Otello - Ein zweiter Anlauf
Nachdem die Nürnberger Inszenierung des Otello bei mir wenig Begeisterung auslöste, habe ich in Wiesbaden einen zweiten Versuch unternommen. Uwe Eric Laufenberg war hier für die Umsetzung des Stoffes verantwortlich. Es hatte auch einen Grund, sich ausgerechnet diese Aufführung auszusuchen. Es sang der Tenor José Cura, der in der Bühnenfigur des Otello sehr viel Erfahrung mitbringt. Diese kräftezehrende Rolle ist bei Tenören gefürchtet und die Aufführung steht und fällt doch mit dieser Figur. Die aufbrausende Art des Otello, der aber immer wieder von Launen und Kopfschmerzen geplagt wird, ist wirklich eine Herausforderung an den Darsteller. Aber auch die weiteren Rollen wie die der Desdemona (Cristina Pasariou) und die des Jago (Matias Tosi), sind hier sehr gut besetzt. Jago ist wirklich hier der treibende Motor der Handlung mit seiner Fiesheit. Während Desdemona die unschuldige Frau ist, die trotz aller Frömmigkeit am Ende sterben muss. In diesem Dreieck der Personen herrscht wirklich Spannung auf der Bühne, weshalb sich auch hier der Besuch der Oper lohnt. Die Aufführung war auch ausverkauft. Mit dem Bühnenbild, das nur aus einfachen Säulen besteht, die immer wieder neu angeordnet werden, war wenig Griffiges als Ausstattung zu sehen. Immer wieder neu angeordnet stellen sie einen Hafen, ein Schloss, ein Palast und ein Schlafzimmer dar. Das wirkte für mich etwas beliebig, macht aber auch nichts kaputt. Die Inszenierung bietet somit aber auch wenig Angriffsfläche. Die Leute haben Kleidung des 20. Jahrhunderts an, obwohl die Handlung eigentlich auf Zypern im 15. Jahrhundert spielen soll.
Gleich am Anfang kam es mir verdächtig vor, dass der Darsteller des Jago in der Mitte der ersten Reihe des Zuschauerraums saß. Von dort hält er vor dem Stück einen Prolog über die Liebe und die Intrige. Erst dann beginnt das Stück mit der Ouvertüre, in dem er den schwarzen Vorhang zieht. Zwischen den Säulen sind viele Sandsäcke geschlichtet, die die Sturmflut aufhalten sollen, in die das Schiff des Otello geraten ist. An den weißen Säulen sieht man die Projektion von Wassertropfen. Im Orchester tost der Sturm, der hier vom Orchester sehr lautstark umgesetzt wird. Aber Otello kann das Schiff anlanden und seine Exsulate-Rufe singen. Über die Freude der Rettung von Otello zündet man auf der Bühne ein echtes Freudenfeuer an und verbrennt dort schwarze Fahnen. In der nun folgenden Trinkszene, in der Jago Cassio mit viel Wein abfüllt, geht es ziemlich zu auf der Bühne. Cassio wird dabei richtig mit Wein übergossen. Jago hetzt dort also Cassio gegen Roderigo auf, es kommt zu einer bewaffneten Auseinandersetzung, bei der Roderigo verletzt wird. Durch den ganzen Lärm werden auch Desdemona und Otello geweckt. Wütend über so viel Unverstand und durch Jago aufgehetzte, degradiert er Cassio. Jago meinte, Cassio würde jeden Abend so ausfallend werden. Bei einer vorgegangenen Beförderung wurde Jago nämlich übergangen und hat sich damit an Cassio gerecht. Eigentliches Ziel ist es aber, Otello nachhaltig zu schädigen. Otello ist durch seine Hautfarbe eher der Außenseiter. Auch in dieser Vorstellung ist der Darsteller des Otello dunkel geschminkt. Otello schickt nach dem Tumult die Leute weg und ist mit Desdemona allein. Beide versichern sich ihrer Liebe.
