In einer deutschen Erstaufführung zeigt das Stadttheater Fürth ‚Die Story meines Lebens‘, ein Musical von Neil Bartram und Brian Hill. Das zwei Personen-Stück kommt dabei ohne großes Bühnenbild aus. Ein paar Stapel mit dickem, weißen Papier, eine Leiter von der Decke, eine Tür und ein Podium; das war es dann aber auch für Martin Maria Blau. Man soll sich bei dem Stück ganz auf die Dialoge der beiden Hauptdarsteller konzentrieren. Im Wesentlichen geht es dabei um einen erfolgreichen Buchautor namens Thomas Weaver, der eine Grabrede für seinen besten Freund Alvin Kelby halten soll. Thomas Borchert als Thomas versucht dabei, die leeren Blätter mit Inhalten zu befüllen. Leider fällt ihm zu seinem Freund zuerst nicht viel ein, als er alleine auf der Bühne sitzt. Ein paar Minuten später kommt sein Freund als Geist ihm zu Hilfe. In 1h 45min ohne Pause entwickelt sich zuerst langsam, dann aber doch spannend die Geschichte seiner Freundschaft mit Alvin (Jerry Marwig). Thomas leidet etwas unter einer Schreibblockade. Aufgezogen ist die Story chronologisch in Geschichten der beiden Personen seit ihrer Schulzeit. Es beginnt mit einer Episode aus der ersten Klasse. Eine Miss Wilkinson mit Damenbart ist Lehrerin. Thomas verkleidet sich zu Halloween als Engel Clarence aus dem Film: Ist das Leben nicht schön? Alvin ist der einzige, der seine Verkleidung erkennt. Alvin hat sich als seine Mutter mit Bademantel und Lockenwickler verkleidet, die zu dem Zeitpunkt schon tot ist. Etwas später bekommt Thomas von Alvin im Buchladen von Alvins Vater ein Buch mit den Abenteuern von Tom Sawyer geschenkt. Das Buch verändert Thomas Leben und er beschließt, Autor zu werden. Alvin ist immer der Außenseiter, der als Freigeist beschrieben werden kann. Während Thomas aus der Kleinstadt ausbrechen will und auf das College will, bleibt Alvin als Hilfe beim Buchgeschäft seines Vaters. Es kommt noch mal zu einem Halloween, wo sich Alvin noch Mal als seine Mutter mit Lockenwicklern verkleidet. Highschool-Jungs verfolgen ihn, ziehen im den Nachtmantel der Mutter aus und werfen ihn in den Fluss. Alvin erzählt nun, dass die Erinnerungen an seine Mutter verblasst sind und der Nachtmantel die einzige Erinnerung war. Zur Aufnahme ins College muss Thomas eine Geschichte abgeben. Er schreibt die Geschichte vom Schmetterling, der das Wetter mit seinem Flügelschlag beeinflusst. Dies ist eine Geschichte, die er zusammen mit Alvin erlebt hat. Zum Abschied gibt Alvin Thomas einen Kuss auf den Hals, es soll der erste von vielen Abschieden werden. Regelmäßig zu Weihnachten kommt Thomas aber wieder nach Hause und macht mit seinem Freund Engel im Schnee und sehen den besagten Film. Thomas schreibt wieder an einer Kurzgeschichte, hat aber immer noch keine Idee. Es kommt, wie es kommen muss. Thomas bringt eines Tages Anne mit, ein Fan. Alvin ist wenig begeistert. Aber auch für Thomas läuft es nicht rund. Er überlegt, ob die Beziehung zu Anne nicht etwas früh kommt. Überhaupt hat er wenig Zeit, wegen seiner Karriere. Er kommt auf die Idee nach dem Tode von Alvins Vater, diesen in die Stadt einzuladen. Während sich Alvin ziemlich freut, ist Thomas immer mehr im Stress. Er erzählt seinem Freund nicht, dass er die Beziehung zu seiner Freundin pausieren will, um an seiner Karriere zu arbeiten. Die Freundin reagiert mit Unverständnis. Thomas bitte darauf hin Alvin nicht in die Stadt zu kommen. Alvin ist bitter enttäuscht, dennoch bleibt er ein großer Fan von Thomas, der als Kurzgeschichten immer Geschichten aus der Jugend mit Alvin niederschreibt. Er erinnert sich daran, als er Alvin das letzte Mal gesehen hatte. Jetzt kommt raus, dass Alvin Selbstmord begangen hatte. Eine Enttäuschung mit Thomas war die Grabrede für Alvins Vater. Statt eine eigene Geschichte für den Vater von Alvin zu schreiben, zitiert Thomas nur einen bekannten Schriftsteller. Wieder ist Alvin enttäuscht und hält die Grabrede für seinen Vater selbst. Eine Woche später, so erfährt man dann springt Alvin an Weihnachten von der Brücke. Diesmal überwindet Thomas seine Schreibblockade und schreibt eine Grabrede für Alvin, die als einer Sammlung Geschichten für Alvin besteht.
