Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg
Georg Schmiedleitner hat in Nürnberg mit einer Wozzeck-Inszenierung geglänzt. Das dreiteilige Bühnenbild besteht aus Zimmern, die sich gegeneinander verschieben lassen und ist in Weiß gehalten. Einen wesentlichen Anteil am Erfolg hatte sicher auch die Musik, die von Gábor Káli dazu geliefert wird und ein Wozzeck in Form von Jochen Kupfer, der wahrscheinlich nur in der Inszenierung so gut funktioniert. Diesmal ist Wozzeck kein Mann von unten, sondern einer aus der unteren Mittelschicht, der schon mal bei Amazon und Zalando groß einkauft. Die Schulden, die er anhäuft, muss er in Diensten bei dem Hauptmann und als Versuchspatient bei einem Arzt abstottern.
Zuerst hebt sich der Vorhang und man sieht die Darsteller in einer Pose. Ohne Musik fährt der Vorhang wieder runter, bevor es dann eigentlich losgeht.
Schon anfangs ist Wozzeck dem Hauptmann zu diensten und peitscht diesen in einer Sadomaso-Tortur mit einem Riemen aus. Hier wird der Hauptmann nicht rasiert, sondern lässt sich, nur mit einer Unterhose bekleidet, von Wozzeck quälen. Die beiden debattieren über Wozzecks Kind, das nicht den Segen der Kirche hat. Auf einem kleinen Rasenstück treffen sich Andres der Jäger und Wozzeck. Der Jäger hat gelbe Kopfhörer auf, während Wozzeck über die menschliche Gesellschaft nachdenkt. Dann erfolgt ein Schwenk zu Marie, seiner Frau. Die erfreut sich an einem Smartphone-Video einer Militärkapelle. Dort hat sie den Tambourmajor entdeckt. Mit diesem hat sie in der Folge dann eine Affäre. Der Sohn ist zwar mit einem blinkenden Hoverboard gut mit Technik versorgt, wirkt aber unglücklich. Vielleicht liegt das auch an seinem Vater, der von Visionen ablenkt, ist und kein Ohr für sein Kind hat. Für Wozzeck ist diese Familienidylle das Glück. In roten LEDs sieht man eine große Aufschrift: Glück im Hintergrund. Dann muss er aber weiter zum Doktor, der mit Wozzeck ein Ernährungsexperiment macht. Nicht nur er muss Erbsenbrei essen, es gibt noch ein paar Mitstudienobjekte, die fleißig Erbsenbrei essen. Der Doktor geht ihn zwar an, dass er seinen Urin nicht abgegeben hat. Man hantiert mit Urinflaschen, die für das Experiment des Doktors wichtig sind. Er möchte nachweisen, dass einseitige Ernährung geisteskrank macht. Unterdessen verführt der Tambourmajor Marie.
Im zweiten Akt sieht man dann Marie, die geschenkte Ohrringe bekommen hat für ihre Liebesdienste am Tambourmajor. Dass Marie genau zwei Ohrringe gefunden hat, kommt Wozzeck merkwürdig vor, er lässt sie aber passieren. Wozzeck trifft in der Stadt auf eine Gruppe Patienten um den Doktor und den Hauptmann. Die Patienten gehen an Gehhilfen, einer ist schon tot. Der Hauptmann wird vom Doktor mit einer erfundenen Diagnose zum Thema Schlaganfall provoziert. Als sie Wozzeck erblicken, machen sie sich über ihn lustig, dass er die Affäre mit Marie nicht mitbekommen hat. Wozzeck fragt nun bei Marie nach, was es auf sich hat mit der Aussage. Sie provoziert ihn aber weiter. Darauf flüchtet er sich ins Wirtshaus. Dort sieht man, wie sich der Tambourmajor und Marie sich vergnügen. Es kommt eine ganze Batterie Flaschen herein. Nach dem Besäufnis lässt der Tambourmajor Wozzeck zusammenschlagen.
Im dritten Akt sucht Marie in der Bibel Trost. Das Kind ist weiter deprimiert und klebt mit Tape die Stoffpuppen an die Wand. Wozzeck tötet mit einem Cuttermesser Marie, wobei das Blut in Schmiedleitner-Manier spritzt. Wozzeck geht wieder in Kneipe und feiert weiter. Aber dort entdeckt man das Blut an seinen Armen, für das er keine Erklärung hat. In Verzweiflung über seine Tat bringt sich Wozzeck im See um. Man erlebt eine Art Traumsequenz, in der er und Marie wieder vereint sind. Im letzten Bild sieht man die Kinder die Szenen nachspielen. Am Hoverboard, statt auf einem Steckenpferd, kreiselt einsam und alleine der Sohn von Wozzeck, nun als Waise.
Ja, die Musik von Alban Berg ist dissonant und das Stück ist weit von Heiterkeit entfernt. Dennoch lohnt es sich, über den Tellerrand der Melodik hinauszusehen. Die Kritiken für den Wozzeck waren generell gut und das helle Bühnenbild erinnert immer etwas an das Arztsetting. Wozzecks gibt es nicht nur in der Vergangenheit, sondern sie leben hier und jetzt, bestellen bei Zalando und wissen manchmal nicht, wie sie das Geld für diesen Lebensstil aufbringen sollen. Die moderne Technik hat mit Smartphone und Hoverboard Einzug gehalten in dieses Stück und schlägt so den Bogen zur Gegenwart. Es ist weit von lustig entfernt, was dort auf der Bühne abgeht, aber das ist bei dem Thema ja klar.
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Quelle: Soundcloud | Staatstheater Nürnberg