Wir haben die letzte Chance in Salzburg genutzt, um ein Auftragswerk des Landestheater Salzburg die Oper: „Des Kaiser neue Walzer“ von Alma Deutscher zu sehen. Eine 3h lange musikalische Komödie über ein Liebespaar aus unterschiedlichen Schichten. Leonie Kaiser ist die verwöhnte Tochter des Modezars Rudolf Kaiser. Auch klanglich bewegt sich Julia Sturzelbaum als Kolloratursopran in schwindelerregenden Höhen. Leonie Kaiser möchte gerne Musik studieren. Ihr Vater plant ihr aber eher Repräsentationsdienste im Modeimperium zu. Als Angestellter im Garten arbeitet Jonas, der mit seiner Gitarre einfache Melodien zupft. Eines Morgens wacht Leonie am Klavier auf und hat noch etwas Musik von Jonas im Ohr, die ihr mit den vier Akkorden aber deutlich zu einfach gestrickt ist. Aber auch Jonas nimmt Teile seiner Mozart Sonate KV380, die er bei Leonie gehört hatte, in einen neuen Song auf. Leonie und Jonas geraten über die Musik ziemlich aneinander. Leonie beschließt nun gegen den Willen des Vaters in der Musikhochschule zu erscheinen, um sich für einen Dirigatkurs einzutragen. Leonie verkleidet sich als Leo. Prof Sir Anthony Swindelle soll der Kurs leiten. Jonas erscheint zu spät zum Vorspiel, darf aber sein komponiertes Lied zum Besten geben. Swindelle ist aber gar nicht gut zu sprechen auf wohlklingende Musik und verreist den Auftritt von Jonas vor der versammelten Klasse. Leo nimmt Jonas jetzt aber in den Schutz. In der darauffolgenden Zeit, erklärt Leo, wie sich die Gitarrenmelodien durch Harmonien aufwerten lassen. Dazu nutzen sie Gedichte von Hesse und entwickeln Stücke. Es ist aber ein Komplott gegen die Kaiser im Anmarsch. Dr. Theodora Meadows hat es auf den Modezaren abgesehen, während der Musikprofessor dessen Tochter bekommen soll. Nach einem großen Medienereignis, will man die Doppelhochzeit bekannt geben. In der Musikschule laufen aber noch ganz andere Dinge ab. Elisabeth Loos wird von Professor Swindelle bedrängt, mit der Aussicht auf bessere Posten. Leo und Jonas bekommen das mit und bestellen nun alle Hauptdarsteller zum Treffen im Restaurant L’Octave ein. Dort will man Swindelle wegen seine Übergriffigkeiten bloßstellen. Es ist eine Pause. Im zweiten Teil kommen 40 Minuten durchkomponierte Musik über das Verwirrspiel im L‘Octave. Scheinbar kann man sowas heutzutage niemand mehr zumuten außer Leuten mit Wagnererfahrung und mir. In vier Lila Nischen nehmen nun nacheinander die Protagonisten Platz und sind teilweise höchst überrascht, einander hier im Lokal anzutreffen. Ein Oktet singender Kellner persifliert auf unterhaltsame Weise die gehobene italienische Gastronomie. Bis zu viermal müssen drei Kellner mit der Weinflasche antanzen, bis sie ihre Flasche Wein absetzen können. Es kommt zum ersten Kuss zwischen Leo und Jonas. Für den Abend im L’Octave musste sich Leo als Leonie anziehen. Als Theodora dann sieht, dass Anthony sich über Elisabeth hermacht, schreibt sie wutentbrannt einen Zettel, der dann prompt bei Jonas landet. Das L’Octave ist an dem Abend am Rande des Nervenzusammenbruchs, niemand sagt den richtigen Namen, alle melden sich mit Kaiser an oder geben sich als Musiker aus. Dabei war die Nervosität groß, denn man sollte an dem Abend den dritten Michelin-Stern bekommen. Nur hat man Swindelle für den Kritiker gehalten, die eigentlichen Restaurant-Bewerter den ganzen Abend sitzen lassen. Der schreibt nach den 40 Minuten dann einen Verriss und gibt sich zu erkennen. Mit zwei gefälschten Briefen lockt man Theodora und Anthony zu einem gemeinsamen Treffen. Man wäre aufgeflogen. Es folgt das große Finale, wo das Auftragswerk an Antony vor laufender Kamera gespielt werden soll. Vier kleine Kinder sollen zu dem neuen Walzer tanzen, der eher den Anstrich einer impressionistischen Tondichtung hat. Die Kinder sprengen den Liveauftritt und sagen ganz unverblümt, dass das doch kein Walzer ist. Elisabeth spielt eine Bandaufzeichnung über die Betrugsabsichten der Öffentlichkeit vor, die Theodora und Anthony hatten. Damit ist die Doppelhochzeit eindeutig vom Tisch. Die Situation am Ende rettet Jonas mit seiner Gitarre, als er zu einem wirklich hörbaren Walzer einstimmt.
