In einem Erstlingswerk als Opern-Regisseur ist am Opernhaus in Nürnberg derzeit die Zauberflöte von Wolfgang Amadeus Mozart in einer Inszenierung von Goyo Montero zu sehen. Die Inszenierung hat wegen ihres ungewöhnlichen Ansatzes in der Regie deutschlandweit Aufmerksamkeit produziert. Es ist in etwa so wie der Hype um die Dubai-Schokolade mit dieser Inszenierung, sodass die Vorstellungen gut gebucht sind und man über Ostern noch Zusatzvorstellungen eingeschoben hat. Wem die Aufführung gefallen hat, dem sei es von Herzen gegönnt, jedoch bei mir konnte das aus Gründen nicht punkten, die ich gerne ausführe. Allen anderen empfehle ich an dieser Stelle das Lesen einzustellen, denn es wird nicht nett.
Zum einen versucht Montero Ballett-Ansätze in die Zauberflöte zu bringen, sodass immer wieder drei Tänzer in Jumpsuits zu sehen sind. Zudem gibt es Bewegung im Chor an einigen Stellen, was immer wieder in sinnlosen Kreisen endet. Man hat sich scheinbar in der Bearbeitung des Werks ebenso frei verhalten, wie Bregenz mit seiner Bearbeitung des Freischützes. Auch musikalisch unterstreicht der Chor ein paar Solostellen, wo immer wieder das Saallicht angeht und Passagen vom Chor mitgesungen werden. In der Auftrittsarie von Papageno wurde die dritte Liedstrophe gestrichen, wo wir überhaupt bei einem Problem wären. Papageno ist eigentlich die Figur mit den meisten Arien, mit der sich der einfache Zuschauer identifizieren soll und kann. Wenn dieser in einer Manier der Horrorclowns aus Stephen Kings „Es“ erscheint, greift das einfach überhaupt nicht mehr. Statt Vögel fängt er Seelen, was ebenfalls zu Eingriffen in die Arientexte führte. Wichtige Gegenstände wie die Zauberflöte, das Glockenspiel, der Dolch, das Schloss vor Papagenos Mund, sind nicht existent oder nur angedeutet per Projektion. Wenn dem Tamino dann nicht mal einer Schlange begegnet nach der Ouvertüre, wird das sinnfrei.
Im Grunde sind die ganzen zwei Akte nichts als eine Traumsequenz in Taminos Kopf. Dieser ist mit einem Patientenkittel bekleidet und hat eine Gummikappe für Elektroden auf. Er ist scheinbar durch eine Überdosis Drogen ins Koma gefallen. Seine Seele schwebt schon während der Ouvertüre nach oben. Sein Spiegelbild verwandelt sich in Pamina. Tamino muss während der ganzen Oper also sein weibliches Ich suchen, was ihm am Schluss dann letztlich auch gelingt. Den Preis dafür zahlt er mit seinem Leben, das er am Ende als Lichtwolke aushaucht. Tote in der Zauberflöte? Na endlich. Die drei Damen kommen ziemlich aufgeblasen mit durchsichtigen Hauben daher. Sie verpassen Papageno für seine Prahlerei ein unsichtbares Schloss. Eine bewegliche Treppe, die immer wieder zum Einsatz kommt, ist die Auftrittsrampe für eine Königin der Nacht, die eher an eine Südseeprinzessin mit ihrem Kopfschmuck und der Kette aus weißen Plastikpuppen erinnert. Die Damen entfernen das Schloss vor Papagenos Mund. Auch das Glockenspiel, das Papageno bekommt, ist nur ein Beutelchen voller Glitzer, den er zu den Klängen verstreut. Ganz schräg ist nun Monostratos, der natürlich nur ein schwarzes Käppchen aufhaben darf und zudem einen durchsichtigen Plastikpenis unter dem Mantel trägt. Das soll scheinbar seine Dauergeilheit auf Pamina verdeutlichen. Mozart hätte vielleicht an der Zotigkeit dieses Einfalls seinen Spaß gehabt? Auch den drei Knaben, die dann auftreten geht es nicht besser. Sie sind letztlich nur Marionetten der drei Damen, sind als Skelette geschminkt und scheinen an unsichtbaren Fäden der Damen zu hängen. Die Nachwuchssolisten des Tölzer Knabenchor tuen ihr Bestes. Ihr Geschwaderauftritt zusammen mit den drei Damen will lieber nicht hinterfragt werden. Das Suchen des richtigen Tempels, wird als Aufgang zur Treppe dargestellt, wobei Tamino dreimal versucht, den richtigen Tempel zu finden, bleibt rätselhaft. Ein Bühnenelement mit drei Türen wäre zwar da, das sich eignen würde, man setzt es aber nur bei Papageno und Papagena ein. Der Sonnenkönig Sarastro dagegen könnte eins zu eins so als Altoum, der Kaiser in Turandot auftreten. Mit seinem gelben Mantel sieht er aus, wie der Kaiser von China, zudem thront er meist oben auf der Treppe. Ebenso wird der Chor auf dieser Treppe aufgestellt. Pamina ist mal kurz im Chor zu sehen, als Tamino fragt, ob sie noch lebt. Die Mohren des Monostratos sind wieder mit dem Chor angereichert, als sie zum Flitter des Glockenspiels im Marsch hinter den billig-glänzenden Vorhang verschwinden. Pamina und Tamino dürfen im Sarastros Hof bleiben.
