Das Theater Ulm hatte die letzte Aufführung der Pique Dame von Tschaikowsky in Fürth im Stadttheater durchgeführt. Inszeniert wurde von Igor Folwills sehr konventionell im besten Sinne. Als zu Beginn eine Ankündigung vor der Ouvertüre erfolgte, dass der Sänger des Tschekalinski erkrankt sei, horchte ich auf. Man hatte aber Ersatz in Joshua Lindsay gefunden, der die Partie leider nur in Russisch könne. Die Oper sei aber insgesamt in Deutsch. Diese deutsch-russische Kombination hatte durch die Übertitel keinerlei negative Folgen, dennoch war es witzig, wenn Russisch gefragt wurde und die Antworten dann in Deutsch kamen. Die Aufregung hatte dem Ansager scheinbar so zugesetzt, dass der Eugen Onegin ankündigte. Es lief dann aber doch Pique Dame. Die nächste Überraschung sollte sein, dass die alte Gräfin, die Pique Dame, erst 35 Jahre ist. Der Sänger des jugendlichen Hermann aber schon 65. Eine klassische Inszenierung rundete die Aufführung zu einem gelungenen, aber langen Opernabend ab. Bei den Aufteilungen der Akte orientierte man sich an den Bildern der Oper und machte mitten im zweiten Akt eine Pause. Auch zwischendrin erfolgten immer wieder längere Umbaupausen. Zentrales Element der Inszenierung war eine dreiteilige Spiegelwand mit Türen, die sich immer wieder verschieben und neu arrangieren lässt.
So gerät der Sommertag auf einer St. Petersburger Promenade sehr dunkel. Eine Parkbank steht mit dem Rücken zum Publikum, dahinter befindet sich ein künstlicher Stein. Angedeutet ist eine Allee durch einen getrockneten Baum. Auf der Bühne stehen beleuchtete Standuhren. Jeletzki stellt seine Braut Lisa vor, die Hermann als seine Geliebte wiedererkennt. Lisas Großmutter sei eine reiche Gräfin, die ihr Vermögen mit drei Karten im Spiel in Paris gemacht hat. Das Geheimnis dieser Karten würde sie hüten, die hätte sie sich durch ihre Hingabe erkauft. Der Verrat des Geheimnisses würde ihren Tod bedeuten. Es folgt eine düstere Sturmszene, bei der Hermann dem Wind schwört, dass Lisa niemals die Frau des Fürsten wird.
Im nächsten Bild sieht man Lisa mit ihrer Freundin Pauline beim Klavierspielen. Zu Besuch sind 14 weitere Freundinnen in Weiß. Zuerst singt Pauline eine traurige Weise, dann beschließen ihre Gäste, ein lustiges, russisches Tanzlied anzustimmen. So viel Lebenslust ruft eine schwarz gekleidete Gouvernante auf den Plan. Lisa steht kurz vor der Verlobung und ist betrübt, da sie eigentlich Hermann liebt. Dies vertraut sie auch Pauline an. Beglückt macht sie alle Türen auf und durch die Nacht erscheint dann Hermann plötzlich im Palast. Die Stimmen rufen jetzt die Gräfin auf den Plan und gerade noch rechtzeitig kann sie Hermann verstecken. Die Gräfin fährt dabei immer in einem Rollstuhl über die Bühne. Als die Gräfin weg ist, gibt Lisa Hermanns Drängen nach.
Im dritten Bild hat man die Spiegelwand längs gestellt. Man befindet sich auf dem Maskenball des Fürsten Jeletzki, der wirklich einen tollen Bariton hat. Lisa weicht dem Fürsten aus. Es folgt eine Einlage beim Ball von der ‚standhaften Schäferin‘. In einer Imitation komponiert Tschaikowsky hier im Stil von Mozart ein Schäferspiel. Dort widersteht eine Harlekin-Chloe auf einem Stein dem Werben des reichen Plutus. Sie entscheidet sich für den armen Daphnis. Insofern nimmt hier das Spiel im Spiel die Handlung vorweg. Zum Finale des Schäferspiels regnet es Blütenblätter aus dem Bühnenhimmel. Lisa hält es nicht mehr aus und gibt Hermann den Schlüssel zur Tapetentür zu ihrem Zimmer. Am Maskenball feiert man die Ankunft der Zarin Katharina. Hiermit endet die Oper mitten im zweiten Akt, aber mit einem großartigen Finale.
