Wer das Musical Cats von Andrew Lloyd Webber derzeit sehen will, muss auf die Luisenfestspiele nach Wunsiedel fahren. Basierend “Old Possums`s Book of Practical Cats” von T.S. Elliot kann man die Geschichte der Jellicle-Cats in einem Steinbruch erleben. Hardy Rudolz hat den Spielort von einer Müllkippe in der Nähe von London in den Steinbruch verlagert. Das ist in Ordnung so weit, und dass er selbst in seiner eigenen Inszenierung als Kater Bustopher Jones auf der Bühne steht, ist bemerkenswert. Man hat zudem eine Rahmenhandlung feiernder Jugendlicher eingebaut, die zu Beginn auf dem Steinbruch einfallen. Mit gelben Bierkästen im Schlepptau verscheuchen sie zuerst die Katzen, nehmen aber zurück und hören den Katzengeschichten zu. Eigentlich ist das Ganze eine Nummernshow, in der Katzencharaktere vorgestellt werden. Es geht darum, eine Katze aus der Schar auszuwählen, die am Jellicle-Ball wiedergeboren werden soll. Die Besetzungsliste ist lang und von der Katzenschar wird einiges an tänzerischem Können abverlangt. Zu Beginn des Balls sprechen die Katzen synchron über die drei Namen, die jede Katze hat. Einen Namen für den Hausgebrauch, einen zweiten einmaligen Namen und einen geheimen Dritten. Es folgt eine lose Folge von Katzenvorstellungen und Gesangseinlagen. Nehmen wir nur einige Charaktere heraus. Da ist Jenny Fleckenreich, die Gumbie-Katze, die den ganzen Tag sitzt und nachts die Mäuse jagt. In einem Barockkostüm umhüllt von einem orangenfarbenen Mantel, mimt sie mal die träge, mal die gewitzte Katze. Dann platzt der Rum-Tum-Tugger rein, eine aufgedrehte Rock n‘ Roll-Katze, die sich am Kran weit ins Publikum schwenken lässt und allen am Kopf rumtanzt. Und dann schleicht Grizabella über die Bühne, einst eine Glamour-Katze mit Pailletten-Kleid mit Glitzerschuhen, die von einem grauen Mantel bedeckt werden. Mit ihr will niemand recht zu tun haben, denn sie zog einst hinaus, die Welt zu entdecken. Dann folgt Bustopher Jones, eine Dandy-Katze mit weißen Gamaschen. Er ist den Leckereien der Pubs nicht abgeneigt und kugelrund, macht aber der Gumbie-Katze schöne Augen. Dann wird das erste Mal von Macavity, dem Bösewicht erzählt. Man hört Polizeisirenen, Macavity ist auf der Flucht. Aus der Luke kommen jetzt zwei Regionalkatzen: Mungojerrie und Rumpleteazer. Mit unüberhörbaren oberfränkischem Akzent und in einem angedeuteten Trachtenlook in Blau, mischen die zwei jede Wohnung auf. Auch im Original haben die beiden Katzen einen Cockney-Akzent. So geht die Ming-Vase zu Bruch und an einem Seil werden Mäuse über die Bühne gezogen. Nun kommt mit viel Würde die Oberkatze zum Ball, Old Deuteronomy (Martin Sommerlatte) hat schon viele Katzenleben hinter sich, eine große Gefolgschaft. Er nimmt auf einem Sessel rechts Platz und wird die Katze auserwählen, die wiedergeboren werden soll. Eine Stimme hat der Anführer, die sofort zu beeindrucken weiß. Der Anführer ist nun eingetroffen und er Ball kann beginnen. Nach dem Ball kommt Grizabella wieder und singt den Song „Erinnerung“, wobei ein Teil des Liedes von der jungen, weißen Katze gesungen wird. Dann geht es ohne Pause weiter. Es erzählt der Theaterkater Gus von seinem größten Erfolg, dem Growltiger. Blitzartig verwandelt sich die Bühne in ein ostasiatisches Piratensetting mit Dschunke. Aus dem müden Gus wird wieder der Held, der seine Geliebte Griddlebone vor den Siamesen retten muss. Aber er meint, früher wäre das Theater besser gewesen. Nun erscheint Skimbleshanks, die Eisenbahnkatze. Mit einem blauen Zug mit vier Waggons wird eine Eisenbahn improvisiert. Erinnerungen kommen an Jim Knopf den Lokomotivführer auf. Bis schließlich Macavity mit roter Irokesen-Frisur und Schottenrock Old Deuteronomy entführt. Mr. Mistoffelees wird nun engagiert, der Old Deuteronomy mit einer großen Feuershow wieder herbeizaubern soll. Aus einem großen Rohr kommt er schließlich aus einer Nebelschwade. Nun muss die Katze gewählt werden, die wieder geboren wird. Grizabella erscheint nun wieder und singt den zweiten Teil von „Erinnerung“. Nun wählt er doch diese Katze aus, die wiedergeboren werden darf. Grizabella steigt über die Leitern zum oberen Ende der Bühne auf. Begleitet von drei Feuer Sprühern erklimmt sie auf die Leiter das Jenseits. Abschließend gibt Old Deuteronomy noch eine Rede darüber, wie man eine Katze ansprechen soll. Am Ende sind auch die Jugendlichen vom Anfang begeistert, dass sie etwas über Katzen erfahren durften.
