Catwoman in Algier
Laura Scozzi hat wieder einmal eine frech, frivole Inszenierung im Staatstheater Nürnberg vorgelegt. Die Italienerin in Algier von Rossini war diesmal das Ziel ihrer Bearbeitung und herausgekommen ist in Kooperation mit Théâtre du Capitole Toulouse, wohl eine der heißesten Shows, die das Opernhaus je gezeigt hat, über die man natürlich geteilter Meinung sein kann. Die Bissigkeit, mit der hier die Regisseurin den Geschlechterkampf inszeniert, geht bis hart an die Schmerzgrenze und man hat die Kappeleien eines Paars natürlich schon in der Zauberflöte gesehen. Insofern wiederholt die Regie da einiges, aber diesmal sind die Einlagen des kämpfenden Paares heftiger. Schon im Vorspiel sieht man an eine Projektion, wie sich ein Paar Verletzungen zufügt. Das Tänzerpaar, das dies spielen darf, leistet vollen Körpereinsatz. Der Mund der jeweils ermordeten Leiche dient da schon mal als Aschenbecher, also zimperlich ist das Paar im Umgang miteinander sicher nicht. Eines ist klar: Der Geschlechterkampf in der Italienerin in Algier tobt bis an die Schmerzgrenze.
Danach sieht man in einem Drehbühnenaufsatz, was eigentlich auf der Bühne alles möglich ist. Dargestellt wird ein Luxusappartement in Algier, das die Gemächer des Beys von Algier sind. Der Pascha Mustafa vernascht die Frauen und steckt schon mal den ein oder anderen Schein ins Höschen der Frau. Nachdem Elvira bereits in der Ouvertüre den schwarzen Schlüpfer einer fremden Frau im Ehebett gefunden hat, ertränkt sie ihren Kummer im Alkohol, denn Mustafa hat kein Interesse mehr. Was in dem Moment ein lärmender Staubsauger auf der Bühne zu suchen hat, er ist halt da und saugt. Im Hintergrund macht Elvira auf einem Gymnastikball Übungen. Es muss eine Italienerin her und die abgelegte Ehefrau soll an den Sklaven Lindoro weitergeben werden. Mit drei Tänzerinnen versucht Mustafa, Lindoro von den Vorzügen der Ehe zu überzeugen, die bewegen sich in Dessous wunderbar synchron. Bei der Kavatine "Languir per una bella", in der sich Lindoro nach Isabella sehnt, packt der schon mal die Hula-Hoop Reifen aus. Eine schwierige Rossini-Arie wird dadurch sicher nicht leichter für den Darsteller Martin Platz. Die Korsaren des Beys haben inzwischen reiche Beute gemacht. Mit umgekehrten Vorzeichen landet eine Flüchtlingsgruppe Italiener mit großen Taschen in Algier. Die sollen Sklaven des Beys werden. Darunter ist auch Isabella, die Geliebte von Lindoro und Taddeo. Mit einer Tupperdose Kekse verführt Isabella die Korsaren. Taddeo gibt sich als Onkel von Isabella aus, sieht aber etwas aus wie Atze Schröder. Isabella und Taddeo landen in einer Art Notunterkunft mit Doppelstockbett. Bei den Neckereien zwischen Taddeo und Isabella wird diesem schon mal die Hose runtergezogen. Überhaupt verlieren die Darsteller bei diesem Stück relativ schnell ihre Bekleidung. Die Annäherung zwischen Mustafa und Isabella findet in einer Küche statt. Isabella bereitet in Splatter-Manier einen Hasen mit Karotten zu. Wird der Bey zu aufdringlich, bekommt der schon mal eine Ohrfeige. Dazwischen wird der Hase mit Blutspritzern zerlegt und gekocht. Man spielt mit den Karotten und die Küche wird zum Schlachtfeld der Geschlechter. Der Bey hat für die Italienerin Feuer gefangen und will sie unbedingt haben. Die finale Szene, bei der sich alle Beteiligen treffen, erreicht das Tempo der Musik einen ungeahnten Höhepunkt, bis alle nur noch Geräusche zur Musik machen. Lindoro entdeckt Isabella, der Bey versucht, seine Noch-Ehefrau zu vermitteln, es geht in einem Septett munter zur Sache, wobei das tanzende Ehepaar vom Anfang noch eins drauf setzt.
