Bild: Flickr.com von copepodo
Die wiederaufgenommene Nabucco-Inszenierung von Immo Karaman in Nürnberg bedient sich sehr der Stummfilm und schwarz-weiß Ästhetik. Das fängt schon ganz am Anfang an, als eine Einblendung, wie in alten Stummfilmen auf einem schwarzen Bühnenkasten zu sehen ist. Der Schriftzug, mit dem die Szenen vorab kurz beschrieben werden, ist ganz auf die Stummfilm-Zeit zugeschnitten. Auch Fenena, die im Tempel zu Jerusalem in einer Horde schwarz-gekleideter Hebräer gefangen ist, hat eine Strass-Abendrobe an. Abigaille, die etwas brünnhildenhaft von Aarona Bogdan dargebracht wird, hat hier ihren Auftritt. Begleitet von blau angemalten Kriegern mit nacktem Oberkörper, befreit sie, begleitet von ihrem Vater Nabucco die Gefangene Fenena. Als Fenena vor dem Eintreffen der Assyrer von Zaccaria getötet werden soll, rette sie davor Ismaele. Die Hebräer verschwinden alle in dem Kasten und werden sozusagen nach Babylonien verschifft. Im zweiten Akt muss Abigaille erkennen, dass sie Tochter einer Sklavin ist. Der Vater hat in seine Abwesenheit nicht ihr, sondern Fenena die Macht übertragen. Abigalle lässt das Gerücht verbreiten, ihr Vater sei gefallen. Begleitet eben von den Kriegern und den babylonischen Göttern, entsteht ein dramatisches Gerangel um die Königskrone Nabuccos, das erst beendet wird, als Nabucco selbst auftaucht und die Krone wieder an sich nimmt. Nabucco leidet aber an Größenwahn und lässt sich nun selbst als Gott huldigen. Das ruft die den Unmut der Hebräer hervor, auf deren Seite sich nun Fenena schlägt. Im Stück ‘S’appresan gl’istanti’ kündigt sich das Unheil in Form eines weißen, baumartigen Gebildes an, das Nabucco trifft und ihn als Strafe für seinen Hochmut in den Wahnsinn treibt. Abigaille hat jetzt ihre Chance und nimmt die Macht an sich. König Nabucco irrt dabei nur noch in zerrissener Kleidung und mit langem Bart umher und darf ihre Befehle abzeichnen. Auf den Stufen der hängenden Gärten bietet sich im dritten Akt ein nettes Bild, das man so schon mal in einem Stummfilm gesehen haben könnte. Dreimal versucht der Oberpriester Abigaille zu einem Urteil gegen ihre Schwester zu ermutigen, in gespieltem Entsetzen wirft Abigaille jedes Mal einen goldenen Schemel von den Stufen, der prompt wieder durch einen weiteren ersetzt wird. Abigaille versucht nun die Hebräer und Fenena zu vernichten, indem sie den Wahnsinn des Vaters ausnützt. Beim Verrat schwebt ein Schwein über Abigaille, dessen tieferer Sinn sich nicht erschließt. Das nun folgende “Va pensiero” wird ganz in dem Filmkasten inszeniert. Die Hebräer sind hinter dem Gefängnisgitter quasi unsichtbar. Vor dem Verlies sieht man Nabucco. Das jüdische Volk ist also an den Wassern Babylons hinter Gittern und streckt die Hände ans Licht. Fenena soll nun hingerichtet werden. In der Not wendet sich Nabucco an den Gott der Hebräer. Nabucco verlässt der Wahnsinn erst, als er Baal abschwört und dem Gott der Hebräer Abbitte leistet. Er eilt in den Tempel und rettet Fenena. Inzwischen hat er wieder einen blauen Königsmantel an. Das projizierte Götzenbild im Kasten zerreißt mit einem Schlag. Getroffen von dem einstürzenden Götzenbild ist Abigalle schwer verwundet und übergibt nun Ismaele Fenena. Nabucco lässt die Hebräer ziehen. Mit einem etwas kitschigen Schlussbild, das ebenfalls aus den 10 Geboten stammen könnte, endet die Inszenierung in Farbe.
