Il barbiere di Siviglia - Da capo
Es gibt Inszenierungen, die sind nahezu unverwüstlich. Dazu gehört sicher auch die Inszenierung des 'Il barbiere di Siviglia' von Ruth Berghaus aus dem Jahre 1968. In der 358. Wiederholung scheint sich das Konzept immer noch nicht totgelaufen zu haben. Woran liegt das wohl? So kann man sich 2014 auf eine Zeitreise ins Jahr 1993 begeben, als ich vielleicht die 230. Aufführung gesehen haben mag. Vielleicht dass einige Figuren in der Inszenierung eine eigene Art haben, zu laufen. So hüpft die umworbene Rosina immer über die Bühne, während der verschlagene Don Basilio sich in kleinen Trippelschritten bewegt, das Stubenmädchen etwas trampelig auftritt oder der Diener einen Spitzentanz vollführt. Das Bühnenbild sieht aus, als ob man es schnell mit einer Bleistiftskizze entworfen hätte und besteht eigentlich nur aus vier großen Bettlaken und ist schwarz-weiß. Auch das Mobiliar ist da nur angedeutet. Oben am Bühnenhimmel gibt es vier skizzierte weiße Leuchter, die bei dramatischen Situationen lustig flackern. Auch ein Engel scheint aus dem Bühnenhimmel gefallen zu sein und hängt, kopfüber, von der Decke. Auch der Graf, der in dieser Oper sein Eroberungsspiel mit Rosina treibt, hat sich in das Fresko geschlichen. Auf einem Wappen steht ‚ Il barbiere di Siviglia – oder die unnütze Vorsicht‘.
Das Spiel beginnt mit dem Werbungsversuch des Grafen Almaviva um Rosina. Die Bemalungen der Tücher skizzieren einen mediterranen Straßenzug. Der Graf möchte aber vermeiden, dass Rosina sich nur wegen seines Standes in ihn verliebt, und tritt inkognito als Lindoro auf. Die Musiker-Gruppe lärmt aber ziemlich und Rosina lässt sich nicht sehen. Erst als Figaro seine berühmte Arie (Largo al factotum) zum Besten gibt, fragt der Graf bei Figaro um Hilfe. Der erste Anlauf mit dem Ständchen vor dem Balkon war ja gescheitert. Rosina schaut durch ein kleines Fenster, das den Balkon darstellt. Dieses ist scheinbar mit Klettverschlüssen zum Aufrollen. Ihr gelingt es aber, einen Brief an Lindoro fallen zu lassen. Bartolo möchte jetzt sein Mündel endlich heiraten. Der Graf nimmt einen zweiten Anlauf mit einem Ständchen bei Rosina. Sie spielt dabei mit ihren Fingern, immer wenn sie Verlangen nach Lindoro verspürt. Aber auch jetzt muss sie gleich zurück ins Haus und das Fenster schließt sich wieder. Nun hilft der Graf Figaro mit einem Beutel Geld auf die Sprünge, er solle sich was einfallen lassen. Figaro fällt auch sofort ein, der Graf solle sich als betrunkener Soldat im roten Mantel bei Bartolo einquartieren lassen. Nun kommt Rosinas große Arie (Una voce poco fa). Sie schreibt einen Brief an Lindoro. Auch der Schreibtisch von Rosina und der Hocker sind nur skizziert. Bartolo wittert nun einen Nebenbuhler. Don Basilio rät Bartolo nun zu einer Verleumdung, wobei die Kerzen an den Leuchtern flackern. Bartolo fällt aber das fehlende Papier auf. Der Geizhals hatte die Papierbögen abgezählt und nun fehlt einer. Er will wissen warum, und wieso die Schreibfeder nass ist. Rosina hat immer eine Ausrede parat. Die Übergabe des Briefes an Figaro scheitert aber. Nun kommt der verkleidete Graf an und sagt, er wäre hier einquartiert. Bartolo hätte aber ein Schreiben, das ihn von der Einquartierung von Soldaten befreit. Am rechten Bühnenrand durchwühlt Bartolo die Papiere und findet schließlich das Dokument, dass dann der Graf zerreißt. Schließlich gibt sich der Graf als Lindoro zu erkennen und es kommt zum Tumult. Der Graf geht auf Bartolo los und Figaro hält den Säbel des Grafen mit seiner Schere auf. Es rückt eine grün-berockte Wache an, die Lindoro schließlich rauswerfen soll. Vor dem Offizier der Wache gibt sich aber der Graf zu erkennen, worauf der Offizier sich gleich zu Boden wirft und Lindoro ungeschoren entkommen lässt.
