zu Anfassen und Love&Peace der 68er-Generation. Gespielt wurde mit viel Einsatz, gesammelt wurde für die musikalische Bildung der Schüler nach Corona, willkommen in der Wirklichkeit.
P.S.: Natürlich hatte ich in Hair eine Risikobegegnung, wie mir meine App heute mitgeteilt hat, die aber Dank Maske folgenlos blieb.
Im Fürther Stadttheater wird die Uraufführung des Musicals „Knockin‘ On Heavens Door“ gezeigt. Die anrührende Geschichte von zwei krebskranken Patienten, die mit einem himmelblauen Mercedes flüchten, hat große Liedpassagen in Deutsch. In 30 Szenen wird rasant die Geschichte abgespult. Ich war in der Preview des Musicals, um gleich als erster dabei zu sein. Das Fürther Stadttheater hat nach der Pandemie aufgerüstet und eine moderne Luftfilteranlage. Einschränkungen beim Besuch gibt es derzeit wenige nach der 3G Plus-Regelung. An diesem Dienstag, dem Tag der ersten Preview, war auch viel Platz im Zuschauerraum. Man filmte den ersten kompletten Durchlauf des Musicals mit. Am Ende war das Publikum begeistert und spendete langen Applaus.
Der erste Akt startet mit einer Rollerjagd. Die beiden Ganoven Hank und Abdul sind auf dem Weg zum Nachtklub von Franky, wo sie den Auftrag bekommen, einen himmelblauen Mercedes zu einem befreundeten Gangsterboss zu fahren. Sie haben den Auftrag, auf keinen Fall den Wagen allein zu lassen. Die beiden sind nicht die Hellsten und man ahnt schon, die Aktion wird schief gehen. Inzwischen treffen sich die Patienten Martin und Rudi auf einer Krebsstation. Während Rudi einen unheilbaren Knochenkrebs hat, der vererbt ist, hat Martin einen Tumor im Gehirn. Dieser führt immer wieder zu Anfällen. Rudi war sein Leben lang vorsichtig, Martin dagegen sieht das locker, raucht und genießt das Leben. Rudi schleicht durch das Krankenhaus an den Kühlschrank, weil es dort immer ein Licht gibt. Im Auto klemmen sich unter dessen Hank am Rücksitz seine linke Hand ein und muss just ins selbe Klinikum. Es folgt ein Intermezzo mit einer Banane. Im Klinikum parken sie das Auto in der Tiefgarage. Unterdessen planen Rudi und Martin die Flucht, sie trinken Tequila und träumen dann vom Meer, das Rudi noch nie gesehen hat. Sie finden sogar Zitronen in der Klinik. Anschließend holen sie das Auto aus der Tiefgarage und flüchten mit dem Mercedes. Jetzt haben sie kein Geld und überfallen eine Sparkassenfiliale. Sie erbeuten 80000 EUR, werden dabei gefilmt und können mit dem Geld flüchten. Henk und Abdul suchen jetzt ein Ersatzauto. Sie kommen eben auch in dieselbe Sparkassenfiliale. Da ist aber leider nichts mehr zu holen. Martin und Rudi kleiden sich nun in einer Boutique vornehm ein. Und plötzlich entdecken sie im Kofferraum des Mercedes einen Koffer mit einer Millionen Euro. Inzwischen ist es aber auch so, dass ein Ermittlerteam den Flüchtigen auf der Spur ist. Man sieht immer wieder Einblendungen in einem Fernsehsender Tele2 zum Tatgeschehen. Frisch eingekleidet setzen Martin und Rudi ihre Fahrt ans Meer fort.
Im zweiten Akt starten Rudi und Martin einem Casino den Besuch ab. Am Roulette-Tisch treffen sie auf Franky, in die sich Rudi sofort verguckt hat. Sie setzen das Geld ein und gewinnen sogar. Martin meint aber etwas später im Hotel: Vergiss die Frau. Im Hotelzimmer schreiben sie auch Karten mit Wünschen, während Martin 15 Wünsche hatte, was er vor dem Tod noch erleben will, hat Rudi nur vier. Sie beschließen, sich auf einen Wunsch zu beschränken, was sie vor dem Tod noch erledigen wollen. Wechselseitig ziehen sie die Karten. Für Martin ist es der rosa Cadillac, den er seiner dementen Mutter schenken will, die großer Elvis-Fan ist. Rudi dagegen will noch mal richtig Liebe machen. Martin tadelt ihn, dass man diesen Wunsch nicht mit Geld erledigen kann, willigt aber dennoch ein. Zuerst kaufen sie einen rosa Cadillac und klingeln bei der Mutter von Martin. Etwa verwirrt über die Erscheinung von Martin, freut sie sich aber über den Cadillac, obwohl sie keinen Führerschein hat. Die Mutter lebt mit einem Pfleger im Haus und schlurft in Pantoffeln um das Auto. Hank und Abdul kreuzen wieder auf und bekommen von Martin und Rudi den Schlüssel und den himmelblauen Mercedes. Allerdings fehlt dem Auto inzwischen der Geldkoffer. Franky ist außer sich und bestraft Hank und Abdul mit dem Schrubben der Toilette. Martin und Rudi gehen auf der Suche nach Liebe, ins Bordell von Franky. Dort kommt raus, dass Franky und Rudi sich von der Schule her kennen und eigentlich einmal liebten. Somit hat Rudi sein Ziel erreicht und eine wahre Liebe gefunden. Inzwischen trifft auch der Kommissar mit seinem Ermittler ein. Es kommt heraus, dass der Kommissar eigentlich der zweite Gangsterboss ist und über Franky immer Geld gewaschen hat. Dieses Spiel spielt Franky nun nicht mehr mit und denkt daran ein Hospiz am Meer zu eröffnen. In der Schlussszene sind Rudi und Martin wirklich am Meer und sehen dem Sonnenuntergang entgegen. Sie habe es geschafft und sind an der Nordsee. Es ertönt das Schlusslied: Knockin‘ on heavens door.