Wer das jetzt nur als Kitschstück über eine Liebesromanze sieht, übersieht, dass die Thematik der Übergriffigkeit an den Musikhochschulen angegangen wird. Mit Theodoras Idee, Rudolf Kaiser mit einem Walzer überraschen zu wollen, ist Antony Swindelle restlos überfordert. Das kann man jetzt als reaktionären Angriff auf die Moderne Tondichtung sehen kann. Manch einer zog schon die entartete Musik Keule, was gänzlich daneben geht. Für mich ist das eher die Frage einer 18-jährigen, warum Musik heutzutage nicht schön klingen darf. Letztendlich ist es eine Komödie und eine sehr unterhaltsame, ich kann die empörten Kritiken dazu nicht nachvollziehen. Können die Leute nicht mehr darüber lachen, wenn der hauseigene Italiener karikiert wird? Gerade die vielkritisierte Szene im Lokal erinnert im besten Sinne an die nächtlichen Verwechselungen im Garten in der Nozze di Figaro. Bis sich so ein Gewirr von Hauptpersonen auflöst, braucht es eben Länge. Die Melodien gehen mir zumindest sehr nahe, gerade die Improvisationen auf der Gitarre im ersten Teil. Vielleicht manchmal etwas zu viel, aber einfach wunderschön anzuhören. Für mich waren die 3h wie ein Wellnessbad in moderner Musik. Es war die letzte Aufführung, der Applaus langanhaltend, Alma kann nicht so viel falsch gemacht haben. Nina Schneider lieferte die Texte, die auch bei Disney die Übersetzungen der Musicaltexte macht. Beeindruckt war ich von der Drehbühnentechnik im Landestheater, wie viele Möglichkeiten sie bietet. Das Bühnenbild war in zarten Pastelltönen gehalten.
In einer Produktion des Staatstheater Augsburg war die Oper Orfeo ed Euridice zu sehen. Für mich neu war die Kombination von Virtuell Reality (VR) und einem klassischen Bühnenbild. Man kombinierte geschickt den Besuch eine Caravaggio-Ausstellung mit der klassischen Handlung der Oper. Der Handlungsstrang ist, dass Euridice sich in den virtuellen Welten des Museums verirrt und von Orfeo dann vergeblich zunächst gerettet wird. Aber die neue Technik braucht eine Unterweisung, so hat man eine zusätzliche Figur eines VR-Guides in Rosa eingeführt. Ähnlich einer Stewardess in einem Flugzeug, machte der VR-Guide verkörpert durch Katja Siedler mit dem Publikum die Unterweisung in dem Gebrauch der VR-Brillen. Auf Kommando wurde im Vorfeld mit dem Publikum geübt, dass das zeitnahe, gleichzeitige Aufsetzen der VR-Brillen auch gut funktioniert. Wer sich jetzt an das Rascheln der 3-D-Brillen in Turandot in München erinnert fühlt, ist richtig. Es gab natürlich auch technikfernes Publikum, die nur an der Oper interessiert waren und den Gebrauch der Brillen verweigert hatten. Jetzt hinkt das dann immer: Man muss sich entscheiden zwischen den Untertiteln mit dem realen Bühnenbild oder den virtuellen Einspielungen. Ich denke, den Weg, den Bayreuth mit durchsichtigen VR-Brillen beschreiten wird, ist ein guter Ausweg aus der vermeintlichen Klemme, dass man mit der VR-Brille etwas auf der Bühne versäumt. Ein kleiner Spoiler, man tut es nicht. In den drei VR-Passagen, wird auf der Bühne umgebaut. Schon die Einführung ist lustig, wenn man den Kopf mit der VR-Brille dreht und plötzlich die Darstellerin links oder rechts neben einem sitzen sieht. Diese erscheint auch immer auf der Bühne und zählt runter, drei, zwei, eins… Brille auf. Mit dem Museumsplot ist man auch im heiklen Fahrwasser. Caravaggio hat ein Bild eines etwa 13-jährigen nackten Jungen mit dem Titel „Amor als Sieger“ in den Mittelpunkt gestellt. Dieses Bild ist wegen pädophiler Aspekte inzwischen in der Kritik. Man sieht aber auch andere Bilder des Barock-Künstlers in der Ausstellung. Die Ausstellung selbst wird von Nonnen, Pfarrern, Jesus persönlich und einem bunten Trupp an Leuten besucht, die den Chor bilden. Es gibt auch zu Beginn einen Sprayer-Anschlag auf die Bilder links. Umrahmt wird die Bühne von einem neonfarbigen Rahmen. Der Sänger des Orpheus ist Ekaterina Aleksandrova, die mit ihrem Mezzo für interessante Verzierungen in den Arien sorgt. Klar sind Counter-Tenöre für die hohe Rolle schwer zu finden. In nichts nach steht dem Orfeo seine Euridice von Jihyun Cecila Lee. Die dritte Hauptperson ist der Amor von Olena Sloia, den man leider in ein schmuckloses kurzes schwarzes Kleid gezwängt hat. Auf der Bühne gab es eine Darstellerin in einer langen, roten Robe mit Bogen, das wäre wohl eher der gewünscht Look gewesen. Die Schlange, die Euridice beißt ist wohl dann die VR-Brille, die sie in die virtuellen Welten entreißt. Kommen wir zu den entscheidenden VR-Einspielungen. Man erlebt den Abstieg von Orfeo in die Unterwelt, was ich als die spektakulärste Einspielung empfand. Man fliegt über eine graue, dystopische Wolkenkratzer-Welt