Rigoletto vs. Gilda (Vermisst, Troviamo, Missing)
Verena Stoiber inszeniert in Nürnberg Verdis Rigoletto. Was zu seiner Zeit 1851 ein wahrer Theaterskandal war, nämlich die Geschichte der Ausschweifungen des Herzogs von Mantua, hat eine neue Facette erhalten. In der Inszenierung ist Gilda nicht die echte Tochter von Rigoletto dem buckligen Hofnarren, sondern des Grafen von Monterone. In der Ouvertüre sieht man, wie Rigoletto die Tochter des Grafen entführt. Das Mädchen wehrt sich heftig gegen die Entführung. Das ist vielleicht ein Erklärungsversuch, warum sich die Tochter und ihr Vater mit „Sie“ anreden und der Hofnarr seine angebliche Tochter so gerne versteckt hält. Man mixt hier den Entführungsfall von Madeleine McCann in Portugal aus dem Jahr 2007 in diesen Verdi rein. Immer wieder sieht man Plakate, auf denen in drei Sprachen (Vermisst, Troviamo, Missing) steht. Auch schleicht der Graf von Monterone wiederholt über die Bühne als Penner mit leerem Kinderwagen, in schmutziger Kleidung und mit Einkaufstaschen.
Die Szene des ersten Akts zeigt einen südländischen Innenhof mit Fenstern und Rollläden. Dieser Hof ist leider in einem erbarmungswürdigen Zustand und drückt vielleicht die Tristesse des Stücks aus. Es findet an einer u-förmigen Tafel die Hochzeit der Gräfin von Ceprano statt. Auch hier stellt der Herzog der Braut immer wieder nach, meist in Begleitung eines Glases Sekt. An der Hochzeitstafel stehen weiße Plastikgartenstühle. Um für seine Avancen freie Bahn zu haben, schlägt Rigoletto dem Grafen vor, Ceprano umbringen zu lassen. Auf der Hochzeitsgartenparty geht es daher hoch her, am Rande links wird sogar gegrillt. Mit einer Grillwurst fuchtelt auch Rigoletto rum. Rigoletto treibt es mit seinen Späßen soweit, dass er den Grafen auf der Hochzeit ins Ohr beißt. Nun taucht der Graf von Monterone mit einem Kinderwagen auf. Monterone wird als Penner mit leerem Kinderwagentrolley dargestellt, der an der Suche seiner Tochter verzweifelt ist. Er ist wirklich in einem erbärmlichen Zustand aus dem Gefängnis gekommen und bringt ein erstes Suchbild seiner Tochter mit. Dieses Fahndungsfoto zerreißt Rigoletto, der den Verbleib von Monterones Tochter verheimlichen will. Er spricht den Fluch auf den Grafen und den Herzog aus. Gilda, die angebliche Tochter von Rigoletto wird in einem Verließ versteckt gehalten. Eifersüchtig mahnt Rigoletto sie, nicht auszugehen, außer in die Kirche. Doch sie hat schon die Bekanntschaft eines armen Studenten gemacht mit Namen Gualtier Maldè, ausgerechnet beim Kirchgang. Dass das niemand anderes als der Herzog von Mantua selbst ist, ahnt Gilda nicht. Aber der versichert ihr seine Liebe und lässt sich von ihr an die Hose fassen, die er halb öffnet. Der Graf flüchtet nun. Warum sie sich bei dem Lied „Gualtier Maldé! ...Caro Nome“ in einer Nachtszene mit dem Messer ritzt, erschließt sich nicht und passt nicht unbedingt zur verträumten, spielerischen Musik. Mitten auf der Bühne sitzt sie mit ihrer Bettdecke und dem Messer, nur warum? Nun schlagen die Höflinge zu und entführen Gilda, die sie für Rigolettos Geliebte halten. Sie halten weiße Tücher hoch und schubsen Gilda hin und her. Rigoletto selbst bekommt bei der Flucht mit der Leiter eine Schweinemaske aufgesetzt, sodass er nicht weiß, dass er bei der Entführung seiner eigenen Tochter mitgeholfen hat. Die Höflinge machten ihm Glauben, man entführe die Gräfin Ceprano. Sie treiben den Spaß so weit, dass sie Rigoletto die Hose runter ziehen. Am Ende ist er verzweifelt.