Langanhaltender Applaus für die rührende Geschichte um die beiden Patienten. Ob die Hüfte-schwingenden Boxenluder mit Mercedesstern wirklich noch den Zeitgeschmack treffen, ist so eine Sache. Ich fand das in der heutigen Zeit nicht mehr ganz politisch korrekt. Dennoch hat das Musical witzige Szenen, es wird viel getanzt. Episch ist auch das Sonnenblumenfeld oder der himmelblaue Mercedes als Holzkasten. Klar ist es zum Ende hin rührselig, wie sie beide dann doch noch am Meer sitzen und den Sonnenuntergang genießen. Dominik Hees als Martin spielt den Tumorpatienten mit allen seinen Anfällen sehr überzeugend. Mir hat es jedenfalls Spaß gemacht. Ein Feelgood-Musical und das ganz in meiner Nähe.
Für vier Aufführungen war das Musical „Ein Amerikaner in Paris“ als Gastspiel von Euro-Studio Landgraf im Stadttheater in Fürth zu sehen. Die Vorstellungen waren alle restlos ausverkauft und ich hatte Glück über eine Kartenrückgabe diese Produktion sehen zu können. Viele Jahre nach dem Film aus dem Jahre 1951 gab es in Paris 2014 erstmalig die Musicalproduktion zum Film zu sehen. Die Musik ist von George Gershwin. Bis zu dem Zeitpunkt war mir nicht bekannt, dass man Balletteinlagen und Musical-Gesang kombinieren kann. Die Hauptdarstellerin muss also sowohl Ballettausbildung als auch Musicalausbildung besitzen, um mit Spitzentanz durch die Szene zu fliegen. Diese Kombination fand ich dann doch bemerkenswert. Die Geschichte um den ehemaligen amerikanischen Soldaten Jerry Mulligan und die Balletttänzerin Lise Dassin ist relativ geradlinig. Drei Kumpel, der Klavierspieler und Komponist Adam Hochberg, der ehemalige Soldat Jerry und der reiche Industrielle Henri Baurel lieben ohne es zu wissen, dieselbe Frau.
In einer Retrospektive sind man den Komponisten Adam Hochberg am Klavier. Er erzählt die Geschichte von Lise und Jerry. Adam hat als Schaden vom Krieg ein steifes Bein. In einer getanzten Vorgeschichte befindet man sich im Paris nach der Befreiung durch die Besatzer. Man erlebt die Hinrichtung einer Kollaborateurin. Man sieht aber auch die erste Begegnung von Lise und Jerry, die mit einer Ohrfeige beendet ist. Jerry zerreißt sein Zugticket zurück in die USA und beschließt in Paris zu bleiben. Es scheint so, als ob der Krieg in der Stadt noch lange nicht vorbei ist. Auch Adam konnte nur kostenlos bei einer jüdischen Familie logieren, da er selbst auch Jude war. Mit schlechtem Französisch spricht Jerry in einer Bar Adam an. Jerry ist Zeichner und Maler und möchte in Paris bleiben. Es kommt zudem Henri Baurel heimlich zum Üben in das Lokal. Er möchte kein Industrieller sein, sondern träumt von einer Gesangskarriere in Amerika. Dazu soll ihm Adam ein Lied komponieren. Gemeinsam gehen jetzt Jerry und Adam zum Pariser Ballett. Dort findet eine Probe statt, zu der Lise Dassin verspätet erscheint. Sie stellt sich den Ballettchoreografen vor, der sie als Tochter der Primaballerina Arielle Dassin erkennt und engagiert. Milo Davenport beschließt das Ballett zu finanzieren, wenn Jerry das Bühnenbild entwirft und Lise die Hauptpartie tanzt. Jerry spioniert Lise hinterher und bekommt raus, dass sie in den Galeries Lafayette in der Parfümabteilung arbeitet. In einer wundbaren Zeichnung durch eine Projektion sieht man die Kuppel des Kaufhauses. Jerry überredet Lise zu einem Treffen an der Seine. Lise schreibt nun einen Brief an die Mutter, gleichzeitig mit Henri, der ihr einen Heiratsantrag machen will. Lise lebte während des Kriegs versteckt bei der Familie Baurel und Henri soll sie nach dem Wunsch der Mutter heiraten. Inzwischen entdeckt Lise aber ihre