Etwas irritiert war ich in der Vorstellung dadurch, dass es keine Pause gab, sondern das Stück in einem Zug durchgespielt wird. Die Naturbühne der Luisenburg kommt als Steinbruch sehr gut zur Geltung und bei der Abendvorstellung tut die Abendsonne der Bühne guten Dienst. Man hat die Luisenburg 2010-2013 saniert, sodass man auch als Zuschauer eventuelle Regengüsse nicht mehr fürchten muss. In meiner Serie Musicals hatte ich bisher um Cats immer einen Bogen gemacht. Das Musical hatte mir zu wenig Handlung, war mir von den Nummern her nicht eingängig genug und zu jazzig. Dennoch sollte man diesen Erfolg von Andrew Lloyd Webber einmal live gesehen haben. Die Choreografie und Tanzszenen verlangen den Darstellern viel sängerische Kondition ab. Dabei immer wieder zu singen und sich als Chor über die Bühne zu bewegen, ist schon sehenswert. Was hier an Kostümzauber und aufwendiger Schminke fehlt, wird hier durch die Naturbühne und bezaubernde Einfälle ausgeglichen. Ich werde durch die Vorstellung sicher nicht zum Fan dieses Musicals, aber gesehen haben sollte man diesen Bühnenerfolg schon.
Verena Stoiber inszeniert in Nürnberg Verdis Rigoletto. Was zu seiner Zeit 1851 ein wahrer Theaterskandal war, nämlich die Geschichte der Ausschweifungen des Herzogs von Mantua, hat eine neue Facette erhalten. In der Inszenierung ist Gilda nicht die echte Tochter von Rigoletto dem buckligen Hofnarren, sondern des Grafen von Monterone. In der Ouvertüre sieht man, wie Rigoletto die Tochter des Grafen entführt. Das Mädchen wehrt sich heftig gegen die Entführung. Das ist vielleicht ein Erklärungsversuch, warum sich die Tochter und ihr Vater mit „Sie“ anreden und der Hofnarr seine angebliche Tochter so gerne versteckt hält. Man mixt hier den Entführungsfall von Madeleine McCann in Portugal aus dem Jahr 2007 in diesen Verdi rein. Immer wieder sieht man Plakate, auf denen in drei Sprachen (Vermisst, Troviamo, Missing) steht. Auch schleicht der Graf von Monterone wiederholt über die Bühne als Penner mit leerem Kinderwagen, in schmutziger Kleidung und mit Einkaufstaschen.
Die Szene des ersten Akts zeigt einen südländischen Innenhof mit Fenstern und Rollläden. Dieser Hof ist leider in einem erbarmungswürdigen Zustand und drückt vielleicht die Tristesse des Stücks aus. Es findet an einer u-förmigen Tafel die Hochzeit der Gräfin von Ceprano statt. Auch hier stellt der Herzog der Braut immer wieder nach, meist in Begleitung eines Glases Sekt. An der Hochzeitstafel stehen weiße Plastikgartenstühle. Um für seine Avancen freie Bahn zu haben, schlägt Rigoletto dem Grafen vor, Ceprano umbringen zu lassen. Auf der Hochzeitsgartenparty geht es daher hoch her, am Rande links wird sogar gegrillt. Mit einer Grillwurst fuchtelt auch Rigoletto rum. Rigoletto treibt es mit seinen Späßen soweit, dass er den Grafen auf der Hochzeit ins Ohr beißt. Nun taucht der Graf von Monterone mit einem Kinderwagen auf. Monterone wird als Penner mit leerem Kinderwagentrolley dargestellt, der an der Suche seiner Tochter verzweifelt ist. Er ist wirklich in einem erbärmlichen Zustand aus dem Gefängnis gekommen und bringt ein erstes Suchbild seiner Tochter mit. Dieses Fahndungsfoto zerreißt Rigoletto, der den Verbleib von Monterones Tochter verheimlichen will. Er spricht den Fluch auf den Grafen und den Herzog aus. Gilda, die angebliche Tochter von Rigoletto wird in einem Verließ versteckt gehalten. Eifersüchtig mahnt Rigoletto sie, nicht auszugehen, außer in die Kirche. Doch sie hat schon die Bekanntschaft eines armen Studenten gemacht mit Namen Gualtier Maldè, ausgerechnet beim Kirchgang. Dass das niemand anderes als der Herzog von Mantua selbst ist, ahnt Gilda nicht. Aber der versichert ihr seine Liebe und lässt sich von ihr an die Hose fassen, die er halb öffnet. Der Graf flüchtet nun. Warum sie sich bei dem Lied „Gualtier Maldé! ...Caro Nome“ in einer Nachtszene mit dem Messer ritzt, erschließt sich nicht und passt nicht unbedingt zur verträumten, spielerischen Musik. Mitten auf der Bühne sitzt sie mit ihrer Bettdecke und dem Messer, nur warum? Nun schlagen die Höflinge zu und entführen Gilda, die sie für Rigolettos Geliebte halten. Sie halten weiße Tücher hoch und schubsen Gilda hin und her. Rigoletto selbst bekommt bei der Flucht mit der Leiter eine Schweinemaske aufgesetzt, sodass er nicht weiß, dass er bei der Entführung seiner eigenen Tochter mitgeholfen hat. Die Höflinge machten ihm Glauben, man entführe die Gräfin Ceprano. Sie treiben den Spaß so weit, dass sie Rigoletto die Hose runter ziehen. Am Ende ist er verzweifelt.