im Blade-Runnerstil mit Neonleuchten. Vor einem lichtdurchfluteten Portal warten viele schwarze Untote auf den Einlass ins Elysium, dieser wird ihnen von drei chinesischen Drachen verwehrt, die die besungenen Furien darstellen. Und diese Furien neigen sich immer wieder auf den Zuschauer und erwecken den Eindruck, riesig zu sein. Diese Szene ist so beeindruckend, dass man noch später davon träumt. Zwar bin ich berufsbedingt durchaus technikaffin, hatte aber selbst noch nie eine VR-Brille auf. Es kommt ein Aspekt zum Tragen, den ich bei Theater schätze, denn in der VR-Brille ist man selbst der Master und kann entscheiden, was man ansehen möchte. Ich hatte zudem den Vorteil eines Einzelplatzes, wo man sich nach belieben drehen konnte und auch mal nach hinten sehen. Als Orfeo dann wenig später seine Euridice aus dem Elysium rettet, ist man in einer anderen Welt. Zum „Reigen seliger Geister“ fliegt man über einen grünen Hügel, mit rosa Himmel, landet vor einer Poollandschaft mit einer Kolossalstatue einer Frau, die sich in einen riesigen Swimmingpool erleichtert. Durch ein Portal mit zwei Wächtern kommt man dann auf eine weitere offene Fläche, vorbei an griechischen Skulpturen und Säulen. Man sieht riesige Schildkröten, aber auch zwei stilisierte Sportwägen. Am Ende sieht man einen bunten Avatar und erahnt durch seine Andersartigkeit, dies muss Euridice sein. Das Ganze mutet etwas wie eine Popart-Ausstellung an. Auch die Avatare sind bunt und lungern am Pool und scheinen ganz entspannt in diesem Elysium. Ein großes Exit-Schild veranlasst einen dazu, die Brille wieder abzunehmen. Auf der Bühne kann nun Orpheus sein Umdreh-Verbot nicht einhalten. Euridice meint, von ihm verschmäht zu sein, dass er sie nicht anblickt. Erneut verliert Orfeo seine Geliebte, die nun an einem Bild mit VR-Brille sitzt. Auch das Elysium mit seinen rosa-grünen Welten ist gelungen, jedoch nicht ganz so wie die Unterwelt. Als Amor schließlich ein Einsehen hat, kommt der vielleicht schwächste Part der Einblendung. Zwei schwarze Hände vor der Brille räumen das Elysium auf. Statuen, Bäume und eine riesige Hornisse wandern in einen virtuellen Papierkorb und geben den Blick auf einen Sonnenuntergang frei. Wie man dann zur Einrichtung eines Wohnzimmer kommt, erschließt sich einem nicht sofort. Die beiden Hände wählen aus einem Katalog scheinbar die Wohnwelt für das gemeinsame Eheglück aus. Als die Einrichtung steht, sieht man den Avatar aus dem Elysium mit einem zweiten auf einer Couch sitzen. Als man nun die Brille abnimmt, sitzen Orfeo und Euridice gemeinsam zappelnd auf der Couch und sind scheinbar gemeinsam ganz in die virtuelle Welt eingetaucht und selbst zu Avataren geworden.
Ich fand den Ansatz in jedem Fall spannend, wie Orfeo fühlt man sich hin und hergerissen zwischen virtueller VR-Welt und dem realen Bühnengeschehen. Leider fallen die Einspielungen in den VR-Brillen etwas grob aus. Zudem hatte ich mit meiner überbreiten Brille etwas Mühen mit den klobigen Brillen, wo sich meine Sehhilfe immer wieder verfing. Als Dirigentin kam die zweite Kapellmeisterin Anna Malek an diesem Abend zum Zug. Das Echo der Aufführung im Jahr 2020 war gespalten, was ich auch verstehen kann. Man ist etwas hin- und hergerissen zwischen VR-Einspielung und realem Bühnengeschehen. Ich habe im Opernhaus gerne meine Ruhe vor der Technik und konzentriere mich dann lieber ganz auf die Musik. Die VR-Brillen erzeugen etwas Unruhe im Publikum, was aber mit dem Rascheln der 3D-Brillen in Turandot in München nicht zu vergleichen ist. Ich habe aber gerade diese Zerrissenheit zwischen realer Bühne und VR-Brilleneinspielung als durchaus spannenden Aspekt empfunden. Als Experiment durchaus gelungen und macht neugierig auf den Ansatz, den Bayreuth im Parsifal verfolgen wird.
Quelle: YouTube Staatstheater Augsburg
Hach Gerolstein, was hat man Dir nur alles angetan. Eigentlich ist der Stoff in Nürnberg hinreichend belastet, so dass es bei einer Aufführung in den Nuller-Jahren zu einem handfesten Rechtsstreit gekommen ist, nach einer misslungenen Premiere. Auch die Aufführung 2013 im Fürther Stadttheater, wo Gerolstein als Tourismus-Zentrale dargestellt wurde, war nicht bei jedem willkommen. Jetzt verlegt Andreas Kriegenburg die Soldatenmannschaft von Gerolstein 2023 in ein verstaubtes Staatsarchiv, wo die kleinen grauen Mäuse von Gerolstein mit Rohrpost und Telefonkabeln die Verwaltung von Gerolstein organisieren. Dabei geht eigentlich die Kritik am Militarismus dahin, was in den ersten Minuten etwas unbeholfen und peinlich wirkt, dann im Laufe des dreistündigen Abends über die drei Akte hinweg doch sehr quirlig und unterhaltsam ist.