Gefühle für Jerry und hat immer weniger Lust ihrer Pflicht zu folgen. Sie trifft sich also mit Jerry an der Seine. Jerry möchte sein Bild von ihr fertig malen und nennt sie ab sofort Lisa. Er möchte sie ab sofort jeden Tag dort treffen, was Lise bejaht. Überglücklich versucht er, sie zu küssen, sie stößt ihn aber in den Fluss. Also geht Jerry unfreiwillig mal in die Fluten der Seine baden. Inzwischen hat Henri an einer Schreibtischlampe nervöse Zuckungen am Lichtschalter. Er kommt mit dem Heiratsantrag nicht voran. Seine Mutter unterstellt ihm daraufhin, nicht ganz unberechtigt, ein Interesse an Männern. Im Café zurück schwärmen nun die drei Männer, wobei man jetzt im Hintergrund ganz deutlich sieht, dass es nur eine Frau ist, mit drei Facetten. Henri meint nun, seine Mappe mitgenommen zu haben, nur um dann festzustellen, dass es der Brief an Lises Mutter war. Jerry geht drauf auf die Party von Milo Davenport, die mehr als nur ein künstlerisches Interesse an ihm hat. Mit Bilderrahmen sieht man nun Picassos. Außerdem besuchen sie einen Kostümball am Montmartre. Adam tröstet inzwischen Henri. In den kommenden Wochen werden Adam und Lise aber eng am Ballettmaterial arbeiten.
Nach der Pause befindet man sich in einer Party der Industriellen Baurels. Dort wird ein etwas merkwürdiges Ballett präsentiert mit Sternenkostümen mit dem Namen: Die Präsentation des Uranus. Jerry und Adam müssen so tun, als ob sie Henri nicht kennen. Es folgt eine wilde jazzige Tanznummer, die der Mutter Henris sehr gut gefällt. Da Jazz unter den Besatzern verboten war, beschließen die Baurels in eine Bar in Paris zu gehen, wo Jazz gespielt wird. Henris Mutter verkündigt nun voller Stolz die Verlobung ihres Sohnes. Dies führt bei Lise und Jerry zum Konflikt. Lise fühlt sich durch den Schutz während des Krieges Henri verpflichtet, kann aber Jerry diesen Grund nicht nennen und läuft davon. Milo trifft nun Jerry und erkennt, dass er in Lise verliebt ist. Sie lässt Jerry aber gehen, ohne dessen Förderung zu beenden. In einem Nachtklub in Montparnasse bereiten sich nun Henri und Adam auf den Auftritt vor. Die Szene wandelt sich von einem etwas peinlichen Auftritt, zu einer ganz großen Revue-Nummer, wo Henri den Traum vom Showbusiness träumt und auch den ersten Kuss eines Mannes bekommt. Henris Mutter kommt mit dem Ballett-Direktor und sie entdecken Henris Show-Talent. In der Ballettaufführung legt Lise nun all die Liebe für Jerry rein und triumphiert am Ende mit der Leidenschaft. Bei der Ballettaufführung sieht man in einer Parallelwelt die drei Männer um Lise tanzen. Adam sieht ein, dass Lise nicht für ihn bestimmt ist, und lässt Lise zu Jerry gehen. Am Ende des Musicals tanzt sich das Liebespaar durch die Pariser Nacht.
Was an dieser Produktion echt begeistern kann, ist die Videoprojektion von gemalten Bildern von den Sehenswürdigkeiten in Paris. Immer durch einen Filmriss angedeutet, wechselt die Szene rasant. Für die Requisite werden da nur wenig Gegenstände erforderlich, um die Illusion perfekt zu machen. Sowohl die gesprochenen Texte, als auch die Lieder waren dabei auf Deutsch, ab und zu flossen ein paar Worte Französisch ein. Interessant sind die drei Formen der Liebe, die dabei Lise begegnen. Da ist die pflichtbewusste, die unbekannte und die echte Liebe direkt nebeneinander. Mariana Hindemi verzaubert nicht nur im Schlusstanz alle Anwesenden. Letztlich sind die Ballettchoreografien unglaublich schwierig in der Umsetzung und auch die Projektionen von Paris geben der Inszenierung einen unverwechselbaren Flair. Ich war jedenfalls bestens unterhalten.