Die Walküre in der Apokalypse
Nach dem Rheingold, war ich gespannt auf Peter Schmiedleitners nächsten Teil der Tetralogie von Richard Wagners Ring in Nürnberg. Und ich verrate nicht zu viel, wenn der eingeschlagene Stil in dem Rheingold gut fortgeführt worden ist. Hundings Hütte ist irgendwo hinter einem Altreifenlager, zweigeschossig und eher eine Hütte einer Favela in einem Armenviertel. Zu allen Ecken pfeift der Wind durch das Haus, eine funktionslose SAT Schüssel inklusive. In einer Videoeinspielung sieht man Wotan, auf das Auge wird ran gezoomt und man sieht Siegmund auf der Flucht vor seinen Feinden, in dessen Pupille. Barfuß landet der unglückliche Siegmund im Hause seines Widersachers Hunding und trifft dort auf Sieglinde. Sieglinde gibt ihn aus denselben PET-Flaschen, wie im Rheingold Wasser zu trinken. Die erklärt ihm, dass sie unglücklich mit Hunding verheiratet wäre, und er kein Unheil ins Haus bringt, da dort schon Unglück genug wohnt. Es dauert nicht lange und im Obergeschoss trifft der Hausherr mit einem riesigen Hirschgeweih blutüberströmt von der Jagd zurück. Seine Eigenheit, das Wild mit einer Axt zu Fall zu bringen, scheint keine saubere Sache zu sein. Unter dem Blut des erlegten Wildes kommen viele Tattoos zum Vorschein. Im Obergeschoss der Favela wäscht er sich über einen Gitterrost das Blut vom Oberkörper, wobei das Wasser laut prasselnd nach unten fällt. Die Weltesche stand dem Bau der Hütte irgendwie im Weg und wurde in der Mitte durchgesägt. Im oberen Teil des Baumes steckt ein Schwert. Bevor aber das Schwert aus dem Stamm gezogen werden kann, muss Sieglinde erst mal die Beute der Jagd in einem Plastikbeutel auf einer kleinen Herdplatte kochen. Das was Hunding da zubereiten lässt, sind irgendwie Innereien und Sieglinde muss sich bei der Zubereitung fast übergeben. Langsam dämmert es Hunding aber, wen er da zu Gast hat. Es ist nämlich genau sein Feind, den er zwar an diesem Abend noch übernachten lässt, am nächsten Morgen aber stellen will. Es fließt reichlich Dosenbier und Hunding macht es sich schließlich im Obergeschoss auf einer Matratze gemütlich. In das letzte Dosenbier hat Sieglinde aber ein Schlafmittel drunter gemischt. Nun sinniert Siegmund, wie er der Lage entkommen kann. Die Wälse-Rufe sind etwas von zu viel Aktion auf der Bühne beeinträchtig, geraten aber schier endlos lange. Hunding schläft darauf bald ein und Sieglinde kann wieder in das Untergeschoss zum Fremden, der seinen Namen immer noch nicht nennen will. Jetzt wird es aber Zeit, das Geheimnis um das Schwert zu lüften. Ein Fremder hätte das in die Esche gerammt und es wäre noch niemand gekommen, der es hätte lösen können. Die Hütte öffnet nun die Rückwand und es bläst ein Wintersturm durch das Haus. In der Szene erkennen sie sich nun als Liebende und Bruder und Schwester. Siegmund gelingt es, nun das Schwert aus dem oberen Stamm zu ziehen. Über die nun folgende Liebesszene kann man nur munkeln.