Im ersten Akt steht man in den riesigen Staatsarchiven von Gerolstein. Bis obenhin scheinen sich die brauen Fächer mit den Aktenbergen von Gerolstein zu türmen. Es gibt eine Rohrpost und eine Telefonanlage. In der Mitte ist eine Säule aus vielen Fächern angelegt. Es folgt eine etwas längliche Ansprache von Nepomuk, der seine Angestellten auf eine Woche voller Staub und Akten einschwört. Als einer Mischung aus anarchischer Archiv-Minions folgt der Chor der vielleicht etwas zu lang geratenen Ansprache von Nepomuk, der mehrfach den Faden verliert und sich in einem Retro-Mikrofon heillos verheddert. In dem Moment denkt man, das schleppt sich, als dann aber die Musik einsetzt, ist der etwas längliche Einstieg schnell vergessen. Gesungen und gesprochen wird in Nürnberg in Deutsch und das ausnehmend schnell, die Operette hat ein ziemliches Tempo, sodass man schnell sein muss im Mitlesen. Es gibt einen Buzzer, der immer wieder gedrückt wird und den Applaus unterbricht. Dass man etwas die Gendersprache mit den Soldat:innen auf die Schippe nimmt, nehme zumindest ich belustigt zur Kenntnis. Schwierig in der Orientierung der Hauptdarsteller macht es allerdings, dass die Darsteller:innen (der musste jetzt sein), alle gleichförmige, schwarze Perücken tragen und in ihren grauen Uniformen gleich aussehen. So tauchen Fritz und Wanda in diesem Gewusel schnell unter. Als der Chor verschwunden ist, muss man die Gelenkigkeit von Martin Platz bewundern, der sich in einem Ausziehschub zwängt. In der Schublade singen Wanda und Fritz dann ein Liebesduett. In die Wanda ist aber auch der böse Bass General Bumm verliebt. Es folgt der Auftritt der Großherzogin, die sich darüber echauffiert, dass ihre Angestellten in den Archiv-Gewölben nur schwarzen Kaffee trinken, sie verordnet ihnen Milch und Zucker. Die Großherzogin ist eine Mischung aus Yoko Ono und Greta Garbo in einem weißen Hosenanzug. In einem Flachmann sorgt sie für einen gewissen Alkoholpegel und sie scheint nicht mehr nüchtern zu sein. Während sie jetzt ebenfalls ein Auge auf Fritz geworfen hat, lässt sie den Schönling Prinz Paul im limonenfarbenene Anzug abblitzen. Der bekommt über einen Artikel in der holländischen Klatschpresse einen veritablen Wutanfall, die ihn wegen der gescheiterten Annäherung an die Großherzogin hochnimmt. Was käme denn schon aus Holland: Tulpen, Käse und ABBA! Es folgt eine kurze Choreinlage mit Super Trouper und nach seiner Arie zerfetzt Prinz Paul das Klatschblatt. Die Großherzogin lässt ihn mehrfach warten, worüber sich das Klatschblatt lustig macht. Es wird ein großer Schlachtplan ausgerollt und General Bumm erklärt seine Strategie im Krieg, die Fritz gar nicht gut findet. Im Nu befördert die Großherzogin Fritz vom Soldaten zum General. Einmal kurz stellt sich Fritz vor das Orchester und man hört ‚my heart will go on‘ mit einem Titanic-Zitat. Mit seinem Schlachtplan soll das Heer in den Krieg ziehen, der eigentlich nur zur Unterhaltung der Großherzogin angezettelt wurde. Nicht nur dass die Großherzogin eine Nähe zum Alkohol hat, sie fällt auch mit vielen Pillen gegen Ende des ersten Aktes in Ohnmacht. Wie auch sonst das Konfetti, werden auch die Pillen von einer männlichen Reinigungskraft mit Wischmop weggewischt. Fritz bekommt den Säbel des Vaters der Großherzogin und muss in die Schlacht.
Im zweiten Akt bekommt man aber dann wirklich die Kurve. Sie beginnt mit einer Tanzeinlage des Verschwörertrios (Paul, Bumm, Puck), die ganz virtuos ist. Fritz kehrt mit seiner Kampfstrategie siegreich aus dem Krieg zurück. Fritz bringt den Säbel zurück und die Großherzogin schlägt vor, den direkt ins Germanische Nationalmuseum bringen zu lassen. Die Großherzogin tauscht jetzt ihren weißen Anzug auf der Bühne gegen die rote Galarobe ein, die sie auch auf dem Portrait auf der Bühne trägt. Es kommt zu einem Annäherungsversuch der Großherzogin an Fritz, aber dadurch, dass sie ihre Zuneigung nicht direkt aussprechen kann, muss sie Fritz auch noch adeln. Aber Fritz ist immer noch fest mit Wanda liiert, daran kann auch die Tatsache nichts ändern, dass er mal kurz unter dem Reifrock der Großherzogin verschwindet. Es hilft aber alles nichts, Fritz ist seiner Wanda treu, für die er auch aus den Schubkästen einen Brautschleier hervorzieht. Fritz besteht auf die Hochzeit mit seiner Wanda. Die Großherzogin ist verzweifelt und greift zu einer großen Packung Pralinen und versucht einen neuen Partner im Orchester zu finden. Inzwischen bahnt sich ein Komplott von Paul und Puck an, die Fritz als Emporkömmling einen Denkzettel verpassen wollen.
Im dritten Akt beschließt die Großherzogin das Komplott gegen Fritz aus der Loge heraus zu beobachten. Erst wenn das Glockenspiel ertönt, soll die Falle für Fritz zuschlagen. Fritz und Wanda begeben sich in ein aufgestelltes Gitterbett und wollen sich zur Nachtruhe betten. Baron Grog im orangefarbenen Anzug spricht fließend holländisch und verrollt sich aber aus dem Schlafgemacht. Wanda ist scheinbar Britin und bekommt einen veritablen Wutanfall beim Annäherungsversuch von Fritz. Es folgt ein spontaner Kriegseinsatz von Fritz, der die Hochzeitsnacht verhindert. Es folgt ein wunderbarer Cancan mit Aktenordnern vom Chor aufgeführt. Diese Passage, war auch mir neu, da sie in einigen Ausführungen der Operette fehlt. Die Großherzogin versucht sich erst noch an Baron Grog, entschließt sich aber dann doch, Paul zu heiraten. Fritz gerät in einen Hinterhalt und wird übel hergerichtet von einem vermeintlichen Nebenbuhler. Die Großherzogin hat das Interesse an Fritz verloren, degradiert ihn und Fritz kann endlich seine Wanda heiraten.