Das Musical beginnt sehr langsam, fast zäh. An vielen Stellen diktiert Alvin Thomas, was er schreiben soll. Thomas wiederholt das Gesprochene, während er es niederschreibt. So nach und nach dämmert es auch Thomas, dass er am Tode Alvins nicht unschuldig ist. Ein wesentliches Element ist dabei der Film ‚Ist das Leben nicht schön?‘ aus dem Jahr 1946. Dort will sich die Hauptperson Weihnachten von der Brücke stürzen, wie es dann Alvin auch getan hat. Ein Engel hält ihn davon im Film ab, der ihm zeigt, wie seine Heimatstadt ohne ihn aussehen würde. In einer Tradition sehen sich Thomas und Alvin den Film immer wieder zu Weihnachten an. Während Thomas die Trauerrede entwickelt, stellt er fest, dass er am Tode seines Freundes nicht unschuldig ist. Gerade der Moment, wo man entdeckt, wie wichtig Alvin im Leben des Schriftstellers Thomas war, macht das Musical spannend. Zu recht erhält Thomas Borchert und Jerry Marwig am Ende stehende Ovationen. Mir hat es gefallen, ein leises Musical mit Emotionen, sehr weit von den poppigen Disney-Musicals weg, die man so kennt. Die Texte wurden von Thomas Borchert selbst aus dem Englischen übertragen. Eine Viermann-Band liefert die Musik zu den Texten.
Quelle: YouTube | Stadttheater Fürth
Barrie Kosky inszenierte dieses Jahr die Meistersinger von Nürnberg in Bayreuth. Ähnlich wie der Parsifal von Stefan Herheim, nimmt man sich diesmal um die Geschichte Bayreuths an. Szenisch beginnt man in der Villa Wahnfried, indem man Richard Wagner eine private Vorführung dieser Oper in der Villa durchspielen lässt. Enden lässt man die Geschichte im Saal 600 der Nürnberger Prozesse. Auch um das Festspielgelände setzt man sich mit den jüdischen Künstlern auseinander, die während des Dritten Reichs Auftrittsverbote hatten. Auch hier in der Oper dürfen alle mitspielen außer Beckmesser, der in seiner Rolle als Jude der Außenseiter ist.
