Bei einem Besuch in St. Petersburg war ich auch im 2013 eröffneten Mariinsky 2-Theater. Der Bau selbst gilt als einer der teuersten Opernhäuser mit 534 Mio EUR Baukosten. Das Ergebnis kann sich sehen und vor allem hören lassen. Mit 3800 Gästen ist es eines der größten Opernhäuser der Welt. Sehen durften wir eine Piqué Dame von Peter Tschaikowsky. Wer vorher die Geschichte von Rasputin in St. Petersburg gehört hat, versteht das Drama über die drei Karten und den Aberglauben darin deutlich besser. Hermann der Protagonist ist leidenschaftlicher Spieler und opfert am Ende seine Liebe zu Lisa dem Geheimnis der drei Karten. Im Gegenzug wurde in einer düsteren Prophezeiung der Großmutter und Hauptfigur, die wegen ihrer Leidenschaft zum Faro, Piqué Dame genannt wird, das Ende durch einen Eindringling vorausgesagt.
Zu Beginn sieht man, wie ein Jugendlicher im Kostüm ein Kartenhaus aufbaut. Während der Ouvertüre schon taucht die Großmutter von Lisa auf, meist mit schwarzen Kostümen oder Bändern. Es folgt ein Massenszene an einem Sommertag auf einer Promenade in St. Petersburg. Es ist ein großes Aufgebot an Chor und Kinderchor in klassischen Kostümen und sehr schön anzusehen. Hermann hat sich in eine schöne Unbekannte verliebt. Zwei Offiziere unterhalten sich über die Großmutter von Lisa, die sich durch Hingabe an einen Grafen das Geheimnis des Kartenspiels erkauft hat. Der Verrat des Geheimnisses würde ihren Tod bedeuten. In einer Gewitterszene werden nun die weißen Statuen auf der Bühne lebendig. Hermann will das Geheimnis erfahren. Im Palast der Gräfin ist es Abend geworden. Eine Schar Freundinnen tanzt ausgelassen nach russischer Manier und wird von der Gouvernante zur Ordnung gerufen. Lisa ist am Tag ihrer Verlobung mit dem Grafen aber bedrückt, denn sie ist ebenfalls in Hermann verliebt. Dieser erscheint nun tatsächlich und gesteht Lisa seine Liebe. Lisa gelingt es gerade noch, ihn vor der Großmutter zu verstecken, die auftaucht und Lisa zurecht weißt, da sie immer noch nicht schläft. Selbst in der Nacht hat die Gräfin dabei hochfrisiertes Haar.
Im zweiten Akt erlebt man ein großes Maskenfest. Wieder stehen an der Seite goldene Figuren, die nach kurzer Zeit einen etwas hölzernen Tanz aufführen. An dem Ball wird ein Schäferspiel aufgeführt, ganz im Stile von Mozart. Dieses Spiel von Chloe und Daphnis nimmt eigentlich die Ereignisse des Stücks vorne weg. Chloe zieht Daphnis dem reichen Plutus vor. Wieder war ich fasziniert, wie perfekt Tschaikowski hier Mozart imitiert. Die Piqué Dame verfolgt das Treiben des Stücks. Es folgt eine bombastische Musik zum Auftritt von Katharina der Großen. Die Kaiserin selbst sieht man nicht, sie bleibt unsichtbar. Nachdem sich das Volk verzogen hat, bilden die Säulen eine Flucht. Lisa gibt Hermann den Schlüssel zur Geheimtür der Gräfin. Die Gräfin tritt auf in einem weißen Nachhemd, gefolgt von ihrer Dienerschaft. Sie beschwert sich über die Moral und die Tänze. Vor einem flackernden LED-Kamin sitzt sie in einem roten Stuhl. Sie singt dort die große Arie der Piqué Dame. Es tritt Hermann an sie heran und bittet sie um das Geheimnis der Karten preiszugeben. Als die Gräfin lacht und wie ein Derwisch tanzt, zieht Hermann die Pistole. Vor lauter Schreck bekommt die Gräfin einen Herzinfarkt. Lisa eilt hinzu und Hermann sagt ihr, dass die Gräfin gestorben ist, ohne ihr Geheimnis preiszugeben.
