Der Troubadour und der Beichtstuhl
Das Nürnberger Opernhaus zeigt den Troubadour in einer Inszenierung von Balázs Kovalik. Der bestechende Einfall dabei ist ein Beichtstuhl. Immer wenn die Figuren aus dem Beichtstuhl auftreten, sind das nur Geister und Erzählungen längst vergangener Tage. Das ist wichtig, um die Figuren einordnen zu können.
Im Schloss Aliafera erzählt Ferrando die Geschichte des Hauses Luna. Die Geschichte ist ein wahrer Schauerroman von einer Zigeunerin, die einen der Söhne des Grafen Luna verzaubert haben soll. Deswegen wurde sie zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Sie beauftragte ihre Tochter Azucena, Rache zu nehmen. Die Tochter der Zigeunerin hätte aus Rache das andere, nicht verzauberte Kind ins Feuer geworfen. Die Asche des Kindes verteilt Ferrando aus einer Urne auf die reichlich gedeckte Tafel. Diese hat er vorher aus dem Schrank geholt, aus der auch die angebliche Hexe und deren Tochter erschienen sind. Die Tafelgesellschaft wartet auf die Ankunft des Grafen Luna, der dem Troubadour nachgeht. Der Graf in Gestalt von Mikolaj Zalasinski ist ein wahres Bariton-Kraftpaket, mal im schicken Anzug, mal im Pelzmantel mit bloßem Oberkörper daher kommt. Der Troubadour tritt mit einer E-Gitarre und roter Lederjacke auf, die seltsamerweise Harfenklänge produziert, und bringt seine Eleonore ein Ständchen. Eleonore gibt sich etwas wie pretty woman, mit Stilettostiefel und kurzem Rock. Diese setzt zu einem Synchrontanz mit Manrico an und scheint den Graf keck zu provozieren. Der Graf von Luna erkennt in Manrico seinen politischen Feind, der nun frecherweise noch um Leonora buhlt. Es kommt zum Gefecht, bei dem der Graf von Manrico überwältigt wird. Es fliegen Serviertabletts, die prompt eingesammelt werden. Manrico lässt den Graf schließlich am Leben, wird aber von den Gefährten niedergemacht.
Der Wechsel zum Zigeunerchor ist quasi fließend. Wie die Gästeschar des Schlosses Alferia nun plötzlich die Zigeunerschar in der Biskaya darstellen soll, bleibt dem Zuschauer verborgen. Die Zigeunertochter Azucena macht Manrico schwere Vorwürfe, dass er den Grafen nicht getötet hat. Zum Stride la vampa kommt aus dem Schrank wirklich ihrer Mutter und geht über die Bühne, während sich ein Heizkörper in einer Wand zeigt. Der Heizkörper verdeutlicht vermutlich deren Feuertod. Azucena hält derweil eine Babypuppe in der Hand, die eigentlich ihr Kind ist. Sie gesteht, dass sie durch den Feuertod ihrer Mutter verwirrt, ihr eigenes Kind ins Feuer geworfen zu haben. Daraus schließt Manrico, dass er nicht der Sohn der Zigeunertochter ist. Er meint auch, als dass er beim Duell mit dem Grafen eine Stimme gehört hat, die ihn verboten hat, diesen zu töten. Ein Bote sagt, dass Leonora in ein Kloster eintreten will. Manrico bricht auf und trifft vor dem Kloster auf den Grafen Luna. Dieser hat nun wirklich nur eine rote Hose und einen Fellmantel an. Mit bloßem Oberkörper schiebt er eine blonde Schaufensterpuppe vor sich her. Frauen will dieser Mann einfach besitzen, ebenso wie Eleonore. Zur Unterstützung seiner Truppen setzt der Graf sogar Kindersoldaten ein. Beide kämpfen erneut gegeneinander und Manrico und Eleonore fliehen nach Castellor. Was bei dieser Szene ein Motorradhelm zu suchen hat, erschließt sich mir nicht.
Nach der Pause passt das Bühnenbild, dass die ganze Zeit schon aussieht wie ein Gewölbe aus der Festung Castellor. Man sieht Feldbetten mit verwundeten Soldaten. Der Graf Luna belagert die Festung. Azucena wird vom Grafen und Ferrando in dessen Lager erkannt als die Zigeunerin, die damals seinen Bruder verbrannt haben soll. Aus dem Schrank kommt diesmal, neben der Zigeunerin auch der alte Graf Luna. Azucena wird daher zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Davon bekommt nun Manrico wieder etwas mit. Das folgende Di quella pira ist natürlich ein Knüller der Oper, als Manrico beschließt, seine Mutter zu retten und die Belagerung zu durchbrechen.
Leider misslingt dieser Ausfall. Es gibt viele Tote zu beklagen, die alle samt im Bühnenboden verklappt werden. Eleonore versucht nun, einen Tausch einzugehen. Sie bietet sich dem Grafen an, der daraufhin eine Champagnerflasche köpft. Leonora aber nimmt Gift, um sich selbst zu töten. Schon geschwächt schleppt sie sich in den Kerker und befreit dort, den mit Paketband verklebten Manrico. Der glaubt, dass sie einen hohen Preis für seine Freiheit bezahlt hat. Leonora stirbt in Manricos Armen. Der Graf Luna hat dies nun beobachtet und führt nun Manrico zum Schrank zur Hinrichtung durch das Beil. Als Manrico schließlich tot ist, triumphiert Azucena, dass ihre Mutter nun gerächt ist. Aus dem Schrank kommt noch einmal plakativ die Feuersäule.
Mit der Inszenierung hatte ich so meine Schwierigkeiten, weil die einzelnen Orte nicht deutlich genug getrennt sind. So gehen erster und zweiter Teil und dritter und viertel Teil nahtlos ineinander über und sind nicht deutlich genug getrennt durch umbauten im Bühnenbild. Das Ganze scheint sich ständig in dem Gewölbe der Festung Castellor abzuspielen. Die Klosterszene wird durch eine Lazarettfeldbettenszene ersetzt. Alles etwas schwierig zu verstehen. Durch etwas zu viele Requisiten wirkt das Szenario etwas unaufgeräumt. Gut war dagegen der Einfall mit dem Beichtstuhl. Die Sänger waren glänzend aufgelegt. Vor allem das Testosteronpaket Graf Luna sticht hervor. Die Handlung der Oper ist einigermaßen verworren, die einzelnen Arien-Stücke dagegen sind umwerfend gut. Allein schon wegen der hohen musikalischen Qualität lohnt ein Besuch.
Quelle: Staatstheater Nürnberg
Kritik in den Nürnberger Nachrichten: Große Tragödie mit einem Hauch Dekadenz
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