Marthaler lässt Wagners Tristan in Bayreuth auf einem Kreuzfahrtschiff spielen. Von den Kostümen her ist es von Anna Viebrock in die 60er Jahre versetzt. Während der drei Akte begibt man sich immer weiter in die unteren Geschosse des Schiffs. Marthalers Inszenierungen zeichnen sich immer durch kleine Details aus. Kritiker werfen in in diesem Stück vor, es würde zu sehr stagnieren, nur das ist gerade das Ziel.
Im ersten Akt sieht man Isolde und Brangäne in Sesseln sitzen. Schon während der Ouvertüre hat so einer der Fußschemel ein gewisses Eigenleben und rutscht am braunen Oberdeck hin und her. Das Schiff steuert nach Cornwall. Im Bühnenhintergrund sieht man Kurwenal und Tristan stehen. Kurwenal hat einen Schottenrock an. Brangäne wird vorgeschickt, die beiden Herren heranzuholen. Diese Mission ihrer Begleiterin scheitert aber. Wütend wirft Isolde immer wieder Klappstühle an Deck um, bis sie ihrer Begleiterin den Grund ihres Aufruhrs zu verstehen gibt. Ihr Verlobter Morold wäre von Tristan getötet worden. Im Zweikampf wegen Zinsstreitigkeiten hätte auch Tristan eine Wunde erhalten. Unter dem Decknamen Tantris wäre er aber erschienen bei ihr, um Heilung zu erbitten. An einem Stück Klinge in Morolds Schädel hätte sie erkannt, dass Tantris in Wahrheit Tristan ist. Diese Stück Klinge passte genau in Tantris Schwert. Tristan wäre genesen, aber bald als Werber für die Hand Isoldes im Auftrag seines Onkels König Marke erschienen. Brangäne überlegt nun, wie sie König Markes Gunst mithilfe eines Tranks gewinnen könne. Den hat sie in einer braunen Reisetasche dabei. Die Giftküche stammt von Isoldes Mutter und enthält einen Liebestrank und einen Todestrank. Isolde meint nun, mit dem Todestrank den Mord an Morold rächen zu können. Als Tristan wieder die Bühne betritt, beschließt er den Trank zu sich zu nehmen. Als er das Fläschchen halb getrunken hat, entreißt Isolde aber den Trank und nimmt den Rest zu sich. Brangäne hat den Todestrank aber mit dem Liebestrank vertauscht.
Im zweiten Akt befindet man sich im gelben Mitteldeck des Schiffs. Brangäne und Isolde habe sich im Abendkleid auf zwei Sitzen bequem gemacht. Tristan eilt herbei und wartet auf ein Zeichen. Isolde gibt ihm das in Form einer verlöschenden Deckenbeleuchtung. Das Duett zwischen Tristan und Isolde gerät so intensiv, dass sie Brangänes Mahnrufe überhören. Brangäne hat in Melot einen Feind Tristans ausgemacht. Dieser bricht nun zusammen mit König Marke und Kurwenal herein. Irritiert schaut Isolde immer wieder an die Decke, wie dort einzelne Lampen ausgehen. König Marke sieht sein Vertrauen in Tristan als seinen Brautwerber betrogen. Tristan fragt nach, ob Isolde bereit sei, ihm in die Nacht zu folgen und führt das Messer Melot gegen sich. Dieser wendet sich und wird mehrfach von Melot mit dem Messer verletzt.
Im letzten Akt befindet man sich im weißen Unterdeck des Schiffes. Der Hirte eher ein Elektriker, der sich um die Neonleuchten kümmert. Kareol, die Burg von Tristans Vätern liegt also im Unterdeck. Tristan liegt in einem Pflegebett, das von einer Eingrenzung umgeben ist. Kurwenal hat Isolde als Heilerin für Tristan gerufen. Mehrfach glaubt dieser nun, Isoldes Schiff zu sehen. Wieder und wieder verwünscht er den Liebestrank. Als nun Isolde endlich ankommt, fährt er das Bett hoch, bricht aber dann vor dem Lager zusammen. Leider stirbt nun Tristan nicht in Isoldes Armen, wie vorgesehen, sondern bleibt am Boden liegen. Nun kommen auch Melot und Marke an. Isolde ist nun selbst ohnmächtig im Pflegebett. Als Brangäne Melot vom Liebestrank berichtet, erwacht Isolde noch mal kurz, nur um sich dann endgültig das Laken über den Kopf zu ziehen. Unter den Klängen von Isoldes Verklärung endet die Oper.
