Nachdem die Nürnberger Inszenierung des Otello bei mir wenig Begeisterung auslöste, habe ich in Wiesbaden einen zweiten Versuch unternommen. Uwe Eric Laufenberg war hier für die Umsetzung des Stoffes verantwortlich. Es hatte auch einen Grund, sich ausgerechnet diese Aufführung auszusuchen. Es sang der Tenor José Cura, der in der Bühnenfigur des Otello sehr viel Erfahrung mitbringt. Diese kräftezehrende Rolle ist bei Tenören gefürchtet und die Aufführung steht und fällt doch mit dieser Figur. Die aufbrausende Art des Otello, der aber immer wieder von Launen und Kopfschmerzen geplagt wird, ist wirklich eine Herausforderung an den Darsteller. Aber auch die weiteren Rollen wie die der Desdemona (Cristina Pasariou) und die des Jago (Matias Tosi), sind hier sehr gut besetzt. Jago ist wirklich hier der treibende Motor der Handlung mit seiner Fiesheit. Während Desdemona die unschuldige Frau ist, die trotz aller Frömmigkeit am Ende sterben muss. In diesem Dreieck der Personen herrscht wirklich Spannung auf der Bühne, weshalb sich auch hier der Besuch der Oper lohnt. Die Aufführung war auch ausverkauft. Mit dem Bühnenbild, das nur aus einfachen Säulen besteht, die immer wieder neu angeordnet werden, war wenig Griffiges als Ausstattung zu sehen. Immer wieder neu angeordnet stellen sie einen Hafen, ein Schloss, ein Palast und ein Schlafzimmer dar. Das wirkte für mich etwas beliebig, macht aber auch nichts kaputt. Die Inszenierung bietet somit aber auch wenig Angriffsfläche. Die Leute haben Kleidung des 20. Jahrhunderts an, obwohl die Handlung eigentlich auf Zypern im 15. Jahrhundert spielen soll.
Gleich am Anfang kam es mir verdächtig vor, dass der Darsteller des Jago in der Mitte der ersten Reihe des Zuschauerraums saß. Von dort hält er vor dem Stück einen Prolog über die Liebe und die Intrige. Erst dann beginnt das Stück mit der Ouvertüre, in dem er den schwarzen Vorhang zieht. Zwischen den Säulen sind viele Sandsäcke geschlichtet, die die Sturmflut aufhalten sollen, in die das Schiff des Otello geraten ist. An den weißen Säulen sieht man die Projektion von Wassertropfen. Im Orchester tost der Sturm, der hier vom Orchester sehr lautstark umgesetzt wird. Aber Otello kann das Schiff anlanden und seine Exsulate-Rufe singen. Über die Freude der Rettung von Otello zündet man auf der Bühne ein echtes Freudenfeuer an und verbrennt dort schwarze Fahnen. In der nun folgenden Trinkszene, in der Jago Cassio mit viel Wein abfüllt, geht es ziemlich zu auf der Bühne. Cassio wird dabei richtig mit Wein übergossen. Jago hetzt dort also Cassio gegen Roderigo auf, es kommt zu einer bewaffneten Auseinandersetzung, bei der Roderigo verletzt wird. Durch den ganzen Lärm werden auch Desdemona und Otello geweckt. Wütend über so viel Unverstand und durch Jago aufgehetzte, degradiert er Cassio. Jago meinte, Cassio würde jeden Abend so ausfallend werden. Bei einer vorgegangenen Beförderung wurde Jago nämlich übergangen und hat sich damit an Cassio gerecht. Eigentliches Ziel ist es aber, Otello nachhaltig zu schädigen. Otello ist durch seine Hautfarbe eher der Außenseiter. Auch in dieser Vorstellung ist der Darsteller des Otello dunkel geschminkt. Otello schickt nach dem Tumult die Leute weg und ist mit Desdemona allein. Beide versichern sich ihrer Liebe.