Was im ersten Akt noch etwas schlingert, gewinnt dann nach der Pause deutlich an Fahrt. Das Thema Gerolstein ist eigentlich in Nürnberg verbrannt, weshalb es kein Problem war, noch Karten für die Premiere zu bekommen. Ich finde, man unterschätzt Offenbach immer etwas. Die Operette mit ihren tollen Musiknummer war in Paris ein großer Erfolg. In der Aufführung passiert so viel, dass ich gerne ein zweite Mal reingehe, um mir das Aktendrama von Gerolstein ein weiteres Mal anzusehen. Lutz de Veer dirigiert musikalisch mit viel Tempo und ansprechend durch die Operette. Nicht immer gelingt jeder Gag, daher kann man geteilter Meinung über die Inszenierung sein, die mit ihrer Verlegung in die Bürowelt etwas von der Militärkritik verliert. Der Einbau von ein paar Kunstpausen, damit das Publikum Zeit zum Klatschen hätte, wären auch gut. Manchmal wird der Applaus einfach weggebuzzert, was ich etwas schade fand.
Quelle: YouTube | Staatstheater-Nürnberg
Kritik in der Süddeutschen Zeitung
Kritik des BR
Kritik der NMZ
Kritik in den Nürnberger Nachrichten
Als museale Aufführung der Zauberflöte bei der Premiere 1994 gescholten, läuft die Everding-Zauberflöte an der Staatsoper in Berlin doch schon sehr lange. Wir haben jetzt mit viel Abstand zur Premiere ebenfalls dieses Stück besucht. Die Everding Inszenierung macht dabei keine Experimente, 1816 als Everding dieses Stück inszenierte, war Regietheater noch in weiter Ferne. Nur hier und da erlaubt man sich einige Gags, die damals sicher nicht so im Libretto gestanden haben. Die Frage von Tamino: Wo bin ich, wird beantwortet in Berlin. Mit der anderen Inszenierung von Yuvel Sharon, hat man das genaue Gegenteil.
Im ersten Aufzug trohnt der Tempel der Weisheit über allem. Gleich drei Schlangen bedrohen den Prinzen Tamino, die mit Feuer und Donner aus den Höhlen kommen. Gelenkig entsteigen den drei Drachen nun drei Frauen, die sich als Dienerinnen der Königin der Nacht zu erkennen geben. Diese haben die drei Schlangen erlegt. Papageno, der Vogelfänger kommt mit roten Haaren, einem grünen Anzug und einer Voliere auf dem Rück vom rechten oberen Bühnenrand. Als Tamino zu sich kommt, gibt er sich als Retter aus. Zur Strafe für diese Lüge bekommt er statt Brot und Wein, einen schweren Stein und ein Schloss vor dem Mund. Für eine kurze Zeit kann jetzt Papageno nur Summen. Von den Damen bekommt Tamino ein Bild überreicht, in das sich der Prinz sofort verliebt. Nun hat eine bezaubernde Köngin der Nacht ihren Auftritt, die in einer Mondbarke aus dem Schinkelsternenhimmel herabfährt. Sie gibt Tamino den Auftrag ihre Tochter zu befreien. Die drei Damen überreichen ein Glockenspiel und eine Flöte, das Schloss wird von Papgaeno entfernt. Damit gelingt es die wilden Tiere zu bezwingen. Gerade diese Szene kommt bei den kleinen Zuschauern gut an. Nashorn, Löwe, Krokodil, aber auch fiktive Tiere aus der ägyptischen Mythologie. Drei Knaben auf einem Einhorn kommen und weisen den Weg zu Burg Sarastros. Damit ist die Mission der Damen erfüllt und Papageno und Tamino machen sich auf in den Tempel zu Sarastro, wo die Geisel Pamina dann zu befreien ist. An drei verschiedenen Eingängen versucht Tamino sein Glück. Papageno kommt als erster im Tempel an und findet Pamina an Stricken gebunden zwischen zwei großen Säulen. Monostratos hat sich Pamina übergriffig genähert. Papageno befreit die Geisel und trifft auf den Mohr Monostratos, politisch korrekt an einer schwarzen Stirnbinde zu erkennen. Dieser will die Flucht verhindern und wir mit dem Glockenspiel, das Papageno von den Damen bekommen hat besänftigt. Dabei bilden die ägyptisch angezogenen Sklaven ein Ballett und marschieren rechts raus. Mit etwas Verzögerung kommt auch Tamino im Weisheitstempel an und erfährt, dass Sarastro der eigentliche Gute in dem Stück ist. Der kommt als tiefer Bass zuerst singend aus der Prosceniumsloge daher in langen Gewändern.