Das Bühnenbild von Marthaler steht und fällt mit der Schiffsparabel. Das mag man nun passend finden, oder wie es eine englisch-sprechende Youtube-Nutzerin bezeichnet, als den worst-Tristan-ever. Marthalers Bühnenbilder leben von Ruhe und Details, da rutscht hier mal ein Hocker über die Bühne, dort flackert mal eine Neonleuchte. Leider beschränkt sich das bei dieser Inszenierung auf weniger Einfälle, als sonst üblich. Das lässt natürlich Raum für die Musik, die entweder als zartes Duett, wie im zweiten Akt oder im Vollformat, wie bei Isoldes Verklärung einher kommt. Die Hauptpersonen, allen voran Kurwenal von Jukka Rasilainen gespielt oder König Marke von Kwangchul Youn, waren sehr gut. Robert Dean Smith wusste sich in der Partie des Tristan zu behaupten und Iréne Theorin als Isolde verdient ebenso Beachtung.
Kritik in der Nürnberger Zeitung: “Tristan und Isolde” in Bayreuth
Die Münchner Staatsoper inszeniert Turandot zusammen mit Carlus Padrissa und seiner katalanischen Theatergruppe ‘La Fura dels Baus’. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist in jeder Hinsicht sehenswert. Da ich bereits den Ring aus Valencia aus dem Palau de les Arts Reina Sofía besitze, war der Termin quasi ein Muss. Man mag die Art von Inszenierung mit wenig Bühnenbild und vielen Menschen oder nicht, ich jedenfalls finde sie spannend.
Etwas viel ist schon los auf der Bühne, als sich das Volk Pekings vor den Mauern versammelt. Die Bühnen ist eine große, mit Schlittschuhen befahrbare Fläche aus künstlichem Eis. Turandot, die Prinzessin aus Eis fordert wieder mal ein neues Opfer. Aus einer überdimensionierten Iris verkündet man, dass es dem Prinzen von Persien nicht gelungen war, die drei Rätselfragen der Prinzessin zu lösen. Zeit also, die 3D-Brille aufzusetzen. Es betritt ein alter Greis in einem orangefarbenen Rollstuhl und dessen Sklavin Liu die Bühne. In dem Gewühl der Menschen erkennt er seinen Sohn. Auf einem großen Holzgestell, gezogen von einer singenden Kinderschar, in weißen Kutten, wird der Prinz von Persien in Richtung des-allen-überwachenden-Auges gezogen. An Seilen schwebt er seinem Schicksal irgendwo im Bühnenhimmel entgegen, während das Volk aufruft, das Henkersbeil mit einem Schleifstein zu schärfen. Beim Anblick Turandots in dem großen Auge verliebt sich der namenlose Prinz in die Prinzessin, obwohl sie den Tod des persischen Prinzen befiehlt. Mit einer großen 3D-Projektion mit viel Kunstblut wird er enthauptet. Der namenlose Prinz ist trotz der Warnungen der Palastgehilfen Ping, Pang und Pong in orange, grau und weiß, bereit die Prüfungen der Turandot anzunehmen.