Im dritten Akt sinniert Hermann über die Ereignisse auf einem Gitterbett. In einer Alptraum-Sequenz entsteigt nun die Gräfin dem Bett und gibt um Lisa Willen die Geheimnisse der drei Karten preis. Er solle Lisa damit glücklich machen. Um 0 Uhr wartet Lisa an einem Seitenarm der Newa auf einer Brücke auf Hermann. Sie zweifelt an der Unschuld an dem Tod ihrer Großmutter. Als Hermann selbst nur noch von dem Geheimnis redet, dass er jetzt weiß, ist sich Lisa sicher, dass er schuld am Tode ihrer Großmutter ist. Beim Schlussduet der beiden hat Tschaikowski auch etwas Anleihen aus Tristan und Isolde genommen. Lisa ist verzweifelt und geht in die Newa. Es folgt die Schlussszene. Auf einer grünen Rampe werden die Spieler hereingefahren. Mit vielen Geldscheinen werden nun die Karten ausgespielt. Die folgen in der Reihenfolge, wie vorhergesagt. Zum Schluss spielt nur noch der Graf mit. Bei der letzten Karte irrt Hermann jedoch. Es erscheint die Piqué Dame und Hermann verliert alles und ersticht sich. Hierbei stürzt er sich ins Kartenhaus vom Anfang des Stücks. Der Jugendliche vom Anfang kommt vorbei und schließt Hermann die Augen.
Wenngleich ich jetzt nicht vollends begeistert war, hat man hier doch ein schönes Bühnenbild, gute Sänger und ein tolles Gesamtpaket geboten. Die Inszenierung hat relativ wenig Requisiten und die Sänger spielen in Kostümen der Zeit des 19. Jhd. Das Mariinsky ist auf jedenfalls an sich schon einen Besuch wert. Mit den Swarovski-Kristallen, der gläsernen Treppe, der guten Akustik, erlebt man hier eines der Top-Häuser der Opernwelt. Mit ihren angedeuteten Säulen und den ablenkbaren Bordüren, hat man ein schlichtes, aber passendes Bühnenbild geboten. Inzwischen hat man auch englische Obertitel eingeführt, sodass man der Handlung problemlos folgen kann. Bei einem Besuch in St. Petersburg sollte man in jedem Fall das Opernhaus besuchen.
Zu einem selten gespielten Verdi zog es mich dieses Mal ins Mainfranken Theater nach Würzburg. ‚Les vêpres siciliennes‘, eine Grand Opéra von Verdi, die vermutlich auch deshalb selten gespielt wird, da es ein Großaufgebot an Chor und Orchester braucht, um die Tableaus und Massenszenen dieser Oper adäquat darzustellen. Verdi schafft es aber dennoch, spannende Dialoge der handelnden Personen vor die Tableaus zu setzen. Es sind auch zwei Ballettszenen in dem Stück, um den Anforderungen dieses Opernstils gerecht zu werden. So meinte man in der Einführung, dass man alles auf die Beine gebracht hat, was in Würzburg mit dem Theater zu tun hatte. Die Hauptpartien der Hélène und Henri waren mit Gastsängern besetzt. Historisch ist an dem Stück nur eine Person: Jean de Procida. Der Rest der Handlung ist eine Umarbeitung des Stücks des Herzogs von Alba. Auch der Kniff, dass der Franzose Guy de Montfort einen Sohn hat, der auf der Gegenseite für die Freiheit Siziliens kämpft, hat man aus Meyerbeers ‚Le prophète‘ geklaut. Kein Wunder, denn die Opernwerkstatt von Eugène Scribe hatte damals im großen Stil Libretti geschrieben. Historisch ist das Werk aber ziemlich genau auf einen Ostermontag, den 30. März 1282 gelegt, als mit einem Aufstand in Palermo nach einer Vesper ein blutiger Krieg gegen die französischen Besatzer geführt wurde. Das Werk behandelt die Vorgeschichte, wie es zu dem Aufstand kam und wurde in französischer Originalsprache mit deutschen Übertiteln aufgeführt; wobei man Jean de Procida seine Arie ‚O Palermo‘ zu Beginn des zweiten Akts in italienisch singen ließ. Gelegt hat man das in die 1910er Jahre.
Der erste Akt ist ein Kinosaal in Palermo, links rattert ein Projektor. Man sieht eine große Seitenbühne mit rotem Vorhang. Das Volk sitzt auf den Stühlen und amüsiert sich über den Film, während die Franzosen einheitlich getrennt in Uniform das Geschehen kontrollieren. Hélène tritt auf und beklagt den Mord an ihrem Bruder. Sie sieht dabei aus, wie Pola Negri, eine Stummfilmdiva und schon der Auftritt verspricht großes Drama. Allerspätestens als sie ein Freiheitslied anstimmt. Henri ist frisch aus der Haft entlassen. Passend sieht man dazu im Hintergrund ein Gewitter, es braut sich was zusammen.