Im zweiten Akt ist der Herzog nun verärgert, dass man seine neue Geliebte entführt hat. Aus Wut ballert er in die Luft. Die Geliebte wäre aber schon im Palast meinen die Höflinge. Die Höflinge stehen im ersten Stock des Hinterhofs und haben das Wort ‚Ve-nd-et-ta‘ auf die Brust gemalt. Mit aufreizenden Bewegungen im Beckenbereich ärgern sie Rigoletto, der seine Tochter sucht. Dieser ist immer noch an die Leiter gekettet. Er stellt klar, dass die Entführte nicht seine Geliebte ist, sondern seine Tochter. Gilda betritt nur in Unterwäsche bekleidet den Hof. Sie ist schockiert, dass ihr Vater der Hofnarr ist. Rigoletto ist schockiert, dass sich seine Tochter ausgerechnet in den Herzog verliebt hat. Nun taucht erneut Monterone auf mit dem Kinderwagen. Er ist auf dem Weg ins Gefängnis. Der Kinderwagen geht am Ende der Szene in Flammen auf, als Rigoletto beschließt, mit Gilda fortzugehen, und am Herzog Rache zu nehmen. Mit einem Koffer zerrt er Gilda weg vom Hof.
Im dritten Akt ist man im Hause eines Mörders und seiner Schwester. Hinter einer Stuhlansammlung links verstecken sich Rigoletto und Gilda. Rigoletto hat 20 Scudi für den Mord an den Herzog aufgetrieben. Er will seiner Tochter zeigen, dass der Herzog weiterhin Frauen nachstellt. Vier leichte Damen machen klar, dass Sparafucile, der Mörder, ein Bordell unterhält. Seine Schwester Maddalena lockt mit roter Perücke und in Leder die Gäste an. Darunter auch der Herzog, wieder mit Champagner-Flasche. Dass er total testosterongesteuert ist, bringt er mit einem Revolver zum Ausdruck, in dem er in der berühmten „La donna è mobile“-Arie mit der Pistole schießt. Ich fand das ziemlich störend. Eigentlich umgarnt er Maddalena, hier aber bedroht er mit zwei Pistolen Sparafucile und seine Schwester. In der Spelunke von Sparafucile hängen nun noch mehr Suchbilder von Gilda. Aus Liebe zu Maddalena soll aber nicht der Herzog, sondern der Erste umgebracht werden, der an die Tür klopft. Es gibt ein Gewitter und Gilda, die den Plan der Mörder mitgehört hat, beschließt sich für den Herzog zu opfern. Warum der Leichensack, den der Mörder nun übergibt, einen Koffer enthält, ist wieder so ein Rätsel. Eigentlich sollte da Gilda drin liegen, die aber blutüberströmt aus ihrem Verlies kommt. Sie kommt noch einmal zu sich, stirbt aber letztendlich vor Rigoletto, der sie versucht im Clownskostüm von der Bühne zu ziehen.
Musikalisch hat Gábor Káli den Zauber der Oper herbeiholen können. Was in der Premiere bei Markus Bosch als zu laut angemahnt wurde, erschien mir sehr ausgeglichen. Großartig war Mikolaj Zalasinski als Rigoletto. Die Rolle des Herzogs ist dabei ziemlich schwer zu besetzen, David Yim hatte an diesem Abend mit der Partie vor allem in den Höhen etwas Probleme. Michaela Maria Mayer stellte die verzweifelte Tochter gut dar. Ja, bleibt dieser Regieansatz, den ich nur zum Teil für gut befinden kann. Die Geschichte der Kindesentführung erscheint mir zu gewagt, der Borderlineansatz zu isoliert und der dritte Akt mit den Pistolen etwas zu unlogisch. Man könnte sagen, das Ganze ist überinszeniert oder recht weit hergeholt. Dennoch ist der Rigoletto eine schöne Oper, die auch an dem Freitagabend sehr gut besucht war.
Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg
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Quelle: Soundcloud | Staatstheater Nürnberg
Als Gastspiel des Theaters Ulm durfte ich einmal mehr der Oper Werther von Jules Massenet lauschen. Wenn auch die Regie von Antje Schupp so einige Einfälle hatte, die sich einem nicht sofort erschließen, war es musikalisch in jeder Hinsicht beachtlich, was geboten wurde. Die Regie hatte den Werther in die aktuelle Zeit verlegt, wo es einerseits Dosenbier und Burger King-Fast-Food gibt, andererseits aber noch Unmengen von Briefen verfasst werden. Schon die Projektion des Werthers mit einem roten Schriftzug zur Ouvertüre erinnert an Gruselschocker aus den 30er Jahren.
Zu Beginn des ersten Aktes sieht man eine Art Filmset. Links steht ein Schreibtisch mit Overheadprojektor, auf denen der junge Werther immer wieder Folien mit französischem Text auflegt. Im Hintergrund der Bühne sieht man eine Projektion des schreienden Manns (Der Wahnsinn) aus der Allegorie der Liebe, zwar seitenverkehrt, aber gut zu erkennen. Das Ganze mutet wie ein Filmset an. Der Abendschoppen des Amtmanns im Goldenen Stern findet im Stehen statt. Dabei wird reichlich Dosenbier vergossen. Die Kinder, die im Juli schon ein Weihnachtslied geprobt haben, werden mit einer Burger-King-Tüte abgefüttert von Charlotte, in die sich Werther sofort verliebt. Unbill droht aber von Albert, dem Verlobten, der mit einem Kunstblumenstrauß unerwartet bei seiner Verlobten auftaucht. Charlotte hatte ihrer Mutter am Sterbebett versprochen, standesgemäß zu heiraten. Nach dem gemeinsamen Besuch eines Balls finden die beiden sich auf einem grünen Wiesenpodest wieder, das vom Bühnenhimmel heruntergelassen wurde. Dort legt Werther im Mondschein einen Hermelinmantel um seine Geliebte. Der Zauber der Mondnacht ist gebrochen, als Charlotte Werther gesteht, dass sie einem anderen versprochen ist.