Anfangs ist man etwas verwirrt, wie selbstbezogen die Oper ist. Mit einer witzigen Einblendung: Villa Wahnfried bei 23 Grad, spielt man auf die Temperaturen im Festspielhaus an. Wagner erscheint immer im Gehrock mit Barett. Sein Schwiegervater Liszt ist ebenfalls auf der Bühne so wie Dirigent Hermann Levi. In einer Momentaufnahme berichtet man davon, dass Cosima Migräne hat und Wagner mit seinen Hunden unterwegs ist. Diese kommen auch wirklich auf die Bühne. Wagner hat sich ein paar Schuhe bestellt und eine große Packung Parfüm. Auch auf seine Vorliebe für Samt wird angespielt. Man befindet sich im Salon der Villa Wahnfried, an den Wänden sind viele Bücher und Büsten aufgestellt. Nun lässt man Wagner gleich fünfmal auftreten, wobei vier Doubles aus dem Flügel kommen.Wagner nimmt in den folgenden Meistersingern gleich mehrere Rollen selbst ein, so ist er Hans Sachs als alter Mann, Stolzing als junger Mann. Cosima wird zu Eva und Liszt zu Pogner. Dem Juden Levi fällt die Rolle des Beckmessers zu. Bei der Chorszene ist der schon gefordert, als alle auf die Knie fallen und beten. Widerwillig macht er mit. Wer schon mal in der Villa Wahnfried war, weiß, dass mit der Galerie solche Off-Chöre aus dem Obergeschoss möglich sind. Die Lehrbuben unterbrechen immer wieder den Akt mit einem turbulenten Auftritt. Im Spiel kommt Stolzing nun nach Nürnberg. Schon vorher hat er Eva, Pogners Tochter kennengelernt. Rein zufällig ist die nun das Preisgeld bei einem Gesangswettbewerb. Aus dem Flügel kommen jetzt auch noch mehrere Meister in Renaissancekostümen. Man setzt sich in Reih und Glied bei einer Tasse Tee hin. Die Tassen scheinen aus Metall zu sein und erzeugen einen tollen Klang. Auch scheint in dieser Renaissancezeit Headbanging schon schwer in Mode zu sein, die Meistergilde rockt jedenfalls richtig zur Musik. Inzwischen hat Beckmesser sich hinter vier Bildern verschanzt. Er muss den Gesang von Stolzing bewerten. Mit einem Hammer markiert er jeden Fehler, den Stolzing beim Vortrag seines Gesangs macht. Stolzing nimmt auf einem Thron auf dem Flügel Platz. Nachdem sein Gesang schon einmal im Tumult der Meister abgebrochen wurde, nimmt er ein Schlückchen Tee um sein Lied fortzusetzen. Aber nein, es hilft nichts. Beckmesser und die Meister sind außer sich vom unerhörten Gesang. Am Ende des Aufzugs lässt man die Villa Wahnfried zurück fahren und den Saal 600 erscheinen.
Im zweiten Akt sieht man Wagner als Sachs mit Cosima auf einer Decke beim Picknick im Grünen. Auf dem Boden befindet sich ein grüner Rasen. Der Raum ist weiter der Saal 600 in Nürnberg, über den also reichlich Grün gewachsen ist. Wagner als Sachs macht sich nun Gedanken über das neue Lied von Stolzing. Das kann er nicht vergessen, obwohl es gegen die gängigen Liedregeln verstoßen hat. Eva will nun wissen, wie es mit dem Vorsingen ging. Stolzing kommt hinzu und will Eva zur Flucht überreden. Beckmesser ist weiterhin auf Freiers Füßen und will seiner Eva ein Ständchen auf der Laute bringen. Weit oben hat aber nicht Eva am Fenster Platz genommen, sondern Magdalene, ihre Zofe. Er begibt sich in die Rednerkanzel und fängt an ein Ständchen zu singen. Sachs ist aber nun gemein und merkt jeden Fehler in seinem Gesang mit einem Hammerschlag auf den Leisten an. Das tut er so penetrant, dass die Bewohner Nürnbergs aufwachen und eine Prügelei stattfindet. Dabei läuft die Uhr im Gerichtssaal plötzlich rückwärts. Der Rasen wird an Seilen hochgezogen. In dieser Inszenierung wird aber nur einer richtig verprügelt auf der Bühne, nämlich Beckmesser. Unter einem Wagnerbildnis muss er Tritte einstecken und erscheint in der Folge mit einem bandagierten rechtem Arm und einem eingewickelten Finger. Beckmesser bekommt eine Karikaturmaske aufgesetzt. Am Ende erscheint aus der Rednerkanzel des Saals diese riesig und aufgeblasen. Es ist eine Judenkarikatur aus dem ‚Stürmer‘.