Nach der Pause denkt die Gräfin wehmütig an ihre edle Zeit in Paris. Sie stimmt eine Ariette aus Grétrys Richard Löwenherz auf Französisch an. Die Spiegelwand ist geteilt und auf der Bühne stehen viele Kerzen. Eine Standuhr ist quer gekippt und links hinten gibt es ein Madonnenbild. Hermann muss an dem Jugendbildnis der Gräfin vorbei, wobei ihm sehr mulmig ist. Auf dem Vorhang sieht man übergroß einer Projektion der Gräfin. Er bedroht die Gräfin mit dem Revolver und will sie eigentlich nur zu erschrecken, um an ihr Geheimnis zu kommen. Letztlich betet er vor dem Madonnenbild und die Gräfin stirbt in ihrem Rollstuhl an den Folgen des Schreckens. Lisa kommt hinzu, ist entsetzt und schickt Hermann weg.
Im nächsten Bild sieht Hermann die Vision des Trauerzugs, der die Gräfin zu Grabe trägt. Die Bühne ist kahl, in blauem Licht und am Bühnenende stehen fünf Standuhren. Im Traum erscheint ihm nun die Gräfin, die ihm die drei Karten verrät. Es sind die Drei, die Sieben und das Ass. Hermann eilt nun zu Lisa.
Lisa erwartet ihn schon und hofft, dass er vor 0 Uhr eintrifft. Die Uhrzeit des Eintreffens sieht sie als Zeichen dafür, dass er unschuldig ist. Trifft er vor 0 Uhr ein, ist er unschuldig. Nach 0 Uhr ist er eindeutig schuldig. Ihre große Arie singt sie vor der Spiegelwand in einem schwarzen Samtgewand. Hermann kommt schließlich kurz nach 0 Uhr und erzählt ihr von den Karten und dass er spielen muss. Er will dies eigentlich nur tun, um ihr ein besseres Leben zu ermöglichen. Sie ist aber enttäuscht von ihm. Der Tod Lisas in der Newa, wird durch die einklappende Spiegelwand dargestellt.
Im Spielsaal trifft nun Hermann auf und will die drei Karten ausspielen. Er setzt 40000 Rubel auf die erste Karte. Auch die nächste Karte ist die vorhergesagte. Als er den Einsatz verdreifacht, will jetzt niemand mehr spielen, nur der Fürst wagt einen letzten Einsatz. Die dritte Karte ist nun aber nicht das vorhergesagte Ass, sondern die Pique Dame. Hermann verliert den Verstand und sein Vermögen. Er hält dies für ein Zeichen der toten Gräfin und ersticht sich, auf dem Spieltisch stehend.
Auch wenn der Abend sicher nicht perfekt war, hat er mir doch sehr gut gefallen. Punkten konnte da vor allem das Orchester, das die Dramatik der Oper gut unterstrich. Das Orchester hat das Stadttheater teilweise zu beben gebracht, wobei auch die ruhigen Momente in der Ariette gut ausgekostet wurden. Sängerisch musste man natürlich mit dem Stammhaus in Ulm arbeiten und die Alterskonstellationen sind da etwas seltsam anmutend. Auch der Mix aus russischen Einwürfen von Tschekalinski hatte einen interessanten Effekt. Den Chor fand ich beachtlich, denn gerade das Schlussbild vor der Pause, als alle am Bühnenrand sangen, war eindrucksvoll. Jeletzki(Kwang-Keun Lee) und die Gräfin(Chiao Shih) waren wirklich gut und die Partie des Hermann(Hans-Günther Dozauer) ist eben sehr lang und schwer, die der Lisa(Josefine Weber) ebenfalls. Den düsteren Stoff, in dem immer wieder die drei Karten beschworen werden, finde ich auch sehr interessant. Ich hatte die Pique Dame vorher noch nie gesehen. Bei allem, was man kritisieren könnte, gab es doch einen langen Schlussapplaus. Bravo Ulm.
Quelle: YouTube | Theater Ulm - PIQUE DAME von Pjotr Iljitsch Tschaikowsky
Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg
Georg Schmiedleitner hat in Nürnberg mit einer Wozzeck-Inszenierung geglänzt. Das dreiteilige Bühnenbild besteht aus Zimmern, die sich gegeneinander verschieben lassen und ist in Weiß gehalten. Einen wesentlichen Anteil am Erfolg hatte sicher auch die Musik, die von Gábor Káli dazu geliefert wird und ein Wozzeck in Form von Jochen Kupfer, der wahrscheinlich nur in der Inszenierung so gut funktioniert. Diesmal ist Wozzeck kein Mann von unten, sondern einer aus der unteren Mittelschicht, der schon mal bei Amazon und Zalando groß einkauft. Die Schulden, die er anhäuft, muss er in Diensten bei dem Hauptmann und als Versuchspatient bei einem Arzt abstottern.