Im zweiten Akt wabert ein Meer von abgeschlagenen Köpfen, während Ping, Pang und Pong schwebend, ihr Los als Erfüllungsgehilfen der Prinzessin beklagen. Unter einem großen Eisportal-Bogen sammelt sich der Hofstaat des Kaisers, eine Gruppe Schlittschuhfahrerinnen steckt stilisierte Blumen vor dem Kaiser auf. Der Kaiser mit einem goldenen Zepter warnt den namenlosen Prinzen, sein Vorhaben aufzugeben. Turandot erscheint und erklärt den Grund ihrer Grausamkeit. Wieder in einer 3D-Projektion auf das riesige Auge erklärt sie, sie müsse das Verbrechen an ihrer Ahnherrin Lo-u-ling rächen. Was der Ahnherrin zugestoßen ist, sieht man in einer Filmeinspielung. Begleitet von vier ähnlich bekleideten Hofdamen betritt sie einen schwebenden Balkon. Mit jeder Frage senkt sich der Balkon etwas weiter in Richtung des Prinzen. Der kommt bei den drei Fragen ganz schön ins Schwitzen und bemüht Google um die Lösung. Und siehe da, er landet mit dem Einsatz seines Smartphones immer wieder bei den richtigen Treffern. Die Verzweiflung bei Turandot ist nun groß, dass er alles richtig beantwortet hat. Sie fleht ihren Vater an, dass sie nicht die Frau des namenlosen Prinzen werden muss. Nun wendet der namenlose Prinz einen Trick an, in dem er Turandot die Frage nach seinem eignen Namen stellt. Sollte sie bis zum Morgengrauen den Namen richtig erraten habe, werde er sterben.
In ihren hängenden Matratzen-Türmen sucht das Volk nach einer Lösung für das Namensrätsel. Vor ihren PC-Tablets wird wieder fleißig nach den Namen gesucht. Im Hintergrund setzt sich das Straßengewimmel mit Neonreklame fort, man fühlt sich fast an die Straßenszenen in Bladerunner erinnert. In der Not ergreifen die Gehilfen Turandots die Sklavin Liu, die behauptet, den Namen des Prinzen zu kennen. Man unterzieht sie der grausamen Bambusfolter, bei dem sie den Namen nun preisgeben soll. Liu sagt, sie gibt sich aus Liebe für den Prinzen hin. Das macht Turandot nun nachdenklich. Doch der Bambus wächst gnadenlos durch Liu durch und sie stirbt schließlich, ohne ihr Geheimnis preisgegeben zu haben. Aufgespießt in einem Bambusstrahl und ganz in Grün endet Turandot und damit die Komposition durch Puccini, der sein Werk unvollendet hinterließ.
Die Auflösung wurde durch Alfano komponiert und ist orchestral überladen und passt eigentlich nicht mehr zum Rest der Oper, daher empfinde ich die Aufführung als Fragment nicht störend. Das Rascheln der 3D-Brillen in der Schlussszene, in der Liu stirbt, ist schon eher störend. Es wird aber in der Oper alles geboten, was moderne Bühnentechnik derzeit hergibt. Das ist im ersten Akt schon fast am Rande des Überladenen, da man die ganzen Details der vielen Leute, die da auf der Bühne sind, nicht mehr überblickt. Dennoch war es eine der interessantesten Opern, die ich in den letzten Jahren gesehen habe. Jennifer Wilson als Turandot ist sehr gut, sie leistet bei den Spitzentönen wirklich sehr gute Arbeit. Auch ihre Gegenspielerin Ekaterina Scherbachenko ist ein wunderbar lyrischer Sopran. Die Verlegung der Oper in die Zukunft und nicht irgendwo in der Vergangenheit ist ebenfalls nicht störend. Die Bild-Ästhetik ist gewaltig und er Einsatz der Artisten von Fura dels Baus ist interessant. Über Marco Berti hat die Presse viel geschrieben, mir war vor allem das ‘Nessun Dorma’ etwas zu leise. Nur streckenweise war er als Prinz überzeugend.
Für mich war es Oper im Maximalformat und ich finde es schade, dass von der Aufführung bisher keine DVD geplant ist. Die Aufführung sieht man sich gerne mehrfach an und würde gut zum Ring in meinem Regal passen.