Die wahren Stars des Abends sind aber die Männerstimmen, Mikolaj Zalasinski als Nabucco, König von Babylon und Nicolai Karnolsky als Zaccaria. Aber auch Aarona Bogdan als Abigaille mit Wagnernote macht ihre Sache gut. Hat sie doch die schwierigsten Passagen gegen den lauten Chor zu bestehen. Auch die ganze Inszenierung als Monumentalfilm-Epos gelingt gut, obwohl jetzt nicht die großen Effekte im Bühnenbild aufgefahren werden. Das Opernhaus war an diesem Abend bis zum letzten Platz ausverkauft und das Publikum honorierte die sehr gute Leistung mit langanhaltendem Applaus. Peter Tilling ist neu am Pult und führte gekonnt und sehr ausgewogen durch den Abend. Auch bei einer Wiederholung, war ich wieder fasziniert, wie vor drei Jahren.
Quelle: Staatstheater Nürnberg
In einer Neuinszenierung von Gabriele Rech läuft am Nürnberger Opernhaus derzeit Othello von Verdi. Man hat Othello zeitlich etwas zurechtgerückt und befindet sich irgendwo in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Auf die Frage in der Vorbesprechung, ob die Inszenierung modern oder schön sei, antwortete sie gekonnt: Schön und modern. Jetzt ist Verdis späte Oper keine Nummernopern mehr, sondern besteht zu 80 Prozent aus Rezitativen. Für mich der Versuch, die Ideen von Wagner aufzugreifen, der zur damaligen Zeit in Italien sehr in Mode war. Die Vorlage von William Shakespeare wurde aufgegriffen, aber mehrfach von Verdi überarbeitet, da er mit dem Endergebnis lange Zeit nicht zufrieden war. Othellos Gegenspieler kommt eine tragende Rolle zu, weshalb die Oper besser Jago heißen sollte.
Mit einem lauten Orchesterbrausen befindet man sich an den Küsten Zyperns. Vor einer Wand, auf der eine Gewitterstimmung aufgemalt ist, singt die Bevölkerung Zyperns und beobachtet, wie das Schiff von Othello strandet. Man sieht, wie das Schiff im Sturm anlegt und Othello auf wundersame Weise gerettet wird. Aus dem ersten Rang schmettert er ein lautes Esultate in den Zuschauerraum. Das Volk ist in teilweise in Militäruniformen, es gibt aber auch einen Priester und leichte Damen. Man feiert die Rettung von Othello und zündet in einem Ölfass ein kleines Freudenfeuer an. Dort werfen sie auch Fotos hinein. In der Feier der Rettung von Othello mischt sich Jago unter das Volk. Jago wurde bei der Beförderung übergangen zugunsten von Cassio. Da er auf Cassio neidisch ist, versucht er mit einem Trinkspiel eine Schlägerei zu provozieren. Ziel ist es, Cassio bloß zu stellen und mit der entstehenden Rauferei Othello und seine Frau Desdemona zu wecken. Und falls man es noch nicht wusste, es gibt schon Papstar Trinkbecher in Zypern, mit den sich trefflich Trinkspiele realisieren lassen. Rodrigo und Cassio geraten also aneinander und es kommt wirklich dazu, dass Othello aufwacht, um den Streit zu schlichten. Dabei degradiert er Cassio. Othello hat sich trotz seiner schwarzen Hautfarbe, die hier nur leicht angedeutet ist, einen Rang in Venedigs Flotte als Feldherr erarbeitet. Darauf ist sein Diener Jago aber neidisch, obwohl er ihn eigentlich wegen seiner Hautfarbe ablehnt. Wieder allein singen Othello und Desdemona ein wunderschönes Duett. Dass sie dabei vor den Hafentoren stehen und weit voneinander entfernt ist, ist etwas merkwürdig. Man befindet sich im Offizierskasino und versucht sich im zweiten Akt zu zerstreuen. Jago aber setzt alles daran, Othello zu vernichten. Dabei ist seine Grundhaltung sehr nihilistisch. Sein Credo, dass er an nichts glaubt, singt er vor der Feuerschutzwand des Bühnenraums. Es gibt dazu wieder die besagten leichten Damen, die zur Zerstreuung der Offiziere dienen sollen. Auf der Bühne steht ein großer Billardtisch. Das Volk Zyperns kommt mit einem Kinderchor daher, um Desdemona zu huldigen. Die Kinder spielen die Heldentaten Othellos nach und das Werben von Othello um Desdemona. Dabei streuen sie Blütenblätter und erzählen von seinen Reisen über die Meere. Jago spinnt nun seine Intrige gegen Othello weiter. Er sagt Desdemona ein Verhältnis zu Cassio nach, da sie sich immer wieder bei Othello einsetzt und um Gnade wegen seiner Degradierung bittet. Othello ist von der Aussicht, betrogen zu werden schon so außer sich, dass er einen Billard-Kö zerbricht. Auf dem Billardtisch betrinken sich Jago und Othello nun. Jago erzählt nun von dem Liebestraum von Cassio, wo bei der zerbrochene Kö wohl etwas missbraucht wird (nicht ganz jugendfrei). Othello fordert nun einen Beweis und Jago beschließt Othello einen Beweis für Desdemonas Untreue zu liefern. Othello hat Desdemona ein Taschentuch geschenkt, das er bei Cassio gesehen hat. Dass dieses noch im gleichen Akt und am selben von Desdemona benutzt wurde, hätte Othello eigentlich auffallen können, aber wo bleibt bei Liebe schon die Logik.