Im zweiten Aufzug treten die Priester mit etwas merkwürdigen Kopfbedeckungen auf. Tamino und Pamina sind füreinander bestimmt, müssen jetzt aber in der Folge diverse Prüfung durchlaufen. Wieder lässt man die Löwen kurz auftreten. Während sich Tamino bereitwillig dem Schweigegelübde unterziehen, hat Papageno so seine Probleme mit dem Schweigen. Erst als Papageno ein Mädchen versprochen wird, will er Tamino auf dem Prüfungsweg begleiten. Wieder erscheinen unter Donner und Blitz die drei Damen und prophezeihen den nahen Tod. Monostratos versucht sich erneut bei Pamina anzuschleichen, jammert aber über die Sohlenstreiche. Zudem soll der Mond verschwinden, was dieser auch gehorsam tut, um den kommenden nächsten Versuch der Annäherung nicht zu gefährden. Nun hat die Königin der Nacht ihren Paradeauftritt mit der berühmten Arie. Sie will Pamina einen Dolch mitgeben, mit dem sie Sarastro töten soll. Dieser entreißt nun Monostratos und stellt sie vor die Wahl, entweder sie erhört ihn oder er verrät den Plan Sarastro. Sarastro greift aber sofort ein und nach den Höhen der Köngin der Nacht, darf nun Sarastro in den tiefen Lagen singen. Das ist dann immer etwas unfair, denn die Leistung des Bass an der Stelle ist mindestes ein ebenso großes Lob wert. Weiter sollten sie schweigen, was Papageno nun definitiv nicht mehr gelingt. Es erscheint ein buckliges Weib, das sich als Papagenos Freundin ausgibt. Die drei Knaben bringen mit ihrem Einhorn Glockenspiel und Flöte zurück. Als Belohnung für die Befreiung verspricht man Papageno eine gute Mahlzeit, worauf sich aus dem Bühnenhimmel Wurstattrappen senken. Ein Tisch mit Speisen wird sichtbar und Papageno isst und trinkt aus einem Weinfass, das ebenfalls auf der Bühne ist. Zudem reichen die Tiere aus dem Bühnengraben reichlich rote Weingläser auf Tabletts, die Papageno alle trinkt. An dieser Stelle wäre eine Altersverifikation notwendig, da Papageno aber geschätzte 28 ist, lassen wir das durchgehen. Papageno will nun mitgehen und schweigen, oder von einem Krokodil gefressen werden. Der Einfall kommt beim jungen Publikum gut an. Pamina versucht nun mit Tamino zu sprechen, da das Schweigegelübde aber immer noch gilt, meint diese, Tamino hätte sich abgewendet und versucht sich mit dem Dolch zu ermorden. Die Knaben retten trotz ihrer etwas dünnen Stimmen Pamina mit einem Segelschiff. Und schon versucht sich der nächste mit einem Seil aus dem Bühnenhimmel umzubringen. Papageno lässt auf den Rat der Knaben aber sein Glockenspiel erklingen und umgehend erscheint seine Papagena. Bei dieser Aufführung schienen sich die Kostüme von Papageno und Papagena kurz verhakt zu haben. Ob er es wirklich zu den 16 Kindern schafft, die er sich in der folgenden Arien wünscht, scheint fraglich. Kindergeld gäbe es sicher genug für die Kinderschar, die auf einem tiefen Rollwagen weggezogen wird. Inzwischen dürfen Tamino und Pamina die beiden letzten Prüfungen gemeinsam machen. Die Geharnischten erscheinen als schwarze Fackeln mit einer Leuchte auf dem Kopf und man hört rechts das Feuer knistern und Tamino und Pamina verschwinden in einer rot beleuchteten Höhle. Die nun folgende Wasserprüfung bringt ein Meeresband auf die Bühne. Auch hier hilft die Flöte weiter. Die nun endgültig Bösen im Spiel erscheinen im Halbdunkel. Der Mohr, die drei Damen und die Königin der Nacht stürzen unter Blitz und Donner in die ewige Nacht. Tamino und Pamina bestehen die Prüfungen und werden aufgenommen.
Caroline Wettergreen war in dieser Vorstellung eine wunderbare Köngin der Nacht, die eine ebenbürtige Tochter Pamina namens Victoria Randem hatte. Grigory Shkarupa gab einen wohlklingenden Bass als Kontrast dazu. Man verkleinerte den Orchestergraben der Lindenoper und hat vor dem Orchester die Möglichkeit eines begehbaren Stegs geschaffen. Wenn sich die Sänger ans Publikum wenden, stehen sie halb im Parkett. Die Sänger sind somit oft dazu verdonnert, starr während der Arien an der Bühnenrampe zu singen. Im Orchestergraben dirigierte Giedrė Šlekytė mit gutem Tempo. So gelang es in der Familienvorstellung doch recht gut, das überwiegend junge Publikum bei Laune zu halten. Schlimmer war eigentlich das Instagram-Influenzer Trio in Reihe 12, das scheinbar keine 3h Vorstellung ohne Unterbrechung genießen konnte und ständig den Publikumsraum verlassen musste. Dass während Paminas Selbstmordversuch ein Handy klingelt, nehmen wir jetzt mal als Anruf des Notarztes hin. Gegen Ende ist Mozart eine Herausforderung für die kleinen Papapgenos im Parkett, die dann schon das Finale in Morpheus Armen erlebten. Überhaupt muss man dem Libretto eine große Prise Wohlwollen entgegen bringen. Der Text ist schon teils sehr frauenfeindlich, Papageno scheint ein Alkoholproblem zu haben und auch die Sache mit dem bösen Mohr ist inzwischen grenzwertig. Ob man das Textbuch nochmal ins Jahr 1791 zurückschicken kann zur textlichen Überarbeitung ist fraglich, aber man könnte dran arbeiten. Für die gelegentlichen Operngänger ist diese Aufführung sicher vor allem ein Augenschmaus, die Geübten finden da aber keinen Mehrwert und nehmen die museale Aufführung aus dem Jahr 1815 gelassen hin. Die Musik macht es dann wieder gut, Viva Mozart!