Im letzten Akt ist der Saal 600 voll bestuhlt, wie zur Zeit der Nürnberger Prozesse. An dem Kopfende befinden sich die Flaggen der vier Siegermächte. Links vorne nimmt Wagner als Sachs ein Essen ein, auch David beißt herzhaft in eine Breze. Sachs räumt sein Frühstück klirrend ab. Er grübelt über die Ereignisse der Johannisnacht. Am Tisch links komponiert er nun mit Stolzing zusammen das Preislied. Schließlich kommt auch Beckmesser auf die Bühne und will ebenfalls ein Preislied von Sachs haben. In einer Albtraumsequenz kommen fünf kleine Juden in den Zeugenstand und bedrängen Beckmesser. Dieser verjagt die kleinen Albtraumfiguren. In Anspielung auf Wagners Ideologie, will sich nun Beckmesser das Meisterlied aneignen. Mit dem Zettel des Preislieds zieht er von dannen. Eva kommt nun dazu und beschwert sich, dass die Schuhe nicht passen. Stolzing trifft auch noch ein und in einer Gesellentaufe macht Sachs mit einer kräftigen Ohrfeige David zum Gesellen. Nun singen sie alle ein wunderschönes Quintett: ‚Selig wie die Sonne‘. Sachs schickt alle zur Festwiese und dem Sangeswettbewerb an die Pegnitz. Die Bühne bevölkert sich nun mit den Bürgern Nürnbergs. Ein einziger alliierter Soldalt hält Wache. Es werden Fahnen zu den Auftritten der Stände geschwungen. Dabei lässt die Regie die Szenerie immer wieder einfrieren. Als die Meister eintreffen, spenden die Bürger schnellen, synchronen Applaus. Wie die Duracell-Hasen klatschen sie zum Eintreffen der Meister, nur bei Beckmesser verstummt der Applaus. Beckmesser ist immer noch schwer lädiert und wird von einer Harfensolistin begleitet. Er versucht nun das Preislied zum Besten zu geben, versingt sich aber gnadenlos und wird so zum Gespött. Er beschuldigt nun Sachs, ein schlechtes Lied komponiert zu haben. Als Stolzing dieses Lied dann singt, sind alle begeistert. Stolzing gewinnt den Wettbewerb und bekommt Eva. Als er zum Meister werden soll, lehnt er ab. Dies führt zum Schlussmonolog von Sachs: Verachtet mir die Meister nicht, den er aus der Rednerkanzel hält. Das Volk verlässt die Bühne, der Saal 600 fährt hoch und Sachs ist während des Monologs allein auf der Bühne. Dann jedoch fährt ein Orchesterdouble aus der Rückwand vor. Sachs dirigiert das Statistenorchester und rettet zum Schlusschor die Szene, die in Deutschtümelei zu versacken droht.
Wenn man als erster jüdischer Regisseur dieses Stück inszeniert, mit dem die Reichparteitage der Nazis eröffnet wurden, bleibt sich der Bezug zum Judenhass nicht aus. In seiner Selbstbezogenheit ist die Inszenierung sicher für Neueinsteiger eine harte Nummer. Selbst ich war von den vielen Wagner-Inkarnationen verwirrt, wer jetzt genau welche Rolle spielt. Da Wagner aber immer seine eigene Vita in den Stücken verarbeitet hat, geht das durchaus in Ordnung. So ist die Prügelei in der Johannisnacht unter dem Eindruck einer Schlägerei in Nürnberg entstanden, in die Wagner selbst geraten ist. In der Gesamtheit wirkt der Bezug zum Saal 600 etwas beliebig und wird nicht ausreichend erklärt. Man könnte deuten, dass das letztendlich das Ende des Judenhasses ist, richtig schlüssig erklärt wird es dabei allerdings nicht. Aber die Aufführung punktet, mit einem unglaublichen Aufgebot an Sängern. Klaus Florian Vogt als Stolzing, Michael Volle als Sachs waren an dem Abend wirklich hervorragend, textverständlich, sodass man den Dialogen gut folgen konnte. Eva hätte ich gerne etwas jugendlich, frischer besetzt gesehen. Aber auch die Nebenrollen waren sehr gut. Letztendlich punktet Bayreuth immer mit der trefflichen Akustik, die seinesgleichen sucht.