Im zweiten Akt legt Hélène Blumen am Grab ihres Bruders nieder. Es erscheint Jean de Procida und singt seine Arie ‚O tu, Palermo‘. Man hat die Aufständischen um einen Tisch gruppiert, wo sie ein Dokument mit ihrem Blut unterzeichnen. Man versucht Henri und Hélène für den Aufstand zu gewinnen. Dabei gibt Hélène nun Henri den Auftrag, den Bruder zu rächen. Henri bekommt eine Einladung zum Gouverneurspalast. Dort tanzen Bräute mit verbunden Augen zu einer Tarantella einen Galopp. Man amüsiert sich trotz der Besatzung blenden zur Ballettmusik. Jean de Procida stachelt nun die Franzosen auf, die Bräute zu rauben. Von der seitlichen Bühne werden sie von vier rot gekleideten Franzosen in Fantasiekostümen auf einem Tisch flach gelegt. Sie stecken sich Äpfel in den Mund. Die vier Franzosen wetzen die Messer, was dann geschieht, kann man nur erahnen.
Im dritten Akt tröstet sich der Gouverneur mit reichlich Alkohol. Seine Frau hat ihn verlassen und in einem letzten Brief teilt sie ihm mit, dass Henri sein Sohn ist. Er lässt Henri herbringen und gibt sich als sein Vater zu erkennen. Den Brief der Mutter unterzeichnet er wieder mit seinem Blut. Gerade dieses Duett zwischen Henri und Guy de Montfort ist sehr schön. Etwas launiger dagegen gestaltet sich der nun folgende Maskenball. In fünf Runden findet mit lautem Gong ein Boxkampf statt. Es kämpfen zwei ungleiche Partner von einem gelangweilten, kaugummikauenden Nummerngirl angekündigt gegeneinander. In Runde 5 wird das Nummerngirl gegen eine als ebensolche verkleidete Hélène ausgetauscht. Es kommt zu einem großen Schlusstableau. Henri verrät seinem Vater, dass ein Attentat geplant ist, und wirft sich vor Hélène, die Guy de Montfort umbringen will. Damit ist er für die Sizilianer zum Verräter geworden.
Im vierten Akt soll Hélène für ihre Taten büßen und wird hingerichtet. Guy de Montfort bietet die Begnadigung von Jean de Procida und Hélène an. Einzige Bedingung: Henri müsste ihn öffentlich als Vater bezeichnen. Als nun die Schusswaffen auf die beiden Aufständischen gerichtet sind, gibt Henri nach. Guy de Montfort bietet beiden die Hochzeit an, am darauffolgenden Montag zur Vesperstunde. Die Hochzeitsgäste zücken aber schon mal die Messer und bereiten den Aufstand vor. Ein Schiff Peters von Aragón ist schon zur Unterstützung unterwegs.
Im letzten Akt sieht man ein Festbankett zur Hochzeit von Henri und Hélène. Hélène trägt ein Hochzeitskleid und hofft auf die Aussöhnung zwischen Franzosen und Italienern. Es nähert sich aber Jean de Procida und sagt, ihr, dass nach dem Läuten der Hochzeitsglocken ein Aufstand losbrechen wird. Hélène weigert sich nun Henri zu heiraten, da sie das Glockengeläut verhindern will. Sie greift in ihrer Panik sogar zum Telefonhörer. Sie sagt wiederholt Nein zur Hochzeit, jedoch zu spät: Die Glocken läuten. Die Hochzeitsgäste zücken nun die Messer und die Pistolen und metzeln die Franzosen nieder.
Während ich dem Livestream aus München vor Kurzem noch wenig abgewinnen konnte, hat mir das Stück nun doch gefallen. Am Anfang des ersten Akts war ich etwas von dem Fiepen des Verstärkers genervt, das dann im zweiten Akt erledigt war. Auch bei den Quartetten ohne musikalische Begleitung des Orchesters hatte ich Bedenken, ob das wirklich gut geht. Am Schluss überwogen dann doch die positiven Aspekte. Die beiden Hauptdarsteller Uwe Stickert und Claudia Sorokina konnten in der, nicht immer ganz logischen Handlung, überzeugen. Matthew Ferraro hat eine Inszenierung hingelegt, die zwar weit von dem Zeitpunkt der Handlung entfernt ist, der aber doch überzeugen kann. Last not least zeigt Enrico Calesso, was man aus dem Philharmonischen Orchester Würzburg an Klangzauber herausholen kann. Chapeau! für dieses Opernwagnis Grand Opera mit den vorhandenen Mitteln.