Im zweiten Akt probiert es der Graf nun als Musikschüler von Don Basilio. Er möge der Rosina eine Musiklektion erteilen und tritt als Vertretung für den erkrankten Don Basilio auf. Während Rosina Lindoro sofort erkennt und mit Begeisterung an der Musikstunde teilnimmt, hält Bartolo auf einem Stuhl ein Nickerchen. Der Graf macht sich während des Rondos ‚Die unnütze Vorsicht‘ daran, Rosina die Kleidungsstücke zu öffnen und sie an ihren Hüften zu kitzeln. Für das Rondo ‚Contro un cor‘ scheint das förderlich zu sein. Von dieser neumodischen Musik hält Bartolo aber überhaupt nichts und schwärmt von Caffarelli, wobei er als Bass, dessen Kastratenstimme imitiert. Figaro macht sich nun dran, Bartolo zu rasieren. Dabei platzt nun Don Basilio selbst in die Szenerie. Alle attestieren ihm einen schlechten Gesundheitszustand und wollen ihn am liebsten schnell wieder loshaben. Er hätte die Masern, sehe schlecht aus und solle ins Bett. Neckisch hustet er aber das Quartett an. Durch einen Beutel mit Geld vom Grafen lässt er sich aber, nach Langem hin und her, abwimmeln. Es gelingt dem Grafen nun, auch an den Schlüssel für den Balkon zu kommen. Es wird eine Flucht geplant. Bartolo überzeugt nun Rosina, dass sie von Lindoro und Figaro nur an den Grafen verkuppelt werden soll. Darauf verrät sie deren Plan. Es zieht ein Gewitter auf, wobei die Tücher des Bühnenbildes im Takt der Musik flattern und die Kerzenleuchter flackern. Nun kommt der Graf und Figaro ins Zimmer. Der Rückweg auf die Straße ist versperrt, da Bartolo die Leiter geklaut hat. Nun macht der Graf kurzen Prozess: Er klärt auf, dass er und Lindoro dieselbe Person sind. Er besticht mit Geld den bestellten Notar und Don Basilio, die Vermählung mit Rosina umgehend durchzuführen.
Die Inszenierung macht richtig gute Laune an einem dunklem 3. Advent. Sie ist mit ihren weißen, skizzenhaften Szenen, freundlich, hell und heiter. Sei es Alfredo Daza als Figaro, Katharina Kammerloher als Rosina oder Renato Girolami als Bartolo. Auch nach vielen Jahren wirkt die Inszenierung frisch und modern. Wie die Charaktere skizziert sind, in den passenden Kostümen aus der damaligen Zeit, ist immer noch treffend. Auch dieses Mal, war es für mich der 3. Barbier von Sevilla in der Inszenierung und auch nach 20 Jahren, ein großer Spaß. Es war zudem für mich die erste Aufführung einer Oper im umgebauten Schillertheater. Die Akustik ist bei Weitem nicht mit der eines Opernhauses vergleichbar, aber ganz passabel. Die Geigen schienen mir etwas wenig durchzukommen, während die Pauken einen satten Bass hatten. Die Stimmen der Sänger kamen aber gut an, was zum Einen an der Größe des Hauses liegt, zum anderen, dass sie ihre Arien auf einem kleinen Kasten am Bühnenrand zum Besten gaben. Das Nickerchen meiner Sitznachbarin kann man schon mal verzeihen, da ich nicht weiß, wie oft sie schon diese Inszenierung genossen hat. Ich war jedenfalls vom ersten Akt voll dabei, habe mich wieder daran erfreuen können, wie die Charaktere skizziert sind und wie sie sich über die Bühne bewegen. Ruth Berghaus mag lange tot sein, mit dieser Inszenierung ist sie nahezu unsterblich.
Quelle: YouTube | Staatsoper Berlin
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