Zuerst hebt sich der Vorhang und man sieht die Darsteller in einer Pose. Ohne Musik fährt der Vorhang wieder runter, bevor es dann eigentlich losgeht.
Schon anfangs ist Wozzeck dem Hauptmann zu diensten und peitscht diesen in einer Sadomaso-Tortur mit einem Riemen aus. Hier wird der Hauptmann nicht rasiert, sondern lässt sich, nur mit einer Unterhose bekleidet, von Wozzeck quälen. Die beiden debattieren über Wozzecks Kind, das nicht den Segen der Kirche hat. Auf einem kleinen Rasenstück treffen sich Andres der Jäger und Wozzeck. Der Jäger hat gelbe Kopfhörer auf, während Wozzeck über die menschliche Gesellschaft nachdenkt. Dann erfolgt ein Schwenk zu Marie, seiner Frau. Die erfreut sich an einem Smartphone-Video einer Militärkapelle. Dort hat sie den Tambourmajor entdeckt. Mit diesem hat sie in der Folge dann eine Affäre. Der Sohn ist zwar mit einem blinkenden Hoverboard gut mit Technik versorgt, wirkt aber unglücklich. Vielleicht liegt das auch an seinem Vater, der von Visionen ablenkt, ist und kein Ohr für sein Kind hat. Für Wozzeck ist diese Familienidylle das Glück. In roten LEDs sieht man eine große Aufschrift: Glück im Hintergrund. Dann muss er aber weiter zum Doktor, der mit Wozzeck ein Ernährungsexperiment macht. Nicht nur er muss Erbsenbrei essen, es gibt noch ein paar Mitstudienobjekte, die fleißig Erbsenbrei essen. Der Doktor geht ihn zwar an, dass er seinen Urin nicht abgegeben hat. Man hantiert mit Urinflaschen, die für das Experiment des Doktors wichtig sind. Er möchte nachweisen, dass einseitige Ernährung geisteskrank macht. Unterdessen verführt der Tambourmajor Marie.
Im zweiten Akt sieht man dann Marie, die geschenkte Ohrringe bekommen hat für ihre Liebesdienste am Tambourmajor. Dass Marie genau zwei Ohrringe gefunden hat, kommt Wozzeck merkwürdig vor, er lässt sie aber passieren. Wozzeck trifft in der Stadt auf eine Gruppe Patienten um den Doktor und den Hauptmann. Die Patienten gehen an Gehhilfen, einer ist schon tot. Der Hauptmann wird vom Doktor mit einer erfundenen Diagnose zum Thema Schlaganfall provoziert. Als sie Wozzeck erblicken, machen sie sich über ihn lustig, dass er die Affäre mit Marie nicht mitbekommen hat. Wozzeck fragt nun bei Marie nach, was es auf sich hat mit der Aussage. Sie provoziert ihn aber weiter. Darauf flüchtet er sich ins Wirtshaus. Dort sieht man, wie sich der Tambourmajor und Marie sich vergnügen. Es kommt eine ganze Batterie Flaschen herein. Nach dem Besäufnis lässt der Tambourmajor Wozzeck zusammenschlagen.
Im dritten Akt sucht Marie in der Bibel Trost. Das Kind ist weiter deprimiert und klebt mit Tape die Stoffpuppen an die Wand. Wozzeck tötet mit einem Cuttermesser Marie, wobei das Blut in Schmiedleitner-Manier spritzt. Wozzeck geht wieder in Kneipe und feiert weiter. Aber dort entdeckt man das Blut an seinen Armen, für das er keine Erklärung hat. In Verzweiflung über seine Tat bringt sich Wozzeck im See um. Man erlebt eine Art Traumsequenz, in der er und Marie wieder vereint sind. Im letzten Bild sieht man die Kinder die Szenen nachspielen. Am Hoverboard, statt auf einem Steckenpferd, kreiselt einsam und alleine der Sohn von Wozzeck, nun als Waise.