Fanfare zum dritten Aufzug der Meistersinger von Nürnberg
Manchmal nutzt man die letzte Chance, so wie diese Aufführung von ‚Kiss me, Kate!‘ bei den Feuchtwanger Festspielen. Johannes Kaetzler inszeniert relativ sparsam, nur zwei verschiebbare Quader bilden die Garderoben der Künstlertruppe, die eine musikalische Umsetzung der ‚Widerspenstigen Zähmung‘ von Shakespeare in Baltimore wagt. Dieses Stück im Stück war der größte Erfolg von Cole Porter. Dass die Big Band nur aus sieben Mann besteht, tut diesem Stück dabei aber keinen Abbruch. Was zählt, ist die Spielfreude der Truppe um Fred Graham. Natürlich hat er die Hauptrolle des Stücks mit sich selbst besetzt. Die weibliche Hauptfigur der Katharina spielt prickelnder Weise, seine Ex-Frau, die vor einem Jahr die Scheidung eingereicht hatte. Diese ist inzwischen mit dem Gerneral Howell liiert, mit dem sie auch regen Telefonkontakt pflegt. Unterdessen stellt Fred Lois Lane nach, der er auch Blumen schickt. Dabei müssen das Veilchenimitat aus Plastik einiges aushalten, denn anstatt bei seiner Geliebten, bei seiner Frau. Einzig ein Brief verrät, dass die Blumen an die falsche Adresse geliefert wurden. Fred weiß um die Brisanz des Briefes und versucht an diesen zu kommen, der landet aber bei Lilli Vanessi im Ausschnitt. Sie soll ihn später während der Vorstellung lesen und mit dem Ausruf ‚Miststück‘ zu einer Schlagattack in den Unterleib von Fred ausholen (im Original beißt sie ihn sogar). Dieser lässt sich das auch im Stück nicht gefallen und schlägt massiv zurück, sodass Lilli in der Folge nicht mehr sitzen kann. Sie beschließt, ihren Mann anzurufen und die Vorstellung abzubrechen. Fred sind schon in den ersten Szenen zwei Gangster aus der Unterwelt von Baltimore auf den Versen. Er hätte einen Schuldschein über 10000 Dollar unterzeichnet. Zuerst leugnet er, die Unterschrift sei falsch. Dann kommt er aber auf die Idee, den Gangstern die Lage zu erklären. Diese sind mit Pistolen bewaffnet und wollen das Geld. Fred sagt, er könne das Geld nur zahlen, wenn sie Lilli dazu zwingen, die Vorstellung zu Ende zu spielen. Die Gangster bekommen auch Pumphose und Perücken, tragen allerdings Jacketts. Sie sind somit die absolute Lachnummer, allein die Mimik der beiden Darsteller spricht Bände. Sie passen auf der Bühne immer auf, dass Lilli ihren Auftritt auch weiterspielt. Als ein kleiner Vogel von dem Baum auf der Bühne mit einem Draht herabgelassen wird, schießt einer der Gangster den Vogel wirklich ab. In der Zwischenzeit macht das Ensemble Pause. Bei 15 Grad ist das ‚Viel zu heiß‘ eher ein frommer Wunsch. Auch die zwei Bühnenarbeiter, die eine Flasche Bier auf Ex trinken, haben eine Erfrischung an diesem Abend sicher nicht nötig. Lilli holt nun den General zu Hilfe. Dieser erscheint polternd mit viel Soldaten im Schlepptau auf der Bühne. Ein paar Gags zur Anspielung auf die Präsidentenwahl in den USA, das ist die Karriere, die General Howell plant, lassen einen ob der politischen Lage außerhalb des Theaters eher erschaudern. Auch hatte der General eine Affaire mit Lois Lane, die er auch nach der Heirat mit Lilli fortzusetzen gedenkt. Alle Andeutungen von Lilli, dass sie bedroht wird, weiterzuspielen, schlägt der General in den Wind. Die anschließende Wendung, dass die Gangster den Schuldschein schließlich zerreißen, weil der General und ihr Chef gemeinsame Sache machen, erscheint etwas unplausibel. Im Original wurde der Auftraggeber liquidiert. Als sie nun die finale Szene ohne Lilli spielen sollen, kommt Lilli doch auf die Bühne, diesmal freiwillig und spricht ihren Dialog mit Fred zu Ende.
