Endlich Tosca
Da ist sie also, meine erste Oper nach dem Lockdown. Für eine Wiederaufnahme von Tosca aus dem Jahr 2010 von Luc Bondy, bin ich extra nach München gefahren. Nach sieben Monaten endlich wieder große Oper sehen, dabei war das Wie und Ob-überhaupt vielleicht noch spannender als die Oper selbst. Das fing schon beim Vorverkauf an, der zuerst nur auf 200 Karten beschränkt war. Dann ging das Zittern los, ob München nicht kurzfristig noch zum Risikogebiet erklärt wird und die Sache ganz abgeblasen werden muss. Bei 47,7 Neuinfektionen machte der Zähler kurz vor der kritischen Marke halt. Dann war ich auf die Umsetzung neugierig, große Oper mit Chor, großem Orchester, wie mag das funktionieren? Bei einer Tosca muss man sagen, erstaunlich gut. Der Orchestergraben ist erhöht und gefühlt doppelt so groß, damit die Musiker Platz haben. Das erzeugt auch wegen der wenigen Leute im Publikum einen unter Asher Fisch, manchmal vielleicht zu lauten Ton. Klar singt der Chor aus dem Bühnenhintergrund und nicht auf der Bühne, aber dennoch live. Auf die ein oder andere Person in der Statisterie hat man verzichtet und den Kinderchor reduziert. Die kurzfristige Umbesetzung der Tosca von Anja Harteros durch Sonja Yoncheva nimmt man hin und ist froh, dass man überhaupt an dem Abend in der Oper sitzen kann. Bryn Terfel als Scarpia spielt den Fiesling hervorragend und Stefano La Colla, gibt einen phonstarken Cavaradossi. Vor allem mit der Tosca war ich an dem Abend sehr zufrieden, die alle Höhen und Tiefen der Hauptfigur sehr emotional ausleuchtet.
Der erste Akt spielt in einer sehr nüchternen Backsteinversion der Kirche Sant’Andrea della Valle. Angelotti, der politische Gefangene ist aus dem Staatsgefängnis der Engelsburg entflohen und seilt sich in die Kirche ab. Dort will er sich verstecken. Das Verstecken des Bruders hat die Schwester, die Gräfin Attavanti, gut vorbereitet, in dem sie in einer Seitennische Frauenkleider für ihn deponiert hat. Dass in dieser Kirche der Maler Mario Cavaradossi ein Altarbild der Maria Magdalena gemalt hat, wo er die Gräfin Attavanti zum Vorbild genommen hatte, die zum Beten regelmäßig in die Kirche gekommen ist, ist ein Zufall. Dieses Bild ist zwar fast in schwarz-braun und mit wenig Farbe gemalt, dennoch singt er sein „da mi colori- Recondita armonia“, denn ein entscheidendes Detail des Bildes sind die blauen Augen. Mit einem roten Gazeschleier kommt nun Tosca auf die Bühne. Sie hätte eine Stimme gehört und nun ist die Freundin des Malers und maßlos eifersüchtig. In dem Bildnis erkennt sie sofort die mögliche Rivalin, die Attavanti und fordert Mario auf, die Augen des Bildnisses zu ändern in dunkel. Tosca geht und es erscheint Angelotti, der einen Stuhl umwirft und mit Cavaradossi die weitere Flucht plant. Er soll sich im Landhaus verstecken. In der Eile lassen sie den Fächer, der Teil der Verkleidung war in der Kirche zurück. Es tritt Scarpia auf, der Polizeichef von Rom. Mit drei Gehilfen legt er einen imposanten Auftritt in der Kirche hin. Mit einem Indizienbeweis stellt er am leeren Essenskorb und dem Fächer fest, Cavaradossi hat Angelotti bei der Flucht geholfen. Zudem findet er den Fächer der Attavanti und will diesen geschickt einsetzen, um die Eifersucht bei Tosca zu schüren, die wieder in die Kirche zurückgekommen ist. Vor Eifersucht tobend wirft sie schon mal den Fächer über die Bühne, der Teil der Verkleidung der Attavanti war. Mit einem Pinsel attackiert die das Bild ihrer Rivalin. Tosca folgt ihrem Geliebten und will ihn zur Rede stellen, was es mit der Attavanti und ihm auf sich hat. Es ertönt das Te Deum, wo der Chor aus dem Off singt, was angesichts der großen Kirche durchaus stimmig ist.