Quelle: YouTube | Staatsoper unter den Linden
Der Filmressigeur Kornél Mundruczó inszeniert den Lohengrin in München als gescheitertes Sozialexperiment mit einem weißen Bühnenbild von Monika Pormale. Wer den Lohengrin von Richard Wagner nicht kennt, wird ihn dort wahrscheinlich auch schwer verstehen. Es ist perfide Absicht des Regisseurs, dass alle Akteure im gleichen weiß-grauen Homeoffice-Schlabberlook erscheinen. Lohengrin soll ein nicht so ganz positiv besetzter Held aus dem Volk sein. König Heinrich erkennt man leicht, denn er ist der einzige Brillenträger, aber schon beim Heerrufer wird es schwierig. Die Hauptakteure können einfach in der Masse der weißen Jogginganzüge und Merinorunners untertauchen, wobei wir schon bei einem der Kritikpunkte des Werks sind. Die Sneakers verursachen unangenehme Quietschgeräusche an den leisen Stellen der Partie. Wenn die Musik dann auch mal runterregelt, was leider erst gegen Ende bei der Gralserzählung der Fall ist. Besonders die Pauke im Orchestergraben hat bei diesem Lohengrin ihren Spaß, denn die leisen Einsätze vor allem im ersten Akt sind jetzt nicht die Stärke von François-Xavier Roth. Gegen Ende ist man aber musikalisch wieder versöhnt, denn gegen Thielemann im Lohengrin hat wohl fast jeder Dirigent schlechte Karten.
Die Brabanter sitzen zu Beginn traurig auf einem grünen Hügel, zwei Kunstbäume und ein Tümpel laden zum Verweilen ein. Leichte Kunstnebelschwaden wabern über das Grün. Der Chor ist von Anfang an präsent, winkt, sucht den Retter. Szenisch wird der Verlust von Elsas Bruder dargestellt, wobei Elsa von einigen Leuten aus dem Wasser gezerrt wird. Als Erinnerung an den Bruder liegen dann eine weiße lange Unterhose und ein Shirt auf einem Stein zum Trocknen. Das ist wohl das Einzige, was man von Ihrem Bruder Gottfried noch zu finden war. Elsa trägt vielleicht wegen des Verlusts des Bruders schwarze Kleidung. Aber auch die Gegenspieler Ortrud und Telramund stehen auch schon auf der Bühne. Sie sind während des ersten Aktes ständig präsent, haben aber eigentlich wenig zu singen und wirken etwas unterbeschäftigt. Ortrud ist an ihren roten Haaren zu erkennen. Als Elsa sich des Brudermordes angeklagt sieht und den Retter herbeiruft, kommt er nicht mit dem weißen Schwan gefahren, sondern ist einfach irgendwo aus der Menge am rechten Bühnenrand aufgetaucht. Wie entgeht einem leider, er ist plötzlich da, wobei man vor ihm auch eine Reihe anderer Personen ausprobiert hat, die aber alle nicht den Retter bei Elsa spielen wollen und abwinken. Nun hat der gerufene Held aber die Bedingung an Elas, seine Herkunft nie zu erfahren. Dass sich der Chor und Elsa ausgerechnet beim Frageverbot den Mund zu halten, erinnert etwas peinlich an die Nationalmannschaft in Katar. Elsa akzeptiert die Bedingungen von Lohengrin und es kommt zum Gottesgericht. Nun muss aber aus Platzgründen das Ausmessen des Kampfrings entfallen. In diesen Minuten steht man nur und wartet ab, bis das Kampfgeschehen einsetzt. Beim Kampf kommt neben einem normalen Schwert, jetzt Pyrotechnik mit Bandschleifern zum Einsatz und die Lage wird mit Schwertern und Feuerspeiern entschieden. Wie es Wagner vorsieht unterliegt Telramund. Zum Kampfgeschehen zieht der Chor jetzt die weißen Oberteile aus und macht einen Farbwechsel auf Rot durch. Ihre Sweatshirts werden dabei feinsäuberlich zusammengewickelt. Als Lohengrin dann tatsächlich gesiegt hat, wird er mit Palmwedeln begrüßt. Vielleicht ist es ja in Zukunft in Brabant möglich, dass dort Palmen wachsen, wer weiß. Vor allem der erste Akt ist sehr irritierend, was das Münchner Publikum aber erstaunlich gelassen hinnimmt.
Im zweiten Akt sieht man ein offenes Portal, in das in einer endlosen Prozession Brabanter über Stufen aus dem Keller kommen und in der offenen Tür verschwinden. Das ist zwar sehr effektvoll, trägt aber nur bedingt zur Erklärung des musikalisch interessanten Verschwörungsteils von Ortrud und Telramund bei. Die sind vor einer Steinbalustrade bei einer Flasche Rotwein. Was in dem Alukoffer von Telramund ist, bleibt verborgen, er ist halt einfach da. Die Brabanter feiern den neuen Helden, wobei Elsa oben am Balkon erscheint und einen Joint raucht. Überhaupt ist Elsa von der Regie am interessantesten herausgearbeitet. Sie ist ein zerbrechliches, kiffendes Nervenbündel und wenig glamourös bisher. Sie kommt vom Balkon runter an die Balustrade und kifft mit Ortrud. Diese tut aber nur so, und versenkt den Joint angewidert in dem Weinglas. Es ist ihr aber mit dem gemeinsamen Rauchen gelungen Elsas Vertrauen zu erschleichen. Telramund muss scheinbar sich zur Strafe mit dem Gesicht zur Wand stellen. Auf dem Balkon erscheinen jetzt vier Jungs des Tölzer Knabenchors, die anscheinend nur Blödsinn im Kopf haben. Sie strecken dem Helden von Brabant die Zunge raus und provozieren ihn indem sie mit den Handflächen am Kopf winken. Jetzt werden aber effektvoll rote Bänder vom Balkon geworfen, sechs Stück und noch mal drei Bänder links und rechts. Damit schmückt man das Portal jetzt und rüstet quasi zur Hochzeit um. Kunstvoll werden die Bänder geflochten. Konfettikanonen sprengen Silberflitter in den Bühnenraum und den Orchestergraben. Es deutet sich schon an, dass der Chor mit roten Winkelementen ausgestattet wird. In der weißen Wand neben dem Portal öffnen sich 34 Gucklöcher in denen der Chor singt zum Teil. So recht weiß die Regie nicht, ob es zu den Heilrufen noch politisch korrekt ist, die Hand zu heben. Zu sehr erinnert das ans dritte Reich, so winkelt man die Arme immer etwas verschämt an. Leider ist auch hier die Personenregie nicht besonders schlüssig. Elsa bekommt am Ende einen Umhang verpasst und schlägt mit dem Umhang einen goldenen Kreis, erinnert etwas an die Rauschgoldengel von Nürnberg, passt vielleicht gut zum Christkindlesmarkt am Marienplatz. In dem Akt punktet aber immerhin die Musik inzwischen. Die Verschwörungsszenen hat die nötigen Längen für Ortrud, man gibt der Fiesheit der Verschwörer einen musikalischen Raum.