Ich war von der Vorstellung sehr angetan. Es gab zwar einige Anspielungen auf die Provinz, die politische Lage in Amerika und ein paar platte Gags - so hatte ein Schauspieler einen Geldbeutel zum Ausstopfen der Hose verwendet - dennoch fand ich die Aufführung sehr gelungen. Nach wie vor finde ich die Botschaft des Stücks: Verprügle die Ex-Frau und sie kommt zurück, fragwürdig. Das sah man 1949 sicher noch anders. Die beiden Gangster bei ihrer Nummer: ‚Schlag nach bei Shakespeare‘ sind einfach köstlich. Die Herren sehen teilweise in den Langhaarperücken des Stücks ganz anders aus und man muss zweimal hinsehen, bis man die Schauspieler wieder erkennt. Zum Shakespeare-Stück hat man aber auch Kostüme aus der Zeit an. Eine gute Lautsprecheranlage kommt eigentlich nur bei den Gesangsstücken zum Einsatz, die Texte sprechen die Schauspieler ganz unverstärkt. Gefallen hat mir an diesem Abend auch Judith Peres, welche die Lilli ganz emanzipiert und mit gute Stimme spielte. Auch der fränkische Himmel hielt seinen Regen an diesem Abend zurück bis zum Ende der Vorstellung, sodass die Notfallponchos ungeöffnet blieben.
Was macht man mit einer einst sehr erfolgreichen Sängerin, die 2012 gestorben ist und viele Nummer 1 Hits hatte. Bevor sie ganz in Vergessenheit gerät, setzt man ein Musical auf mit allen ihren Hits. Das Ganze verpackt man in ein Zelt an den Dom und schon hat man einen Musical Hit. Vielleicht liegt der ausgebliebene Wow-Effekt einfach daran, dass hier die Rede von Whitney Houston ist und ich schon damals kein großer Fan ihrer Songs war. Jemand zu finden, der die Songs genauso bringt, wie diese Ausnahmekünstlerin, ist sicher sehr undankbar. Zudem saßen wir in Reihe 9, Platz 40/41 und damit direkt vor der Box.
Der laute Knall vor dem ersten Stück „Queen of the Night“ lässt einen ziemlich zusammenzucken. Whitney Houston spielte in dem Film aus dem Jahr 1992 eine erfolgreiche Sängerin namens Rachel Marron, die von einem Stalker verfolgt wird. Man sieht in den ersten Szenen, wie der Bodyguard namens Frank Farmer angeworben wird, für die Sicherheit des Stars zu sorgen. Dieser weigert sich und wird mit Geldangeboten geködert. Schließlich wird er doch schwach und willigt ein, Rachel zu beschützen. Es gibt einen Vorfall, bei dem ein rotes Kleid entwendet wird. Die Sicherheitsstandards sind niedrig in dem Haus von Rachel, sodass es ihm ohne Probleme gelingt ins Haus vorzudringen. Frank bringt also die Sicherheitsstandard auf Vordermann, worüber Rachel gar nicht begeistert ist. Sie möchte nicht in Angst leben, die Briefe des Stalkers hat man vor ihr geheim gehalten. Rachel hat zudem ein 10-jähriges Kind, das Frank ein rotes ferngesteuertes Auto zeigt. Beide kommen ins Gespräch. Rachel hat auch noch eine Schwester Nicki, die in einem Nachtclub singt. Frank besucht deren Auftritt, um sie zu beschützen. Schließlich wird die Lage brenzlig, als der Stalker sich ins Haus einschleicht und den Sohn Fletcher bedroht. Rachel möchte einmal in die Stadt gehen und da der Bodyguard keine Begleitung erlauben würde, entschließt sich Rachel, mit Frank in die Stadt zu gehen. Sie gehen in eine Karaoke-Bar, in dem schrecklich schräg gesungen wird. Auch Frank gibt ein Lied zum Besten und der Darsteller kann tatsächlich nicht singen. Als Frank Rachel auffordert, einen ihrer Songs zu singen, wird dieser Auftritt viral und findet sich auf vielen Handys wieder. Sie ist das Gespräch der Stadt anschließend. Anschließend ist Frank mit Rachel im Bett. Inzwischen versucht man die Herkunft einer E-Mail zu klären. Man bekommt bei der Schlussszene einen Verdacht, dass Nicki aus Eifersucht gehandelt haben könnte und den Stalker selbst engagiert hat.
