Götterdämmerung im Globe Coburg
Zu einer Götterdämmerung zog es mich ins neu errichtete Globe nach Coburg. Da das große Opernhaus für mehrere Jahre saniert werden muss, hat man auf einem stillgelegten Gleisgelände ein rundes Ausweichtheater mit 500 Plätzen errichtet, je nach Bestuhlung. Und nach einer Götterdämmerung mit sechs Stunden Spielzeit kann man wirklich beurteilen, ob die Sitze auch bequem sind. Als Bühnenbild hat man einen großen Museumsraum geschaffen, in dem Erinnerungsstücke an die vorherigen Ringteile ausgestellt sind. Auf dem Boden liegen die Blätter der Weltesche, die immer wieder zusammengekehrt werden. Es laufen Museumsbesucher über die Bühne. Auch Siegfried, der mit seinem schütteren, blonden Haar eher an Riff-Raff aus der Rocky-Horror-Picture-Show erinnert, taucht dort auf. Sogar eine Drehbühne hat man der Ausweichspielstätte spendiert, die bei der Eröffnungssequenz zum Einsatz kommt.
Es spinnen drei Nornen das Seil, dass sich dann als Faden zwischen den drei Sängerinnen spannt. Leider sind die Kostüme von Julia Schlinkski nicht sehr überzeugend. So hat Siegfried anfangs Adiletten an und Brünnhilde in Birkenstock Schuhe. Man ist quasi in Hauskleidung am Walkürenfelsen-Homeoffice. Erst als es auf zu neuen Taten geht, kommt eine Art Netzhemd und Springerstiefel zum Einsatz. Notung ist leider kein Schwert, sondern eine silberne Pistole. Aber auch in der Halle der Gibichungen sitzt man in Bademänteln und berät, wie man den Ruhm mehren kann. Mit den schwarzen Sockenhaltern hat Gunther zwar eine gewisse Eleganz, man ist aber geneigt zu sagen: Gunther, zieh Dir bitte etwas an! Hagen heckt einen Plan aus, Gunther und Brünnhilde zu vermählen und Gutrune mit Siegfried. Grane wird nur als schwarze Fetisch-Pferdemaske angedeutet und landet schnurstracks in der Vitrine des Museums. Bei einem Willkommenstrunk vergisst nun Siegfried seine Brünnhilde. Gutrune hat inzwischen ihr Bademanteloutfit gegen einen knalligen, roten Dress eingetauscht. Über die modischen Vokuhila/Micro Pony-Frisur von Gutrune könnte man in der Pause wirklich länger diskutieren oder sie einfach verschweigen, sie ist einfach ein Hipster-Girl in ihren roten Stilettos, die sie Szenenweise immer gegen bequeme Sneakers tauscht. Zur Blutsbrüderschaft werden zünftig Humpen mit Met gehoben. Wobei Hagen nicht mittrinkt, sondern vor einem goldenen Cremetopf sinniert, wie er den Ring von Siegfried zurückgewinnen kann. Nun kommt ein unfaires Duell zwischen Brünnhilde und Waltraute. Da die Sängerin der Waltraute erkrankt war, sprang Annika Schlicht von der Deutschen Oper Berlin ein. Da waren die Gewichte zwischen den Sängerinnen kurz ungünstig verteilt, aber das ist nun mal so, wenn plötzlich eine andere Liga mitspielt. Trotz ihrer Stimmgewalt als schwarzes Babydoll-It-Girl, kann Waltraute Brünnhilde nicht bewegen, den Ring den Rheintöchtern wieder zu geben und muss wieder unverrichteter Dinge abziehen. Die dramatische Verwicklung, bei der nun Siegfried spricht und für Gunther die Frau erobert, hätte durchaus etwas mehr Bühnendrama verdient. Gunther geht in seinen Stiefeln gelangweilt auf und ab, während er Siegfried die Eroberung des Felsen mit einem Tarnhelm durchführen lässt. Es kommt zum Handgemenge, bei dem Siegfried Brünnhilde als Gunther den Ring abnimmt.
Am Anfang des zweiten Akts beschwört Alberich seinen Sohn Hagen, den Ring zurück zu gewinnen. Alberich klaut sogar kurz das kleine Gehirn, dass an Freias Auslöse im Rheingold erinnern soll. Die Museumsbesucher stellen das Exponat aber wieder auf den Platz. In der Halle der Gibichungen hängt eine große Diskokugel und alles sieht gleich nach Hochzeitsparty aus. In einer orangen Schutzkleidung kommen stimmgewaltig die Gibichungen-Mannen herein. Da wird es ziemlich laut im Orchester und man erinnert sich aus den Satz der Einführung, dass die Götterdämmerung die lautesten Stellen hat. In einer Hochzeitszwangskleid kommt Brünnhilde herein. Ein ähnliches Kleid, allerdings ohne lange Fesselärmel, hat Gutrune an. Ob die roten Stiefel von Gutrune wirklich hochzeitstauglich sind? Die Frage, ob Brünnhilde entrückt sein, könne auch aus einer Lucia di Lammermoor stammen. Brünnhilde entbrennt im Zorn, als sie den Ring an Siegfrieds Finger sieht. Es kommt zum Eid, bei dem Siegfried schwört, Brünnhilde nicht zu kennen. Brünnhilde beschwört das Schwert als todbringende Waffe für den Meineidigen. Brünnhilde, Hagen und Gunther beschließen ein Komplott bei der folgenden Jagd. Brünhild verrät, dass Siegfrieds verwundbare Stelle am Rücken ist.