Quelle: YouTube | Mainfranken Theater Würzburg
Zu einer Aufführung von Arabella zog es mich einmal mehr nach München. Man durfte dort der wunderbaren Anja Harteros als Arabella und Michael Volle als Mandryka lauschen. Eine Inszenierung von Andreas Dresen aus dem Jahr 2015 bildete den Rahmen hierfür. Zentrales Element dabei ist eine drehbare Treppenkreuzung, die in den Akten 2. und 3. vor allem zum Einsatz kommt.
Schon der erste Akt spielt in einem Hotelzimmer unterhalb der rückwärts zugewandten Treppe. Eine Tür für die Auftritte, zwei Stufen und zwei kubische Sitzmöbel bilden sehr dunkel gehaltene Hotelzimmer. Eine Kartenlegerin prophezeit der Mutter eine reiche Heirat ihrer Tochter. Die Mutter ist dabei im lila Hosenanzug. Ihr wienernder Mann verspielt unterdessen den letzten 50er. Es tritt Arabella auf mit einem blauen Top und weiten Hose. Arabella sticht mit dieser Farbe aus den Grundfarben des Bühnenbilds heraus. Es steht schon ein Strauß von dem Verehrer Elmer im Hotelzimmer. Ein weiterer Strauß roter Rosen von Matteo, dem Offizier, folgt. Dieser Offizier erhält immer Briefe angeblich von Arabella, die aber in Wirklichkeit von ihrer Schwester Zdenka sind. In der Weissagung der Kartenlegerin, bedroht er die Hochzeit mit Arabella. Graf Waldner hat schon mal vorgesorgt und ein Bild von Arabella mit an seinen Regimentskollegen Mandryka geschickt. Das hat nicht den Kumpanen erreicht, sondern seinen Neffen. Der hat einen Wald in der Walachei verkauft und sich auf die Suche nach der Schönen auf dem Bild gemacht. Geführt hat ihn der Weg in die große Stadt Wien. Er meinte, in Wien koste jeder Atemzug Geld und wirft entsprechend mit Scheinen um sich. Das erfreut den Graf Waldner nun sehr. Aber Arabella hat auch noch drei Grafen als Verehrer, die sie an einem Faschingsdienstag zum Ball entführen wollen. Es wird der Schlitten angespannt und es schneit im Hintergrund. Als es aufgeht, wirft sie mit Blättern um sich. Im blauen Kleid mit roten Handschuhen eilt Arabella zum Ball.
Im zweiten Akt treffen sich Mandryka und Arabella in einem Vorraum zu einem Ballsaal. Graf Waldner schubst seine Tochter unsanft bei der Vorstellung. Die beiden hatten sich schon mal gesehen und verlieben sich sofort ineinander. Auf den Stiegen ist dann das Partyvolk zu sehen, das immer die Treppen hoch und runter geht. Arabella ist Königin des Balls und wird ins Innere gerufen. So richtig angeheizt wird die Stimmung von der Fiakermilli mit ihren Kolloraturen. Mit einer Peitsche und im knappen Ledermini kommt sie die Stufen herunter und fordert Arabella auf, hineinzugehen. Wenig später kommt sie mit einer Flasche Sekt und lässt sich von Mandryka abfüllen, auf den Stufen liegend. Arabella will auf dem Ball Abschied von ihrer Mädchenzeit nehmen. Sie sagt den drei Grafen Adieu. Zdenka bringt nun mit ihrer Idee, Matteo den Schlüssel für das Nebenzimmer von Arabella zu senden, eine Verwicklung ins Spiel. Über die Aktion mit dem Schlüssel rastet Mandryka völlig aus und vergnügt sich auf offener Bühne mit der Fiakermilli. Die Party zu Fasching eskaliert weiter und die Stimmung wird immer ausgelassener. Man reist vom Fest ab und geht wieder in Richtung Hotel, dabei dreht sich die Bühne etwas, sodass man eine andere Perspektive hat.