Othello beschwört nach der Pause Desdemona, auf das Taschentuch aufzupassen. Es wäre eine Art Talisman eingewebt und hätte Zauberkräfte. Wieder im Casino versucht Jago, Cassio zum Erzählen von seiner Liebschaft zu überreden. Othello denkt, er spreche von Desdemona, versteckt sich hinter dem Billardtisch und rastet völlig aus. Während Cassio sich über zwei Damen am Billardtisch hermacht. Cassio zieht das Taschentuch und damit ist für Othello klar, dass er betrogen wurde. Es trifft eine Abordnung des Dogen in Abendkleidern und Smoking ein. Othello wird abkommandiert. Dies wird auch in einer Videoprojektion auf die Rückwand des Bühnenraums übertragen. Othello setzt Cassio wieder als Hauptmann ein und beobachtet Desdemonas Verhalten. In jeder Regung von ihr, sieht er schon ein Zeichen ihrer Untreue und rastet von der Gesandtschaft aus und wirft seine Geliebte auf den Boden. Nun malt er sich gänzlich schwarz an. In einer Nachtszene bettet sich Desdemona nun in ihrem Hochzeitkleid zur Ruhe. Sie hat ihr Brautkleid an und denkt an ihren eigenen Tod. Othello schleicht sich nun im Dunkeln an und löscht die zwei Kerzenleuchter. Für ihn erscheint der sogenannte Ehrenmord an Cassio und Desdemona nun als einziger Ausweg. Dabei hat er Rodrigo beauftragt, Cassio umzubringen, während er Desdemona erwürgen will. Durch einen Kuss von Othello geweckt, beteuert sie weiterhin ihre Unschuld, wird aber letztendlich von Othello umgebracht. Wie sie es nun schafft, trotz des Erstickungstodes durch den Schleier, noch einmal zu singen, ist für mich echt opernlike. Der Plan gleichzeitig Cassio zu beseitigen scheitert, denn Cassio bringt Rodrigo um. Die Dienerin ruft nun um Hilfe, dass Desdemona umgebracht wurde. Cassio, Ludovico und Jago tragen die tote Desdemona raus aus dem Ehebett. Es wird klar, dass Jago der Drahtzieher des Unheils war und der macht sich nun durch den Zuschauerraum auf die Flucht. Am Ende ist Othello allein auf der Bühne und schlitzt sich mit dem letzten Ton die Kehle auf.
Teilweise gelingt es der Inszenierung, den Helden Othello als schwer traumatisierten Kriegshelden darzustellen. Mit viel Alkohol versucht er, sich über die traumatischen Ereignisse der Schlachten und seine Eifersucht hinwegzutrösten. Dabei läuft er in den knapp zwei Stunden auf Dauerhochtouren. Diese aufbrausende Überspanntheit des Othello gelingt es nur ansatzweise herüberzubringen. Das Amokläuferpotenzial könnte hier durch David Yim noch tiefer ausgelotet werden. Dagegen ist Jago (Mikolaj Zalasinski) durchweg in Bestform, wie er durch die ganze Oper intrigiert ist hervorragend umgesetzt. An dem Frauenbild, das scheinbar nur die leichte Form kennt, sollte man arbeiten. Es kommt in der Oper keiner gut weg. Da sind die zutiefst traumatisierten Männer, die nur Alkohol, Frauen und den Kampf im Kopf haben. Aber auch die Frauen kommen ihren Anteil, die hier hauptsächlich als Huren ihre Plätze finden. Die Musik durch Guido Johannes Rumstadt ist stellenweise sehr knallig und lässt den Solisten wenig Luft. Die Bühnenausstattung ist aber weitgehend gut umgesetzt.