Im zweiten Akt sieht man Wotan in einem Betonbunker. Wie in einer Kommandozentrale verfolgt er auf drei Bildschirme Kriegseinsätze, die nicht unbeabsichtigt an Apokalypse Now erinnern sollen. Nach einem wilden Felsengebirge sieht das nun nicht gerade aus. Anstatt höflich einzutreten, bricht das It-Girl Fricka gleich die Tür ein. Mit einer Einkaufstasche stellt sie auf der Kommandobrücke nun Wotan zur Rede. Was da auf Erde abgeht mit seinen Nachkommen, dass da Bruder und Schwester sich lieben, geht gar nicht. Das bringt sie als Hüterin der Ehe richtig in Rage. Sie fordert nun den Kopf von Siegmund. In dem Betonbunker kann man auch das braune Ledersofa aus dem Rheingold wiederentdecken. Wotan versucht Fricka klar zu machen, dass er Siegmund für seinen Plan braucht, wieder an den Ring zu kommen. Dafür gießen sich die Götter Kaffee ein. Fricka ringt ihm dann doch den Eid ab, die Walküre Brünnhilde nicht auf seiner Seite kämpfen zu lassen. Fricka verlässt die Bühne während nun Brünnhilde mit einem weißen Steckenpferd auf die Bühne kommt. Mit einer orangen Autospraydose bewehrt, schreibt sie Siegfried an die Betonwand. Sie beschließt, sich Wotans Befehl zu widersetzen. Die Walküre kündigt nun Siegmund seinen bevorstehenden Tod an. In seiner Verzweiflung will er mit dem Schwert Sieglinde töten. Die Walküre hält ihn aber davon ab. Ein Jäger mit einem langen Horn kündigt nun das Nahen Hundings an. Die darauf folgende Kampfszene ist etwas unglücklich umgesetzt. In einer Videoeinspielung treten die beiden Widersacher zum Gefecht. Das ist aber alles nur eine große Projektion. Das eigentliche Gefechtsgerangel, bei dem sich Wotan sich einmischt und Brünnhilde, die eigentlich Siegmund schützt, ist nicht ganz klar. In einem Halleffekt werden hier Mikrofone eingesetzt. Letztendlich übergießt sich Siegmund aber mit reichlich Theaterblut und bricht dann, nachdem er noch schwer verwundet ein paar Meter gelaufen ist zusammen. Wotan hat mit seinem Speer das Schwert kaputtgemacht, sodass es Hunding ein Leichtes ist, Siegmund zu töten. Voller Zorn über den Verlust, tötet Wotan dann auch noch Hunding mit einem Wink. Wotan stellt nun der flüchtenden Brünnhilde nach.
Im dritten Akt scheint ein Werbeplakat auf dem Walküren Felsen kitschig die 50er Jahre zu veralbern. 'Wir rufen Dich' und gerufen sind scheinbar Kindersoldaten, die in Körben die toten Krieger darstellen sollen. Drunter warten acht Walküren auf das Eintreffen von Brünnhilde. Die Mädels sind scheinbar richtige Partygirls, die mit Plexiglas-Schildern und Baseball-Schläger eine wüste Fete werfen. Dass da mal die eine oder andere Flasche Wodka drauf geht, ist ja klar. Schließlich kommt auch Brünnhilde dazu auf der Flucht vor ihrem zornigen Vater. Sieglinde erfährt nun von Brünnhilde, dass sie ein Kind von Siegmund erwarte. Brünnhilde versucht nun, Sieglinde bei ihren Schwestern zu verstecken. Letztendlich flieht Sieglinde aber mit dem zerbrochenen Schwert. Schließlich taucht auch Wotan mit blutigen Händen auf. In einer kleinen Plastikwanne wäscht er sich vom Kampf rein. Auf einer Wand sieht man noch mal das Graffiti aus dem zweiten Akt, das nun ebenfalls von Blut verschmiert ist. Wotan ist immer noch außer sich über Brünnhilde, reißt ihr eine Kette vom Hals und den roten Walküren-Mantel. Er nimmt ihr aus Strafe für Ihr ungehorsames Verhalten den Status als Walküre weg. Auf einem Felsen soll sie nun auf den erstbesten Mann warten. Entsetzt wünscht sich Brünnhilde nun als Hindernis einen Feuerwall. Sie legt sich nun vor dem Plakat schlafen und aus dem Bühnenuntergrund fährt eine Feuerwand hoch. Erschöpft nimmt Wotan auf einem Bistrostuhl Platz. Wotan macht sich mit einem Kinderdouble der Brünnhilde nun auf um die Welt und tritt nun noch als Wanderer in den Folgeteilen auf.
Man hat hier wirklich eine vor allem musikalisch gut gelungene Fassung der Walküre vorliegen. Markus Bosch und dem Orchester gelingt es, die leisen Stellen wie bei den Winterstürmen ebenso gekonnt umzusetzen, wie den Walkürenritt, der nie monströs wirkt. Es sind leichte Noten, ganz im Gegensatz zu manchen Interpretationen, die hier dick auftragen. Vincent Wolfsteiner gibt einen einfühlsamen Siegmund, Irmgard Vilsmeier eine überzeugende Sieglinde. Randall Jakobsh darf sich als böser Bass mit Beil austoben und Antonio Yang darf sich durch die vielen Blätter seiner Verträge wühlen. Den meisten Applaus bekommt Rachael Tovey als Brünnhilde, die mir schon als Elektra hervorragend gefallen hat. Gut finde ich, dass man in der Inszenierung Teile des Rheingold-Inventar wiederfindet. So wie Richard Wagner seine Oper immer wieder neu zusammensetzt, kann man hier immer wieder Teile des Rheingolds entdecken. Auch wenn ich echtes Feuer, bei dem Ärger den das Opernhaus mit dem Brandschutz bei jeder Abnahme hat, bedenklich finde, es gehört einfach dazu zur Walküre. No risk, no fun.
Quelle: Staatstheater Nürnberg
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