Im Treppenhaus zum Hotel kommt es zum großen Showdown. Mandryka stellt Arabella zu Rede, die aber von der Aktion mit dem Schlüssel nichts weiß. Ein angetrunkener Matteo verschärft die Lage weiter, als er von den Briefen erzählt. Schließlich eilt Zdenka im Nachthemd herunter. Bisher hatte man immer geheim gehalten, dass Zdenka ein Mädchen ist. Es droht ein Duell auf Leben und Tod, das nur knapp verhindert wird. Die Lage klärt sich aber durch Waldner und Zdenka auf. Matteo und Zdenka bilden das zweite Paar. Wie es bei Mandryka Brauch ist, soll ihm Arabella ein Glas Wasser bringen, als Symbol des Hochzeitswunsches. Arabella entschwindet kurz auf der Treppe nach oben in ihr Zimmer. Sie kommt mit einem Glas Wasser zurück. Anstatt es nun Mandryka zu trinken zu geben, schüttet sie es ihm ins Gesicht. Dieser zerdrückt nun das Glas mit der Hand, da aus diesem Glas niemand mehr trinken soll. Mandryka eilt Arabella auf der Treppe hinterher. Ob er nun der Richtige ist, bleibt bei dieser Inszenierung offen.
Schön ist es, wie Anja Harteros die Entwicklung der Arabella im Stück spielt. Vom naiven jungen Mädchen bis zur selbstbewussten Dame zieht sie alle Register. Das Stück selbst hat mit seinen Walzer Takten eine gewisse Verspieltheit, aber auch moderne Anklänge der 20er Jahr Unterhaltungsmusik sind enthalten. Somit ist die Verlegung der Zeit von 1860 auf 80 Jahre später kein Problem, sondern kommt sehr adäquat dem Stück zugute. Michael Volle, war an dem Aufführungstag etwas erkältet, was sich allerhöchstens in den Anfangssequenzen etwas zeigte. Noch nie aufgefallen war mir, wie stark die Musik bei den Auftritten von Mandryka poltert. Er bricht als Bauer vom Land in die feine Wiener Gesellschaft ein, was auch musikalisch sehr gut auskomponiert ist. Durch die ungewohnten Harmonien wirken die Walzer nicht als solche, sind aber sehr häufig im Stück präsent. Constantin Trinks führte das große Orchester durch die Partie. Hanna-Elisabeth Müller war eine Zdenka auf Augenhöhe mit dem Star des Abends, Anja Harteros. Gerade das Schwesternduett im ersten Akt war hervorragend.
Trailer ARABELLA | BayerischeStaatsoper
Anja Harteros' and Hanna-Elisabeth Müller's duet in ARABELLA | BayerischeStaatsoper
Manchmal soll man sich von einer schlechten Kritik nicht irritieren lassen, ins Opernhaus in Nürnberg gehen und sich selbst ein Bild von der Neuinszenierung des ‚Barbier von Sevilla‘ machen. Josef Ernst Köpplinger verlegt die Handlung in die 1950 er Jahre in die Zeit von Don Camillo und Peppone. In dem Bühnenbild, das aus vielen bunten Hütten besteht, befinden sich unzählige Treppen und Türen. Zu dem aberwitzigen Tempo der Musik legt die Regie ein passendes Bühnenbild hin, das jetzt eher an eine spanische Favela erinnert. Unten links ist ein Club Eros untergebracht, in dem drei Damen einer eindeutigen Beschäftigung nachgehen. Auch die Neonreklame hat schon bessere Zeiten gesehen.
In der ersten Szene wird es gleich ziemlich laut, als eine Truppe Musikanten mit Tiermasken in Gefolge des Grafen Almaviva auftritt. Während der Graf oben rechts bei einer Flasche Gin sinniert, wie er seine Rosina bekommen kann, lärmt das Gefolge ziemlich. Positiv ist zu vermerken, dass der Tenor Martin Platz, selbst die Gitarre für das nun folgende Ständchen spielt. Aber vergeblich, die Angebetete zeigt sich nicht. Der Graf schmiert sein Gefolge mit einer großen Ladung Geldscheine. Überhaupt scheint, ohne eine kleine Bestechung, in der Inszenierung nichts zu gehen. Zufällig kommt nun Figaro auf einem E-Roller auf die Bühne und vertickt den drei Damen Parfüms aus dem Rücksitz. Es sind auch fünf Kinder auf der Bühne, für die Figaro eine Kleinigkeit parat hat. Sie liefern ihm Schmuck und bekommen dafür Süßigkeiten. Figaro arbeitet nun einen Plan aus, wie er den Grafen und Rosina zusammenbringen kann. Auch hier hilft etwas Geld des Grafen beim Plan. Er solle sich als betrunkener Soldat mit der bald auftreffenden Armee im Hause des Doktor Bartolo einquartieren. Betrunken, weil er dann als weniger gefährlich gilt. Während der Ausarbeitung dieses Plans verweilt Bartolo in seiner Praxis neben einem Skelett. Es folgt der Auftritt von Rosina in ihrem Zimmer, die Arie „Una voce poco fa“ gelingt Ida Aldrian sehr gut. In ihrem Petticoat