Aida - Alles außer Ägypten
(Bild: Sandra Ott)
Bei der Aida von Calixto Bieito hatte ich trotz der vielen Posts in den sozialen Netzwerken, ausführliche Kritiken immer ignoriert. Wenn man die Einführung in das Stück mitnimmt, wird vieles klar, was so unverständlich bliebe. Eines ist klar, es geht um vieles bei der Deutung der Aida nur nicht um Ägypten. Das mag sich jetzt befremdlich anhören, da ägyptische Götter besungen werden und antike Stätten. Jedoch sind die Themen Imperialismus, Unterdrückung und Überfälle auf andere Völker leider zeitlos. Bei Aida hat man heute immer das Problem, dass eine totale, historische Interpretation museal wirkt, also hat in dieser Inszenierung der Regisseur kräftig aufgeräumt. Es treten viele Clowns auf, die die Fratze des Imperialismus darstellen sollen. Die lauern im Nildelta, ja selbst die Priester im letzten Akt sind Clowns.
Die Oper beginnt damit, dass eine graue Horde von Äthiopiern imaginäre Steine ins Publikum wirft. Das soll den Überfall auf Ägypten verdeutlichen. Es folgt eine Fahrt durch die Bergwerke bei der Ouvertüre. Immer wieder wird die Aufführung mit Videoeinblendungen angereichert. So fliegen Flugzeuge in Videoeinblendungen zu Radames Arie, Celeste Aida, Angriffe auf die Feinde. Im Bühnenhintergrund sieht man ein Hungertuch aus bunten Hemden, das hinterleuchtet wird. Radames hat eine Pistole in der Hand und zieht mit seinem Camouflage-Anzug als Feldherr in den Krieg gegen die Invasoren. Nun tritt immer wieder Viktoria Randem als dunkelhäutige Tänzerin und Sängerin auf, die das Ballett ersetzen muss. Als Kopfschmuck hat sie einen Kranz aus goldenen Patronen. Amneris die Tochter des Pharaos, hat ein silbernes Glitzerjäckchen an, während ihre Nebenbuhlerin Aida um die Gunst des zukünftigen Feldherrn, ein grünes glitzerndes Abendkleid hat. Aida kommt mit dünnen Ketten auf die Bühne, die Amneris löst und gleichzeitig als Folterinstrument nimmt, um klar zu machen, dass der zukünftige Feldherr ihr gehört. Bei der Ausstattung des Pharaos hat man wohl etwas bei Greta Gerwigs ‚Barbies‘-Ken abgeschaut. Der Pharao hat ebenfalls eine Fellmantel, darunter einen blau-goldenen Pyjama, eine Sonnenbrille und wieder diesen Patronengürtel am Kopf. Jetzt taucht zum ersten Mal der Imperialismus-Clown auf an einer Weltkugel auf der rechten Seite. Assoziationen zu Charly Chaplins ‚Der Große Diktator‘ klingen da an. Immer wieder wird der Clown multipliziert in der Inszenierung erscheinen, wenn man jetzt nicht weiß, was er symbolisiert, ist man irritiert. Es findet eine Segnung der Waffen durch den Priester statt. Der Männerchor in Weiß hält braune Gewehre waagrecht nach oben. Warum Radames einen Granatapfel in dem Moment zerteilt und auf seinem weißen Hemd verteilt, ist etwas rätselhaft, vermutlich eine Art Blutopfer. Von Ferne sieht es aus, als ob er sich ritzen würde. In den Gemächern von Amneris treten jetzt die Damen in rosa Shoppingbags im 50er Jahre Stil auf. Sie verdeutlichen den Konsum. Dabei sind die Kostüme und die Taschen angeglichen. Aus ihren Shoppingbags ziehen sie blonde Clownsperücken und setzen sich diese am Ende der Nummer auf. Man sieht Einblendungen im Schnelldurchlauf, die Leute beim Einkaufen im Supermarkt zeigen. Amneris hat sich inzwischen umgezogen in ein goldenes Kleid. Mit vielen künstlichen Tierfellen an der Wand, zeigt man die unbarmherzige Jagd auf die Natur. Videoeinblendungen von Großwildjagten verdeutlichen dies. Die Felle werden jetzt dramatisch von der Wand zu den emotionalen Ausbrüchen von Aida und Amneris heruntergerissen. Amneris möchte herausbekommen, ob Aida wirklich die Geliebte von Radames ist und wendet eine List an, in dem sie behauptet, Radames wäre gefallen. Darauf fällt Aida rein und es ist klar, die beiden Frauen kämpfen gegeneinander. Jetzt bringen fünf Kinder große Taschen mit Elektronikschrott auf die Bühne, auch das ein Symbol ungebremsten Konsums. Der Export von Elektronikschrott nach Afrika wird aufgegriffen. Als technikaffiner Mensch müsste man sich an der Stelle fast schuldig fühlen, wie sich die kleinen Kinder abmühen mit Tastaturen und Kabeln. Auf die fünf Kinder peitscht der Clown ein, dass sie ihre Arbeit verrichten. Das Volk tritt in Kostümen des 19. Jahrhunderts auf und bejubelt den Sieg von Radames. Oben über den Ägyptern stehen die gefangenen Äthiopier. Rechts schwenkt ein Mann eine schwarze Fahne. Es wird eine Absperrung aufgebaut, an dem der König Äthiopiens Amonasro gefesselt ist. Das Volk der Ägypter verteilt zur Freude Happy Meals in roten Papiertüten an die Kinder. Jedoch scheinen die Papiertüten leer. In der Musik dreht man jetzt unerwartet das Tempo hoch, als die Ägypter im Hintergrund zur Musik wie elektrisiert zappeln. Am Ende findet eine große finale Party zu den Trompetenklängen statt und man sieht die Parole: Let‘s make lots of money.