Quelle: Staatstheater Nürnberg
Wer noch Karten hat für das Musical Next To Normal-Fast Normal hat, sollte diesen Beitrag besser nicht lesen und sich die Spannung nicht nehmen lassen. Allen anderen, die unbedingt weiterlesen wollen und sich die Überraschungen in dem Musical nehmen wollen, oder keine Karten mehr bekommen haben, dürfen weiterlesen.
Diana scheint das lebt scheinbar das Leben einer normalen Frau. Ihr Mann Dan, ihre Tochter Natalie und ihr Sohn Gabe scheinen das Bild einer perfekten Familie zu geben. Schon in den ersten Szenen merkt man, dass irgendwas nicht stimmt. Der Vater scheint den Sohn Gabe komplett zu ignorieren. Die Tochter macht gerade ihre Abschlussprüfungen, nimmt Klavierstunden und übt Mozart. Ihr Freund Henry nimmt dagegen alles auf die lockere Schulter, raucht Gras und ist dem Jazz nicht abgeneigt. Den normalen Haushalt bewältigt Diana bis zum Umfallen, packt Brote für die Zwischenmahlzeiten der Familie. Erst als sie diese am Küchenboden zubereitet, merkt ihr Mann, dass wieder einmal was nicht stimmt mit seiner Frau. Seine Frau leidet seit 16 Jahren an einer bipolaren Störung. Dagegen nimmt sie Tabletten, die ihr Dr. Fine mit österreichischem Dialekt verordnet. Übergroß tanzen die Tabletten auf der Bühne. Dr. Fine ordnet immer wieder neue Kombinationen der Medikamente an. Sie geht immer wieder zu dem Arzt und schildert die Nebenwirkungen seiner Therapie, bis sie der Meinung ist, nichts mehr zu spüren. An dem Punkt erklärt der Arzt seine Behandlung für erfolgreich. Dann wird ihr das Schlucken der Tabletten zu viel. Sie sehnt sich nach den Höhen und Tiefen des Lebens und sie leert die Pillen-Dosen in einen Eimer und schüttet sie in die Toilette. Mit den Worten, ihr Haus hätte jetzt die glücklichste Toilette in der Stadt, geht sie wieder ihrer Hausarbeit nach, ist übermäßig aktiv, bis ihr Mann drauf kommt, dass sie ihre Medikamente wieder nicht nimmt. Dies fällt allen auf, als sie eine Torte für ihren Sohn Gabe zubereitet und dessen Geburtstag feiern will. Ihre Tochter und ihr Mann sind entsetzt. Ihr Mann schickt sie zum Arzt Dr. Madden. Den Doktor Madden hält sie zeitweise in ihren Fantasien für einen Rockstar. Dort unterzieht sie sich einer Psychotherapie, wobei raus kommt, dass Ihr Sohn Gabe gar nicht mehr lebt. Dies erreicht er durch eine Hypnose, an die Diana zuerst nicht glauben will. Der Arzt meinte, es wäre wohl Zeit sich von ihrem Sohn zu verabschieden. Schließlich packt sie eine Kiste zusammen und beschließt das Zimmer ihres Sohns zu räumen. In einer Traumszene tanzt sie einen Walzer mit ihrem Sohn Gabe. In Wirklichkeit hat sie sich die Pulsadern aufgeschnitten. Die Krankheit sitzt bei Diana scheinbar tief. Man beschließt, das letzte Mittel anzuwenden und eine Elektrokrampftherapie anzusetzen. Nach Langem hin und her, willigt ihr Mann Dan schließlich ein.