wirkt sie ganz anders als das naive Mündel, das Bartolo heiraten soll. In dem Zimmer blinkt eine Uhr mit Madonna. Es erscheint nun der Pastor Don Basilio, um Bartolo zu warnen, dass der Graf selbst hinter Rosina her ist. In einem Zimmer im Obergeschoss drängt Bartolo einen Ehevertrag aufzusetzen. In dem Zimmer scheint es ein Ungezieferproblem zu geben, da dort viele Klebefallen hängen und Basilio mit einer Fliegenklatsche die Mücken jagt. Interessant sind jetzt immer die Nebenfiguren, die zusätzliche Aktionen auf der Bühne aufführen. So beobachtet Ambrosio auf einer gelben Chaiselongue die Bühne mit einem Röhrenfernseher, passend daneben steht ein Transistorradio. Auch fährt des Öfteren eine Schwangere mit quietschendem Kinderwagen über die Bühne. Nicht zu vergessen die drei Damen aus dem Parterre, die auch den Klerus als Kundschaft haben. Zudem gibt es eine Metzgersfamilie, bei der die Metzgersfrau immer wieder beim Anblick des Skeletts von Doktor Bartolo in Ohnmacht fällt. Man hat immer alle Mühe sie wieder auf die Beine zu bekommen. Als nun der Graf als betrunkener Soldat auf der Bühne erscheint, nehmen die Aktionen weiter Fahrt auf. Man sieht deutlich, wie der Brief von Rosina zum Soldaten wechselt. Als Bartolo nun sagt, dass er als Arzt von der Einquartierung befreit ist, wird Almaviva übergriffig und zieht den Revolver. Als schließlich noch die Soldaten erscheinen und im Pulk unten links auftreten, wird das Treiben chaotisch. Selbst das Haus rechts oben in der Ecke kippt aus der Halterung und wackelt. Ein weiteres Haus im Hintergrund schlägt dabei Saltos. Niemand kennt natürlich den betrunkenen Soldaten, der sich schließlich als Graf zu erkennen gibt. Darauf salutieren alle vor ihm. Es folgt eine Passkontrolle des Grafen und es kehrt kurz Stille ein, nur um nochmals richtig Fahrt aufzunehmen. Zum Start des Finales bekommen alle Hauptpersonen noch einen Schluck Tee vom Servierwagen, als ob die Szene noch nicht aufgekratzt genug wäre. Selten gab es wohl so ein furioses Finale des ersten Akts.
Im zweiten Akt startet der Graf einen zweiten Versuch. Als etwas tuntiger Don Alonso schleicht er sich erneut mit einem „hola“ bei Bartolo ein. Mit einem etwas aufdringlichen „Pace e gioia“ geht er Bartolo ziemlich auf die Nerven. Dennoch holt der Doktor Rosina her. Es wird ein Klavier auf die Bühne geschoben und es beginnt wohl die kurzweiligste Musikstunde, bei hinter dem Klavier schon mal das ein oder andere Küsschen getauscht wird. Auch hier greift Martin Platz als Graf streckenweise selbst zum Klavier. Beindruckend sind die Atem- und die Haltungsübungen von Don Alonso und Rosina. Natürlich hat Rosina längst den Musiklehrer erkannt. Der Graf und Rosina besprechen dessen Flucht. Don Basilio tritt auf und die Sache droht aufzufliegen. Wieder hilft etwas Geld und der Pfarrer verschwindet. Nun folgt die Barbierszene, bei der reichlich Schaum im Gesicht des inzwischen entnervten Bartolos landet. In den ganzen Verwirrungen ist Figaro inzwischen im Besitz des Balkonschlüssels. Bartolo erkennt den Grafen und lässt beide raus befördern. Jetzt wird Bartolo aktiv und meint klarstellen zu müssen, dass Figaro und Alonso Rosina mit dem Grafen verheiraten wollen. Rosina will sich das nicht gefallen lassen. Es folgt die Gewitterszene bei dem kaputte Schirme über die Szenerie huschen, Notenblätter fliegen und alle Haupt- und Nebenfiguren gegen den einsetzenden Wind kämpfen. Klar schwankt das Haus rechts oben. Der Gewittersturm wirbelt also heftig inklusiver projizierten Regen. Aber das Gewitter verschwindet so schnell, wie es gekommen ist. Kurz vor Ende schlägt aber noch ein Blitz ins Haus von Rosina ein und verletzt Ambrosio sehr. Er sucht Trost bei seiner Katze, die ihn prompt attackiert. Die Katze ist natürlich nur eine Stoffhandpuppe, fliegt aber in hohem Bogen über die Szenerie. Das alles ist eine gekonnte Anspielung auf den Zwischenfall mit einer Katze, den es bei der Uraufführung angeblich gab. Das Publikum quittiert den Flug der Katze mit einem ‚Oh!‘. Man hat nicht mal Zeit vom Balkon runter zu kommen. Noch oben am Balkon wird mithilfe des Notars der Bund der Ehe zwischen dem Grafen und Rosina geschlossen. Bartolo kommt zu spät und der Graf gibt sich als solcher zu erkennen.