Ja, die Musik von Alban Berg ist dissonant und das Stück ist weit von Heiterkeit entfernt. Dennoch lohnt es sich, über den Tellerrand der Melodik hinauszusehen. Die Kritiken für den Wozzeck waren generell gut und das helle Bühnenbild erinnert immer etwas an das Arztsetting. Wozzecks gibt es nicht nur in der Vergangenheit, sondern sie leben hier und jetzt, bestellen bei Zalando und wissen manchmal nicht, wie sie das Geld für diesen Lebensstil aufbringen sollen. Die moderne Technik hat mit Smartphone und Hoverboard Einzug gehalten in dieses Stück und schlägt so den Bogen zur Gegenwart. Es ist weit von lustig entfernt, was dort auf der Bühne abgeht, aber das ist bei dem Thema ja klar.
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Quelle: Soundcloud | Staatstheater Nürnberg
Das Theater Freiburg hat Händels Giulio Cesare ans Stadttheater in Fürth gebracht. In einer Inszenierung von Florentine Klepper darf man sich ins Jahr 48 v. Chr. führen lassen und die turbulente Zeit von Cäsar in Ägypten erleben. Erst einmal zu positiven Aspekten: Man hat die männlichen Hauptrollen des Julius Cäsar und des Ptolemäus mit Alti besetzt, auch Sextus ist mit Sharon Carty gut besetzt. Dafür muss man aber bei der Inszenierung etwas leiden. Die handelnden Personen werden in eine Art Verhörraum aus den 70er Jahren eingepfercht. Im Hintergrund ist ein großer Spiegel, bei dem eine Gruppe von fünf Überwachern das Geschehen begutachten. Links und rechts am Bühnenrand sind zwei Überwachungskameras. Die Wände sind mit Türen versehen, durch die die Akteure immer einen Fluchtversuch starten.
Julius Cäsar sabotiert schon gleich zu Beginn die Überwachungskamera rechts. Der Eröffnungschor davor kommt leider aus der Konserve und scheppert ziemlich in den Boxen. Als nächste kommt Cornelia mit ihrem Sohn Sextus auf die Bühne. Der Kopf ihres Mannes ist ebenfalls auf der Bühne. Ptolemäus, der Bruder Cleopatras hat den Gegner Cäsars umbringen lassen, um Cäsar milde zu stimmen. Statt nun mit dem Tode des Widersachers zufrieden zu sein, ist Cäsar außer sich und spricht von einer schändlichen Tat. Cornelia wird beim Anblick des Kopfes ihres Mannes ohnmächtig. Dies passiert nicht immer, aber immer öfter in der Inszenierung. Ihr Sohn schwört Rache und eine der Seitenschübe öffnet sich und gibt einen Passbildautomaten frei. Der Sohn wird überhäuft von Bildern aus dem Automaten, als er beschließt, seinen Vater zu rächen. Nun kommt aber auch der eigentliche Böse auf die Bühne: Ptolemäus, der Bruder Cleopatras. In seinem blauen Batikanzug mit roten Socken und rotem Schlips krönt sein Haupt eine Afrofrisur. Als Erstes muss er nun einen Friedensvertrag mit Cäsar unterschreiben. Insgesamt ist er aber eher ein König Kallewirsch auf Speed, dem man jede Gemeinheit zutraut, auch die Ermordung Pompeos. Mit seinem durchdringenden Alt hat er die Gunst des Publikums schnell gewonnen. Um die etwas sterile Szenerie aufzumischen, werden von rechts in einer Luke immer wieder Paket angeliefert. Amazon scheint auch in den Container zu liefern, und zwar Blumen für Achillas, mit der er Cornelia den Hof macht oder auch die Asche des Pompeo, die seine Gattin über die Bühne verstreut, wenn es ihr Wachheitszustand gerade zulässt. Manchmal verbringt sie aber auch die Zeit in einem dieser Seitenschübe an einem Telefon, auf der Flucht vor Achillas. Der wirbt um die Frau des Pompeo. Über der Asche des Pompeo grübelt Cäsar über die Vergänglichkeit des Lebens. An der Urne holt er sich dabei blutige Hände. Cleopatra stellt sich dagegen als Lydia dem siegreichen Cäsar vor. In einem roten Kleid und eben einer solchen Afrofrisur wie ihr Bruder umgarnt sie Cäsar. Als sie beobachtet, wie Sextus sich an Ptolemäus rächen will, unterstützt sie ihn bei der Tat. Nach dem zweiten Akt ist Pause und Zeit für ein paar Zuschauer durch Buhrufe, ihr Missfallen kundzutun.