Es findet ein fließender Übergang zum zweiten Akt statt. Die Unterseite der grünen Wiese beherbergt ein Nazerenerbild mit einem Kreuz. Es werden drei Paletten mit roten Grablichtern heruntergelassen. Das Bild wird geteilt und der nun entstehende Raum, soll vor der Kirche spielen. Hier feiert der Pfarrer seine goldene Hochzeit. Charlotte und Albert haben seit drei Monaten geheiratet. Albert belastet etwas das schlechte Gewissen mit Werther. Darauf trinken die beiden Bier aus Bügelflaschen. Nun rät Charlotte, Werther solle sie verlassen und in drei Monaten, zu Weihnachten zurückkehren. Als die Gäste mit einer Polonaise erscheinen, eilt Werther davon.
Im dritten Akt ist Charlotte förmlich unter der Last der Gedichte und Briefe begraben. Werther schreibt wie ein Wahnsinniger Gedichte und Briefe und legt sie auf den großen Haufen. Warum er mit einer Maske auftritt, erschließt sich nicht. Es ist Weihnachten. Stürmisch umarmt er die Geliebte. Es ertönt das Lied des Ossian, das wunderbare Lied „Pourquoi me réveiller“. Charlotte weißt ihn erneut zurück. Werther fordert die Pistolen von Albert und plant sich umzubringen.
Im Zwischenspiel zum vierten Akt sieht man nun, wie sich Werther mit einer Pistole umbringt. Es wird ein Double auf die Bühne gelegt. Der Sänger des Werthers agiert nun quasi als Geist während der langen Sterbeszene. Die Körperpuppe wird dann weggetragen. Werthers letzter Wunsch ist es fernab vom Friedhof bei den zwei Linden, begraben zu werden. Man hört die Weihnachtsgesänge der Kinder und sieht zwischen den Leinwänden ein gleißendes Licht.
Leider ließ sich der Werther (Michael Burow-Geier) an diesem Abend ansagen, dass er leicht erkältet sei. Gehört hat man das etwas, wenn man aber die Leistung ansieht, die diese Rolle an den Sänger stellt, war das immer noch sehr gut. Jongbae Jee am Dirigentenpult für das Philharmonisches Orchester der Stadt Ulm sehr gut durch die dichte Partitur, die für meinen Geschmack, deutliche Anklänge bei Puccini hat. Der frenetische Applaus der jungen Zuschauer war deutlich zu hören. Die unglückliche Liebesgeschichte als Vorlage zweier realen Personen, die Goethe da verarbeitet hat, spricht damals wie heute, vor allem das junge Publikum an. Sorgt auch die Regie hier und da für Irritationen, musikalisch konnte sich das hören lassen. Die Oper war zuerst nicht angenommen worden, musste in Wien aufgeführt werden, wurde aber dann über Paris zu einem Welterfolg.
Was treibt einen heutzutage noch in ein ‚Ballet héroïque‘ von Jean-Philippe Rameau aus dem Jahr 1735? Das kann nur eine kurzweilige, abwechslungsreiche Inszenierung von Laura Scozzi sein. In der vorletzten Aufführung am Opernhaus in Nürnberg, habe ich es doch noch geschafft. Dabei ist die Handlung doch so aktuell. Die Anhänger der Göttin Hébé werden von Bellone in den Krieg entführt - Das Europa der damaligen Zeit verlor sich in endlosen Erbfolgekriegen - daher macht sich Gott Amor unterstützt von drei vorwitzigen Amoretten auf in die weite Welt. Man sieht eine Revue von vier Miniopern aus den äußeren westlichen und östlichen Gefilden. Damit das Reisepensum auch an einem Abend zu bewältigen ist, gründet Amor eine Reisegesellschaft: Die Eden Voyage. Diese lässt die Amoretten im weißen Großraumflugzeug um die Welt fliegen. Wenn auch die Musik, bis auf die letzte Nummer, einem Rondeau, die ‚Air des Sauvages‘ nichts so richtig im Gedächtnis bleibt, so ist der Ausflug in die weite Welt durchaus unterhaltsam und überbrückt auch drei Stunden mit hauptsächlich Rezitativen in der Barockmusik. Geprägt wird das Stück durch kurze arienähnliche Einschübe. Am Ende jeder Minioper bekommt man ein Divertissement zu hören. Den Stoff für die Entreés bilden Zeitungsmeldungen aus der damaligen Zeit.
Das Stück beginnt mit einem Prolog im Garten Eden. Auf der Bühne sieht man einen grünen Urwald mit einem kleinen Wasserfall und grünem Kunstrasen. Und richtig, hier im Garten Eden trägt man für 20 Minuten wenig Textil. Fünf nackte Paare tanzen kunstvolle Reigen und stellen mit ihren Tänzen gewisse Gemälde nach. So ist das Gemälde, der Sündenfall von Lucas Cranach eindeutig zu erkennen. Es wird geseufzt, gezittert und immer wieder Reigen getanzt. Alles könnte idyllisch diese drei Stunden so weitergehen, würde da nicht Bellone mit einem Quad und einem bunten Gefolge den Garten Eden stürmen. Im Gefolge von Bellone befindet sich ein Chips essender Papst mit vier Kardinälen, ein Popstar mit Groupies, ein Fußballspieler, diverse Businessleute mit Handy und Soldaten. Die Gefolgschaft von Bellone schafft es in kurzer Zeit, den Garten Eden mit Pizzaschachteln und Fast Food-Abfällen zuzumüllen. Die Männer der Anhängerschaft der Hébé bekommen Gewehre, Aktentaschen und folgen Bellone nach. Hébé ruft nun Amor zu Hilfe, der mit seinen drei Helfern, den Amoretten, auf der weiten Welt neue Liebespaare finden soll. Es wird schnell eine Passagierkontrolle für die Eden Voyage-getaufte Luftfahrtlinie aufgebaut. An dieser Kontrolle scheitert doch tatsächlich die dritte Amorette mit ihrem Koffer voller Pfeile. Der Scanner schlägt mit einem roten Licht an. Der Koffer muss zurückbleiben.