Wieder mit einem lauten Knall beginnt der zweite Akt. Frank ist mit der ganzen Gefolgschaft in das Blockhaus seiner Eltern geflohen. Hier erfährt man, dass Frank bei einem Einsatz bei einem Gouverneur versagt hat. Auch wäre er zu spät wegen des Einsatzes zum Tod seiner Mutter gekommen. Nicki gibt schließlich zu, auf eine E-Mail des Erpressers an ihre Schwester geantwortet zu haben. Der Erpresser schleicht sich in die Blockhütte und ersticht Nicki, als sie im Wohnzimmer des Blockhauses alleine ist. Es kommt zur Oscar-Verleihung, bei der man einen erneuten Anschlag auf Rachel erwartet. Der Erpresser hat die Beziehung zu Frank mitbekommen, daher beschließt Frank sich zu trennen. Beruf und Karriere gehen ihm vor. Inzwischen hat Rachel auch eingesehen, dass sie Schutz braucht. Es kommt zum großen Finale. Es rückt die Security im Musicaldome aus und erschreckt unbedarfte Handynutzer bei der Nutzung von WhatsApp mit einem barschen: Handy aus! Bei der Oscar-Verleihung wirft sich Frank vor Rachel und schützt sie. Angeschossen treffen sie sich ein letztes Mal in der Wohnung, wo Frank seinen Nachfolger vorstellt. Mit der letzten Nummer „I will always love you“ endet das Musical.
Wenn man jetzt ein Fan von altersgerechter Beschallung ist, ist man nach dem Muscial hin und weg. Die Auftritte der Rachel werden eingerahmt mit Tänzern und Feuerfontänen. Die Gigs sind echt ein Hingucker und als sie zum Schluss mit vielen Spotlights angeleuchtet nach oben fährt im schwarzen Kleid, ist gelungen. Leider muss ich sagen, dass ich auch nach dem Musical und der ganzen Lektüre über Whitney Houston kein Fan der Diva geworden bin. Es war ok, da wir in Köln waren und die Kartenpreise stark gefallen waren, haben wir uns das Stück angesehen. Whitney Houston quasi im Ausverkauf – oder wie schnell doch der Starruhm verblasst.
Wir befinden uns im Jahre 2017 n. Chr.. Das ganze Staatstheater Nürnberg ist von Richard Wagner besetzt... Das ganze Staatstheater Nürnberg? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkerter Hain hört nicht auf, mit Belcantogesängen Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für den römischen Legionär, der als Besatzer in dieser Oper keinen guten Stand hat. Mitten in dem Ringgedöns nimmt die Oper in Nürnberg einen echten Belcantoschinken ins Repertoire. Norma, die Oper um eine gallische Druidin, die an den Regeln der Druiden zerbricht und letztendlich am Scheiterhaufen stirbt. Was den Regisseur Stéphane Braunschweig dazu treibt, die Oper in einer Art Bunker spielen zu lassen wissen wir nicht.