Nach der Pause im dritten Akt wird es noch mal richtig schwierig. Zur Eröffnung sieht man eine lange Szene im Dunkeln, bei denen die Darsteller mit Taschenlampen leuchten. Einem Zuschauer wird das zu viel und er klatscht. Gefühlt dauert dieser Anfang ewig, da man außer den Taschenlampen nichts sieht und auch keine Musik hört. Auf der Bühne herrscht ein ziemliches Durcheinander. Dass es sich hierbei um ein Waldstück in der Nähe von Alexandria handeln soll, erkennt man vielleicht an der Monstera deliciosa, die sich über den Beobachtungsspiegel rankt. Es kommt zu einer Auseinandersetzung zwischen Cäsar und Ptolemäus, bei dem Ptolemäus dem unterlegenen Cäsar ins Bein beißt. Blutend flüchtet der sich auf eine herausgefahrene Toilette. Seine Schwester fesselt Ptolemäus mit einem orangem Stromkabel. Auf einem Overheadprojektor schreibt Cäsar das Wort Krieg, das Ptolemäus zum Sieg ausbessert. Achillas wurde bei dem Kampf tödlich verwundet, unschwer an dem riesigen Blutfleck zu erkennen. Als Cäsar später in der Kabine mit dem WC von leisen Winden singt, hat er ein paar unfreiwillige Lacher auf seiner Seite. Nun hat Ptolemäus kurzzeitig Oberwasser und läuft mit grünen High Heels über die Bühne, aber es soll nicht mehr lange dauern, bis er unter einem Tisch liegend von Sextus ermordet wird. Während nun fünf Männer mit Krokodilmasken (Sobek?) den Pharao raus begleiten, kommen wieder andere in weißen Anzügen und reinigen den Tatort. Während noch einmal der Schlusschor aus den Boxen scheppert, kommen die Überwacher hinter der halbdurchsichtigen Glasscheibe hervor und machen ein Selfie mit einem roten Handy von Cäsar. Man hat es überstanden.
Hätte ich mich nicht so gut auf diese Oper vorbereitet, wäre es schwer gewesen, den etwas ausgefallenen Regieeinfällen zu folgen. Selbst ich war versucht, immer wieder einmal die Augen zuzumachen, um mich besser auf die Musik konzentrieren zu können. Die beiden Alti besonders Ptolemäus hatten mir es an diesem Abend angetan. Das Orchester ging sehr robust an das Werk heran, etwas mehr Nuancierungen hätte ich mir hier vielleicht gewünscht. Dennoch kam die Brillanz des Werkes zum Vorschein. Allerdings sind für meine Ohren 3 ½ Stunden Händel eine Herausforderung. Bei anderen Komponisten sind solche Längen kein Problem. Ich fand den Beifall für die Musiker gerechtfertigt, die Buhrufe für die Regie aber auch. Das Konzept in einer Art Überwachungsraum auf die Zeit und die Figuren von damals zurückzuschauen, erschloss sich mir zumindest nicht.
Quelle: YouTube | Theater Freiburg
Laura Scozzi hat wieder einmal eine frech, frivole Inszenierung im Staatstheater Nürnberg vorgelegt. Die Italienerin in Algier von Rossini war diesmal das Ziel ihrer Bearbeitung und herausgekommen ist in Kooperation mit Théâtre du Capitole Toulouse, wohl eine der heißesten Shows, die das Opernhaus je gezeigt hat, über die man natürlich geteilter Meinung sein kann. Die Bissigkeit, mit der hier die Regisseurin den Geschlechterkampf inszeniert, geht bis hart an die Schmerzgrenze und man hat die Kappeleien eines Paars natürlich schon in der Zauberflöte gesehen. Insofern wiederholt die Regie da einiges, aber diesmal sind die Einlagen des kämpfenden Paares heftiger. Schon im Vorspiel sieht man an eine Projektion, wie sich ein Paar Verletzungen zufügt. Das Tänzerpaar, das dies spielen darf, leistet vollen Körpereinsatz. Der Mund der jeweils ermordeten Leiche dient da schon mal als Aschenbecher, also zimperlich ist das Paar im Umgang miteinander sicher nicht. Eines ist klar: Der Geschlechterkampf in der Italienerin in Algier tobt bis an die Schmerzgrenze.