Jago ist es im zweiten Akt auch, der Cassio beauftragt, bei Desdemona um Milde für seine Degradierung zu bitten. Gleich zu Anfang singt Jago sein Credo, in dem er sich mit offener Hose über Bianca hermacht. Er glaubt einfach an nichts. Für die Szenerie in einem Schloss sind die Säulen jetzt quer über die Bühne angeordnet. Im Chor der Mädchen Zyperns werden Desdemona nun Blumen überreicht. Sie bedankt sich mit weißen Überraschungstüten. Nun beginnt der Hype um das Taschentuch, das Otello Desdemona geschenkt hat. Desdemona und Otello geraten über das Thema Cassio in Streit. Die aufkommenden Kopfschmerzen versucht Desdemona mit dem Taschentuch zu mildern. Er wirft es aber achtlos in die Ecke, wo es von Emilia aufgelesen wird. Emilia ist die Vertraute Desdemonas und trägt ein orientalisches, schwarzes Kleid mit Kopftuch. Jago nimmt das Tuch aber Emilia ab und versucht, es nun Cassio zu geben. Das Taschentuch wäre somit der Beweis für die inszenierte Untreue von Desdemona gegenüber Otello. Jago sagt nun, er hätte Cassio im Traum von Desdemona reden hören und er hätte bei ihm das Taschentuch gesehen. Nun verlässt Jago noch mal kurz die Bühne und setzt sich genüsslich in den Zuschauerraum, um zu demonstrieren: Seht Ihr Leute wie man eine perfekte Intrige spinnt. Am Ende des Aktes stehen Jago Rücken an Rücken mit Otello und der Flagge Venedigs und schwören Rache.
Im dritten Akt bilden die Säulen eine Empfangshalle. Im Karree angeordnet sind schwarze Stühle für die Gesandtschaft von Venedig. In der Mitte stehen ein Rednerpult und rechts davon ein Ledersessel, der dem Publikum abgewandt ist. Es setzt sich der Hype um das Taschentuch fort. Otello fragt nach dem Tuch, das magische Fähigkeiten hätte und für ihn wichtig wäre. Desdemona meint nur, sie hätte es verloren. Er beschimpft sie nun und sie verlässt die Bühne. Cassio hat inzwischen das Tuch und wird von Jago in ein Gespräch verwickelt, wo er über Bianca spricht. Durch gezieltes Auf- und Abgehen zwischen den Säulen bekommt Otello nur einen Teil des Gesprächs mit. Otello meint, Cassio spricht von Desdemona. Nun rät Jago Otello, seine Frau zu erwürgen, und zwar im Ehebett, wo die angebliche Untreue vonstattenging. Es tritt nun die Gesandtschaft von Venedig auf die Bühne. In grauen Anzügen vertreten sie die Geschäftswelt Venedigs und rufen Otello ab aus Zypern. Sein Stellvertreter wird Cassio. Das bringt Otello mit einer weiteren Bitte von Desdemona um Gnade für Cassio derart in Rage, dass er sie auf den Boden wirft. Leider singt Otello ein Teil der Arien, in einem Sessel, dem Publikum abgewandt. Auch am Ende, als alle ihn bestürmen, bricht er in diesem Sessel zusammen.
Auch im vierten Akt begegnet man wieder den Säulen. Im Schlafgemach von Otello befindet man sich nun. In der Mitte steht nun ein weißes Himmelbett. Desdemona singt da zwei wunderschöne Arien. Das Lied von der Weide. Sie ahnt ihren frühen Tod und verabschiedet sich herzlich von Emilia. Sie bittet, ihr das Hochzeitskleid anzuziehen, wenn sie sterben sollte. Die zweite Arie, das Ave-Maria, singt sie kniend auf einem Betstuhl. Links von ihr ist eine Kerze, die sie am Ende der Arie auslöscht. Otello zieht nun den weißen Himmel des Betts weg. Er küsst Desdemona wach, in dem Plan sie umzubringen. Die leeren Querstangen des Betts wirken wie ein Käfig, in dem Desdemona gefangen ist. Allen Unschuldsbeteuerungen zum Trotz, ist er so Jago verfallen, dass er Desdemona schließlich erwürgt. Durch den Lärm kommt Emilia und findet die sterbende Desdemona. Emilia klärt nun auf, wie Jago ihr das Tuch abgenommen hat und dass Jago die ganze Intrige inszeniert hat. Jago flüchtet drauf hin. Am Ende sieht Otello keinen anderen Ausweg und ersticht sich mit dem Dolch.
Die Aufführung wird beworben mit José Cura, die Weltstimme in Wiesbaden. In der Tat war er auch der Grund, warum es mich nach Wiesbaden gezogen hat. Ich wurde aber auch mit einer wunderbar lyrischen Desdemona überrascht, die mich im vierten Akt mit dem Ave-Maria richtig in den Bann gezogen hat. Beinahe hätte es an dieser Stelle Szenenapplaus gegeben, zumindest ein Zuschauer war von der Darstellung der Desdemona ebenso überzeugt wie ich. Aber auch Tosi als Jago, der auf Hochtouren diese Intrige inszeniert und durch und durch böse ist, ist sehenswert. Der Hype um das Taschentuch ist gut umgesetzt und die Spannungen zwischen den Darstellern gelingen gut. Damit hat dieser Otello im zweiten Anlauf wesentlich besser gezündet und ich kann die Begeisterung für Verdis Spätwerk nachvollziehen. Die drei Stunden der Aufführung vergehen wie im Flug.
An der komischen Oper geht es bei Hänsel und Gretel von Engelbert Humperdinck vor allem um das Essen. Schon zu Beginn sieht man im Stil alter Filme Projektionen von marschierenden Erdbeeren, Zuckerstangen, Eiern und Lollis. Reinhard von der Thannen gelingt ein poppig, farbenfroher Wurf dieses Weihnachtsklassikers. Der drehbare Zylinder dient dabei immer wieder vor den Akten als Leinwand. Die Drehbühne ist zuerst ganz in Weiß, wie die Kinder auch und der Schrank, aus dem sie entsteigen. Die beiden Kinder haben Hasenmasken mit langen Ohren auf. An einem Fuß haben die Kinder einen grauen Luftballon befestigt, den sie am Bühnenhimmel zerknallen lassen. Die Kinder müssen Arbeiten an einem großen, roten Strickstrumpf verrichten. Diese Kinderarbeit hat ihr die Mutter aufgetragen. In den Eimer, aus dem die beiden den Rahm löffeln, steckt Hänsel den ganzen Kopf rein. Somit ist die Grundlage für den Reisbrei vernascht. Eine Mutter mit roten Haaren und schwarzem Kleid bildet den Kontrast in dem Bühnenbild. Als der Eimer im Gerangel um die letzten Tropfen zerbricht, ist der Jammer groß. Die Kinder werden durch den Schrank in den Wald geschickt, um Erdbeeren zu lesen. Nun halbiert sich der Zylinder und es kommt eine überdimensionale Einkaufstasche zum Vorschein, aus der der angetrunkene Vater kommt. Mit blondem Bürstenschnitt und mit übergroßen Schuhen kommt er von seiner Verkaufstour zurück. Auf der Einkaufstasche steht groß H&G, in Anlehnung an ein großes Modehaus. Der Vater hat Nahrung in Form von acht übergroßen Eiern mitgebracht, die er aus der Tüte rollern lässt. Auch ist er mit einem schwarzen Rad unterwegs. Als er nun hört, dass die Mutter die Kinder an den Ilsenstein geschickt hat, spielt er mit langer roter Rübennase und Kopftuch auf dem schwarzen Besen reitend vor, was es, doch für eine schreckliche Hexe dort gibt. Nun verlaufen sich die Kinder in einem Wald aus großem Essbesteck. Die Bühne leuchtet grün und auf ihr tanzt quirlig das Hagebuttenmännchen. Hänsel hat tatsächlich einen Beutel leuchtender LED-Erdbeeren gefunden, die er leider aber selbst verzehrt. Später als die Kinder müde werden, gesellt sich der Sandmann dazu und lässt aus seinen Taschen ein langes Tuch fallen, das den Kindern als Schlafdecke dient. Der nun folgende Abendsegen gelingt wunderbar. Es tanzen die 14 Engel ein wunderbares Ballett in weißen Kleidern zur Musik, die wirklich sehr ergreifend ist. Bevor es gar zu rührselig wird, lassen sich die Engel mit einem Knall auf den Boden fallen und man sieht ihre roten Hinterteile.
Das Taumännchen im nächsten Akt hat es irgendwie eilig auf die Toilette zu kommen. In einem weißen Rock mit durchsichtigen Ballons unterfüllt, eilt es von der Bühne. Die Kinder haben es sich noch einmal unter der schwarzen Decke gemütlich gemacht. Sie kommen jetzt nicht an ein Pfefferkuchenhaus, sondern an eine riesengroße, Bühnen füllende grün-weiße Torte. Auf ihr tanzt eine bizarre Hexe Rosina Leckermaul in einem grünen Paillettenkleid, mit roter Federboa. Der Po und die Schulter sind aufgepolstert. Mit ihrer grünen Latexmaske könnte sie dem Friedrichstadtpalast entsprungen sein. Die riesigen Schlaghosen sind einfach der Hingucker und manch einer träumt vielleicht sogar von der Erscheinung. So wird Hänsel in einem Tortenstück gefangen gehalten, das aus dem Kuchen rausfährt. Oben auf dem Kuchen befindet sich der Ofen, in dem die Hexe ihre gefangenen Kinder bäckt und anschließend verzehrt. Ein kleines Mädchen lässt sich, ob der Dramatik sogar zum Zwischenruf hinreißen: Komm raus. Gemästet wird er mit bunten Schaumstoffkugeln, die Rosinen darstellen sollen. Die irre Hexe hat einen Krückstock in rot/grün, der wie das Schwert eines Jedis zu leuchten vermag. Der Hexenritt wird auch hier auf einem Lolli ausgeführt und es gibt Szenenapplaus. Die Hexe meint nur: Kann ich noch fertig machen. Etwas später nach allerlei Bewegungszauber ist klar, wer hier fertiggemacht wird. Die Hexe landet schließlich im Ofen. Mit einem Knall erlöst sie die Kinder aus ihrem weißen Zuckerkrusten, die wie die Soldaten über die Bühne marschiert sind. Ein großer, farbenfroher Kinderchor bildet schließlich das Finale, zu dem auch die Eltern, als Schrankteile verkleidet, auf die Bühne kommen. Und wieder mal ist die Hexe tot am Ende.
