Couple-Double-Feature-Opera-Show Pimpinone/Herzog Blaubarts Burg
Was auf den ersten Blick nicht als Parallele erscheint und von der Kritik auch nicht so verstanden wurde, ist das Opern-Double-Feature Pimpinone/Herzog Blaubarts Burg. Sind beides doch in gewisser weise Szenen einer gescheiterten Ehe. Während Pimpinone die komischen Aspekte ausleuchtet, gerät Herzogs Blaubarts Burg zum echten Beziehungsdrama. Beide Opern sind nur jeweils knapp eine Stunde lang unterbrochen von einer 40-minütigen Umbaupause. Coronabedingt stellt man nur zwei Sänger mit einem ausgedünnten Orchester auf die Bühne, um sicher zu stellen, dass die Aufführungen auch bei höherer Inzidenz sicher stattfinden kann. Die erste Oper nach acht Monaten Spielpause ist wie ein wohltuender warmer Regen. Klar gab es Streams in letzter Zeit, dennoch scheitert man bei Blaubarts Burg im Stream, während die Oper live ein echtes Highlight ist. Ich wäre wegen der Kombination Barock mit 20. Jahrhundert fast nicht dabei gewesen.
Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg
Pimpinone ist eigentlich als lustiges Zwischenspiel für die Oper Tamerlano gedacht gewesen. Dreiteilig kommt es musikalisch nicht über ein harmloses Barockstück hinaus. Der reiche, ältliche, etwas dicke Pimpinone fällt zu Beginn schlafend vom Sofa. Auf einem goldumrahmten Flatscreen bestellt er in barocker Kulisse auf einem Amazoom in einen Webshop mit seinem Tablet eine elektronische Haushaltshilfe namens Vespetta. Diese ist zudem im Sonderangebot mit weniger als 1000 EUR verspricht, die lästigen Haushaltpflichten und mehr zu erledigen. Die Lieferung erfolgt prompt in einem Karton bis vor die Haustür. Mit einem goldenen Reifrock und einem LED-Büstier macht sich Vespetta an den Haushalt und muss den Triathlon Bügeln, Kochen, Drinks-Mixen absolvieren. Auch Staubsaugen kann sie, was allerdings viel Strom verbraucht. So ist bald der Akku leer, Pimpinone muss sich durch ein dickes Handbuch wälzen. Er verstellt die Sprache, sie singt plötzlich Englisch, versehentlich schaltet er sie stumm. Am Ende des Stroms zieht er den Stecker für das Bügeleisen und lädt Vespetta für den Abend auf. Am Flatscreen erscheint eine Ladeanzeige und schon legt Vespetta wieder los. Auch für die Dienste am Abend wird eine Hochzeit inszeniert. Er gibt eine Bewertung für die Haushalthilfe ab, die mit fünf Sternen in jedem Bereich abgedeckt ist. Sie begeben sich in ein mit Tüchern verhangenes Bett, das rot leuchtet. Man kann sich also schon vorstellen, was Vespetta noch so draufhat. Am Sofa steigt aber plötzlich in einer Art Kurzschluss Rauchwolken auf und die Haushaltgehilfin entwickelt ein Eigenleben. Sie will zu Nachbarin und spazieren gehen. Sie wirft ihm das Geld vor die üße. Das Dienstverhältnis wäre mit der Ehe erloschen. Vespetta wird zur Furie, wirft Pimpinone vor, mit Zechern über sie zu lästern. Pimpinone meint, dass auch bei der Nachbarin getratscht wird. Das wird Pimpinone nun gar zu dumm und er fordert die Retoure an. Der Bote kommt wieder und will Vespetta abholen. Geschickt wickelt die nun aber Pimpinone in Zellophan und klebt dem Pimpione selbst das Rücksende-Etikett auf. Die Fernbedienung scheint nun bei ihm zu wirken und fungiert jetzt als Stummschaltung. Das Ganze ist ein musikalischer Scherz, ganz nett anzusehen, wie die moderne Online-Shopping-Welt auf den Arm genommen wird. Die drei Intermezzi machen aber keine ganze Oper aus und bleiben etwas im Belanglosen.