Jago ist es im zweiten Akt auch, der Cassio beauftragt, bei Desdemona um Milde für seine Degradierung zu bitten. Gleich zu Anfang singt Jago sein Credo, in dem er sich mit offener Hose über Bianca hermacht. Er glaubt einfach an nichts. Für die Szenerie in einem Schloss sind die Säulen jetzt quer über die Bühne angeordnet. Im Chor der Mädchen Zyperns werden Desdemona nun Blumen überreicht. Sie bedankt sich mit weißen Überraschungstüten. Nun beginnt der Hype um das Taschentuch, das Otello Desdemona geschenkt hat. Desdemona und Otello geraten über das Thema Cassio in Streit. Die aufkommenden Kopfschmerzen versucht Desdemona mit dem Taschentuch zu mildern. Er wirft es aber achtlos in die Ecke, wo es von Emilia aufgelesen wird. Emilia ist die Vertraute Desdemonas und trägt ein orientalisches, schwarzes Kleid mit Kopftuch. Jago nimmt das Tuch aber Emilia ab und versucht, es nun Cassio zu geben. Das Taschentuch wäre somit der Beweis für die inszenierte Untreue von Desdemona gegenüber Otello. Jago sagt nun, er hätte Cassio im Traum von Desdemona reden hören und er hätte bei ihm das Taschentuch gesehen. Nun verlässt Jago noch mal kurz die Bühne und setzt sich genüsslich in den Zuschauerraum, um zu demonstrieren: Seht Ihr Leute wie man eine perfekte Intrige spinnt. Am Ende des Aktes stehen Jago Rücken an Rücken mit Otello und der Flagge Venedigs und schwören Rache.
Im dritten Akt bilden die Säulen eine Empfangshalle. Im Karree angeordnet sind schwarze Stühle für die Gesandtschaft von Venedig. In der Mitte stehen ein Rednerpult und rechts davon ein Ledersessel, der dem Publikum abgewandt ist. Es setzt sich der Hype um das Taschentuch fort. Otello fragt nach dem Tuch, das magische Fähigkeiten hätte und für ihn wichtig wäre. Desdemona meint nur, sie hätte es verloren. Er beschimpft sie nun und sie verlässt die Bühne. Cassio hat inzwischen das Tuch und wird von Jago in ein Gespräch verwickelt, wo er über Bianca spricht. Durch gezieltes Auf- und Abgehen zwischen den Säulen bekommt Otello nur einen Teil des Gesprächs mit. Otello meint, Cassio spricht von Desdemona. Nun rät Jago Otello, seine Frau zu erwürgen, und zwar im Ehebett, wo die angebliche Untreue vonstattenging. Es tritt nun die Gesandtschaft von Venedig auf die Bühne. In grauen Anzügen vertreten sie die Geschäftswelt Venedigs und rufen Otello ab aus Zypern. Sein Stellvertreter wird Cassio. Das bringt Otello mit einer weiteren Bitte von Desdemona um Gnade für Cassio derart in Rage, dass er sie auf den Boden wirft. Leider singt Otello ein Teil der Arien, in einem Sessel, dem Publikum abgewandt. Auch am Ende, als alle ihn bestürmen, bricht er in diesem Sessel zusammen.
Auch im vierten Akt begegnet man wieder den Säulen. Im Schlafgemach von Otello befindet man sich nun. In der Mitte steht nun ein weißes Himmelbett. Desdemona singt da zwei wunderschöne Arien. Das Lied von der Weide. Sie ahnt ihren frühen Tod und verabschiedet sich herzlich von Emilia. Sie bittet, ihr das Hochzeitskleid anzuziehen, wenn sie sterben sollte. Die zweite Arie, das Ave-Maria, singt sie kniend auf einem Betstuhl. Links von ihr ist eine Kerze, die sie am Ende der Arie auslöscht. Otello zieht nun den weißen Himmel des Betts weg. Er küsst Desdemona wach, in dem Plan sie umzubringen. Die leeren Querstangen des Betts wirken wie ein Käfig, in dem Desdemona gefangen ist. Allen Unschuldsbeteuerungen zum Trotz, ist er so Jago verfallen, dass er Desdemona schließlich erwürgt. Durch den Lärm kommt Emilia und findet die sterbende Desdemona. Emilia klärt nun auf, wie Jago ihr das Tuch abgenommen hat und dass Jago die ganze Intrige inszeniert hat. Jago flüchtet drauf hin. Am Ende sieht Otello keinen anderen Ausweg und ersticht sich mit dem Dolch.
Die Aufführung wird beworben mit José Cura, die Weltstimme in Wiesbaden. In der Tat war er auch der Grund, warum es mich nach Wiesbaden gezogen hat. Ich wurde aber auch mit einer wunderbar lyrischen Desdemona überrascht, die mich im vierten Akt mit dem Ave-Maria richtig in den Bann gezogen hat. Beinahe hätte es an dieser Stelle Szenenapplaus gegeben, zumindest ein Zuschauer war von der Darstellung der Desdemona ebenso überzeugt wie ich. Aber auch Tosi als Jago, der auf Hochtouren diese Intrige inszeniert und durch und durch böse ist, ist sehenswert. Der Hype um das Taschentuch ist gut umgesetzt und die Spannungen zwischen den Darstellern gelingen gut. Damit hat dieser Otello im zweiten Anlauf wesentlich besser gezündet und ich kann die Begeisterung für Verdis Spätwerk nachvollziehen. Die drei Stunden der Aufführung vergehen wie im Flug.
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