Im zweiten Akt stürzt sich die Tochter immer weiter in die Drogensucht. Sie vergreift sich am Medikamentenschrank ihrer Mutter und putscht sich mit deren Medikamenten auf. Ihre Mutter steht derweil im Krankenhaus 14 Tage lang wortwörtlich unter Strom. Nach fünf Tagen Party und einer Disko nach der anderen, bricht sie zusammen und wird von ihrem Freund Henry heimgebracht. Ihre Mutter kommt nun von der Elektrokrampftherapie zurück und hat dort als Nebenwirkung einen totalen Gedächtnisverlust erlitten. In fieser Weise versucht nun ihr Mann Dan, die Vergangenheit zu verändern. In einer Biographiekiste mit Bildern, versucht er ihrem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen. Er präsentiert ihr nur schöne Erinnerungen, die Probleme versucht er damit zuzudecken. Nur ihre Tochter hilft nach und zeigt auch Bilder von unschönen Erlebnissen. Dann kommt das Gedächtnis so nach und nach zurück. Die Erinnerung an ihren Sohn Gabe fehlen aber. Auf der Suche nach diesem Stück Erinnerung geht sie wieder zu Dr. Madden. Der gibt einen ersten Hinweis auf ihren Sohn und meinte, sie solle mit ihrem Mann reden. Sie findet dann Zuhause eine Spieldose, die die Erinnerung an den Sohn wieder herstellt. Diese zertrümmert Dan am Boden. Dan erzählt nun, dass der Sohn viel geschrien hätte und die Ärzte die Ursache seines Schreiens nicht deuten konnten. Gabe starb mit dem Alter von 8 Monaten an einem Darmverschluss. Dies war der Dreh und Angelpunkt, an dem die Krankheit von Diana begonnen hat. Diana geht nun wieder zu Dr. Madden, sagt, dass sie wieder ihren Sohn sehe. Dieser ordnet weitere Therapien an, die sich nun Diana verweigert. Diana hilft nun ihrer Tochter noch zum Ball, verlässt dann aber ihren Mann und geht zu ihren Eltern. Dan geht immer wieder zu Dr. Madden und fragt nach seiner Frau, ist aber dann auch zu einer Therapie bereit. Schließlich ist auch ihr Mann so weit, dass er seinen toten Sohn sieht und seinen Namen nennt: Gabriel. Die Tochter und ihr Vater sind dann allein. Auch die Tochter zweifelt an ihrem Verstand und erzählt nun ihrem Freund vom Schicksal ihrer Mutter. Am Ende steht ein Ausblick auf Besserung, aber es gibt kein Happy End.
Am Ende steht ein fast 10-minütiger Applaus. Die Besetzung des Stücks ist mit Pia Douwes als Diana, Thomas Borchert als Dan und Sabrina Weckerlin als Natalie wirklich hochkarätig. Titus Hoffmann übersetzte das Stück und inszeniert treffend. Pia Douwes gelingt es, die Höhen und Tiefen von Diana feinfühlig auszuloten, ohne in den Kitsch abzugleiten. Auch Thomas Borchert als Dan ist in seiner ‚Alles-wird-gut‘-Manier umwerfend gut. Sabrina Weckerlin als Natalie gelingt es geschickt, die vernachlässigte, ungeliebte Tochter zu spielen. Die Musik kommt mit einem kleinen Sechsmannorchester aus, die bisweilen etwas E-Gitarrenlastig und rockig aufspielen. Mit dem Kniff, Gabriels Tod erst weit im zweiten Akt aufzuklären, gelingt es, die Spannung aufrechtzuerhalten, das ist hier deutlich besser gelöst, als in der Vorlage. Dass Gabriel als Untoter auftritt hat, etwas von der Spannung in Sixth Sense. Man braucht etwas, um zu verstehen, warum sein Vater ihn am Anfang so permanent ignoriert. Die deutsche Erstaufführung dieses Stück war sicher ein großer Coup des Stadttheaters und die Besetzung ebenfalls. Die Karten für diesen Abend besaßen wir schon seit fast einem Jahr und das Warten hat sich gelohnt. Der Stoff ist neuartig und wird gekonnt in Szene gesetzt. Allen, die noch Karten bekommen haben, einen Glückwunsch: es lohnt sich wirklich.
Nachtrag: Die CD-Aufnahme ist nun auch verfügbar zum Beispiel hier.