Schon die Bilder der Inszenierung waren vielversprechend. Ich war von den großen Gabeln und der riesen Torte angetan und habe eine poppige Inszenierung erwartet. Es war bei Weitem die beste Inszenierung, die ich gesehen hatte. Manche Knalleffekte waren jetzt vielleicht nicht so ganz kindgerecht, aber der Tanz der Engel war wirklich ergreifend zu dieser wunderbaren Musik. Es wird wirklich an nichts gespart. Ein großer Kinderchor, gute Sänger und eine bestens aufgelegte Dirigentin. Kein Wunder, dass die Vorstellung seit Langem ausverkauft war. Im Publikum waren auch entsprechend viele Kinder, denen die Vorstellung ebenfalls gut gefallen hat. Ist wirklich eine Oper für die ganze Familie, Oma eingeschlossen.
Quelle: YouTube | Komische Oper Berlin
Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg
Ein großes Opernhaus braucht eine Bohème im Programm. Nachdem auch das Bühnenbild der alten Inszenierung einen Wasserschaden hatte, wurde eine neue Aufführung aufgesetzt. Das ungarische Duo Magdolna Parditka und Alexandra Szemerédy inszenieren in Nürnberg eine Bohème in den Nachkriegsjahren in Paris. Gerade in den heutigen Tagen scheint diese Oper ein Plädoyer für die Lebensfreude einer Stadt, mit ihren vollen Cafés und Bars. So steht auch im Programmheft ein Bekenntnis zu Paris: Je suis Paris. Zu Beginn sieht man die Hauptperson Mimi in ihrem Zimmer im rechten Bühnenrand. In dem linken sieht man die Wohn-WG der Pariser Boèhme: Ein Dichter, ein Musiker, ein Maler und ein Philosoph haben es sich an einem Ofenfeuer gemütlich gemacht. Am Tisch sitzt auch ein leicht bekleidetes Model für den Maler vermutlich. Gegen die Kälte verschüren sie ein Manuskript des Dichters Rodolfo. Sie hoffen, dass das hitzige Drama in Form von Papierseiten, auch die kalte Dachwohnung beheizen mag. Aber in Form des Hausvermieters droht nun Unheil, der seine Miete für das nächste Quartal fordert. Der Hausbesitzer wird mit dem Hinweis auf Untreue von einer eigenen Frau aus der Wohnung getrieben. Bis auf Rodolfo, der noch einen Artikel fertig schreiben will, gehen die anderen schon vor in Café Momus. Nun kommt Mimi mit einer erloschenen Kerze und auf der Suche nach ihrem Schlüssel in die Wohnung. Nun aber fängt Rodolfo Feuer für die kleine Näherin Mimi. Sie stellen sich einander vor und verlieben sich ineinander. Am Ende nach vielen schönen Arien gehen sie durch einen roten Mauervorsprung in Richtung Café Momus. Gerade wie sie da aus dem Hintergrund noch singen, ist sehr schön gemacht.
Im zweiten Akt der Boèhme geht es erfahrungsgemäß turbulent zu. Vor dem Café Momus findet sich eine Kinderschar ein, die nach einem Spielwarenverkäufer Parpignol ruft. Der kommt mit einem Dreirad, an den er Spielsachen gebunden hat, auf die Bühne und wird hier etwas als Clochard dargestellt. Das Café Momus ist eine American Bar mit angeschlossenem Freudenhaus. Mimi wird an einem Tisch rechts vorn auf die Bühne in den Kreis der Bohème aufgenommen. Dann erscheint ein seltsames Paar auf der Bühne. Musetta und der Staatsrat Alcindoro, den sie wie einen Hund an der roten Leine Gassi führt. Auf allen Vieren muss der hohe Angestellte vor dem Café vor den Gästen rumkriechen. Man bekommt aber recht schnell mit, dass sich Musetta und der Maler Marcello einmal gut verstanden haben und immer noch lieben. Schnell wechselt die leichtfüßige Musetta die Seiten und geht wieder zu ihrem Liebhaber. Dem Staatsrat bleibt es nur übrig, die offenen Rechnungen der Künstler zu zahlen.