Auch wenn man jetzt geteilter Meinung sein kann, in der Regie wird so viel geboten, dass man oft den Überblick verliert. Das ist anfangs noch etwas zögerlich und verhalten, vielleicht etwas nervig und laut. Dennoch passt das zum Stück, sodass ich hier der Meinung widersprechen muss, es handele sich nur um eine platte Aneinanderreihung plumper Gags. Es ist bemerkenswert, wie der Hausmeister Ambrosio immer mehr Blessuren während der Aufführung einfängt, durch kleine Missgeschicke. Immer wieder gelingt es in der Handlung Highlights zu setzen, die das Publikum auch zu schätzen wusste, einschließlich der Stoffkatze. Volker Hiemeyer im Dirigat schafft auch musikalisch eine relativ ausgewogene Interpretation, die Luft und Raum für die Hits lässt, aber auch laut aufdreht, wie bei der Gewitterszene. Karnolsky als basskräftiger Don Basilio hat für mich die meiste Durchschlagskraft in der Besetzung. Ganz begeistert haben mich die Nebenfiguren, die man in die Szenerie gesetzt hat. Man ist hier mit sehr viel Liebe zum Detail zu Werke gegangen. Die bunte, farbenfrohe Inszenierung ist eine willkommene, farbige Abwechslung zu manch schwarz/weißem Einerlei.
Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg
Da wir für die Staatsoper keine Karten bekommen haben, sind wir in die Volksoper ausgewichen. Wie es sich für einen echten Wien-Besuch gehört, lief dort zufällig die Zauberflöte von Wolfgang Amadeus Mozart. Helmut Lohner hat den Klassiker etwas modernisiert. So tragen viele Darsteller Kostüme, Anzüge und Zylinderhüte. Das Ganze ist aber so moderat, dass man getrost dort buchen kann. Ein runder, am oberen Ende durchbrochener Steinkreis bildet eine Bühne, aus der zu Beginn die übergroße Schlange mit viel Nebel aufsteigt. Im Jahrhundertwendekostüm besiegen die tapferen Damen dieses Ungetüm, das wieder im Bühnenboden verschwindet. Der nun auftretende Papageno mit Anzug und Hosenträgern, aber mit Flöte, rühmt sich der Tat und bekommt prompt von den Damen ein Schloss vor den Mund. Die Königin der Nacht erscheint mit einem schwarzen Schleier und präsentiert Tamino eine große Projektion von Paminas Bild, in das sich der wackere Jüngling sofort verliebt. Im Hintergrund sieht man eine große Mondscheibe. Tamino beschließt, Pamina zu befreien und wird von keinem geringeren als drei Wiener Sängerknaben zum bösen Zauberer Sarastro geführt. Zuvor entfernt man noch das große Schloss vom Munde des Papageno und auf geht es. Monostratos, der Mohr, ist nur schwarz gekleidet. Auf das schwarze Anmalen verzichtet man dezent. Dennoch ist er in finsterer Manier hinter Tamina her. Papageno erreicht als Erster den Palast von Sarastro und verkündet, dass Rettung unterwegs ist. Tamino muss sich unterdessen an drei großen Türen entscheiden, welchen Weg er nehmen wird. Auf den Türen stehen: Natur, Weisheit und Vernunft. Papageno und Tamina fliehen unterdessen und werden von Monostratos mit einem Netz gefangen. Zur Rettung ertönt jetzt ein Glockenspiel und die Gefolgschaft von Monostratos muss zu den Klängen tanzen. Monostratos nimmt nun Pamina in den Palast auf und beschließt, dass Tamino noch geläutert werden muss. Das Volk in sonnengelben Gewändern besingt Sarastro.
