Othello vs. Jago
In einer Neuinszenierung von Gabriele Rech läuft am Nürnberger Opernhaus derzeit Othello von Verdi. Man hat Othello zeitlich etwas zurechtgerückt und befindet sich irgendwo in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Auf die Frage in der Vorbesprechung, ob die Inszenierung modern oder schön sei, antwortete sie gekonnt: Schön und modern. Jetzt ist Verdis späte Oper keine Nummernopern mehr, sondern besteht zu 80 Prozent aus Rezitativen. Für mich der Versuch, die Ideen von Wagner aufzugreifen, der zur damaligen Zeit in Italien sehr in Mode war. Die Vorlage von William Shakespeare wurde aufgegriffen, aber mehrfach von Verdi überarbeitet, da er mit dem Endergebnis lange Zeit nicht zufrieden war. Othellos Gegenspieler kommt eine tragende Rolle zu, weshalb die Oper besser Jago heißen sollte.
Mit einem lauten Orchesterbrausen befindet man sich an den Küsten Zyperns. Vor einer Wand, auf der eine Gewitterstimmung aufgemalt ist, singt die Bevölkerung Zyperns und beobachtet, wie das Schiff von Othello strandet. Man sieht, wie das Schiff im Sturm anlegt und Othello auf wundersame Weise gerettet wird. Aus dem ersten Rang schmettert er ein lautes Esultate in den Zuschauerraum. Das Volk ist in teilweise in Militäruniformen, es gibt aber auch einen Priester und leichte Damen. Man feiert die Rettung von Othello und zündet in einem Ölfass ein kleines Freudenfeuer an. Dort werfen sie auch Fotos hinein. In der Feier der Rettung von Othello mischt sich Jago unter das Volk. Jago wurde bei der Beförderung übergangen zugunsten von Cassio. Da er auf Cassio neidisch ist, versucht er mit einem Trinkspiel eine Schlägerei zu provozieren. Ziel ist es, Cassio bloß zu stellen und mit der entstehenden Rauferei Othello und seine Frau Desdemona zu wecken. Und falls man es noch nicht wusste, es gibt schon Papstar Trinkbecher in Zypern, mit den sich trefflich Trinkspiele realisieren lassen. Rodrigo und Cassio geraten also aneinander und es kommt wirklich dazu, dass Othello aufwacht, um den Streit zu schlichten. Dabei degradiert er Cassio. Othello hat sich trotz seiner schwarzen Hautfarbe, die hier nur leicht angedeutet ist, einen Rang in Venedigs Flotte als Feldherr erarbeitet. Darauf ist sein Diener Jago aber neidisch, obwohl er ihn eigentlich wegen seiner Hautfarbe ablehnt. Wieder allein singen Othello und Desdemona ein wunderschönes Duett. Dass sie dabei vor den Hafentoren stehen und weit voneinander entfernt ist, ist etwas merkwürdig. Man befindet sich im Offizierskasino und versucht sich im zweiten Akt zu zerstreuen. Jago aber setzt alles daran, Othello zu vernichten. Dabei ist seine Grundhaltung sehr nihilistisch. Sein Credo, dass er an nichts glaubt, singt er vor der Feuerschutzwand des Bühnenraums. Es gibt dazu wieder die besagten leichten Damen, die zur Zerstreuung der Offiziere dienen sollen. Auf der Bühne steht ein großer Billardtisch. Das Volk Zyperns kommt mit einem Kinderchor daher, um Desdemona zu huldigen. Die Kinder spielen die Heldentaten Othellos nach und das Werben von Othello um Desdemona. Dabei streuen sie Blütenblätter und erzählen von seinen Reisen über die Meere. Jago spinnt nun seine Intrige gegen Othello weiter. Er sagt Desdemona ein Verhältnis zu Cassio nach, da sie sich immer wieder bei Othello einsetzt und um Gnade wegen seiner Degradierung bittet. Othello ist von der Aussicht, betrogen zu werden schon so außer sich, dass er einen Billard-Kö zerbricht. Auf dem Billardtisch betrinken sich Jago und Othello nun. Jago erzählt nun von dem Liebestraum von Cassio, wo bei der zerbrochene Kö wohl etwas missbraucht wird (nicht ganz jugendfrei). Othello fordert nun einen Beweis und Jago beschließt Othello einen Beweis für Desdemonas Untreue zu liefern. Othello hat Desdemona ein Taschentuch geschenkt, das er bei Cassio gesehen hat. Dass dieses noch im gleichen Akt und am selben von Desdemona benutzt wurde, hätte Othello eigentlich auffallen können, aber wo bleibt bei Liebe schon die Logik.