Quelle: MERCUTIOmedia
In einer Kooperation mit der Straßburger Oper ist derzeit das Barockwerk Platée von Jean-Philippe Rameau zu sehen. Fast wäre das Ballet Buffon durch das Opernraster gefallen. Auf BR-Klassik war die Live-Übertragung zu hören am 08.06. und nur vom Anhören wirkt diese Oper nicht besonders anziehend. Aber Mariame Clément hat eine wirklich interessante Inszenierung umgesetzt, weshalb sich ein Besuch der Oper lohnt. Nur soviel gleich vorab, die Oper spielt nicht in einer Sumpflandschaft in der Nähe des Berges Cithareon. Man findet sich in einem 50er Jahre Interieur, das aus einem ‚Schöner Wohnen‘ der damaligen Zeit entsprungen sein könnte. Die Handlung ist eigentlich schnell erzählt. Die von der Sintflut übrig gebliebene Wassernymphe macht sich Hoffnung auf eine Hochzeit mit dem Göttergatten Jupiter. Thalie und Momus, der Gott des Spottes wollen die Göttergattin Juno von ihrer krankhaften Eifersucht befreien, in dem sie Jupiter mit der hässlichen Wassernymphe verkuppeln. Die Nymphe in ihrer Einfalt glaubt, wirklich die Auserwählte zu sein und wird am Ende vorgeführt. So richtig Mitleid kann man mit der Nymphe nicht haben, denn schon von Anfang an ist klar, dass die Götter sie nur als Spielzeug ansehen. Der Sumpf ist ein übergroßes Aquarium in der Wohnlandschaft. Während die Götter Merkur und Momus vor einem kleinen Aquarium sitzen und dort eine rote Krawatte rein halten, an der sie Platée aus dem Sumpf holen in ihre Götterwelt, stapft diese zwischen einer übergroßen Olivenschale, Salzletten und Crackern unbeholfen mit ihrem Amphibienschwanz in die Götterwelt. Platée geht zuerst davon aus, dass Cithareon aka Momus der Auserwählte ist, erfährt aber von ihm, dass der Götterherr selbst Gefallen an Platée gefunden hätte. Begleitet von ihren Geschöpfen, die ein hinreißendes Wasserballett im Trockenen vollführen, ist am Ende des ersten Akt Platée schließlich allein auf sich gestellt. Ganz aufgehübscht im rosa Kleid muss sich Platée nun auf die Ankunft des Gottes vorbereiten. Die Göttergattin Juno wird mit einem Düsenflugzeug nach Athen umgeleitet, damit sich ihr Eintreffen auf der Hochzeit etwas verzögert. Der Gott offenbart sich ihr als Eule und Vögel, die aus den Kulissen geräuschvoll hervorschießen. Selbst die Souffleuse darf mitspielen mit zwei Vogelattrappen. Am Ende bricht Jupiter in einem rosa Cadillac mit Blitz und Donner hervor, in dem es aus dem Motor des Wagens gehörig kracht und donnert. La Folie warnt Platée mit diversen Geschichten aus der Mythologie von Daphne und Apollo vor einer Liaison. Der Einschub in der Götterwelt hat einem roten Fernseher Platz gemacht, in dem Western laufen. Die Tänzer machen sich immer wieder über Platée lustig. Im dritten Akt hat Platée nun ein Brautkleid an. Dann trifft die illustre Hochzeitsgesellschaft auf: Maria Theresa, Superman und etliche Prominenz aus den 50ern stellen sich zur Hochzeit ein. Auch Momus im Marilyn-Kleid, als Amor verkleidet, erscheint. La Folie tritt als Freiheitsstatue von einem erneuten Wasserballett begleitet auf und will die Hochzeit vollziehen. Jupiter kann sein Ja-Wort noch so lange herauszögern, bis Juno eintrifft. Als Juno den Schleier hebt, muss sie erkennen, dass die Eifersucht unbegründet war. Im allgemeinen Gelächter und mit Racheschwüren von Platée endet die Oper und Platée muss zurück ins Aquarium.