In einer Videoeinspielung sieht man nun, wie die Amoretten in dem Düsenflugzeug um die Weltkugel fliegen. Die Einspielung überbrückt immer die Umbaupause auf der Bühne.
Im ersten Entreé, dem großmütigen Türken, landet man am Strand an einem Industrieabfluss ins Mittelmeer irgendwo in der Nähe von Alanya. Ein fliegender Flugzeugsessel bringt die Amoretten dorthin. Emilie lebt als Sklavin bei Pascha Osman. Dieser will die westlich angezogene Frau in Orange unbedingt haben. Sie hat aber ihr Herz an Valerian verloren. In einer Sturmsequenz wird der Sonnenschirm von dem Strand gefegt und man sieht, wie ihm Hintergrund ein Spielzeugschiff strandet. In einem versenkten Bassin retten nun die Amoretten mit einem Schmetterlingskescher, die Spielzeugpuppen vom gestrandetem Schiff. Eine Amorette stürzt sich mit vollem Körpereinsatz in die Fluten des Mittelmeers und wird mit einem Kraken am Kopf aus dem Wasser gezogen. Es landet eine bunte Truppe von Flüchtlingen an der Küste, denen der Pascha erst einmal Geld für Pässe abnimmt. Die Amoretten belohnen sich mit einer kleinen Shoppingtour auf eine griechische Insel. Sie haben H&M-Taschen mit der Aufschrift Έρως dabei. Diese H&M-Taschen der Amoretten sind in jedem Entreé der kleine Gag am Rande, so wie die T-Shirts auf denen zunächst I ♥ You steht. Der Sultan erkennt in Valerian seinen Befreier und lässt die Flüchtlinge und Emilie weiterziehen auf eine griechische Insel. Die Amoretten ziehen Spielzeugboote in Richtung Griechenland. Ihnen scheint aber der Weg nicht klar zu sein, weshalb die dritte Amorette die Landkarte zurate zieht. Jetzt geschieht aber die Wende und Emilie geht zurück zum Sultan.
Im zweiten Entreé befindet man sich in Peru. Vor einer Hotelpostkarte von einem Pool treffen sich Phani und Carlos. Als sich der Vorhang hebt, sieht man eine Drogenplantage im Hochland Perus. Dort herrscht Huascar und verehrt den Sonnengott. Mit Feinrippunterhemd, Tattoos und Cowboy-Stiefeln betrinkt er sich mit Alkohol. Am Tisch steht ein Teller mit weißem Pulver. Man meint Anleihen der Partei des Leuchtenden Pfads in Peru zu sehen. Wieder erscheinen die Amoretten mit H&M-Taschen diesmal mit Machu Pichu als Aufdruck. Als T-Shirts haben sie diesmal I ♥ Sun stehen. Man sieht die Arbeiter bei der Kokaernte. Von dem weißen Pulver, das hier produziert wird, nimmt auch die dritte Amorette einen tiefen Zug und tanzt dann ausgelassen. Huascar versucht Phani mit gezogenem Messer, gewaltsam für sich zu gewinnen. Mittels einer Pyroshow löst er ein Erdbeben aus. Carlos seilt sich aus der Bühnendecke ab und entlarvt den Schwindel. Als sich Phani erneut auf die Seite von Carlos schlägt, stürzt sich Huascar ins Feuer.
Im dritten Entreé nach einer Pause findet man sich in der Wüste Persien. Man sieht einen Mast mit einem Lautsprecher und Telefonleitungen. Mitten auf der Bühne steht eine Waschmaschine. Beherrscht wird das Bühnenbild von Männern in schwarzen Anzügen, die zum Gebet rufen. Darunter haben sich auch die Amoretten gemischt. Thematisiert wird hier in dem Tableau recht plastisch die Rolle der Frau in Persien. Die Waschmaschine wird in Betrieb genommen und dient zum Waschen der Gebetsteppiche. Es geht um die Liebe Fatime zu Tacmas dem persischen Prinzen. In Verkleidung trifft Fatime auf ihre Rivalin, die aussieht wie ein Paris Hilton Double. Fatime stellt aber fest, dass der flatterhafte Tacmas ihr treu ist. Es folgt ein Blumenfest, bei dem die Blumen, Frauen in weißen Dessous sind. Diese kommen in einem Viehwagen an. Es wird ein langer Teppich ausgerollt, auf dem die Frauen dann mit hochhackigen Schuhen laufen müssen. Sie bekommen zudem blonde Perücken aufgesetzt. Gespielt werden nun Szenen vom Eheleben in Persien. So bekommt eine Frau vier Mädchenpuppen in die Hand gedrückt, bis endlich der ersehnte Junge da ist. Wieder andere Frauen werden geschlagen und malträtiert. Auf den H&M Taschen der Amoretten befindet sich nun ein arabischer Schriftzug. Als T-Shirt haben die Amoretten ein Herz hinter Gittern. Während die eigene Frau dazu verdonnert wird, eine Arie im Tschador im italienischen Stil zu singen, lässt sich Tacmas ganz von den Frauen in Dessous umschwärmen. Es folgt eine Abfolge von Transparenten, was Frauen weltweit als Folge von Gewalt zustoßen kann. Erwähnt werden die Schicksale von Erika, Fatime, Flore, Lian und Jasmin. Am Ende verschwinden die Damen in Dessous und Tacmas stellt seiner eigenen Frau hinterher. Diese nimmt nun die Kopfbedeckung ab und zeigt ihm die kalte Schulter.