Der Bey ernennt inzwischen Taddeo zum Statthalter. Mustafa erscheint mit einer Gruppe Männer und einer richtigen Stripperin (Tanja Brunner). Die lässt wirklich alle Hüllen fallen. Als Gärtner betätigt sich inzwischen Lindoro und überlegt, wie er alles zum Guten wenden kann. Er schneidert aus einem Buchs einen kleinen Elefanten und setzt eine italienische Flagge drauf. Hecke schneiden und schwierige Arie singen: Wieder eine Herausforderung. Der Bey lädt sich bei Isabella im Gemach zum Kaffee ein. Das prächtige Gemach des Bey ist ein Badezimmer mit einer goldenen Badewanne. Mit einem glatzköpfigen Designer überlegt Isabella, wie sie wohl den Bey verführen könne. An jedem Kostüm hat Isabella etwas auszusetzen, zur Wahl stehen: Krankenschwester, Highschool-Mädchen, Stewardess, Lederpolizistin, Bunny, Zimmermädchen, Bauarbeiterin oder Catwoman. Ihre Wahl fällt auf das das Catwoman-Kostüme. In diesem Kostüm fesselt sie den Bey an ein rundes Bett. Mit der Peitsche besteht sich auch darauf, dass der Bey sich die Socken auszieht. Dann folgt ein Verwechslungsspiel, wo Isabella dem Bey die eigene Frau ins Bett legt. Nach einer weiteren Orgie mit sechs Tänzerinnen machen Lindoro und Isabella mit K.-o.-Tropfen kampfunfähig. Er liegt auf dem Marmortisch und muss zusehen, wie die italienischen Sklaven mit seinem Fingerabdruck sein Handy entsperren, an den Code für den Safe kommen und seinen Safe plündern. Lindoro redet dem Bey ein, dass es in Italien üblich sei, zum Pappataci ernannt zu werden. Erst dann wäre Isabella bereit, ihn zu empfangen. Während dieser Zeremonie flüchten aber die Sklaven, die mit Berlusconimasken verkleidet sind. Vorher bekommt der Bey noch einen Phallus von Isabella überreicht, die als Miss Italia 2048 erscheint. Der Bey bleibt im Morgenmantel zurück und kommt erst wieder zu sich, als seine Frau Elvira ihm sagt, dass die Sklaven geflohen sind. Reuevoll kehrt er zu seiner Frau zurück.
Das Stück ist und bleibt ein typisches Scozzi-Stück. Wer schon die Zauberflöte, Benvenuto Cellini, die Reise nach Reims oder Les Indes Galantes gesehen hat, erkennt unverkennbar ihre Regiehandschrift. Das ist für die Fans sicher schön, kann aber auch in der Wiederholung etwas langweilig werden. Bei der Premiere war das Echo zumindest geteilt. Bei der Aufführung, in der ich saß, war das Publikum aber einhellig der Meinung, dass die Ideen toll waren. Das beweist wieder mal: Sex sells, auch im Opernhaus. Etwas Probleme hatte die Staatsphilharmonie mit dem Rossini-üblichen Tempo der Parlandopassagen. Das wurde am Ende aber immer besser und kumuliert in dem rasanten Finale des ersten Akts. Aber Rossini gehen im zweiten Akt etwas die Ideen, vor allem musikalisch aus. Das Stück wurde halt schnell in einem Monat produziert, war aber 1813 der Durchbruch für Rossini im La Fenice in Venedig. Zudem hat Isabella (Ida Aldrian) als Rolle eine der ersten tragenden Mezzosporanrollen zu singen. Die Musik ist damals mit eine Banda Turca begleitet, die Sprechpassagen auf einem Hammerklavier.
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Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg
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