Quelle: Bayerische Staatsoper/A trailer by Verena Maria Kalenda und Christine Rautschka (Film production: Große Klappe)
Quelle YouTube: Bayerische Staatsoper
Der Anfang der Regimentstochter im Nürnberger Opernhaus will so gar nicht zu einer komischen Oper passen. Etwas zu düster fällt der Beginn aus, als das 21. Regiment in einer Art Bunker mit Schießscharte und Maschinengewehr gegen die Feinde kämpft. Man hört ein Feuergefecht. Auch die Baronin von Berkenfield ist auf der Flucht vor den Feinden und sichtlich erregt, dass sie sich auch in die Bastion der Soldaten retten muss. Ihr Leibarzt muss ihr da zur Beruhigung schon einmal die eine oder andere Spritze gegen die Nervosität einverleiben. Es folgt der Auftritt von Marie, die Soldaten sind irgendwo in den Kriegswirren zwischen den 30er und den 50er in Tirol Jahren gefangen. Eine Nachricht aus einem Volksempfänger kündigt jedenfalls den Abzug der Feinde an. Mit einem Panzerimitat rücken die Soldaten an und durchbrechen die Wände der Festung. Man ist erleichtert und feiert den Sieg. Marie ist Marketenderin und wurde von dem Regiment adoptiert. Sie nennt die Soldaten des Regiments ihre Väter, ein besonderer Vater scheint ihr aber Sulpice zu sein. Sie verkauft Dosenbier und Zigaretten an die Soldaten und kümmert sich um deren Socken. Es tritt Tonio auf, der Marie immer wieder besucht. Aber Marie darf nur einen aus dem Regiment zum Mann nehmen. Tonio hat ihr an einer steilen Schlucht das Leben gerettet und dafür scheint sie ihm dankbar zu sein. Die Liebe zu Tonio nimmt sie scheinbar zuerst nicht recht ernst. Die Blume hat sie aber behalten, die er ihr damals gegeben hat. Diese zerpflücken sie in einem netten Duett. Tonio ist aber fest entschlossen, Marie zu heiraten. Dazu ist er sogar bereit Soldat des 21. Regiments zu werden. Hierfür singt er eine der schwierigsten Arien für Tenöre mit neun hohen C’s, was aber im Endeffekt wenig bringt. Die Marquise von Birkenfield hat andere Pläne. Sie sagt, dass sie einen Brief hat, der eindeutig besagt, dass Marie ihre Nichte ist. Sie wäre das Kind von Robert und ihrer Schwester und wäre Erbin von Berkenfield. Sie solle eine vornehme Erziehung erhalten und mit auf das Schloss kommen. Die Soldaten nehmen von ihr Abschied, in dem jeder ein paar Socken bekommt, mit denen sie die Tränen trocknen dürfen. Unter hohen Belcanto-Tönen wird Marie von der Bühne in Richtung Schloss getragen. Sulpice darf aber mit auf das Schloss kommen, da er alt und invalid ist.
Im zweiten Akt muss Marie immer wieder Gesangsübungen machen, sie singt immer wieder haarsträubend schwierige Belcanto-Arien. Im Petticoat, mit Ballerina und Büchern unter dem Arm muss sie Haltungsübungen und Sprechübungen machen. Aus einem Plattenspieler in der rechten Bühnenhälfte spielt die Pausenmusik. Ein Elektriker kümmert sich um die Stehlampe, die während der Belcanto-Übungen auch krachend den Geist aufgibt. Die Gräfin von Berkenfield hat aber die Hochzeit mit dem Sohn der Herzogin von Crakentorp eingefädelt. Ein Notar ist bestellt, der die Formalitäten abwickeln soll. Anders als sonst, tritt hier der Sohn der Herzogin selbst auf. Der Herzogssohn von Crakentorp ist ein Klaus Lagerfeld-Imitat, der von den Formalitäten und dem Notar mit dem Sprachfehler ziemlich angenervt ist. Wieder braucht die Herzogin von Birkenfield eine Beruhigungsspritze. Denn inzwischen erscheinen die Soldaten des 21. Regiments im Schloss um die Heirat zu verhindern. Sie bringen ihre Socken Marie zum Waschen mit. Sobald die Soldaten auf dem Schloss sind, vergisst Marie ihre gute Erziehung und verfällt wieder in alte Töne und singt das Lied des 21. Regiments. Auf einer Couch liegend gesteht die Marquise von Birkenfield schließlich, dass Marie ihr Kind mit Robert, dem Offizier des 21. Regiments ist. Die Blume von Tonio taucht ein weiteres Mal auf. Wieder bricht der Panzer durch die Schlossmauern und bringt die Wendung. Die Hochzeit mit dem Herzogssohn von Crakentorp platzt schließlich, als herauskommt, dass sie Marketenderin war. Marie wäre aber inzwischen sogar bereit den Ehevertrag zu unterzeichnen. Es hat sich inzwischen auch schon die noble Hochzeitsgesellschaft eingefunden. Nach einem weiteren Wiederbelebungsversuch durch eine Spritze schließlich, gesteht die Marquise aber alles und gibt die Ehe frei für Tonio und Marie.