Das vierte Entreé zeigt Umweltaktivisten im Sequoia-Nationalpark. Zu sehen sind die Stämme der Mammutbäume. Es findet eine Demo gegen die Zerstörung der Wälder statt. Die Amoretten kommen wieder mit Fahrrädern und ihren H&M-Taschen mit der Aufschrift Niagara Falls. Am T-Shirt steht diesmal I ♥♥. Es hilft aber auch hier nichts. Das Indianermädchen soll sich zwischen einem Spanier und einem Franzosen entscheiden. Der Bau des Eigenheims findet statt, die Wälder bekommen ein Transparent mit Werbung und Bauabsperrungen. Nun werden zwei Werbetafeln heruntergelassen. Der Spanier wirbt mit einer Küche, während der Franzose mit einem Bett wirbt. Es folgt die Air des Sauvages, bei der man einen Lebenslauf im Schnelldurchlauf erlebt. Ein Ehepaar kommt herein und stellt Soja in den Ofen und erhält einen Braten. Wenig später stellen sie als werdende Eltern Genmais in den Ofen und erhalten eine Pute. Zum ersten Geburtstag des Sohnes kommt Palmöl in den Ofen und heraus kommen Cookies. Schließlich ist der Jugendliche selbst auf der Bühne mit Kopfhörern und holt sich eine Pizzaschachtel aus dem Ofen. Anschließend ist das Paar alt und wird in einem Papp-Familiengrab beerdigt. Zima sagt sowohl dem eifersüchtigen Spanier, als auch dem flatterhaften Franzosen ab. Sie entscheidet sich für Adario, den Indianerjungen.
Am Schluss befindet man sich mit den Umweltaktivisten wieder im Garten Eden. Die Männer kommen zurück und Hébé ist mit ihren Jüngern vereint. Am Ende läuft auch ein altes Ehepaar über die Bühne. Schließlich kommt eine schwangere Eva mit einem angebissenen Apfel auf die Bühne.
So macht ein Barockabend Spaß. Zugegeben, das Stück hat seine Längen, bei denen die Regie aber immer wieder gute Einfälle hat. Das reicht von der ausgefeilten Tanzeinlage im Garten Eden, bis zu kleinen Details wie die T-Shirts der Amoretten und die Einkaufstaschen. Es macht auch Spaß, die Sänger immer wieder in unterschiedlichen Rollen zu erleben. So singt Martin Platz alle Tenorrollen dieses Stücks. Hrachuhí Bassénz erscheint in der Rolle der Emilie und der Fatime, wo sie die einzige italienisch geprägte Arie vor einem Mikrofon singen darf. Viel Applaus bekommen verdientermaßen die Tänzer als Anhängerin der Hébé. Während man die Partien der Entreés meist mit Stammpersonal der Oper besetzt hat, dirigiert ein Spezialist das Orchester: Paul Agnew. Dieser hat sich auf französische Barockmusik spezialisiert. Das Stück gastierte mit unterschiedlichem Erfolg schon in Toulouse und Bordeaux. Während es in Toulouse einen Run junger Konzertbesucher auf die Karten gab, ist Bordeaux der Inszenierung weniger aufgeschlossen gegenübergestanden. Das sehr gut besuchte Haus in Nürnberg zeigt aber, dass man den Humor von Scozzi durchaus versteht und schätzt.
Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg
Diesmal hatte ich bei der Bewerbung für eine Karte für die ‚Meistersinger von Nürnberg‘ in München Glück. Allen, die noch versuchen, Karten zu bekommen: Alle Vorstellungen sind leider komplett ausverkauft. Es ist schon ein besonderes Erlebnis, am 203. Geburtstag von Wagner, diese Oper am Ort der Uraufführung zu sehen. Während draußen am Marienplatz der DFB-Pokalmeister gefeiert wurden und das Wetter traumhaft war, durfte man in dem Nationaltheater dem Wettstreit um einen Sängerpokal beiwohnen. Wenn Kirill Petrenko dirigiert, Jonas Kaufmann den Stolzing singt und die Oper rundum gut besetzt ist, ist man dem Opernhimmel ein Stück näher. Dass David Bötsch daraus eine, vor allem an Ende sehr turbulente Castingshow im sozialen Wohnungsbau macht, kann man nachsehen. Bei einem Feuerwerk an Regiegags wird es einem in den 5 ½ Stunden keinesfalls langweilig. Es gilt in der Oper der Kunst, und zwar nichts anderem als der Reform der Meistersinger Zunft. Während die Meistersänger die Tradition mit vielen Leitzordnern wahren, kommt ein frecher Stolzing in Jeans, Lederjacke, Kopfhörern und Turnschuhen daher. Meist ist er in Begleitung einer Reisetasche und einer Gitarre und gewillt, seinem Konkurrenten einen Schabernack zu spielen und ganz gegen die Zunftregeln zu verstoßen.
