Hair - Let the Sunshine In
Als Gastspiel der Frank Serr Showservice Int. wurde in Fürth einmalig Hair gezeigt. Das Musical aus der Flower-Power-Zeit sorgte seinerzeit mit der Geschichte um Drogen, freie Liebe und Frieden für ziemlichen Aufruhr. Man muss sich aber vor Augen halten, dass man hier die Musicalversion von Hair sieht und nicht die Filmadaption von Miloš Forman. Es gibt keine Geschichte um die Millionärstochter und Claude, auch die Eltern hat man gnadenlos gestrichen. Auch fehlt die Verwechslungsgeschichte am Ende, als George und Claude die Rollen tauschen.
Los geht es eigentlich schon im Foyer, als uns ein Hippie um ein Bier anschnorrt. Er gibt nicht nach, bis wir wirklich den 1,50 EUR springen lassen und ihm ein Pils kaufen. Auch auf der Bühne im Stadttheater entfaltet sich schon vor dem eigentlichen Stück Flower-Power. Auf der Bühne wird getanzt und geklatscht, in den ersten Reihen wird rumgetollt. Echte Anarchie eben. Die Generation 50 plus im Saal nimmt es gelassen hin. Es steht ein Stahlgerüst auf der Bühne, das etwas an eine Mondlandefähre erinnert. Links daneben ist eine Liveband. Man bezeichnet das Stück gerne als Musical ohne Libretto, denn die Handlung ist nur schemenhaft zu erkennen. Claude hat seinen Einberufungsbescheid erhalten und trifft in New York Berger und Sheila. Während sich Claude entscheiden muss, ob er dem Einberufungsbescheid nach Vietnam Folge leisten will, versuchen sich die Hippies in einem Tribe um Berger als Aussteiger. Es gibt eine Friedensdemo, bei dem das Publikum mitskandieren soll. Gespielt wird meist in Englisch, aber zum besseren Verständnis hat man auch eine deutsche, schwangere in den Tribe gemischt. In der WG geht es nur um Drogen. Die Frage ist nicht, ob man hier in der WG Drogen nimmt, sondern warum es Leute gibt, die keine nehmen. Es stellen sich einige Mitglieder des Tribes vor. Es erscheint sogar ein Mitglied des Tribes mit einem Freiheitsstatuen-Kostüm und einer übergroßen Tüte Marihuana. Zwischen George Berger und Sheila ist es auch nicht unbedingt einfach, als sie ihm ein gelbes Satinhemd schenkt, dass er vor ihren Augen zerreißt. Er mag kein Gelb, die Begründung. Man feiert sich im ersten Akt hauptsächlich selbst und verhackstückt schon mal die US-Hymne. Dies ist bisweilen ziemlich laut. Man entledigt sich der Zwänge und verbrennt in einer Tonne symbolisch BHs und Einberufungsbescheide. Es folgt das Hare-Krishna-Lied und gegen Ende des ersten Akts sind die Darsteller tatsächlich fast nackt, was durch das Dunkel auf der Bühne etwas verschämt angedeutet wird.
Im zweiten Akt nimmt die Handlung etwas Fahrt auf. Der Tribe will seine Liebe als Protest gegen die Einberufung von Claude an das Wehramt senden. Die Rassenthematik kommt zum Thema, wobei die Mulit-Kulit-Truppe damit scheinbar kein Problem mehr hat. Es gibt eine schöne Musiknummer mit LED-Kerzen, die der Anfangsszene des Films angelehnt ist, bei der die Einberufungen verbrannt werden. Man veralbert mit einer Pseudoerschießung das Militär. Auch wenn es damals keine LED-Effekte gegeben hat, so in bunt ist das schon sehr schön anzusehen. Claude bekommt schließlich seine langen Haare geschoren. Der Tribe kann die Einberufung von Claude nicht verhindern. Claude stirbt letztendlich im Vietnamkrieg und bekommt ein Heldenbegräbnis unter der Flagge. Zum Finale kommt das Bekannte: Let the sun shine in… Spätestens hier, rockt das ganze Publikum mit. Die Musik mit seinen 30 Einzeltiteln von Galt MacDermot hat letztendlich gesiegt. Im Programmheft wird versprochen, dass man sich nach der Aufführung jünger fühlt. Auf einen Teil des Publikums scheint dies wirklich zuzutreffen.
Das Ganze mutet etwas wie ein blumiger Blick zurück in die 68er Generation an. Die hat längst selbst im Saal des Stadttheaters Platz genommen und sieht ihrer eigenen Vergangenheit entgegen. Es ist eine Zeitreise, bei der man heute oft fragt: War das wirklich alles so? In Zeiten von sozialen Netzwerken scheinen solche Freiräume pure Utopie. Liebe, Drogen und Musik: Kein Blick aufs Handy oder mal kurz was auf Facebook checken. Die Freiheit liegt wohl schon 50 Jahre zurück. Allerspätestens im Finale des zweiten Akts ist man mitten drin: Let the Sunshine In.
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