Im zweiten Akt befindet man sich in einem sehr aufgeräumten Palazzo Farnese. In der Mitte des Raums befindet sich ein großes Fenster. In einem Schaukelstuhl sitzt lässig eine Gespielin von Scarpia, leicht bekleidet und in lila Strümpfen. Auch hier hat man die Zahl der willigen Damen um den Polizeichef von Rom etwas reduziert. An einem Tisch sitzt Scarpia. Vergeblich hatte man den Landsitz Cavaradossis untersuchen lassen. So lädt Scarpia Tosca ein. In einem Nebenraum foltert man nun Mario, damit er den Aufenthalt von Angelotti preisgibt. In einem Nebenraum rechts geht nun immer wieder die Tür auf, damit Tosca die Schreie des Gefangenen hört. Der Raum ist in gelbes Abendlicht getaucht. Schließlich gibt Tosca den Aufenthaltsort von Angelotti bekannt, worauf der sich vor den Häschern umbringt. Scarpia will aber mehr, er begehrt Tosca, die ihn deutlich zurückweist. Er bietet das Leben Cavaradossis für den Preis an, dass sich Tosca ihm hingibt. Vor dem Fenster erkennt Tosca, dass ihr nur eine Stunde Zeit bleibt, den Geliebten zu retten. Sie singt ein äußert beeindruckendes „Vissi d’arte“, das mit einem langen Publikumsapplaus endet. Scarpia sieht so lange aus dem Fenster. Er will den Gefangenen nun nur zum Schein erschießen lassen, wenn sich Tosca ihm hingibt. Tosca willigt ein unter zwei Bedingungen: Sie möchte die Begnadigung Mario selbst sagen und sie will freies Geleit aus dem Kirchenstaat. Zum Schein geht Scarpia auf das Geschäft ein. Auf dem Tisch des Polizeichefs entdeckt Tosca ein Messer. Sie drapiert sich aufreizend auf dem Sofa und erwartet Scarpia, den sie am Sofa mit mehreren Stichen ermordet. Kopfüber und mit den Beinen am Sofa stirbt Scarpia.
Der dritte Akt zeigt eine fast leere Bühne. Nur am äußersten rechten Rand findet man zwei Zinnen der Engelsburg. Das Erschießungskommando bringt Mario herein. Der bittet, noch einen Abschiedsbrief an seine Geliebte schreiben zu dürfen. Auf einem Hocker schreibt er ein paar Zeilen an Tosca und singt seine Arie „E lucevan le stelle“. Tosca tritt auf und klärt ihn auf, dass seine Erschießung nur zum Schein passieren wird und dass er bühnengerecht sterben soll. Im Anschluss würde sie kommen und mit ihm flüchten. Das Kommando erscheint und feuert die Gewehrsalven auf Mario ab. Als sich der Pulverdampf verzieht, stellt Tosca entsetzt fest, dass Mario wirklich tot ist. Man hat inzwischen den toten Scarpia entdeckt und ist Tosca auf der Spur. Mit dem Ausruf „O Scarpia, avanti a Dio!“ stürzt sich Tosca von der Engelsburg, um ihren Verfolgern zu entgehen.
Was ein tolles Opernerlebnis nach so einer langen Durststrecke. Schon bei der ersten großen Arie von Cavaradossi sind all die Aufregungen um diesen Opernabend vergessen. Die Anreise nach München werden belohnt mit einem wunderbaren Sängertrio und großer Oper. Die Leistung der Staatsoper, mit den derzeitigen Auflagen und Risiken, ein solches Projekt durchzuziehen, kann man gar nicht groß genug würdigen. Ich war wirklich gespannt, wie die ganze Oper umgesetzt wird und war am Ende restlos überzeugt von dem, was mir geboten wurde. Es war für mich ein sehr emotionaler Abend nach einer langen Pause in meinem liebsten Hobby. Ich versprach, dass das Blog zurückkommt, wenn es wieder Live-Oper gibt. Und es gibt sie… Ein Besuch lohnt unbedingt.
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