Als sich die Bühne im ersten Akt öffnet, sieht man im Hintergrund einen grauen Wohnblock mit Satellitenschüsseln. Leider beginnt das Spiel schon etwas zu früh am Ende der Ouvertüre. Im Vordergrund stehen Gerüste, die sich einem erst später erklären. Rechts vorne steht ein Meisterbräu-Laster mit Bierfässern. Es zieht eine Prozession vorbei, man befindet sich am Vorabend des Johannistags. Schon dort begegnet sich das Liebespaar Eva und Stolzing und nutzen den Bierwagen als Versteck. Eva hat ihr Herz längst an den jungen Sänger verschenkt, wäre da nicht Bedingung des Vaters, dass der Mann ein Meistersinger sein muss. Also versucht man, den Sänger möglichst schnell aufzunehmen. Der Schusterjunge David kommt etwas später mit einem Mofa auf die Bühne. Mit vielen Akten erklärt er in einer langen Arie Stolzing die Kunst des Gesangs. Es findet also ein Probesingen statt, wo mit einem ‚Bitte Ruhe Probe‘-Schild Stolzing sein Können beweisen muss. Damit soll es dem Neuzugang möglich sein, am Johannistag am Sängerwettbewerb teilzunehmen. Sein Konkurrent im Meistergesang Beckmesser wird die Fehler im Gesang mit einer Kreidetafel notieren. Während sich die Meister unterhalten, ist Stolzing hinter dem aufgebauten Boxring mit seinen Kopfhörern beschäftigt und hört Musik. Als er sich nun auf den Singstuhl im Ring setzen darf, wird an den Stuhl ein Buzzer angeschlossen. Man notiert die Fehler von Stolzings Gesang nicht nur auf der Kreidetafel, sondern versetzt mit dem roten Buzzer, Stolzing und Lichtergeflacker ein paar Stromstöße. Er singt sich dennoch frei mit seinem neuen Lied, das von der Natur und den Vögeln handelt. Als die Kreidetafel für die angeblichen Gesangsfehler nicht mehr ausreicht, nimmt Beckmesser einen Pinsel und macht auf Stolzings schwarzer Lederjacke weiter. Das Vorsingen wird unterbrochen. Sachs wirft Beckmesser ein gewisses Eigeninteresse vor und klebt ihm die Regelseite mit der Unparteilichkeit an den Kopf. Auf Wunsch von Sachs singt der Sänger sein Lied zu Ende, steht am Ende sogar am Bierwagen, aber es hilft nichts. Auf dieses Versagen hin macht sich Stolzing eine Flasche Bier auf. Während Sachs nun für den Sänger Partei ergreift, befinden die anderen Meister, dass er seine Chance vertan hat. Wutentbrannt zerstört Stolzing die Gipsbüste Wagners, die am Ring platziert war, und verlässt den Ring. Im allgemeinen Tumult endet der erste Akt.
Im zweiten Akt rückt der Wohnblock etwas nach vorne. Es ist Abend geworden und vor dem Wohnblock steht der fahrende Laden von Hans Sachs mit seinem Schuhgeschäft. Pogner kommt mit einem schwarzen Wagen mit der Aufschrift ‚Pogner‘ auf die Bühne und redet mit Eva. Er bekräftigt noch mal seinen Wunsch, dass letztendlich ein Meistersinger der Ehemann von Eva werden soll. Er holt aus einer herzförmigen Verpackung einen Brautkranz heraus, den Eva aufsetzt. Sie erfährt von ihm aber nicht, wie der Probegesang geendet hat. Auch Evas Amme konnte nichts von David erfahren, also trifft sie Hans Sachs vor seinem Laden. Dass nun auch Beckmesser bei dem Sängerwettbewerb startet, bringt Eva in Rage: Sie wirft sogar einen Stuhl um. Es kommt nun abermals Stolzing die Gasse entlang, wieder mit Gitarre und Reisetasche. Mit Davids Mofa planen nun die beiden die Flucht, da Pogner eine Verbindung zwischen Beckmesser und Eva einfädeln will. Sie verstecken sich hinter allerlei Malerzubehör, weil Sachs die Flucht der beiden verhindern will. Dass das keine Linde ist, aber ein lustiger Ersatz: Da hilft das Textbuch weiter. Nun kommt Leben in die Proszeniums Loge. Evas Amme erscheint dort mit langem Haar, um das Ständchen von Beckmesser entgegen zu nehmen. Beckmesser trägt seine Weise auf einer wackeligen, gelben Hebebühne vor. Für seinen Vortrag nutzt er eine Ukulele. Geht diese beim Vortrag kaputt, ist flugs aus dem Souffleurkasten Ersatz da. Die Hebebühne kommt dabei mehrfach zum Einsatz, um seiner holden Eva Nahe zu sein. Aber als größeres Hindernis bei dem Vortrag erweist sich ein hämmernder Sachs. Dieser spielt den Merker und klopft immer bei Fehlern im Gesang. Jetzt fängt es im Wohnblock das Rumoren an. Die Jalousien gehen hoch und es erscheinen die Bürger im Schlafanzug. David startet eine Prügelei mit Beckmesser, da er meinte, der Gesang gehöre seiner angebeteten Amme. Es ertönt von Kirill Petrenko die beste Prügelfuge, die ich gehört habe. Mit Baseballschläger werden die Autos traktiert, die Liedgesetze der Meister fliegen aus den Fenstern. In der Johannisnacht in Nürnberg geht es zu wie zum 1. Mai in Kreuzberg. Sachs gelingt es nun, Ruhe in das Treiben zu bringen. Er trennt Beckmesser und David, versteckt Stolzing in seinem Wagen und schickt Eva nach Haus. Um 11 Uhr hat der Spuk ein Ende.
