Elektras Opel
In der Neuinszenierung von Elektra im Nürnberger Opernhaus von Georg Schmiedleitner dient ein alter Opel Admiral ohne Räder als die Rückzugshütte von Elektra. In einem geschlossenen Bühnenbild sieht man den weißen Hof des Königspalastes. Mit vielen Grablichtern ausgestattet, scheint der Wagen Rückzugsort und Abbild des verlorenen Vaters zu sein. Seit dem Tod ihres Vaters Agamemnon durch den Liebhaber ihrer Mutter Aegisth sitzt sie zerschunden inmitten der Grablichter und des kaputten Autos und sinnt auf Rache. Mit Silberfolie bessert Elektra als Monteur am Wagen die Roststellen aus. Sie selbst als Königstochter wird seit dem gewaltsamen Tode ihres Vaters wie eine Aussätzige behandelt und behandelt ihre eiternden Wunden mit Frischluft. Mit ihrer Schwester Chrysothemis will sie Rache für den Mord ihres Vaters an ihrer Mutter Klytämnestra nehmen. Die Schwester tritt auf und will sie vor dem Plan warnen, dass sie in einem Turm landen soll. Diese Warnung schlägt Elektra aber in den Wind. Chrysothemis plant aber ihre eigene Hochzeit. Sie sehnt sich ganz nach dem Mutterglück und ist ganz anders, als die hasserfüllte Elektra. Dann tritt die Königin Klytämnestra selbst in den Hof. Ganz in einem roten Abendkleid und mit einer Krücke sucht sie Heilung von den schlimmen Träumen, die sie plagen. Ganz in esoterischer Manie hätte sie mehrere Steine um den Hals, deren Strahlung sie davor beschützen sollten. Die hochtoupierten Haare mit einem riesigen Afrolook versehen unterstreichen gerade zu, dass sie wohl die letzten Nächte schlecht geschlafen hat. Die Königin sucht nun nach einem Opfertier, das sie darbringen kann. Es erscheinen blutüberströmte Menschen mit Stierköpfen, die in ihrem Blutrausch geopfert werden sollen. Bisher half aber kein Opfer. Sie sucht die Nähe von Elektra, da ihr die Mägde und ihr Hofstaat keine Besserung des Zustandes verschaffen können. Elektra deutet zuerst an, dass sie wohl ein Opfer wisse, dass gegen die schlechten Träume helfen würde. Nach und nach dämmert es der Königin, dass mit dem Blutopfer sie selbst gemeint ist. In einem Kampf verliert nun die Königin ihre Perücke, ihre Kette und schließlich ihre Bewusstsein. Dies scheint sie erst wieder zu erlangen, da ihr eine Vertraute etwas ins Ohr flüstert. Laut lachend verlässt sie die Bühne. Chrysothemis bringt die traurige Nachricht, dass ihr Bruder von Pferden zu Tode getreten wurde. Elektra glaubt zuerst nicht dran. Schließlich scheint sie aber doch umzuplanen und ihrer Schwester ein Beil anzuvertrauen, dass sie aus dem Boxsack holt. Dieses Beil hätte schon den Vater getötet und soll nun auch die Mutter richten. Ihre Schwester macht bei dem Plan aber nicht mit. Inzwischen taucht ein fremder Mann mit kurz geschorenem Haar und Springerstiefeln auf. Elektra erzählt ihr Leid. Der Mann war Begleiter ihres Bruders und wolle der Mutter vom Tode ihres Sohnes künden. Erst nach und nach erkennen sie, dass sie Schwester und Bruder sind. Elektra ist voller Überschwang, dass ihre Rachepläne nun aufgehen. Ihr Bruder geht mit seinen Begleitern ins Haus und nimmt nun Rache für Agamemnon. Leider hat Elektra vergessen, ihm das Beil zu gegeben. Da tönen auch schon die Schreie der sterbenden Mutter aus dem Haus. ‘Triff noch einmal!’, ruft Elektra ihrem Bruder zu. Da kommt auch schon Aegisth rein, den Elektra ebenfalls ins Haus begleitet. Aegisth ist hier in Frauenkleidern dargestellt. Er sei einfach nur eine zweite Frau im Haus und kein Mann, so ließ es Elektra verlauten. Der Regisseur scheint diese Aussage wörtlich genommen zu haben. Blutüberströmt torkelt er noch einmal auf die Bühne, wird aber dann ebenfalls von Orest zur Seite gezogen und erschlagen. Auf dem Mercedes liegen nun viele blutüberströmte Leichen. Ihr Bruder verwandelt den Königspalast quasi in ein Schlachthaus. Eine Gruppe blutüberströmter Tänzer liegt da drastisch drapiert über dem alten Auto. Elektra tanzt nun wie im Rausch ihren Freudentanz und ritzt sich dabei mit der Axt die Kehle auf, was etwas frei interpretiert ist. Auch ihre Schwester Chrysothemis wird von ihrem Bruder mit einer Pistole erschossen.
Die Inszenierung ist modern und passt prima zu der aufgewühlten Musik. Im Orchestergraben drehen 115 Männer und Frauen auf und geben unter dem Dirigenten Markus Bosch Vollgas. Ich bezeichne Elektra gerne als Splatter-Oper, da die Handlung nur so vor Blut trieft. Dies kommt in der Inszenierung gut rüber, die blutrünstiger kaum sein könnte. Rachael Tovey trifft sowohl die leisen Partien überzeugend als auch die lauten Stellen, wo sie alleine gegen das Orchester antritt. Ein Wermutstropfen ist vielleicht der Chor, der aus den Lautsprechern kommt. Das kaputte Auto scheint eine Parabel für Elektras Vater zu sein. Die Partien sind durchweg sehr gut besetzt. Den linearen Verlauf in die Katastrophe bremsen keine Pause und keine Zäsur. Man darf gespannt sein, wenn Georg Schmiedleitner den Ring inszeniert.
Quelle: Staatstheater Nürnberg
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