Wir hatten an dem Tag Glück, dass die Aufführung überhaupt stattfinden konnte. Da das Werk selten aufgeführt wird, lässt sich auch für ausgefallene Ensemble-Mitglieder schlecht Ersatz finden. Für Leah Gordon sprang an diesem Abend Csilla Csövári ein. Während sie von einem Double auf der Bühne gespielt wurde, sang sie von der Seite die Partien der La Folie und der Thalie. In einer der wenigen Frauenrollen für Männern in Opern hört und sieht man als Platée einen wunderbaren Tilman Lichdi. Besonderes Lob verdient die Personenführung im Stück, die Joshua Monten einfallsreich gelöst hat. Während der Fernsehszene sieht man eine noch nie da gewesene Cowboy- und Indianer-Quadrille. Durch die Ballett-Einlagen auf der Bühne hält man auch durch, dass eigentlich relativ wenig Handlung im Stück ist. Dies macht sich vor allem zum Ende hin bemerkbar, wird aber durch die Regie-Einfälle weitgehend aufgefangen.
Kritik in den Nürnberger Nachrichten: Alles ist nur ein Spaß auf Erden
Quelle: Staatstheater Nürnberg
Das Musical Sister Act von Alan Menken wird derzeit in Stuttgart gegeben. Das 2006 uraufgeführte Musical lehnt sich in der Handlung an den Film an. Die Musik dazu wurde aber eigens dafür komponiert und hat mit den Soulnummern des Films keine Überschneidungen. Auch unterscheidet sich die in Stuttgart aufgeführte Fassung in zwei Nummern von der in Hamburg.
Die erfolglose Deloris Van Cartier erhofft sich von ihrem neuen Liebhaber Curtis Shanks den großen Durchbruch in einem Nachtklub. Die Sängerin träumt von einem Kleid mit einem weißen Fuchs. Es ist Weihnachten 1977 in Philadelphia. Curtis meinte, mit dem Durchbruch müsste sie wohl noch etwas warten. Er hätte jetzt auch keine Zeit, mit ihr Weihnachten zu feiern und überreicht ihr ein grünes Paket. Als Deloris es auspackt, befindet sich dort ein blaues Kleid, das von ihr als toter Schlumpf bezeichnet wird. Dass ihr Liebhaber dieses Kleid von seiner Frau genommen hat und nicht mal den Aufnäher entfernt hat, bringt sie auf die Palme. Als sie den Nachtclub verlässt, wird sie Zeugin, wie Curtis einen Informanten der Polizei erschießt. Sie schafft es noch, sich rechtzeitig vom Tatort zu verziehen, aber Curtis hetzt seine drei Ganoven ihr hinterher. Einer davon ist scheinbar türkischer Abstammung. Wie der nun 1977 nach Philadelphia kommt, na ja? Ist eben Musical. Deloris flieht auf die Polizei und meldet den Mord Lieutenant Eddie Fritzinger, den sie noch von ihrer Highschoolzeit kennt. Scheinbar hat sich Fritzinger dort schon in Deloris verliebt. Sie verhöhnt ihn aber als Schwitze-Fritzinger. Dennoch bringt er Deloris dazu, sich vor Curtis zu verstecken. Dies soll ein Ort sein, wo sie nicht vermutet wird, nämlich ein Nonnen-Kloster. Das Nonnenkloster steckt in ebenfalls Schwierigkeiten: Es ist kein Geld für die Renovierung der Kirche da. Die Nonnenschar schwindet und die Besucherschar in der Kirche ebenfalls. Die Mutter Oberin macht sich Sorge, dass das Kloster von zwei reichen Russen gekauft wird und ihre Schützlinge auf andere Klöster aufgeteilt werden. Es tritt der Nonnenchor auf uns singt in beklagenswerter Weise einen Choral. Man feiert im Speisesaal des Nonnenklosters Weihnachten, als Deloris als Nonne eingeführt wird. Sie sei aus einem sehr weltlichen Orden, so die Oberin und wollte das einfache Leben in Demut kennenlernen. Aber schon am Abendessen setzt die Demut Deloris aus. Am servierten Hammel wird kräftig rumgemäkelt. Als sie hungrig beschließt, in den Ort der Sünde zu gehen, nämlich eine Bar gegenüber folgen ihr Schwester Mary Robert und Schwester Mary Patrik. In der Kneipe ordert sich Deloris erst einmal ein Steak, trifft aber auch beinahe auf ihre Verfolger, die in derselben Kneipe sind. Die Verfolger meinen Deloris erkannt zu haben, haben als Opfer aber einen Transvestiten ausgemacht, der nur Deloris Bühnenoutfit getragen hatte. Dies nutzt nun die echte Deloris im Nonnenkleid zur Flucht ins Kloster. Diese nächtliche Eskapade bestraft nun die Oberin mit einem Fastentag und der Versetzung in den Chor. Da Deloris Gesangserfahrung hat, solle sie den Nonnen im Chor zu einer besseren Gesangstechnik verhelfen. Der christliche Chor wird von liturgischen Gesängen auf Gospel getrimmt. Es folgt ein erster Auftritt in der Kirche, der der Oberin ziemlich missfällt. Das Gospel-Programm lockt aber wieder Leute in die Kirche. Die Spenden steigen und man kann die Renovierung in Angriff nehmen. Am Ende des ersten Aktes haben die Nonnen Schals mit roten Herzen auf den Trachten.