Im zweiten Akt ist der Herzog nun verärgert, dass man seine neue Geliebte entführt hat. Aus Wut ballert er in die Luft. Die Geliebte wäre aber schon im Palast meinen die Höflinge. Die Höflinge stehen im ersten Stock des Hinterhofs und haben das Wort ‚Ve-nd-et-ta‘ auf die Brust gemalt. Mit aufreizenden Bewegungen im Beckenbereich ärgern sie Rigoletto, der seine Tochter sucht. Dieser ist immer noch an die Leiter gekettet. Er stellt klar, dass die Entführte nicht seine Geliebte ist, sondern seine Tochter. Gilda betritt nur in Unterwäsche bekleidet den Hof. Sie ist schockiert, dass ihr Vater der Hofnarr ist. Rigoletto ist schockiert, dass sich seine Tochter ausgerechnet in den Herzog verliebt hat. Nun taucht erneut Monterone auf mit dem Kinderwagen. Er ist auf dem Weg ins Gefängnis. Der Kinderwagen geht am Ende der Szene in Flammen auf, als Rigoletto beschließt, mit Gilda fortzugehen, und am Herzog Rache zu nehmen. Mit einem Koffer zerrt er Gilda weg vom Hof.
Im dritten Akt ist man im Hause eines Mörders und seiner Schwester. Hinter einer Stuhlansammlung links verstecken sich Rigoletto und Gilda. Rigoletto hat 20 Scudi für den Mord an den Herzog aufgetrieben. Er will seiner Tochter zeigen, dass der Herzog weiterhin Frauen nachstellt. Vier leichte Damen machen klar, dass Sparafucile, der Mörder, ein Bordell unterhält. Seine Schwester Maddalena lockt mit roter Perücke und in Leder die Gäste an. Darunter auch der Herzog, wieder mit Champagner-Flasche. Dass er total testosterongesteuert ist, bringt er mit einem Revolver zum Ausdruck, in dem er in der berühmten „La donna è mobile“-Arie mit der Pistole schießt. Ich fand das ziemlich störend. Eigentlich umgarnt er Maddalena, hier aber bedroht er mit zwei Pistolen Sparafucile und seine Schwester. In der Spelunke von Sparafucile hängen nun noch mehr Suchbilder von Gilda. Aus Liebe zu Maddalena soll aber nicht der Herzog, sondern der Erste umgebracht werden, der an die Tür klopft. Es gibt ein Gewitter und Gilda, die den Plan der Mörder mitgehört hat, beschließt sich für den Herzog zu opfern. Warum der Leichensack, den der Mörder nun übergibt, einen Koffer enthält, ist wieder so ein Rätsel. Eigentlich sollte da Gilda drin liegen, die aber blutüberströmt aus ihrem Verlies kommt. Sie kommt noch einmal zu sich, stirbt aber letztendlich vor Rigoletto, der sie versucht im Clownskostüm von der Bühne zu ziehen.
Musikalisch hat Gábor Káli den Zauber der Oper herbeiholen können. Was in der Premiere bei Markus Bosch als zu laut angemahnt wurde, erschien mir sehr ausgeglichen. Großartig war Mikolaj Zalasinski als Rigoletto. Die Rolle des Herzogs ist dabei ziemlich schwer zu besetzen, David Yim hatte an diesem Abend mit der Partie vor allem in den Höhen etwas Probleme. Michaela Maria Mayer stellte die verzweifelte Tochter gut dar. Ja, bleibt dieser Regieansatz, den ich nur zum Teil für gut befinden kann. Die Geschichte der Kindesentführung erscheint mir zu gewagt, der Borderlineansatz zu isoliert und der dritte Akt mit den Pistolen etwas zu unlogisch. Man könnte sagen, das Ganze ist überinszeniert oder recht weit hergeholt. Dennoch ist der Rigoletto eine schöne Oper, die auch an dem Freitagabend sehr gut besucht war.
Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg
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Quelle: Soundcloud | Staatstheater Nürnberg
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