Danach sieht man in einem Drehbühnenaufsatz, was eigentlich auf der Bühne alles möglich ist. Dargestellt wird ein Luxusappartement in Algier, das die Gemächer des Beys von Algier sind. Der Pascha Mustafa vernascht die Frauen und steckt schon mal den ein oder anderen Schein ins Höschen der Frau. Nachdem Elvira bereits in der Ouvertüre den schwarzen Schlüpfer einer fremden Frau im Ehebett gefunden hat, ertränkt sie ihren Kummer im Alkohol, denn Mustafa hat kein Interesse mehr. Was in dem Moment ein lärmender Staubsauger auf der Bühne zu suchen hat, er ist halt da und saugt. Im Hintergrund macht Elvira auf einem Gymnastikball Übungen. Es muss eine Italienerin her und die abgelegte Ehefrau soll an den Sklaven Lindoro weitergeben werden. Mit drei Tänzerinnen versucht Mustafa, Lindoro von den Vorzügen der Ehe zu überzeugen, die bewegen sich in Dessous wunderbar synchron. Bei der Kavatine "Languir per una bella", in der sich Lindoro nach Isabella sehnt, packt der schon mal die Hula-Hoop Reifen aus. Eine schwierige Rossini-Arie wird dadurch sicher nicht leichter für den Darsteller Martin Platz. Die Korsaren des Beys haben inzwischen reiche Beute gemacht. Mit umgekehrten Vorzeichen landet eine Flüchtlingsgruppe Italiener mit großen Taschen in Algier. Die sollen Sklaven des Beys werden. Darunter ist auch Isabella, die Geliebte von Lindoro und Taddeo. Mit einer Tupperdose Kekse verführt Isabella die Korsaren. Taddeo gibt sich als Onkel von Isabella aus, sieht aber etwas aus wie Atze Schröder. Isabella und Taddeo landen in einer Art Notunterkunft mit Doppelstockbett. Bei den Neckereien zwischen Taddeo und Isabella wird diesem schon mal die Hose runtergezogen. Überhaupt verlieren die Darsteller bei diesem Stück relativ schnell ihre Bekleidung. Die Annäherung zwischen Mustafa und Isabella findet in einer Küche statt. Isabella bereitet in Splatter-Manier einen Hasen mit Karotten zu. Wird der Bey zu aufdringlich, bekommt der schon mal eine Ohrfeige. Dazwischen wird der Hase mit Blutspritzern zerlegt und gekocht. Man spielt mit den Karotten und die Küche wird zum Schlachtfeld der Geschlechter. Der Bey hat für die Italienerin Feuer gefangen und will sie unbedingt haben. Die finale Szene, bei der sich alle Beteiligen treffen, erreicht das Tempo der Musik einen ungeahnten Höhepunkt, bis alle nur noch Geräusche zur Musik machen. Lindoro entdeckt Isabella, der Bey versucht, seine Noch-Ehefrau zu vermitteln, es geht in einem Septett munter zur Sache, wobei das tanzende Ehepaar vom Anfang noch eins drauf setzt.
Der Bey ernennt inzwischen Taddeo zum Statthalter. Mustafa erscheint mit einer Gruppe Männer und einer richtigen Stripperin (Tanja Brunner). Die lässt wirklich alle Hüllen fallen. Als Gärtner betätigt sich inzwischen Lindoro und überlegt, wie er alles zum Guten wenden kann. Er schneidert aus einem Buchs einen kleinen Elefanten und setzt eine italienische Flagge drauf. Hecke schneiden und schwierige Arie singen: Wieder eine Herausforderung. Der Bey lädt sich bei Isabella im Gemach zum Kaffee ein. Das prächtige Gemach des Bey ist ein Badezimmer mit einer goldenen Badewanne. Mit einem glatzköpfigen Designer überlegt Isabella, wie sie wohl den Bey verführen könne. An jedem Kostüm hat Isabella etwas auszusetzen, zur Wahl stehen: Krankenschwester, Highschool-Mädchen, Stewardess, Lederpolizistin, Bunny, Zimmermädchen, Bauarbeiterin oder Catwoman. Ihre Wahl fällt auf das das Catwoman-Kostüme. In diesem Kostüm fesselt sie den Bey an ein rundes Bett. Mit der Peitsche besteht sich auch darauf, dass der Bey sich die Socken auszieht. Dann folgt ein Verwechslungsspiel, wo Isabella dem Bey die eigene Frau ins Bett legt. Nach einer weiteren Orgie mit sechs Tänzerinnen machen Lindoro und Isabella mit K.-o.-Tropfen kampfunfähig. Er liegt auf dem Marmortisch und muss zusehen, wie die italienischen Sklaven mit seinem Fingerabdruck sein Handy entsperren, an den Code für den Safe kommen und seinen Safe plündern. Lindoro redet dem Bey ein, dass es in Italien üblich sei, zum Pappataci ernannt zu werden. Erst dann wäre Isabella bereit, ihn zu empfangen. Während dieser Zeremonie flüchten aber die Sklaven, die mit Berlusconimasken verkleidet sind. Vorher bekommt der Bey noch einen Phallus von Isabella überreicht, die als Miss Italia 2048 erscheint. Der Bey bleibt im Morgenmantel zurück und kommt erst wieder zu sich, als seine Frau Elvira ihm sagt, dass die Sklaven geflohen sind. Reuevoll kehrt er zu seiner Frau zurück.