Im dritten Akt sieht man die Wohnung der Dichter mit Stoff verhangen, ein nadelloser Tannenbaum steht in der Mitte der Wohnung und signalisiert: Weihnachten ist längst vorbei, wir haben Februar. Der Ort ist auch ein anderer: Es soll eine Schenke sein. Marcello und Mimi reden über die komplizierte Beziehung zu Rodolfo, der chronisch eifersüchtig ist. Marcello sagt nun, dass er sich um Mimis Gesundheitszustand sorgt. Sie hätte einen beängstigenden Husten. Aber auch zwischen Musetta und Marcello läuft es nicht zum Besten. Musetta würde in der Bar, in der sie seit einem Monat arbeiten, immer wieder mit den Gästen flirten, sodass am Ende des Aktes alle Paare sich wieder trennen.
Im vierten Akt wird es nun etwas schwer verständlich. Gerade in den Erinnerungen schwelgend, vergreifen sich die vier Künstler in weißen Kitteln an einem Model, das wieder in ihrer Wohnung ist. Die gezeigte Brutalität der Männer will in keinster Weise in dieses friedliche Künstlermilieu passen. Da platzt plötzlich Musetta rein und bringt die entkräftete Mimi mit. Sie hätte nur noch eine halbe Stunde zu leben, so die Diagnose. Man versucht aber dennoch, eine herzstärkende Medizin zu bekommen und einen Muff gegen ihre kalten Hände. Dennoch ist der Einsatz der Freunde vergebens. Mimi stirbt und den verzweifelten Rufen von Rodolfo. Am Ende sieht man noch einmal das leere Zimmer von Mimi, in das scheinbar die Sonne scheint und der April angebrochen ist, auf den sie so sehnlichst gewartet hat.
Spielen lässt das Regieteam diese Bohème im Paris der Nachkriegszeit, gerade das Café Momus als American Bar mit obenliegendem Bordell ist mit einer großen Glasfront sehr gut in Szene gesetzt. Auch das Elend dieser Tage will gut zum düsteren Grundbild passen. Die Kostüme sind eben auch in diese Zeit gesetzt, sodass die Inszenierung im Grund gefällt. Mit einer bezaubernden Mimi (Hrachuhi Bassénz) und einem Rodolfo (Ilker Arcayürek), der immer etwas mit seiner Stimme kämpft, hat man ein sehr eindrucksvolles Paar auf der Bühne. Gerade Rodolfo hat sicher noch Potenzial, wie man in den lyrischen Solostücken des ersten Aktes gut merkt. Auch Musetta (Michaela Maria Mayer) als Flittchen ist prima umgesetzt und der Regieeinfall mit der Hundeleine etwas belustigend. Wie gesagt, von dem vierten Akt abgesehen, ist das eine durchaus schöne Inszenierung. Gábor Káli liefert eine gute Leistung im Orchestergraben ab, weshalb man die Aufführung durchaus empfehlen kann.
Das Landestheater Coburg gastierte im Fürther Stadttheater mit Vincenzo Bellinis bekanntester Belcanto Oper Norma. Die Geschichte von einer verbotenen Liebe einer gallischen Oberpriesterin, die mit einem römischen Prokonsul zwei Kinder hat und ihre eigenen Interessen mit der des Staates vermischt, war als Stoff von Felice Romani so gewagt, dass man ihn damals in die vorchristliche Zeit gelegt hat. Die Rolle der Oberpriesterin Norma stellt an die Sängerin höchste Ansprüche, sodass man als Gast Celeste Siciliano aus New York für diese Besetzung engagiert hat. Die Inszenierung von Konstanze Lauterbach lässt die Oper in einem Gallien spielen, in dem die römischen Besatzer das Land zur Ölgewinnung ausbeuten. Das kommt der düsteren Atmosphäre des Stücks zwar entgegen, ist aber schon sehr weit weg vom eigentlichen Thema des Stücks. Schon zu Beginn der Ouvertüre lässt Pollione, der römische Prokonsul, von einem Öl Turm aus beobachten, einen Gefangenen blutig auspeitschen. Das Schwirren der Peitsche und das blutige Hemd, zusammen mit dem Prokonsul, der dies aus einem Bohrturm aus beobachtet, machen allen klar: Es ist Krieg und das Volk wird grausam