Othello beschwört nach der Pause Desdemona, auf das Taschentuch aufzupassen. Es wäre eine Art Talisman eingewebt und hätte Zauberkräfte. Wieder im Casino versucht Jago, Cassio zum Erzählen von seiner Liebschaft zu überreden. Othello denkt, er spreche von Desdemona, versteckt sich hinter dem Billardtisch und rastet völlig aus. Während Cassio sich über zwei Damen am Billardtisch hermacht. Cassio zieht das Taschentuch und damit ist für Othello klar, dass er betrogen wurde. Es trifft eine Abordnung des Dogen in Abendkleidern und Smoking ein. Othello wird abkommandiert. Dies wird auch in einer Videoprojektion auf die Rückwand des Bühnenraums übertragen. Othello setzt Cassio wieder als Hauptmann ein und beobachtet Desdemonas Verhalten. In jeder Regung von ihr, sieht er schon ein Zeichen ihrer Untreue und rastet von der Gesandtschaft aus und wirft seine Geliebte auf den Boden. Nun malt er sich gänzlich schwarz an. In einer Nachtszene bettet sich Desdemona nun in ihrem Hochzeitkleid zur Ruhe. Sie hat ihr Brautkleid an und denkt an ihren eigenen Tod. Othello schleicht sich nun im Dunkeln an und löscht die zwei Kerzenleuchter. Für ihn erscheint der sogenannte Ehrenmord an Cassio und Desdemona nun als einziger Ausweg. Dabei hat er Rodrigo beauftragt, Cassio umzubringen, während er Desdemona erwürgen will. Durch einen Kuss von Othello geweckt, beteuert sie weiterhin ihre Unschuld, wird aber letztendlich von Othello umgebracht. Wie sie es nun schafft, trotz des Erstickungstodes durch den Schleier, noch einmal zu singen, ist für mich echt opernlike. Der Plan gleichzeitig Cassio zu beseitigen scheitert, denn Cassio bringt Rodrigo um. Die Dienerin ruft nun um Hilfe, dass Desdemona umgebracht wurde. Cassio, Ludovico und Jago tragen die tote Desdemona raus aus dem Ehebett. Es wird klar, dass Jago der Drahtzieher des Unheils war und der macht sich nun durch den Zuschauerraum auf die Flucht. Am Ende ist Othello allein auf der Bühne und schlitzt sich mit dem letzten Ton die Kehle auf.
Teilweise gelingt es der Inszenierung, den Helden Othello als schwer traumatisierten Kriegshelden darzustellen. Mit viel Alkohol versucht er, sich über die traumatischen Ereignisse der Schlachten und seine Eifersucht hinwegzutrösten. Dabei läuft er in den knapp zwei Stunden auf Dauerhochtouren. Diese aufbrausende Überspanntheit des Othello gelingt es nur ansatzweise herüberzubringen. Das Amokläuferpotenzial könnte hier durch David Yim noch tiefer ausgelotet werden. Dagegen ist Jago (Mikolaj Zalasinski) durchweg in Bestform, wie er durch die ganze Oper intrigiert ist hervorragend umgesetzt. An dem Frauenbild, das scheinbar nur die leichte Form kennt, sollte man arbeiten. Es kommt in der Oper keiner gut weg. Da sind die zutiefst traumatisierten Männer, die nur Alkohol, Frauen und den Kampf im Kopf haben. Aber auch die Frauen kommen ihren Anteil, die hier hauptsächlich als Huren ihre Plätze finden. Die Musik durch Guido Johannes Rumstadt ist stellenweise sehr knallig und lässt den Solisten wenig Luft. Die Bühnenausstattung ist aber weitgehend gut umgesetzt.
Quelle: Staatstheater Nürnberg
Einen Kommentar hinterlassen