Im zweiten Akt wird es nicht viel besser, denn die Geharnischten werden als gelbe Witzfiguren mit Sprachfehlern dargestellt im teilweise durchsichtigen Regencape. Wem der kleine Plastikpenis von Monostratos noch zu klein war im ersten Akt, der darf sich hier eines durchsichtigen Oversize-Modells erfreuen, dass auch aus den Rängen gut zu erkennen ist. Die große Auftrittsarie der Königin der Nacht ist auch zu hinterfragen. Diese hat aufblasbare, spitze blau-rote Stacheln auf dem Rücken, was scheinbar ihre Spitzentöne darzustellen versucht. Sie hängt zudem an einem langen Luftschlauch, denn die Stacheln müssen ständig aufgepumpt werden. Einen Dolch, den sie Pamina übergibt, existiert natürlich nicht, mit dem diese Sarastro töten soll. Als Tamino und Pamina sich wiederfinden dürfen sind sie in gegenüberliegenden Seiten der Proszeniumsloge getrennt. Die Treppen sind immer wieder in Bewegung und erinnern an Escher-Bilder. Wenn der Chor auftritt geht zudem immer wieder das Saallicht an, was ein echter Showstopper ist. Leuchtende Pfeile weisen Tamino nun den Weg zu den Prüfungen, die er gemeinsam mit Tamina bestehen muss. An ihren Gummikappen verbunden meistern sie sich Rücken an Rücken durch die Feuer und Wasserprüfungen. Als Papageno aus der Eingeweihtennummer aussteigt und Wein und Brot haben will, gibt es auch das nur angedeutet. Dass die Treppen sich gerade bei Paminas Todesarie bewegen ist mehr als unglücklich und stört die Arie empfindlich. Papagena ist eine weibliche Ausgabe der Horrorclowns. Ihre Kinder sind die drei Tänzer, die sich immer wieder von den Treppen stürzen. Ein Wunder bei den Eltern? Als sich gegen Ende nochmal die Verschwörung der Königin der Nacht meldet, gibt man sich aber versöhnlich. Pamina wird in der Projektion wieder zu Tamino. Scheinbar haben sich am Ende seine weibliche und männliche Hälfte gefunden. Warum die dann wieder männlich ist? Jedenfalls löst sich die Projektion von Tamino in einer Lichtwolke auf. Endlich ein Toter in der Zauberflöte.
Mozartopern können ziemlich lange werden, wenn die Regie nicht trägt. Unter den Regieeinfällen leidet letztlich auch die Musik, die aber Sándor Károlyi sehr fein aus dem Orchester klingen lässt. Auch das Sängerensemble meistert diese Aufführung ordentlich, sodass man zumindest musikalisch einigermaßen versöhnt ist. Aus Zauberflöten geht man normalerweise beschwingt mit guter Laune heraus. Hier aber habe ich mich ständig gefragt: Für wen ist die Inszenierung eigentlich. Kinder fürchten sich vor diesem Papageno eher, Anfänger werden wegen der fehlenden Elemente, die es braucht in der Handlung, ebenfalls abgehängt. Ich habe in der Inszenierung von Lauras Scozzis Alpenambiente geträumt, also von Schneeflocken und Skihütten. Wie toll der Einfall der betrunkenen Königin der Nacht doch war, die aus der Après-Skibar kommt. Bei Montero muss ich nur sagen: Gott! Welch' Dunkel.