unterdrückt. Der heilige Irminsul-Hain ist eine Projektion aus Bohrtürmen, es ist Nacht und bei Erscheinen des Mondes soll Norma den göttlichen Willen offenbaren. Die anwesenden Gallier verteilen Flugblätter mit Symbolen der Göttin Irminsul und warten so auf den Kampf. Diese Flugblätter rascheln leider und stören die Musik etwas. In der Tiefe des Hains trifft sich Pollione mit seinem Freund und berichtet, er liebe Norma nicht mehr, sondern die Novizin Adalgisa und er hätte einen schrecklichen Traum: Norma wäre die Mörderin seiner Kinder. Dazu erscheint ein Double auf der Bühne in rotem Hochzeitskleid mit langem weißen Schleier. Pollione und sein Freund werden aus dem Hain vertrieben. Es folgt die berühmte Arie der Oper: Casta Diva, die Norma vor einem Bildnis der Göttin Irminsul singt. Mit einem grünen Blumenmuster-Umhang singt sie der Göttin dieses Lied, die ebenfalls solche ein Tuch trägt. Der Chor der Gallier hält sich dabei in den Aktionen angenehm zurück und bläst nur ab und zu Silberflitter in Richtung der Statue. Norma betet darin um inneren Frieden und auch im Publikum wird es dabei ganz still. Norma sagt aber, die Zeit wäre noch nicht gekommen. Die Gallier reißen aber schon in Erwartung des Krieges, den Bohrturm aus Bändern nieder, der in der Mitte der Bühne ist. Nach dieser Weissagung verlässt Norma die Bühne und ihre Rivalin Adalgisa, die nun heftig von Pollione bedrängt wird, mit nach Rom zu kommen. Dabei hängt am rechten Bühnenrand ein Bild des Kolosseums als Symbol für das Rom, in das Pollione abberufen wurde. Adalgisa geht auf sein Drängen sogar ein. Etwas später quält sie aber ihr Gewissen und sie offenbart sich Norma. Die Bohrtürme haben Platz gemacht für eine Wand aus gemalten Bäumen. In einem braunen Bettkasten versteckt Norma ihre zwei Jungs ihres Liebhabers Pollione vor der Novizin. Adalgisa beichtet und ihr Verhältnis zu einem Mann. Als wenig später Pollione dazu kommt, ist Adalgisa und Norma klar, dass sie denselben Mann lieben. Die Novizin wendet sich nun ab und Norma schwört Rache.
Im zweiten Akt macht nun Norma Anzeichen, wie ihre Rache aussehen wird. Sie bringt ihre beiden Söhne zu Bett, will diese aber mit einem Messer umbringen. Dass die beiden Söhne von dem Zerren der Mutter nicht sofort wach werden, entbehrt jeder Logik. Ihre Mutterliebe siegt und sie beschließt lieber Adalgisa mit ihren Kindern nach Rom zu senden, wo sie mit Pollione glücklich leben sollen. Die Novizin will nun ganz auf den Prokonsul verzichten und ihn sogar dazu bewegen, zu Norma zurückzukehren. Der nun folgende Freudentanz von Normas Vertrauter wirkt etwas skurril und unpassend. Dennoch ist der akrobatische Einsatz am Stuhl bewundernswert. Das Oberhaupt der Druiden verkündet nun den Friedensschluss der Gallier mit den Römern. Als Norma aber erfährt, dass sich der Prokonsul weigert, Adalgisa aufzugeben, bläst sie nun zum Krieg gegen die Römer. Man sieht im Hintergrund nun eine Einblendung einer zerstörten öden Landschaft, es fliegen Hubschrauber an der Leinwand. Die Gallier haben sogar gesiegt und bringen Pollione als Gefangenen vor Norma. Mit einem Dolch solle sie ihn töten. Sie zögert aber immer noch, droht ihm mit dem Tod der gemeinsamen Kinder und mit dem Opfertod Adalgisas. Nun wird auch das Bildnis des Kolosseums zertrümmert, als Zeichen der Niederlage. Als alles keinen Zweck hat und Pollione sich nicht umstimmen lässt, wird ein Scheiterhaufen aus Müllsäcken errichtet. Als es nun darum geht, welche Priesterin ihr Keuschheitsgelübde gebrochen hat, nennt sie nun ihren Namen. Zusammen mit dem Prokonsul stirbt sie auf dem Scheiterhaufen.