Das Stück ist und bleibt ein typisches Scozzi-Stück. Wer schon die Zauberflöte, Benvenuto Cellini, die Reise nach Reims oder Les Indes Galantes gesehen hat, erkennt unverkennbar ihre Regiehandschrift. Das ist für die Fans sicher schön, kann aber auch in der Wiederholung etwas langweilig werden. Bei der Premiere war das Echo zumindest geteilt. Bei der Aufführung, in der ich saß, war das Publikum aber einhellig der Meinung, dass die Ideen toll waren. Das beweist wieder mal: Sex sells, auch im Opernhaus. Etwas Probleme hatte die Staatsphilharmonie mit dem Rossini-üblichen Tempo der Parlandopassagen. Das wurde am Ende aber immer besser und kumuliert in dem rasanten Finale des ersten Akts. Aber Rossini gehen im zweiten Akt etwas die Ideen, vor allem musikalisch aus. Das Stück wurde halt schnell in einem Monat produziert, war aber 1813 der Durchbruch für Rossini im La Fenice in Venedig. Zudem hat Isabella (Ida Aldrian) als Rolle eine der ersten tragenden Mezzosporanrollen zu singen. Die Musik ist damals mit eine Banda Turca begleitet, die Sprechpassagen auf einem Hammerklavier.
Bilderstrecke auf Nordbayern.de
Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg
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Am Stadttheater in Fürth kann man derzeit die Uraufführung des Musicals Luther-Rebell Gottes sehen. Nina Schneider erzählt dort in einem Rückblick Luthers Leben nach einer Idee von Wolfgang Adenberg. Die Inszenierung von Werner Bauer setzt dabei ganz auf Lichteffekte und Projektionen, sonst wären die 21 Ortswechsel schwer zu stemmen. Durch neue Überblendungen entsteht so eine rasante Revue durch Luthers Leben.
Es startet mit einer Kutschenszene bei Nacht, ein Schlagzeuger macht im Proszenium Hufgeklapper. Albtraumartig erlebt Luther die fiktive Gefangennahme auf der Pleißenburg bei Leipzig durch Herzog Georg von Sachsen. Dort trifft er im Kerker auf seinen Gegenspieler Johannes Eck. Vom Standpunkt 1530 sieht man das Leben Luthers in Rückblicken. Man sieht feiernde Studenten, das Studentenleben von Luther mit einer Tanzeinlage, wie es sich wohl Eck vorgestellt hätte. Es folgt das Sturmerlebnis mit Sichtung der heiligen Anna und sein Beitritt ins Kloster. Der Auftritt der rockenden Mönche hat so etwas von Gregorian ("Ecce Advenit"). Luther liegt am Boden, als er in den Orden der Augustiner aufgenommen wird. In Glanz für die Ewigkeit lässt man den Papst und einen Kardinal in einer Gondel die Ausmalung der Sixtinischen Kapelle. Man beschließt das mückengeplagte Gebäude durch einen protzigen Neubau, den Petersdom zu ersetzen und unterlegt das mit Broadway-Sound. Wieder sieht man Luther beim Bodenschrubben hadern, dass er sich seinem Gott nicht würdig erweist. Er geht nach Wittenberg. In Wittenberg wird der fromme Landesfürst Friedrich der Weise sein Förderer. Der ist Luthers Lehren sehr aufgeschlossen gegenüber und leidenschaftlicher Reliquiensammler, wobei ihm aber selbst Zweifel kommen, als er den vierten Kopf eines Heiligen sammelt. Nun wird die Politik als großes Schachspiel inszeniert. Luther trifft in Wittenberg auf Mathis, dessen Bruders wegen Diebstahls im Gefängnis sitzt. Mathis bittet Luther um Verzeihung für seinen Bruder. Das ist eine erfundene, aber nette Nebengeschichte. Statt sich mit den Lehren Luthers zu befassen, gibt es beim Bau des Petersdoms Schwierigkeiten. Papst Leo X. braucht Geld und erfindet den Ablasshandel. Unter Höllenandrohung versucht er, mithilfe von Tetzel, das Volk zum Kauf von Ablassbriefen zu bewegen. Tetzel sieht dabei aus wie ein Rammstein-Rocker und singt ein Lied von "der höllischen Qual". Die Ablassbriefe verkaufen sich prächtig. Luther deckt den Skandal auf und hält Predigten von der Güte Gottes ("Gott Allein"). Er schlägt 1517 seine Thesen an die Tür der Kirche in Wittenberg. Nun kommt es zum Disput zwischen Eck und Luther im Jahre 1519. Das ist als Battle-Rap aufgezogen, wieder mit einer Tanzeinlage. Schließlich wird er von den Reichstag in Worms zitiert. Dort widerruft er seine Thesen nicht, worauf die Reichsacht verhängt wird. Es kommt zu einem großen Finale des ersten Akts.
