Boris Godunow - Showdown an der Hüpfburg
Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg
Boris Godunow war die diesjährige Eröffnung der Spielzeit an der Nürnberger Oper. Peter Konwitschny inszeniert die Urfassung von 1869 dieser Oper von Modest Mussorgski in Kooperation mit der GöteborgsOperan und dem Theater Lübeck. Das Ganze kommt als recht farbenfrohe Konsumkritik daher, ohne mit dem Finger auf die derzeitigen Machtverhältnisse in Russland anzuspielen. In zwei Stunden, sieben Bildern und in russisch erlebt man den Aufstieg von Boris Godunow zum Zaren und seine Abdankung.
Zu Beginn des ersten Bildes sieht man das Volk betrunken vor einem Kasperle Theater. Dass dies eigentlich ein Platz vor einer Kirche sein soll, erklärt dann das Libretto. Das Volk wird vom Vogt Nikitsch in Form einer Figur angetrieben, dem künftigen Zaren zu loben. Boris zögert aber noch, sein Amt anzunehmen. In einer Banderole laufen die Lobpreisungen des Volkes über die Bühne. Die feierliche Musik steht im krassen Gegensatz zum Kasperle Theater, in dem die Figuren der Zarenwahl handeln.
Im zweiten Bild ist man immer noch vor dem Kasperle Theater. Boris hat die Wahl schließlich doch angenommen und erscheint als Puppe vor dem Volk. Die Musik spielt mit Glocken auf. Als Dreingabe spielt eine Puppenband aus drei Handpuppen mit Balalaikas, die von einem Krokodil gefressen werden. Das Volk jubelt jedenfalls dem neuen Zaren zu, der mit Spielzeugschubkarren Dukaten und Aktien unter das arme Volk bringt. Es wird für die Zarenpuppe ein roter Teppich ausgerollt. Um den Zaren zu huldigen, gibt man goldene Fähnchen aus. Wer jetzt mit den Schenkungen des Zaren noch nicht einverstanden ist, wird mit Maschinengewehrsalven auf Linie gebracht. Am Ende dieses Bildes bricht das Kasperle Theater zusammen.
Im dritten Bild sieht man das zusammengebrochene Bühnenbild. Man befindet sich in einem Kloster, wo der einarmige Mönch Pimen die russische Geschichte niederschreibt. Mit einem angespitzten Kreuz nutzt er die Rücken der Mönche als Schreibfläche und ritzt ihnen Buchstaben ein. Diejenigen, die diese Prozedur überstanden haben, dürfen stinkende Zigaretten rauchen. Der Mönch Pimen hat vom Mord an dem Zarewitsch gehört und erzählt dies dem Mönch Grigori. Pimen meint, der Zarewitsch wäre jetzt so alt wie er und Boris eigentlich unrechtmäßig an der Macht. Fasziniert von der Geschichte, will Grigori durch einen Traum angestachelt, die Stelle des Zarewitsch einnehmen und dessen Tod rächen.
Im vierten Bild haben die Mönche Zuflucht vor den Soldaten des Zaren in einer Spelunke gesucht. Sie wollen über die polnische Grenze. Hinter einem roten Vorhang vergnügt sich die Wirtin mit einem Gast. Aber auch die Mönche finden gefallen an der Wirtin und nötigen sie, immer neue Tetrapaks mit Wein aus dem Keller zu bringen. Die Mönche haben inzwischen Tarnanzüge an, aber auch ihre Kutten dabei, die sie hastig überstreifen, als die Soldaten des Zaren anrücken. Diese laufen auf den Knien und sind nur halb so groß. Die Soldaten haben einen Haftbefehl für Grigori dabei, da der aber der einzige ist, der lesen kann, lenkt er den Verdacht auf die beiden anderen Mönche. Einer glaubt dem vorgelesen nicht und entziffert mühevoll den Steckbrief. Der gesuchte Grigori wird dadurch enttarnt und flüchtet unter Maschinengewehrfeuer.
Im fünften Bild trauert die Tochter Xenia des Zaren in einem goldenen Zimmer um ihren toten Bräutigam. Eine kleiner Version des Kasperle Theater findet sich auch hier. Daneben ein großer Globus, auf dem Boris Sohn die Karte von Russland lernt und Kriegsspielzeug. Boris wird von Gewissensbissen geplagt. Schuiski meldet, dass ein falscher Zarewitsch in Polen aufgetaucht ist, der den Thron für sich beansprucht. Dies führt schließlich dazu, dass Boris halluziniert und in seinem Sohn den toten Zarewitsch sieht.
Im sechsten Bild ist das Volk zu Reichtum gekommen und erscheint ganz in Gold mit blonden Perücken und goldenen Einkaufstaschen. Auf der Bühne steht ein überdimensionaler Einkaufswagen in Form eine Hüpfburg. Das Volk scheint durch die Gaben des Zaren korrupt. Es gibt nur einen, der die Wahrheit sagt und Boris als Herodes beschuldigt, der das Blut des Zarewitsch an den Fingern hat. Dieser Affront stimmt Boris zunächst milde und er setzt dem Narren seine Krone auf. Als er von der Bühne geht, bringen aber seine Gefolgsleute den Narren um.
Im letzten Bild erscheinen die Bojaren in schwarzen Anzügen. Pimen, der Mönch, hat es zu Boris geschafft und erzählt auf einer Projektionsfläche von einem Blinden, der am Grab des Zarewitsch sein Augenlicht wieder bekommen hat. Diese Schilderung bewegt Boris so, dass er ein Büßerkleid anzieht und die Krone an seinen Sohn übergibt. Damit entweicht die Luft aus der Hüpfburg. Er selbst lässt einen goldenen Ballon steigen und legt seine Krone am rechten Bühnenrand ab. Schließlich steigt er in den Orchestergraben und verschwindet nach einem Monolog über die Machtergreifung.
Die Oper lässt nach dem Durchsehen einige Fragen offen. So wirkt das Kasperle Theater am Anfang etwas seltsam zu der dick auftragenden Musik mit Glocken. Man hätte sich da vielleicht eher etwas Zarenpomp gewünscht, der zur Musik besser gepasst hätte. Durch die Umbaupause zwischen den Bildern geht etwas das Tempo aus der Handlung raus, die schon etwas weit von einer klassischen Opernhandlung entfernt ist. Viele Hauptpersonen machen es nicht einfach, einen roten Faden in dem Stück zu finden. Zudem hat man es hier mit der Originalfassung zu tun, sodass die Zusammenfassungen in der Literatur alle nicht ganz stimmig sind. Die Handlung zerfällt durch die ganze Unterteilung in sieben Bilder ziemlich und es ist nicht gerade einfach, am Ball zu bleiben. Von der Musik her, ist es aber auf jeden Fall sehr schön, denn Nicolai Karnolsky gibt einen wunderbaren Boris ab, mit all seiner Zerrissenheit. Positiv ist mir das farbenfrohe Bühnenbild in Erinnerung geblieben, nach einem grau/schwarzen Tristan aus der Met, ein willkommener Kontrapunkt. Ob es jetzt immer passend war, sei dahingestellt. Peter Konwitschny steht einfach für Regietheater, aber darauf hatte ich mich ja schon eingestellt.
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Quelle: Soundcloud | Staatstheater Nürnberg
Die Musik gefällt mir und deine Beschreibung ist sehr interessant.