Ich weiß nicht, ob man als Zuschauer wirklich die Leistungen von Leah Gordon als Marie und von Martin Nyvall als Tonio ausreichend würdigen kann. Die Oper gilt wegen dieser beiden Rollen als extrem schwer zu besetzen und ist daher aus dem Repertoire vieler Opernhäuser gestrichen worden. Wer sich die Aufnahme einmal anhört, kann das gut verstehen. Das Pour mon âme ist enorm schwer zu singen wegen der vielen hohen Cs. Auch Marie leistet im zweiten Akt Schwerstarbeit bei den Belcanto-Übungen der Herzogin. Andreas Baeslers Inszenierung gerät am Anfang etwas zu düster, karikiert aber das Soldatentum ausreichend, um dann doch noch komisch rüber zu kommen. Wie sich Sulpice immer wieder am Gürtel hochzieht, ist ein Runnig Gag, ebenso wie der Panzer, der zweimal das Geschehen stört. Die Sprechpassagen sind in Deutsch, was ein sinnvoller Einfall ist.
Quelle: Staatstheater Nürnberg
Laura Scozzi präsentiert in Nürnberg eine absolut zeitgemäße Inszenierung der Reise nach Reims. Die Gruppe europäischer Aristokraten sind dabei aber Brüsseler Beamten, die von Brüssel aus starten. Das Hauptquartier ist ganz mit einem blauen Boden bedeckt, die Beamten, die dort arbeiten, sind auch in Blau angezogen, die Schalensessel in Gelb, ergänzen sich also zur europäischen Flagge. Madam Cortese, die Hotelbesitzerin, tritt dabei als Chefsekretärin in einem grauen, kariertem, engen Kostüm mit blonden, hochtoupierten Locken und einer Brille, die sich um die vertrockneten Zimmerpflanzen und die vielen Akten kümmert. Ihre Gäste, die Eurokraten, sollen schließlich eine angenehme Zeit im Hotel Zur goldenen Lilie haben. Dabei kopiert sie leidenschaftlich Akten. Zuerst trifft die modebewusste Pariserin Follevile ein, die bei der Nachricht, ihre Habschaft sei bei einem Unfall verloren gegangen, bewusstlos wird. Prudenzo der Arzt, gibt mit einem Fernglas Tipps, wie man sie wiederbeleben könnte. Als sie wieder zu sich kommt, sieht sie die Queen mit ihrer Krone. Sie sagt, das sei ihr Hut, den Sie zur Krönung Karls des X.-ten tragen wolle. Diesen Vorfall sieht der Deutsche Baron Trobonok. Es tritt die Polin Marquise Melibea auf, um die ein heftiger Streit entbrennt. Der Russe Libenskof beansprucht die Marquise für sich und er duelliert sich mit dem Spanier. Die Szene, bei der sich die Rivalen mit Panzern und schwerem Gewehr gegenüberstehen, wird untermalt von Einblendungen von Kriegsszenen aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Kontrahenten stehen sich mit Pistolen gegenüber und sind bereit abzudrücken. Nur die Intervention einer berühmten italienischen Sängerin Corinna, die mit einer Gitarre, ganz in Nicole-Manier, eine Versöhnungsarie anstimmt, verhindert Schlimmeres. Begleitet wird die Einlage von einer Zaubernummer, bei der aus verschiedenen europäischen Flaggen, immer wieder weiße Tauben und letztendlich auch ein Hase hervorgezaubert werden. Nach dieser Einlage versöhnen sich die Streitpartner. Schließlich erscheint der Engländer Lord Sidney. Nach einer Strippeinlage der Queen-Darstellerin mit String-Tanga und Nippel Pasties verfasst eine Horde Sekretärinnen Briefe und bringt schließlich Lilien und Blumen an Corinna, obwohl seine wahre Liebe der Queen zu gelten scheint. Zum Finale vor der Pause werden dann vom dritten Rang aus, Europaflaggen ins Publikum geworden.