Für mich war es die erste Norma, die ich komplett sehen durfte. Die Erwartungen waren jetzt nicht allzu hochgesteckt und ich hätte nicht mit einer so gut besetzten Norma gerechnet. Musikalisch war die Aufführung durchaus hörenswert. Bellinis Absicht war es ja mit Musik zu bewegen und die Menschen zum Weinen zu bringen. Die Oper enthält wunderschöne Belcanto Arien und die Rolle wurde von Celeste Siciliano hervorragend ausgeleuchtet. Diese Überspanntheit zwischen Kindermord und verlassener Geliebter kommt gut rüber. Der größere Kritikpunkt liegt in der Inszenierung. Gerade der Chor macht manchmal verstörende Aktionen. Einmal ist er gut eingesetzt, als er mit einem Seufzer zusammenbricht, als Norma ihre Unkeuschheit beichtet, da sacken alle in sich zusammen. Manchmal verteilt er aber auch unmotiviert Erde auf der Bühne oder fuchtelt mit Pistolen oder raschelt mit Flugblättern. Keine Frage, der Chor ist immer wieder auf der Bühne und muss sinnvoll ins Geschehen einbezogen werden. Trotz allem war es eine durchaus hörenswerte Aufführung von Norma.
Eine Idee der ‚Opernbegeisterten Nürnberg‘ war es, einmal die Festspiele in Bregenz zu besuchen. Da hier dieses Jahr Turandot neu inszeniert wurde, war das ein Anlass, mir einen der größten Spielorte mit fast 7000 Plätzen einmal live anzusehen. Was auch sehr zu empfehlen ist, ist eine Führung durch den Spielort, bei dem man viel über die Technik des Hauses erfährt. So spielt beispielsweise das Orchester im Festspielhaus. Der Ton wird auf eine riesige Lautsprecheranlage mit 300000 Watt übertragen. Auch der Chor singt teilweise im Festspielhaus. Das hat nun einige Vorteile, aber auch ein paar Nachteile. Der Vorteil ist sicher, dass man durch das Musizieren in einem geschlossenen Haus, einen typischen Orchesterklang erzeugt. Mein Hauptkritikpunkt an einer Opern-Freiluft-Veranstaltung ist immer, dass das Orchester nicht richtig klingt. Das entfällt hier, der Klang ist wirklich nicht schlecht. Die Sänger dagegen singen mit zwei Funkmikrofonen bestückt und spielen auf der Bühne. Sie sehen den Dirigenten nur über Monitore. Die verstärkten Stimmen sind notwendig, um gegen die Anlage anzukommen. Da sind wir aber dann auch schon beim Kritikpunkt. Während in einem Opernhaus, die leisen Stellen, wirklich leise sind, ist hier alles ausgepegelt. Man merkt also, wie immer wieder mal an der Lautstärke gedreht wird. Für die Sänger ist der Wind und das Wetter sicher ein heikler Punkt. Die Partie der Turandot ist ausgesprochen schwierig und das Nessun Dorma sicher undankbar für den Calaf, da es eben jeder kennt.
Aber nun zur Handlung: Man hat auf die Seebühne eine riesige, orange chinesische Mauer gebaut. In der Mitte, vor der Mauer ist eine schiefe Ebene und darauf ein Zylinder mit einer Drehbühne. Links davor ist ein Spielfeld mit einem Bett, einem Klavier und Sesseln in Blau. Es tritt quasi Puccini als Calaf auf, der über seiner Partitur brütet. Turandot als letztes Werk Puccinis blieb unvollendet. Diese Arbeit am Stück thematisiert man hier immer wieder. Es beginnt mit einer Spieluhr, bei der Puccini/Calaf wohl aus China importiert, ein Thema abgeschrieben haben soll, das in der Oper Verwendung findet. Der Effekt am Anfang der Aufführung, als der Mittelteil der Mauer einstürzt und die chinesischen Figuren auf die Bühne stürzen, ist ein echter Hingucker, in der an Effekten reichen Inszenierung. Im Wasser und in dem freien Stück Mauer steht eine Terrakotta-Armee von Kriegern. Das Volk von Peking tritt in Grau mit Maomasken auftritt. Die behindern natürlich etwas beim Singen, was mit der Unterstützung des Chores aus dem Festspielhaus nicht weiter tragisch ist. Die Bühne dreht sich und man sieht Scharfrichter, die die Schwerter an riesigen Schleifsteinen wetzen. Gleichzeitig kommen Feuerartisten auf die Bühnen. Die Szene im Mondschein ist sehr poetisch mit riesigen Luftballons umgesetzt, die man effektvoll platzen lässt. So nutzt man beispielsweise auch den See aus, als der Prinz von Persien mit einer Barke anlandet und zur Hinrichtung geführt wird. Die Hinrichtung findet im linken Turmteil statt. Davor fährt eine Turandot in einer silbernen Barke vorbei. Das ist auch der Moment, in dem sich Calaf in Turandot verliebt und beschließt, dass er die Frau erobern muss. Der persische Prinz wird auf der Turmzinne geköpft und man wirft eine Körperpuppe ohne Kopf von oben ins Wasser. Die drei Minister erscheinen in farbenfrohen Kostümen und waren den bis dahin unbekannten Tataren-Prinzen vor seinem Vorhaben. Calaf ist nicht davon abzuhalten.
