Der wilde Meistersinger
Per Zufall und über drei Ecken bin ich an eine Karte für die Meistersinger von Nürnberg in Bayreuth gekommen. Ich sah die viel besprochene Inszenierung von Katharina Wagner.
Im ersten Aufzug bauen die Lehrbuben und Mädchen die Tische auf, an denen die Meistersinger später Platz nehmen sollen. Hans Sachs ist ein kettenrauchender Schreibmaschineschreiber, der mit deutlichem Anschlag Verse verfasst. Walther von Stolzing ist ein Maler, der mit viel weißer Farbe, ein Cello, einen Flügel und die ganze Bühne bemalt. Mit Rastalocken gibt er sich ganz als junger Wilder, der die Konventionen über den Haufen wirft. Pogner verspricht seine Tochter Eva einem Meistersinger. Walter von Stolzing bewirbt sich also mit einem Probegesang. Die Meistersinger treten auf. Hans Sachs sitzt an der linken äußeren Ecke, ihm gegenüber sitzt Beckmesser, der den Gesang beurteilen soll. Mit einem Regelbüchlein, das aus einer Frauenkirchen-Nachbildung entnommen wird, verpflichten sich alle dem Regelwerk. Stolzing trägt seinen Gesang vor, indem er drei Bildrollen mit modernen Grafiken entrollt. Beckmesser fällt aber ein vernichtendes Urteil über Stolzings Gesang. Mit einem wilden Einsatz eines Eimers Farbe, wehrt sich Stolzing im Tumult gegen das Urteil, geht aber im allgemeinen Tumult mit seinem Lied unter.
Im zweiten Aufzug geht es schon wilder zur Sache. Einerseits beginnt der Akt ruhig mit dem Monolog des Hans Sachs über den Vortrag des Stolzing. Statt wie es vorgesehen ist, zu schustern, hackt Hans Sachs auf die Schreibmaschine ein und dichtet Verse, die er immer wieder aus der Schreibmaschine reißt und zerknüllt. Beckmesser glaubt seine Liebesweisen Eva vorzutragen, in Wahrheit singt er es aber Magdalene vor. Sachs kommentiert hier in dieser Aufführung die Weise mit Schreibmaschinengeklappere. Es fallen ständig Schuhe aus dem Bühnenhimmel auf die Bühne. Nun wachen die Bewohner auf und auf der Bühne findet ein heftiger Einsatz von Farbe zum bunten Johannistreiben statt. Die Szene endet in einer wilden Farborgie und in einem turbulenten Chaos. Vor allem diese Szene kommt beim Publikum gar nicht gut an. Auch im Publikum gibt es daraufhin Tumult und Buhrufe.
In einer schicken modernen Wohnung grübelt Hans Sachs über den Tumult der letzten Nacht im dritten Akt. Hans Sachs ist überzeugt, daraus ein Meisterlied zu machen. Stolzing wurde von Sachs aus dem Tumult gerettet und ist von dessen Talent überzeugt. Beckmesser tritt total umgestylten und mit einem T-Shirt mit der Aufschrift Beck in Town auf. Hans Sachs gibt ihm ein Lied als Text mit, mit dem er am nächsten Tag um Eva werben soll. Es folgt ein etwas schwer verständlicher Auftritt von übergroßen Kopfmasken, die zur musikalischen Verwandlung tanzen. Am Wettgesang auf der Festwiese, die einer Tribüne des Aufmarschplatzes in Nürnberg nachempfunden ist, findet sich das Volk ein. Während Beckmesser sein Liebeslied vorträgt, entsteigt ein nackter einem Erdhaufen. Es kommt eine leichtbekleidete Frau hinzu. Das etwas nackte Liebespaar soll wohl das Misslingen des Vortrags von Beckmesser darstellen. Nach einer Weise von Hans Sachs trägt Stolzing sein Lied vor, bei dem ein Prinz im Märchenkostüm eine Prinzessin freit. Unter dem Sternenhimmel sieht man, dass der Vortrag von Stolzing glückt. Die Meister und das Publikum sind überzeugt. Es werden ein goldener Hirsch und ein Scheck als Aufnahme in die Meistergilde angeboten. Stolzing lehnt zunächst ab, es folgt ein eindringlicher Monolog von Hans Sachs, doch die Meister zu achten. Das Publikum ist euphorisch und Stolzing nimmt die Meisterehre an.
Mit viel Applaus des Bayreuther Publikums für die Sänger und den Chor endet die Vorstellung. Einzig mit der Regie ist das Publikum unzufrieden. Ob zu Unrecht oder nicht, mir hat es ausnehmend gut gefallen, auch die moderne Inszenierung störte mich nicht. Musikalisch ist Bayreuth ein einzigartiges Erlebnis, das ich nur jedem empfehlen kann. Bei den Temperaturen sind 4:30 Minuten Wagner (reine Spielzeit) natürlich eine Herausforderung. Vom Nürnberger Opernhaus ist man natürlich mit Obertiteln verwöhnt, die hier fehlen.
2 Kommentare
Kommentar von: Walter Besucher
Kommentar von: xcornix Besucher
Wie immer ein toller Bericht . Grizzly ist ein Kenner , das sieht man aus jedem Bericht , der mir immer viel Freude macht .Danke für die wunderbaren Beschreibungen .
Man merkt, hier erzählt ein Kenner und Liebhaber mit großer Leidenschaft.