Im zweiten Akt erfährt man, dass die reichen Russen einen großzügigen Scheck dem Kloster übergeben haben. Der Oberin missfällt immer noch das allzu weltliche, das in das Kloster Einzug gehalten hat. Die Nonnentrachten werden aber immer ausgefallener und glitzriger. Schließlich erfährt Paul VI von den singenden Nonnen und möchte diese hören. Bei einer TV-Übertragung bekommen Curtis Leute schließlich mit, dass Deloris nun als Nonne abgetaucht ist. Sie verrät sich zum einen durch ihren Song “Zeig mir den Himmel", den sie im Fernsehen mit ihren Nonnenkolleginnen zum Besten gibt und sie wird trotz Tracht erkannt. Die Fernsehübertragung sieht nun auch Fritzinger, der Deloris rechtzeitig aus dem Kloster retten will. Am Vorabend des Papstbesuchs treffen sich die Nonnen im Schlafraum. Wunderbar sind hier die Schlafanzüge der Nonnen und wie sie für ein Gelingen des Auftritts beten. Deloris muss aber gehen. Beim Abschied gibt Deloris ihre Schuhe Schwester Mary Robert. Fritzinger versteckt nun Deloris in seiner Wohnung. Curtis Leute schleichen sich als Nonnen verkleidet ins Kloster und machen Jagd auf Deloris. Den Nonnen gelingt es aber, nach und nach die Gangster zu überrumpeln. Deloris konnte es nicht lassen, den Auftritt des Papstes mit ihren Nonnen mitzunehmen und ist ebenfalls wieder ins Kloster zurückgekehrt. Es kommt zum großen Showdown im Kloster, bei dem Curtis Deloris mit der Waffe bedroht. Bevor er aber abdrücken kann, wird er von Fritzinger in die Schulter getroffen. In der letzten Szene geben die Schwestern in weißen Glitzertrachten das Konzert vor dem Papst, wobei der Dirigent im Orchestergraben die Rolle des Papstes übernimmt. Fritzinger tritt ganz in Weiß auf und Deloris endlich im weißen Abendkleid mit dem Fuchspelz, wie sie es gewünscht hat.
Ok, es ist einfach leichte Musical-Kost, die man nicht so genau hinterfragen darf. Wenn man jetzt genau nachdenkt, ob es 1977 schon türkischsprechende Gangster in Philadelphia gegeben hat, oder wie die reichen Russen damals ihren butterweichen Rubel in Dollars umgetauscht haben, scheitert man. Paul VI ist zwar in seinem Leben viel gereist, jedoch war er 1978 nicht mehr in Amerika unterwegs. 1978 war das Todesjahr von Paul dem VI und seine letzte Reise war 1970. Ebenso sollte man etwas Humor mitbringen, denn die katholische Kirche wird manchmal ziemlich durch den Kakao gezogen. Dies ist vor allem in dem ersten Akt der Fall, als Deloris im Kloster auftrifft. Im zweiten Akt sind deutlich sanftere Töne angeschlagen, die mir persönlich besser gefallen haben. Deloris scheint am Ende doch durch die Erfahrungen im Kloster geläutert. Auch ist die Liebesgeschichte zwischen ihr und Fritzinger neu und kommt so im Film nicht vor. Die Outfits der singenden Nonnen werden immer ausgefallener und Las-Vegas-like. Die Musik ist sehr Disco-Soul-lastig. Ab und zu hört man aber doch den Stil von Alan Menken durch das Arrangement durch und man hört Anklänge aus “Der Schönen und das Biest".