Im zweiten Akt sieht man zu Beginn wieder eine Kutschenszene. Friedrich der Weise lässt Luther auf die Wartburg entführen. Dort wird er von Visionen und Albträumen geplagt ("Kyrie Eleison"). Den Teufel vertreibt er mit einem Tintenfass. Den Tintenfleck sieht man dort wirklich, und wenn man selbst schon mal auf der Wartburg war, kennt man den Fleck. Er kommt auf die Idee, das Neue Testament zu übersetzen. Man sieht wie die Worte aus den Seiten wachsen und wie das Volk plötzlich versteht, was in der Bibel steht. Friedrich der Weise trägt schließlich einen Abdruck der Lutherbibel über die Bühne. Das war die eigentliche Revolution der Zeit, der Buchdruck. Aber es entstehen plötzlich Unruhen. Luthers Lehrern werden zum Auslöser eines großen Krieges. Gegen den Rat Friedrich des Weisen verlässt er die Wartburg. Nun findet Luther aber privat sein Glück mit der Heirat der Nonne Katharina von Bora. Die Szene, in der die neun Nonnen in einem Verwandlungsbilderbuch sieht man die neun geflüchteten Nonnen. Das Ganze kommt so wie ein Kinderlied von den „Zehn kleinen Negerlein“, übrig bleibt Katharina von Bora, die zu gebildet und zu eigenwillig für andere Männer war. Die Heirat mit Katharina von Bora wird eher als Zufall dargestellt. Sie flohen 1523 zu Ostern aus dem Kloster. Zwei Jahre später hat er sie geheiratet, was hier stark verdichtet dargestellt wird ("Ich gehör zu Dir"). Gleichzeitig lehnt sich Luther gegen den Zölibat auf. Auf der Pleißenburg ist nun auch Mathis eingetroffen, als Anführer der Aufständischen. Herzog Georg lässt auf Anraten seiner Frau Luther frei. Es kommt zu einem Aufstand, bei dem die Aufrührer Freiheit wollen.
Wer hätte gedacht, dass zwischen Sister Act, Monty Python und Les Misérables noch Platz für ein Luther-Musical ist. Anfangs hatte ich mit der lauten Musik und mit den Szenen aus Rom so meine Probleme. Ich war am Zweifeln, ob das wirklich gut geht. Ja, es geht gut. Gerade die Balladenszenen, bei denen Luther mit Gott hadert oder auch der Battle-Rap zwischen Eck und Luther sind charmante Einfälle. Durch die weiße Bühne und die Lichtprojektionen ist eine schnelle Szenenabfolge möglich und gerade zu Anfang hat die Inszenierung ein ziemliches Tempo. Es kommt auch der ein oder andere zotige Spruch von Luther dazu, ohne sich dabei in Zitaten zu verlieren. Es gibt tolle Lichtprojektionen von der Heimsuchung auf der Wartburg. Im Nu ist man in Klöstern, Kirchen, großen Hallen und das alles nur mit Projektion ohne eine Umbaupause. Dass das Ganze letztendlich doch aufgeht, ist auch Verdienst von Thomas Borchert (Martin Luther) und Ramin Dustar (Johannes Eck). Aber auch die vier Musiker leisten eine gute Arbeit, einschließlich des Schlagzeugers im Proszenium. Letztendlich nimmt sich das Musical doch ernst, was auch dem Thema angemessen ist.
Quelle: YouTube | Stadttheater Fürth
Quelle: YouTube | Kati Heidebrecht