Auf seinem Sonnenthron nimmt Sarastro im zweiten Akt Platz. Die Weisen erscheinen mit goldener Schärpe im Fin-de-Siècle-Outfit. Sie haben auch Fackeln dabei, die den runden Saal erleuchten. In weißen Gewändern müssen sich nun Papageno und Tamino den Prüfungen der Eingeweihten unterziehen. Die drei Damen erscheinen wieder umgezogen mit Zylinder und prophezeien den Prüflingen den nahen Tod. Pamina hat in einer Hängematte unter einem stilisierten Baum Platz genommen. Bei der nun folgenden Rachearie der Königin der Nacht, sieht man wieder die Mondscheibe. Die Bühne ist rot erleuchtet und Pamina bekommt einen Dolch in die Hand, mit dem sie Sarastro töten soll. Monostratos entreißt ihr aber den Dolch und erpresst Pamina nun mit dem geplanten Anschlag. Sarastro ist dagegen von der Unschuld Paminas überzeugt und bietet ihr die offene Brust an und geht auf Pamina mit dem Dolch zu. Die erste Prüfung ist Schweigen, die natürlich Papageno total vermasselt. Tamino ist dagegen standhaft und antwortet auf Paminas Fragen nicht. Als Belohnung erscheint eine hässliche, alte Hexe mit Gebiss. Sie bringt Papageno Essen in Form eine Karotte und sagt, dass sie die Geliebte Papagenos wäre, was dieser natürlich für einen schlechten Witz hält. Papageno muss bei den folgenden Prüfungen mit Feuer und Wasser nicht mehr mitmachen. Ein weiteres Mal erscheint Papagena als alte Frau. In etwas derber Manier setzt sie sich auf Papageno. Egal ob Missgeschick oder Teil der Inszenierung: Sie verliert beim Sprechen ihr Gebiss und steckt es mit der Bemerkung: Milchzähne verloren. Wieder zurück. Noch einmal muss sie jedoch verschwinden, da Papageno ihrer nicht würdig ist. Pamina versucht sich nun zu töten, was die drei Knaben verhindern. Auch Papageno hat den Verlust seiner Papagena nicht verwunden, die er für einen kurzen Moment in ihrer Schönheit sehen konnte, und will sich an einem Strick erhängen. Auch das können die drei Knaben verhindern. Sarastro stellt jetzt Pamina als Begleiterin von Tamino vor, die er in seinem Mantel eingehüllt zur Schreckenspforte bringt. Die Bühne schließt sich wieder und man sieht an der Schreckenspforte zwei Engelsfiguren mit jeweils einen Flügel. Es sind die zwei Geharnischten, die dort links und rechts vor dem Tor irgendwie festgetackert wurden. Man braucht etwas, um zu erkennen, dass die Figuren echt sind und singen. Das Tor öffnet sich einmal für die Feuerprüfung und ein zweites Mal für die Wasserprüfung. Als die Prüfungen erfolgreich bestanden sind, kommt erneut die Hebebühne zum Einsatz. In einer lila erleuchteten Nacht, haben sich die Verschwörer im Untergrund versammelt und wollen den Palast stürmen. Mit Donner und Blitz fahren sie jedoch gescheitert in die Tiefe. Sarastro und seine Priester nehmen nun Pamina und Tamino in den Tempel auf. Mit einem Klappmechanismus wechseln die Tempelwände von Schwarz zu Gold.
Ich war wirklich angenehm von der Aufführung überrascht. Stefan Cerny als Sarastro singt sich mühelos durch die tiefen Stellen der Basspartie. Gloria Rehm hatte zwar im Mittelteil der Rachearie etwas Schwierigkeiten, dennoch gelangen auch hier die Spitzentöne hervorragen. Meinen Respekt haben die zwei Geharnischten, die da als Türdeko singen mussten. Wann hat man schon mal echte Wiener Sängerknaben in einer Aufführung. Das Orchester spielte hervorragend, sodass man eine tolle Aufführung erleben darf. Meine Erwartungen wurden in der Volksoper durchaus übertroffen und wir hatten eine gelungene Aufführung erleben dürfen. Dass die englischen Obertitel irgendwann einmal ausgefallen sind, kann man verschmerzen. Im 2. Rang saß viel junges Publikum, vorwiegend Schulklassen, die aber äußert gespannt zuhörten. Zum Schluss gab es den verdienten Applaus mit vielen Vorhängen.
Quelle: Die Zauberflöte – Trailer | Volksoper Wien