Der dritte Akt befördert einen in einen weißen Raum mit einem grünen Rasenstück. In der Mitte befindet sich eine weiße Tür. Die Goldflügel von Elsas Umhang werden eingefahren und Elsa befreit sich aus dem Korsett mit Hilfe einiger Damen. Sie hat ein weißes Oberteil mit einem Fragezeichen an. Den Kopf bedeckt sie kurzzeitig mit dem Oberteil von Gottfried. Was die allerdings mit Elsas Unterarmen machen, ist wieder ein Rätsel. Vom zweiten Rang sieht das so aus, als ob man diese mit weißer Farbe bemalt, wozu ist unklar. Die Bemalung wirkt etwas wie Brauthandschuhe. Dann ein unfreiwilliger Lacher, als Lohengrin singt: Wir sind allein, endlich allein. In diesem Moment sind aber rund 60 Chormitglieder auf der Bühne, die bis eben den Brautchor gesungen haben. Lohengrin wird auf dem Rasenstück jetzt aber richtig zudringlich, was angesichts der Umstände, dass man gerade Hochzeit hatte, aber okay ist. Elsa ist Lohengrin aber immer unheimlicher und will nun endlich wissen, wo er herkommt. Wohl wissend, dass damit umgehend gegen den Ehevertrag verstoßen wird und die Trennung unausweichlich ist. Just in dem Moment kommt Telramund auf die Bühne und versucht Lohengrin zu ermorden. Der wehrt sich nun mit dem ganzen Chor und Telramund wird gesteinigt. Der tote Telramund wird an den rechten Rand getragen und mit einem blutigen Laken zugedeckt. Der Chor muss sich wieder mit dem Gesicht zur Wand stellen auf Handzeichen von Lohengrin. Die Brabanter versammelt sich nun wieder, wobei der Heerrufer mehrfach über die Blumen am Rand des Rasenstücks mit beiden Beinen hüpft. König Heinrich trampelt dagegen mitten durchs Gemüse. Über dem Chor senkt sich nun langsam ein übergroßer Meteor auf die Bühne. Elsa kniet auf einem Stein darunter. Drohend liegt er als Unheil über dem Chor und senkt sich der Meteor immer mehr. Allerdings kann Elsa den Meteor besteigen und ihre Schlusstöne mit Lohengrin zusammen in dem dunklen Kunststein singen. Dort übergibt Lohengrin eine leuchtende Truhe mit Horn, Ring und Schwert für Gottfried. Jetzt tritt nochmal Ortrud auf, die das Ganze Spiel längst durchschaut hat, im Gegensatz zum Zuschauer. Der Meteor am Ende ist effektvoll, aber was sagt er aus? Der Erbe von Brabant Gottfried tritt am Ende auf, während der gesamte Chor ohnmächtig am Boden liegt.
Nach dem Knüller in Bayreuth hatte François-Xavier Roth eine fast unlösbare Aufgabe zu meistern, wie schafft man nach dem Lohengrin in Bayreuth nun einen passenden Anschluss. Musikalisch hat er mich zumindest bei der Gralserzählung am Ende wieder abgeholt, die war wirklich erstklassig. Es war natürlich Premiere und einige Sänger hatten ihr Rollendebüt. Johanni van Oostrum gibt eine hochsensible Elsa ab, die sehr zart und lyrisch ist. Anja Kampe als Ortrud hatte vor allem im Finale etwas zu kämpfen, war im zweiten Akt aber sehr überzeugend. Mika Kares war das wahre Basswunder als König Heinrich, während Klaus-Florian Vogt wie immer einen Lohengrin auf hohem Niveau bot, wenn man seine Stimme mag. Am Schwierigsten fand ich bei der Inszenierung den Ansatz der Regie, den Chor ständig auf der Bühne zu lassen und mit fragwürdigen Winkaktionen zu beschäftigen. Aber auch die anderen Akteure waren teilweise auf der Bühne, ohne wirklich einen Plan zu haben, was sie jetzt genau tun müssen. Das Münchner Publikum nahm es gelassen. Am Ende gab es wenige Buhs für die Regie. Bei den Sängern und dem Orchester war man sich aber einig, die waren eindeutig gut. Ich konnte zwischen den Akten eine deutliche musikalische Steigerung feststellen, während es anfangs deutlich zu laut war, hat man gegen Ende endlich die gewünschte Balance gefunden. Eigentlich ein solider Lohengrin, wenn da die Regie nicht wäre. Der Beifall war kurz, die Buhs wenige, man gab sich versöhnlich.
Quelle: YouTube | BayerischeStaatsoper