Nach der Pause wird in einer Art Tagesschau das Zusammentreffen der Italienerin Corinna mit einem französischen Edelmann Belfiore festgehalten. In einer atemberaubenden Belcanto-Arie geraten die beiden so aneinander, dass das Fernsehen schließlich die Übertragung abbricht und ein Pausenbild sendet. Belfiore ist auch der Liebhaber der Französin Folleville. Während nun sich die Solisten auf den Abflug auf einer Flugzeugtreppe sammeln und ein bezauberndes A-cappella-Solo hinlegen, dreht die Air-France-Stewardess ihr Fluglinien-Logo um und sagt, dass die Fluglinie im Streik ist. Die Reise nach Reims kann also nicht stattfinden. Alle sind in Verzweiflung, bis Madame Cortese die Lage klärt und sagt, dass es große Krönungsfeierlichkeiten in Paris geben wird, wenn der König von seiner Krönung zurückkommt. Folleville lädt alle nach Paris ein, die Hauptstadt der Vergnügungen. Sie machen auf der Landkarte schon mal in einem Bus eine Reise nach Paris, wobei Corinna schlecht wird, weil es so temporeich zu geht. Am nächsten Morgen soll im Hotel ‘Zur goldenen Lilie’ ein Bankett mit Pizza und einer Heavy-Metal-Gruppe stattfinden, die schon mal einen Kasten Bier gebunkert hat. Auch die Polin Melibea und ihr russischer Liebhaber versöhnen sich bei einem Duett auf einem Büroschrank. Nachdem alle Konflikte gelöst sind, findet ein Eurovisionsfest statt, bei der die sechs Nationen eine Gesangseinlage mit den jeweiligen Nationalhymnen geben. Deutschland beginnt, mit einem street-dancenden Merkeldouble. Es folgt Frankreich, Spanien, Polen, England, Russland und schließlich noch Tirol. Bei Tirol wird für ein freies Triol demonstriert. Russland bringt drei Damen aus dem leichten Gewerbe mit, die es prompt an das Italiendouble von Berlusconi weitergibt. Es findet eine Endauswertung der Stimmen statt und es gewinnt Frankreich. Allerspätestens hier fällt auf, dass Corinna etwas aussieht wie Carla Bruni. Sie bringt dem König von Frankreich, nämlich Sarkozy ein Finale dar.
Es ist wieder mal ein sehr unterhaltsamer Abend und eine Lehrstunde über Europa, was Laura Scozzi da gelingt. Da werden in einer Einlage schon einmal 110 Milliarden Griechenland zugeschoben. Die Eurokratie wird ziemlich auf die Schippe genommen, aber auf eine sehr temporeiche Art und Weise. Europa scheint für einen fast 2 ½-stündige Oper viel herzugeben. Dabei beziehen sich die Ereignisse natürlich oft schon auf das zurückliegende Jahr. Sie war damals vor einem Jahr aber wirklich am Puls der Zeit. Die Tagesschau-Episode gehört wirklich zum Highlight der Inszenierung, denn selten wurde die Videotechnik so überzeugend eingesetzt, wie da. Auch das Aufziehen der Nationalhymnen als großes Eurovisionsfest einschließlich Disco-Kugel ist wirklich passend. Mit 16 Hauptrollen ist diese Oper sehr schwer aufzuführen. Auch lässt sie zu den Ländern immer Double der Staatsoberhäupter auftreten, was den Karikatur-Faktor noch erhöht. Etwas böse ist auch die Einlage, bei der die europäischen Politiker-Double mit der Weltkugel spielen. Das erinnert sehr an Charly Chaplins ‘Großen Diktator’. Die Verlegung ins Brüsseler Beamtenmilieu ist einfach nur treffend, selten so in einer Oper gelacht.