Im letzten und längsten Akt steht auf Hans Sachs Wagen nur noch ach(s). Von David bekommt Sachs eine Rückenmassage, während er seinen Kummer in Zigaretten und Gordon Gin ertränkt. Er sieht in seinem Rausch: Wahn, Wahn, überall Wahn. Nun befreit er Stolzing aus dem Wagen. Stolzing hatte einen schönen Traum und schildert seine ‚Traum-Deutweise‘. Dieses Lied will er beim Wettstreit vortragen und Sachs notiert es fleißig. Während der Sänger auf Kaffee schwört, bleibt Sachs bei den harten Sachen. Schließlich ist das Preislied komponiert. Sie bereiten sich auf das Fest vor. Dann erscheint Beckmesser im Rollstuhl mit blutbeflecktem Hemd. Immerhin ist er noch so fit, dass er das aufgeschriebene Lied von Sachs entdeckt. Man sieht eine Traumsequenz, bei der Eva Blumen von Beckmesser bekommt, die diese zurückgibt. Den Text ohne Melodie bekommt nun Beckmesser, der Sachs das Versprechen nimmt, dass er den Ursprung des Lieds nicht preisgibt. Beckmesser geht und es erscheint Eva, die nun auf dem Dach von Sachs Wagen die letzte Strophe des Preisliedes anhören darf. Sie hat schon das weiße Brautkleid an. Nun wird noch schnell David zum Gesellen erhoben, stilecht mit einer Ohrfeige. Dann brechen alle mit dem Ladenwagen von Sachs zur Festwiese auf.
Auf der Festwiese erklären sich nun auch die Gerüste aus dem ersten Akt. Nun gibt die Inszenierung noch einmal richtig Gas. Die kommende Finalshow an der Festwiese in Nürnberg ist aufgezogen wie ein Eurovision Song Contest. Es gerät zur großen Pogner-Show, der als Sponsor der ganzen Veranstaltung nicht nur einen Preispokal, sondern auch seine Tochter Eva zu Verfügung stellt. Für David hat man eine Latte mit 12 Stamperln bereitgestellt, die er auch 1 ½ mal schafft, bis ihn Magdalene von weiterem Trinken abhält. Es folgen die Schneider mit riesigen Scheren und dann die Bäcker mit Brezen, die sie verteilen. Alles wird von der Presse fotografiert. Als Vorgruppe erscheint eine männliche Cheerleaders-Gruppe mit vier Personen und mit goldenen Pompons. Auch David tanzt hier kurzfristig mit. Im Hintergrund sieht man immer Videoeinblendungen, die die Meister ankündigen. Der Hingucker ist Beckmesser im goldenen Glitzeranzug mit Netz Hemd. Es startet die Pogner-Show. Eva wird mit verbunden Augen auf die Bühne gebracht. Beckmesser muss als erstes ran, kämpft aber mit einem Notenständer. Als er immer im Rampenlicht steht, spielt ihm die Lichttechnik einen Streich und verschiebt den Lichtkegel. Singen muss er auf der Rampe vom ersten Akt. Die hat inzwischen aber schon ihre Schwächen und die Treppe bricht ein, als Beckmesser den Ring betritt. Mit seinem Lied versagt Beckmesser aber nun auf der ganzen Linie. Er zertrümmert in seiner Wut eine Ukulele. Er verrät nun, dass sein Lied eigentlich Sachs komponiert hat. Sachs sagt aber, dass das Lied auch nicht von ihm sei, sondern von Stolzing. Man müsse es nur richtig vortragen. Nun kommt Stolzing auf die Bühne und singt auf dem Ring, auf einem Stuhl, sein Lied. Eva ist oben am Gerüst mit ihrem Vater und hört zu. Als alle vom Lied begeistert sind, will Pogner den Pokal überreichen. Nun lehnt Stolzing ab. Es folgt der Gesang: ‚Verachtet mir die Meister nicht‘. Der projizierte Pokal bekommt dabei immer mehr Störbilder und verschwimmt am Ende im weißen Rauschen und dem Silberflitter. Am Ende erschießt sich Beckmesser aus Verzweiflung mit einer Pistole.
Was für eine tolle Inszenierung. Mit so vielen Einfällen habe ich die Festwiese selten gespickt gesehen. Bisher wurde noch wenig von der musikalischen Darbietung gesprochen, die wirklich so auf CD hätte rausgehen können. Kirill Petrenko gibt zwar am Anfang ziemlich Gas, nimmt sich aber später im Tempo etwas zurück. Wolfgang Koch als Sachs stemmt die Partie des Sachs sehr gut, das Preislied von Stolzing gesungen von Jonas Kaufmann ist traumhaft. Man kommt ins Schwärmen. Besonders gefallen hat mir Christof Fischesser als Veit Pogner. Bei der Inszenierung fragt man sich natürlich, ob Butzenscheiben für Nürnberg nicht doch schmeichelhafter wären, als Sozialwohnungsbauten und was man von der Hauptstadt her für ein Bild von Nürnberg hat. Vielleicht ist der Regisseur ja nur bis Langwasser gekommen. Ich sehe es aber sportlich, als Parabel auf die Kunst der Meistersinger, die in der Oper ihre besten Zeiten hinter sich hat und einen großen Reformbedarf. Es ist ein Ringen um die Kunst, das hier umgesetzt wird. Sehr unterhaltsam für eine Meistersinger-Oper, die gerade am Ende immer in einer Deutschtümelei zu versacken droht.
Quelle: YouTube | BayerischeStaatsoper