Tosca von Spoletta erwürgt
Tosca ist eine Oper des Verismo, die eine schonungslose Darstellung der Wirklichkeit anstrebt. Ort und Zeit sind genau festgelegt, daher eignet sich das Stück eher wenig für das Regietheater. Hier in Nürnberg versucht man es dennoch. Meiner Meinung nach steht und fällt die Oper mit dem Ende, bei dem Tosca von der Engelsburg springt. Gelingt dieser fulminante Schluss einer Tosca, ist die Aufführung gelungen. Leider versagt hier die Aufführung in Nürnberg den klassischen Schluss. Am Ende wird Tosca platt von Spoletta dem Polizeiagenten erwürgt. Dabei hat alles so gut angefangen.
Im ersten Akt sieht man eine klassische Inszenierung der Kirche Sant’Andrea dell Valle. Schräg verlaufen die Stuhlreihen der Kirchenbestuhlung zur Kirche. Rechts vorn ist die Staffellage des Malers Cavaradossi. Schon der Auftritt des blutüberströmten Angelotti passt so gar nicht zum plüschigen Ambiente. Auch scheinen die Künstler die gemalten Kirchenwände der Kirche nicht so ganz ernst zu nehmen und rollen, hier und da, die Leinwände hoch und kommen unter der Leinwand hervor. Angelotti wird von Cavaradossi in einem Brunnenschacht versteckt. Tosca, die Opernprimadonna betritt in einem langen Gewand die Bühne, ebenfalls klassisch aus dem 19. Jhd. Auch Cavaradossi läuft im klassischen Bühnenoutfit durch die Szenerie. Tosca erklimmt die Malerbühne mit einigen Schwierigkeiten, das bodenlange Kleid ist für solche Kletteraktionen denkbar ungeeignet. Eifersüchtig besteht sie darauf, dass die Maria Magdalena, die blaue Augen hat, in schwarze Augen umzuändern. Sie erkennt in der schönen Unbekannten die Schwester von Angelotti, die Gräfin Attavani und rast vor Eifersucht. Tosca verlässt mit diesem künstlerischen Auftrag die Kirche. Angelotti, der ziemlich schlimm mit viel Theaterblut hergerichtet ist, verlässt die Bühne in sein Versteck. Aber Angelottis Flucht wird entdeckt. Mehrere Kanonenschüsse von der Engelsburg verkünden Angelottis Flucht. Dem Flüchtigen folgen der Polizeichef Scarpia und seine Gehilfen. Allerdings beginnt es hier zu kippen. Scarpia steckt im feinen Zwirn des 20. Jahrhunderts, elegant und mit goldener Brille. Tosca erscheint wieder und geschickt versteht es Scarpia die Eifersucht der Tosca auf die Attavani anzufeuern, indem er ihr einen Fächer hinhält und sagt, dass sie hier war. Tosca will nun Cavaradossi zur Rede stellen und wird von Spoletta, dem Polizeiagenten Scarpias verfolgt.
Im zweiten Akt gibt es schon den Bruch. Statt des Palazzo Farnese, den Räumen Scarpias sieht man die Garderobe Toscas. Die Garderobe hat eine Zentralheizung, elektrisches Licht und große Spiegel und Einbauschränke in Weiß. Allerspätestens hier erkennt man, dass Tosca in einem Bühnengewand durch die Szenerie läuft. In einem Seitengang der Garderobe wird nun Cavaradossi gefoltert, um ihm den Aufenthaltsort Angelottis zu entlocken. Scarpia bedient sich der Bühnengarderobe von Tosca und setzt sich eine Perücke auf. In dem langen blauen Abendkostüm wirkt er unfreiwillig komisch, wenn er besingt, dass er alle schönen Frauen haben will und Tosca nur eine Eroberung ist. Scarpia durchwühlt deren Garderobe. Die Verfolgung Toscas und damit Cavaradossis hat nicht den erhofften Erfolg gebracht. Die Folterung von Cavaradossi findet in Hörweite Toscas statt. Scarpia erhofft, das Tosca durch die Schreie von Cavaradossi weich wird und den Aufenthaltsort Angelottis Preis gibt. Er zeigt sich hier uneinsichtig und besteht im Gegenteil, als er von Napoleon Sieg hört, zu den Idealen der Revolution. Cavaradossi wird wieder abgeführt und weiter gefoltert. Angelotti begeht Selbstmord in der Zelle. Ganz ohne ihre schwarze Perücke und mit hängendem Schulterkleid singt Tosca ihr Vissi d’arte, wo sie mit ihrem Schicksal hadert. Da hat die Primadonna jeden Glanz verloren. Als letzten Ausweg sieht Tosca nur, sich Scarpia hinzugeben, wenn er ihr und Cavaradossi freies Geleit nach Civitavecchia gibt. Scarpia unterschreibt den Passierschein und verspricht Cavaradossi nur zum Schein hinrichten zu lassen. Tosca hat in ihrer Garderobe einen Dolch und ersticht mit viel Theaterblut Scarpia, das sich auf den weißen Schrankwänden verteilt.
Im dritten Akt sieht man dann eine ganz leere schwarze Bühne. Die Engelsburg sieht also aus, wie ein Probenraum von Tosca. Es gibt Schränke auf der Seite. Auf der Bühne säubert eine Reinigungskraft mit einem Putzzuber aus dem 20. Jhd. zu den Klängen der Hirtengesänge die Bühne. Den Geruch der Reinigungsmittel kann man bis in den 3. Rang riechen. Tosca kommt auf die leere Bühne und klärt Cavaradossi auf, dass die Hinrichtung nur zum Schein sein wird. Er solle sich nur überzeugend fallen lassen und warten, bis alle Soldaten gegangen sind. Sie hätte den Passierschein für freies Geleit. Leider wird Cavaradossi wirklich von dem Erschießungskommando hingerichtet, auch hier ist Tosca von Scarpia getäuscht worden. Inzwischen ist der Mord an Scarpia erkannt worden und die Gendarmen suchen Tosca, statt sich, wie gesagt, von der Engelsburg zu stürzen, wird sie von Spoletta erwürgt.
Ja, was will man nun zu dieser Tosca sagen. Das Orchester war gut, die Sänger ebenfalls, leider konnte mich zumindest die Inszenierung nicht sonderlich überzeugen. Gerade dieses uminterpretierte Ende stört. Die Oper kommt mit viel Theaterblut daher, was sicher auch zum Realismus gehört. Die Verlegung der ortsgebundenen Handlung an andere Orte stört. Tosca ist nun mal Verismo und da muss es plüschig sein. Die Deutung des Regisseurs ist nun mal Geschmackssache.
Quelle: Staatstheater Nürnberg
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