Das Volk ist aufgereiht und wartet aber auf die Weissagungen der Norma. Die Frauen in einheitlichen blauen Röcken und die Männer in grauen Mänteln. Auch die heilige Eiche, an der Norma die Misteln im Schattenspiel schneidet, ist nur ein Bonsai, der in einer Käseglocke auf die Bühne getragen wird und durch geschickte Beleuchtung riesig groß wird. Mit einem roten Rosenstrauß kommt der Bösewicht der Oper Pollione auf die Bühne, dabei bekommt er Schützenhilfe von seinem Freund Flavio. Die Zeit wäre noch nicht gekommen, meint Norma. Von Pollione hat Norma heimlich zwei Knaben, die in dieser Inszenierung durch einen Jungen und ein Mädchen dargestellt werden. Ein schwarzer Gazevorhang teilt Norma vom Volk, als sie über ihren inneren Konflikt spricht. Das erklärt auch Ihr Zögern. Aber Pollione ist schon wieder auf Frauenjagd und hat sich in Adalgisa verguckt. Dies Novizin soll bald ihr Gelübde auf Keuschheit ablegen. Sie wird durch Pollione bedrängt. Dieser entblößt vor lauter Erregung seine Brust. Wer jetzt noch mehr erwartet, wird enttäuscht. Adalgisa hat es aber überzeugt, sie will ihm nach Rom folgen. Norma quält sich, da Pollione ohne sie nach Rom zurückwill. Adalgisa öffnet sich aber Norma, die erkennt auch Parallelen zum Werben ihres Liebhabers. Es kommt aber zum großen Zusammentreffen der Hauptakteure und Norma ist außer sich, dass Adalgisa sich genau in Pollione verliebt hat. Der Bunker öffnet eine Drehtür, an die man ein weißes Bett mit Messingstäben vor einen roten Vorhang montiert hat. Dort sieht man die Kinder. Norma schwört Rache.
Norma plant den erweiterten Suizid mit ihren Kindern. Mit einem Dolch schleicht sie sich an das Bett der Kinder und versteckt schnell das Messer unter dem Kissen. Hin und hergerissen, zwischen der Rache an Pollione und der Mutterliebe, verzichtet sie letztendlich auf den Mord. Norma sagt, Adalgisa solle mit den Kindern und Pollione nach Rom. In einem wunderbaren Duett mit Adalgisa beschwört diese die Liebe zu Pollione. Eine Rückkehr zu Norma lehnt Pollione aber ab. Wutentbrannt schlägt Norma nun auf das Schild des Irminsul rechts. Im Hintergrund sieht man jetzt die Eiche in groß. Es kommt zu einer kurzen Kriegsszene in der die gallischen Krieger zum Kampf rufen. Es wird ein Opfer gefordert. Ein in den heiligen Hain eingedrungener Römer soll es sein, der kommt gerade recht. Es ist natürlich Pollione. Norma kann den Vater ihrer Kinder trotz all der Rache nicht töten. Wieder nimmt ihn Norma hinter dem Gazevorhang zur Seite und überlegt, wie sie die Liebe zu Pollione retten kann. Sie droht ihm, Adalgisa am Scheiterhaufen zu opfern, seine Kinder zu töten. All das hilft nichts. So lässt sie denn einen Scheiterhaufen für eine Priesterin errichten, die das Keuschheitsgelübde gebrochen hat. Als das Volk nun den Namen fordert, nennt sie ihren eigenen. In einer Projektion geht Norma dem Scheiterhaufen entgegen. Pollione ist von ihrer Selbstaufgabe so berührt, dass er ihr auf den Scheiterhaufen folgt.
Ja, der Widerstand gegen den Ring mit dieser Oper ist gelungen. Die armenische Sopranistin Hrachuhí Bassénz lotet die Rolle der Norma in aller ihrer Zerrissenheit fast perfekt aus. Auch Ida Aldrains Leistung als Adalgisa ist hervorragend. Den erkrankten David Yim vertritt Joska Lehtinen mit Bravour. Letztendlich ist das wirklich eine schöne Oper, die die Romantik vorwegnimmt. Die Staatskapelle unter der Leitung von Volker Hiemeyer spielt vielleicht am Anfang etwas zu laut auf. Das mag wohl der viele Wagner in der Spielzeit bewirkt haben. Das Orchester nimmt sich aber zum Schluss immer weiter zurück. Es gibt wenig zu kritisieren in dieser Norma, vielleicht die Inszenierung - mit dem Monsterbonsai.
Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg