Werther – Auf der grünen Wiese
Als Gastspiel des Theaters Ulm durfte ich einmal mehr der Oper Werther von Jules Massenet lauschen. Wenn auch die Regie von Antje Schupp so einige Einfälle hatte, die sich einem nicht sofort erschließen, war es musikalisch in jeder Hinsicht beachtlich, was geboten wurde. Die Regie hatte den Werther in die aktuelle Zeit verlegt, wo es einerseits Dosenbier und Burger King-Fast-Food gibt, andererseits aber noch Unmengen von Briefen verfasst werden. Schon die Projektion des Werthers mit einem roten Schriftzug zur Ouvertüre erinnert an Gruselschocker aus den 30er Jahren.
Zu Beginn des ersten Aktes sieht man eine Art Filmset. Links steht ein Schreibtisch mit Overheadprojektor, auf denen der junge Werther immer wieder Folien mit französischem Text auflegt. Im Hintergrund der Bühne sieht man eine Projektion des schreienden Manns (Der Wahnsinn) aus der Allegorie der Liebe, zwar seitenverkehrt, aber gut zu erkennen. Das Ganze mutet wie ein Filmset an. Der Abendschoppen des Amtmanns im Goldenen Stern findet im Stehen statt. Dabei wird reichlich Dosenbier vergossen. Die Kinder, die im Juli schon ein Weihnachtslied geprobt haben, werden mit einer Burger-King-Tüte abgefüttert von Charlotte, in die sich Werther sofort verliebt. Unbill droht aber von Albert, dem Verlobten, der mit einem Kunstblumenstrauß unerwartet bei seiner Verlobten auftaucht. Charlotte hatte ihrer Mutter am Sterbebett versprochen, standesgemäß zu heiraten. Nach dem gemeinsamen Besuch eines Balls finden die beiden sich auf einem grünen Wiesenpodest wieder, das vom Bühnenhimmel heruntergelassen wurde. Dort legt Werther im Mondschein einen Hermelinmantel um seine Geliebte. Der Zauber der Mondnacht ist gebrochen, als Charlotte Werther gesteht, dass sie einem anderen versprochen ist.
Es findet ein fließender Übergang zum zweiten Akt statt. Die Unterseite der grünen Wiese beherbergt ein Nazerenerbild mit einem Kreuz. Es werden drei Paletten mit roten Grablichtern heruntergelassen. Das Bild wird geteilt und der nun entstehende Raum, soll vor der Kirche spielen. Hier feiert der Pfarrer seine goldene Hochzeit. Charlotte und Albert haben seit drei Monaten geheiratet. Albert belastet etwas das schlechte Gewissen mit Werther. Darauf trinken die beiden Bier aus Bügelflaschen. Nun rät Charlotte, Werther solle sie verlassen und in drei Monaten, zu Weihnachten zurückkehren. Als die Gäste mit einer Polonaise erscheinen, eilt Werther davon.
Im dritten Akt ist Charlotte förmlich unter der Last der Gedichte und Briefe begraben. Werther schreibt wie ein Wahnsinniger Gedichte und Briefe und legt sie auf den großen Haufen. Warum er mit einer Maske auftritt, erschließt sich nicht. Es ist Weihnachten. Stürmisch umarmt er die Geliebte. Es ertönt das Lied des Ossian, das wunderbare Lied „Pourquoi me réveiller“. Charlotte weißt ihn erneut zurück. Werther fordert die Pistolen von Albert und plant sich umzubringen.
Im Zwischenspiel zum vierten Akt sieht man nun, wie sich Werther mit einer Pistole umbringt. Es wird ein Double auf die Bühne gelegt. Der Sänger des Werthers agiert nun quasi als Geist während der langen Sterbeszene. Die Körperpuppe wird dann weggetragen. Werthers letzter Wunsch ist es fernab vom Friedhof bei den zwei Linden, begraben zu werden. Man hört die Weihnachtsgesänge der Kinder und sieht zwischen den Leinwänden ein gleißendes Licht.
Leider ließ sich der Werther (Michael Burow-Geier) an diesem Abend ansagen, dass er leicht erkältet sei. Gehört hat man das etwas, wenn man aber die Leistung ansieht, die diese Rolle an den Sänger stellt, war das immer noch sehr gut. Jongbae Jee am Dirigentenpult für das Philharmonisches Orchester der Stadt Ulm sehr gut durch die dichte Partitur, die für meinen Geschmack, deutliche Anklänge bei Puccini hat. Der frenetische Applaus der jungen Zuschauer war deutlich zu hören. Die unglückliche Liebesgeschichte als Vorlage zweier realen Personen, die Goethe da verarbeitet hat, spricht damals wie heute, vor allem das junge Publikum an. Sorgt auch die Regie hier und da für Irritationen, musikalisch konnte sich das hören lassen. Die Oper war zuerst nicht angenommen worden, musste in Wien aufgeführt werden, wurde aber dann über Paris zu einem Welterfolg.
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