Im zweiten Akt träumen dann die Minister von ihrer Heimat. In der Drehbühne ist nun Platz für eine gruselige Galerie von 50 abgeschlagenen Köpfen. Die Minister haben rote Gummihandschuhe an, um sich die Finger nicht schmutzig zu machen. Aber nicht nur das hat der Zylinder drauf, er kann sich auch, in Form einer überdimensionalen Spieluhr öffnen. Der Deckel zeigt dann chinesische Symbole. Im Inneren dieser Spieluhr sieht man nun Altoum und Turandot. Altoum sitzt dabei in einem Rollstuhl. Während Altoum sich auf einen neuen Bewerber um seine Tochter und eine mögliche Hochzeit freut, ist Turandot entsetzt. Sie erzählt von ihrer Ahnin, die als großer Kleiderständer für ein Hochzeitskleid auf der Bühne steht. Es folgen die drei Rätsel an Calaf, die Turandot nun stellt. Dabei werden auf dem Bühnendeckel immer wieder Einspielungen von Bildern vorgenommen. Auch in dieser Inszenierung schafft es Calaf und Turandot muss sich Altoums Schwur unterwerfen. Calaf stellt nun die Gegenfrage nach seinem Namen. Die Musik ist wirklich bombastisch, und dass eine Orgel zum Einsatz kommt, verstärkt den Effekt noch.
Und im dritten Akt kommt dann wirklich das berühmte Nessun Dorma. Während die Handlung immer weiter fortschreitet, sieht man Calaf als Puccini immer mehr ans Bett gefesselt und an den Noten arbeiten. Hier singt er auch die berühmte Arie. Von diesem Hit ist man so begeistert, dass alle klatschen. Auch kommen die Figuren zu ihm ans Krankenbett. Diese Turandot will einfach nicht fertig werden. Das wütende Volk ist eine Partygesellschaft aus den 20er Jahren und man sieht auch immer wieder Aufseher in faschistischen Mänteln. Man will das Geheimnis um den Prinzen lösen. Daher foltert man Liu, die Sklavin, die den Namen weiß. Puccini ist inzwischen ans Bett gefesselt, die sterbende Sklavin legt man zu ihm ins Bett. Vom Liebestod von Liu ist Turandot fasziniert. Hier endet die Komposition Puccinis und damit die Oper, in den zwei Fassungen, die ich bisher gesehen hatte. Es folgt das Ende von Alfano, das ich unbedingt hören wollte. Turandot verliert ihren Schleier. Es kommt ein rotes Kleid zum Vorschein und es folgt der Kuss, der die Prinzessin aus Eis dann schmelzen lässt. Es kommen zum Finale alle Leute auf die Bühne. Von den Türmen werden Fahnen geschwenkt und man sieht einen blauen und einen roten Drachen. Und was das launische Wetter bisher nicht geschafft hat, wird jetzt nachgeholt. Aus den Turmzinnen spritzen riesige Wasserfontänen und sorgen so für einen feuchten Abschluss. Da hat es sich gelohnt, dass ich mit Regenjacke dort gesessen war.
Am Ende geht man wirklich mit einer gewissen Begeisterung vom Spielplatz in Bregenz. Turandot ist ein gut organisiertes Hightech-Event. Die Auf- und Abgänge erinnern fast an ein Fußballstadion und das Ankommen der Massen ist wirklich gut durchorganisiert. Man erlebt ein Hightech-Spektakel, dem vielleicht etwas die Seele des Stücks mit den ruhigen Momenten abhandenzukommen droht. Dennoch hat es mir gefallen, es ist eben eine massenkonform umgesetzte Turandot. Die Deutung Calaf und Puccini zu verquicken hat mich überrascht. Man erkennt hier doch eine deutliche Regiearbeit von Marco Arturo Marelli, die ich so auf dem Festspiel nicht vermutet hätte. Selbst für Untertitel ist gesorgt. Auf zwei riesigen Tafeln links und rechts von der Bühne kann man mitlesen, was die Sänger singen. Das Wetter hat bei uns mitgespielt. Wir hatten eine wunderschöne, pausenlose Inszenierung von Turandot, sodass ich die Oper hier klar empfehlen kann. Besonders gefallen hat mir an diesem Abend Liù gespielt von Marjukka Tepponen.
Quelle: YouTube | Bregenzer Festspiele