Auch das Nildelta im dritten Akt ist nicht so, wie man es sich vorstellen würde. Amneris wartet am Vortag der Hochzeit mit Radames im weißen Brautkleid. Ramfis der Priester bringt sie weg. Im Hintergrund laufen immer wieder Leute mit Einkaufstaschen über die Bühne. Der Beutezug hat sich gelohnt. Mit einer Äthiopienflagge betrauert sie ihre Heimat, die besiegt ist und die sie nie wieder sehen wird. Wieder lauert auf einem Holzkasten der Clown und beäugt die nun folgende Verschwörung von Aida mit Amonasro, ihrem Vater. Amonasro hat ein Schild um mit der Aufschrift „Pig!“. Ihr Vater zerreißt den Gazevorhang und man sieht ein weißes Zimmer. Aida soll Radames Kriegsgeheimnisse entlocken. Dabei sieht man in den Seitenteilen der Bühne Soldatenpuppen mit Gasmasken. Nun tritt Radames mit einer Gruppe am Boden liegender Gefangener auf. Wieder scheint er mit der Pistole wahllos auf die Gefesselten einzuschießen. Aida gelingt es ein Geheimnis über den ungesicherten Fluchtweg zu entlocken, was Amonasro triumphierend feiert. Aus der Flucht in die Wüste wird nichts, denn der Priester entdeckt den Verrat. Als man als Video-Einblendung einen strauchelnden Frachter sieht, gibt es ein böses Buh aus den oberen Rängen. Das erinnert an das Straucheln der Ever Given im Suez-Kanal, der ja ebenfalls eine Beziehung zu Ägypten hat. Die Deckenelemente werden abgesenkt und Radames auf einem der schwebenden Elemente mit einem Seil gesichert. Zwei Clowns führen Radames ab. In der Verurteilungsszene von Radames kippen nun die Bühnenelemente von der Decke und geben ein gleißendes LED-Licht in den Zuschauerraum. Es erinnert etwas an die Verhörmethode der Polizei, bei dem man den Befragten blendet. Am Ende hat Radames wieder einen Smoking an für das Verhör. Der Chor der Priester ist dabei eine Aufreihung gleich gekleideter Clowns. Nun klappt die Bühne weg und es bleibt ein leerer schwarzer Raum für die Schlussszene im Grab. Gefesselt an einen Stuhl wird Radames von zwei Clowns hereingetragen. Aida ist am Boden liegend in der Äthiopienfahne eingehüllt. Zu den Schlusstakten zieht eine verzweifelte Amneris Radames einen schwarzen Sack über den Kopf. Zu zarten Klängen endet die Aida.
Der Regisseur hat diese Aida kräftig von allen Ägypten-Klischees entrümpelt und zeitlose Themen wie Imperialismus, Unterdrückung, Konsum und Ausbeutung in den Mittelpunkt gestellt. Das kam bei der Kritik in der Presse nicht gut an. Ich hatte schon so etwas geahnt und Kritiken dazu im Vorfeld vermieden. Wäre man nicht in der Einführung vorher gewesen, ist man etwas verloren in den Symbolen. Musiziert wurde von Nicola Luisotti bei der Spielzeit-Derniere auf hohem Niveau. Selbst die heikle Passage mit den Fanfaren am Ende des zweiten Akts glückte. Ein eingesprungene Guanqun Yu als Aida zeigte keine Schwächen und meisterte ihre fordernde Partie. Auch Clementine Margaine als Amneris hatte eine emotionale Darbietung geliefert. Der Opernstar der Aufführung war Ramfis, gesungen von Erwin Schrott. Rebecca Ringst zeige eine helle, weiße, aufgeräumte Aida, die man so noch nie gesehen hat. Mit der Deutung des Regisseurs konnte ich zumindest gut leben und war froh, dass ich noch nichts darüber gelesen hatte und ausschließlich in der Einführung des Werks im Apollosaal war. Letztlich gibt diese Aufführung viel Futter für das Blog her. Wer jetzt meint, der Regisseur Calixto Bieito hätte sein Pulver an kreativen Ideen verschossen, den muss man enttäuschen. Diese Aida ist erfrischend anders.
Quelle: YouTube | Staatsoper unter den Linden
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