Quelle: Staatstheater Nürnberg
Vor einer Betonwand auf der groß ein Cosi fan tutte steht, besprechen die drei männlichen Hauptdarsteller Guglielmo, Ferrando und Don Alfonso die Treue der Frauen. Während ein Kellner Kaffee serviert, glauben Guglielmo und Ferrando, dass ihre Bräute ihnen treu sein werden. Während das Bühnenbild eher nüchtern aussieht, tragen die Darsteller Kostüme des 18. Jahrhunderts, also zu der Zeit, in der das Stück in Neapel spielt. Ganz überzeugt malen die beiden Verlobten Herzen mit Kreide an die Betonwand (F+D für Ferrando und Dorabella und F+G für Fiordiligi und Guglielmo). Don Alfonso will den Verlobten beweisen, dass es mit der Treue der Frauen nicht weit her ist. Er werde ihnen in einem Tag zeigen, dass die Frauen nicht treu sein werden. Die beiden gehen die Wette für 100 Scudi ein. Das nächste Bild zeigt ein großes graues, viereckiges Podest, das für die nun entstehende Partnertausch-Geschichte bestens geeignet ist. Schon hier verwechseln die beiden Schwester die Amulette ihrer Verlobten und singen schon mal das falsche Amulett an, bis sie den Fehler merken, und tauschen. Dass die beiden Schwestern ähnliche Frisuren haben, macht es nicht immer einfach, die beiden Damen auseinanderzuhalten. Soula Parassidis, die an diesem Abend in der Rolle der Fiordiligi hat mit den Treppen und dem langen Kleid sichtlich zu kämpfen. Mit einem fiktiven Einberufungsbefehl müssen sich die Männer nun von ihren Frauen verabschieden. Auf einer kleinen Zweimann-Jolle im Bühnenhintergrund, der aussieht wie ein großes Bullauge, fahren sie ins Feld. Im nächsten Bild sind die beiden Verlobten Schwestern außer sich vor Trennungsschmerz. Sie werfen der armen Despina wütend die Silbertablette mit heißer Schokolade hinterher, werfen Gläser an die Wand und versuchen sich mit einem Messer zum Früchteschälen das Leben zu nehmen. Despina, die Zofe, rät den Damen, den Trennungsschmerz nicht all zu schwer zu nehmen, sondern sich mit anderen Männern zu trösten. Entrüstet entfernen sich die Damen. Don Alfonso gewinnt mit mehreren Geldscheinen, Despina für seine Sache. Sie solle zwei Albanier ins Haus lassen. Dies sind natürlich in Verkleidung die beiden Verlobten. Don Alfonsos Plan ist es, dass jeder die Frau des anderen für sich gewinnen soll, und zwar verkleidet als albanische Edelmänner. Als die Zofe Despina die beiden nicht erkennt, sind sie sich sicher, so orientalisch verkleidet mit langem Haar und Bart, würden sie auch ihre Verlobten nicht erkennen. Sie erklären ihren Frauen, wie verliebt sie wären. Fiordiligi weißt in einer wundervollen Belcanto-Arie ihre Liebesbeweise zurück. Schon feiern die verlobten Männer ihren Triumph, dass ihre Frauen standhaft sind. Don Alfonso ermahnt aber, dass der Tag noch nicht vorbei ist und sie als brave Soldaten immer noch machen müssen, was er befiehlt. Er ändert den Plan mit Despina. Die beiden Albanier sollen sich mit Arsen vergiften, weil sie die Damen verschmäht hätten. Die beiden Verlobten tun dies also und sind wenige Minuten später leblos am Boden. Despina führt nun als Arzt verkleidet mit roten Handschuhen und schwarzem Umhang, einen esoterischen Zauber mit einem mesmerschen Stein auf. Die beiden Damen müssen dabei Assisitieren und zum Ende der Show den beiden arsengeschwächten Männern einen Kuss geben. Wieder lehnen die Damen energisch ab und auch der zweite Versuch scheint gescheitert zu sein.