Nach 50 Minuten hinter der FFP2-Maske ist man froh auf eine lange Pause. 33 Grad, eine leidlich funktionierende Klimaanlage und ein heißer Sommertag, da ist man froh um frische Luft.
Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg
Die nächste Paarung Bariton und Sopran in Herzog Blaubarts Burg, ist aber der Grund, weshalb man sich das Stück wirklich ansehen sollte. Judith ist die neue Frau von Blaubart. Sie hat zwar von Gerüchten von Blaubarts vorherigen Frauen gehört, lässt sich aber nicht abschrecken, nach der Hochzeit mit Brautkleid und Schleier in die Burg von Ritter Blaubart zu ziehen. Durch ein Quadrat mit Blumen zieht Judith in die Burg, an der acht Bilder von Vorfahren hängen. Der schicke Blaubart mit blauem Hochzeitsanzug gibt ihr noch die Chance zur Umkehr, doch Judith ist fest entschlossen, das Geheimnis der dunklen Burg zu lüften. Man blickt auf zwei identisch eingerichtete Zimmer. Im linken Teil hält sich Blaubart auf, im Rechten lebt Judith. Man ahnt zuerst nicht, dass gelbe Zimmer links und das weiß/blaue Zimmer rechts eigentlich ein Raum ist. Im linken Teil hat das Zimmer einen freundlichen Gelbton, während rechts das Zimmer fahl ist und mit Blut verschmiert. In der Burg gibt es sieben Türen, hinter denen sich sieben Räume verbergen. Judith will all die Türen öffnen. Hinter jeder Tür verbirgt sich ein anderes Klangbild und es wird eigentlich nur erzählt, was hinter den Türen ist. Wer jetzt des ungarischen nicht mächtig ist, muss auf die Bildschirme zurückgreifen. Hinter Tür 1 und 2 ist eine Folterkammer und die Waffenkammer. Die beiden Akteure bewegen sich synchron in beiden Räumen, die durch eine Wand getrennt sind. Blaubart schlägt Judith, man sieht eine Vergewaltigung, die aber durch die Trennung der Räume nur angedeutet wird. Bewundernswert das exakte Timing der Bewegungen, die in den getrennten Räumen stattfindet. Dennoch wird es von Tür zu Tür heller. Judith fordert nun die weiteren Schlüssel. Tür 3, 4 und 5. Sie findet eine Schatzkammer, einen verborgenen Garten und das weite Land von Blaubart. Die Burg erstrahlt im hellen Glanz, die Trennwand ist weg und die beiden Akteure sind nun im gleichen Raum. Judith ist immer wieder irritiert vom Blut, das sie in jedem Raum erwartet. Sie will auch die letzten beiden Türen öffnen. Blaubart sitzt vor einer Flasche Alkohol und warnt Judith vor den letzten beiden Türen. Judith will aber nicht hören. In der sechsten Tür erwartet sie ein stiller Tränensee. Judith fragt nach seinen verflossenen Frauen, die Burg wird dunkler. Eindringlich warnt Blaubart Judith vor der letzten Tür. Dort befinden sich die drei früheren Frauen von Blaubart in kurzen, ebenfalls blutigen Hängekleidern. Blaubart erklärt, dass sein Reichtum von den früheren Frauen kommt. Er hatte drei Frauen, eine für den Morgen, einen für den Mittag und eine für Abend. Die treten jetzt stumm vor ihn und jede wirft ihm einen Ring vor die Füße. Blaubart sagt, er hätte noch eine Frau für die Nacht gesucht, diesen Platz müsse nun Judith einnehmen. Die siebte Tür verschließt sich, der Blumenbogen vom Anfang kommt noch einmal und Blaubart ist wieder allein.
Der Blaubart lohnt den Besuch der Aufführung also in jedem Fall. Jochen Kupfer gibt einen echten Herzensbrecher mit Wutausbrüchen, Alkholproblemen und tiefen Abgründen. So jemandem möchte man nicht begegnen und schon gar nicht allein auf einer Burg. Interessant, wie Bartok die unterschiedlichen Räume musikalisch darstellt. Ein starkes Opernstück nach einer langen Pause.
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