Im dritten Akt hängt an der linken Ecke ein ausgestopfter Hirsch. Eine Besucherin trägt ein Wollknäuel mit dem Nornenseil durchs Museum. In Parker-Jacken versuchen nun die Rheintöchter, Siegfried zu überzeugen, dass er den Ring zurückgibt. Auch die Preisgabe des Ringfluchs kann Siegfried nicht dazu bewegen. Die Rheintöchter orakeln, dass eine weise Frau den Ring ihnen sowieso zurückgeben werde. Es kommt zu einer Jagdszene mit Hagen, bei der es einen Erinnerungstrunk an Siegfried gibt. So kommt die ganze Vorgeschichte Siegfried in den Sinn. Ob Hagen das lange, schwarze Dragqueen-Outfit mit den Patronenhülsen am Dekolleté wirklich steht, ist auch wieder so ein Kostüm-Debakel. Man kann schon verstehen, dass Siegfried Hagen in dem Outfit unterschätzt wird. Siegfried hat ein Kreuz am Rücken als Zielscheibe, warum Hagen ihn dann doch von vorn mit einem Dolch erstechen kann, ist so etwas wie: Finde den Filmfehler. Auch, dass Siegfried nun noch knapp 10 Minuten gegen ein volles Orchester, trotz Verletzung, ansingen kann, beweist: er ist ein Held. Auf einem Stuhl singt er die letzten Töne, bevor er stirbt und der Trauermarsch einsetzt. Es kommt zum großen Finale, bei dem Hagen Gunther umbringt. Siegfried landet auf einer Bahre, eine zweite wird herausgefahren, auf dem dann Brünnhilde im kurzen weißen Hängerkleid mit langen Lederstiefeln ihr Finale singt. In dieser Inszenierung greift nun nochmal Alberich ein und bringt auch Hagen um, um letztlich an den Ring zu kommen. Das bringt einige Besucher zum Kopfschütteln. Aber auch Alberich kann mit dem Ring nichts anfangen und schleudert ihn in den Zuschauerraum.
Für ein Haus der Größe ist ein Ring wirklich ein Kraftakt. Zudem kommt der Orchestergraben der Ausweichspielstätte an seine Grenzen, weshalb die Harfen hinter einem Panel in Publikumshöhe sind. Das hat zur Folge, dass die Harfen tatsächlich manchmal sehr laut sind, was ich eigentlich bisher für einen Widerspruch gehalten habe. Auch Daniel Carter am Pult scheinen die lauten Töne mehr zu liegen, als die leisen Stellen der Götterdämmerung, die es sehr wohl gibt. In der Inszenierung von Alexander Elmau-Müller wurde mir etwas zu viel auf Stühlen gesessen, zudem scheinen große Umbauten ein Problem zu sein, weshalb man hier ganz verzichtet hat. Die Nornen sind auch gleichzeitig die Rheintöchter und sind immer wieder einmal in Schaukästen präsent. An den Knicklichtern im Rang konnte man erkennen, dass am Vortag die Rocky Horror Picture-Show gespielt wurde, vielleicht erinnerte mich Siegfried deshalb etwas an Riff-Raff.
Eine große Würdigung verdient aber an der Stelle das Haus an sich. Man setzt hier wieder klassisch auf Übertitel und muss sich nicht auf kleinen Seitenmonitoren abmühen mit Lesen. Das Haus hat vier kleine aber gut sortierte Bars, an denen man schnell zu seinen Getränken kommt. Ich finde WLAN im Opernhaus eine große Hilfe, nicht dass ich während der Vorstellung ständig auf das Handy schauen müsste, aber ein Funkloch im Opernhaus, wie an der Bayrischen Staatsoper es lange Zeit üblich war, ist einfach unzeitgemäß. Mit den Plätzen im ersten Rang Seite hatten wir eine gute Wahl, denn die Stuhlreihen sind sitzplätzeweise leicht in Richtung Bühne gedreht. Einziger Wermutstropfen war vielleicht die Geräusche von der Lüftung gegen Ende. Aber Parkplätze vor Ort, modernes Haus, man blickt etwas neidisch nach Coburg von Nürnberg aus und schüttelt den Kopf über das Gezerre um die Ausweichspielstätte für die Oper in Nürnberg. Wieso schafft Coburg, was sich in Nürnberg nicht nur ansatzweise zeigt bisher? Ein Theater in der kurzen Bauzeit von nur drei Jahren hinzustellen verdient Respekt.
Quelle: YouTube | Grizzly2000
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