Im zweiten Akt meint Despina, dass die Schwestern es mit der Treue zu genau nehmen würden. Schnell einigen sich die beiden Schwestern, dass Fiordiligi den blonden Albaner nehmen würde und Dorabella den braunen. Dorabella erliegt der Versuchung als Erste. Die beiden Albanier bringen nun den Damen ein Ständchen mit roten und gelben Blumen. Wobei die gelben Blumen von Fiordiligi im roten Kleid und die roten Blumen von Dorabella im gelben Kleid entgegengenommen werden. Die farblich abgestimmten Sträuße landen also quasi wieder über Kreuz bei der falschen Frau, werden auch von den Damen folglich heftig auf den Boden geworfen. Dennoch treffen sich die vertauschten Paare zaghaft auf einer Bank, wo es Guglielmo gelingt, Dorabella das Bildnis von Ferrando abzuluchsen und gegen ein Herz-Amulett einzutauschen. Wieder vor der Wand gesteht nun Guglielmo seinem Freund, dass Dorabella nicht treu war, und zeigt ihm sein Amulett. Gefrustet von dem Erfolg wischt Ferrando das Herz mit dem F+D von der Mauer weg. Guglielmo meint nun, dass die Wette halb gewonnen sei, während Don Alfonso auf Zeit spielt. Er weißt darauf hin, dass die Frist noch nicht um sei und er hätte noch Zeit. Fiordiligi beschließt nun, in Uniform Guglielmo ins Feld nachzureisen. Jetzt versucht Ferrando alles daran zu setzen, Fiordiligi zu erobern. Dies gelingt ihm schließlich auch. Die beiden Männer geraten nun heftig aneinander, aber Don Alfonso meint trocken Cosi fan tutte, so machen es alle Frauen. Noch an diesem Abend sollen die Frauen ihr Dokument zur Hochzeit unterschreiben mit den Edelmännern. Im Festsaal erscheint nun wieder Despina als betrunkener Notar. Sie lässt die Frauen die Eheverträge durchlesen und unterschreiben. In dem Moment kündigen Trommeln die Rückkehr der Soldaten an. Die beiden Albaner müssen verschwinden, während die Bräute eilig die Brautschleier in den Souffleur-Kasten verstecken. Die rückkehrenden Verlobten entdecken nun zuerst Despina als Notar, dann entdecken sie am Boden die unterschriebenen Eheverträge ihrer Verlobten mit den albanischen Edelmännern. Die Schwestern geben nun Don Alfonso und Despina die Schuld. Am Ende versöhnen sich die vier Personen aber.
Mozarts Oper ist sehr unterhaltsam, es fehlen aber die typischen Ohrwürmer, die Arien aus dieser Oper sind eher wenig geläufig. Soula Parassidis war an diesem Abend eingesprungen und sichtlich froh, dass sie den Abend gut überstanden hat. Isabel Blechschmidt durfte ihr komisches Talent in der Rolle der Despina voll ausspielen. Schön ist auch die Szene im Festsaal, bei dem viele Lüster von der Decke schweben. Bemerkenswert finde ich auch, dass Mozart in den historischen Kostümen einfach gut wirkt, wenn auch das Bühnenbild von Chris Alexander eher modern ist und sich sehr zurücknimmt. Die Damen dürfen dabei dreimal die Robe wechseln. Mit den gleichen Perücken ist es wirklich ein Knobelspiel, wer jetzt Fiordiligi und wer Dorabella ist. Auch im Text finden sich dazu wenig Anhaltspunkte, sodass man immer damit beschäftigt ist, die Paare neu zu sortieren. Das Verwirrspiel ist somit perfekt gelungen.