Mit dem Musical ‚Catch me if you can’ ist Nürnberg so was wie ein Kassenschlager gelungen. Entsprechend häufig erscheint das Musical über den Hochstapler Frank Abagnale auf dem Spielplan. Gil Mehmert schafft darin eine Hommage an die 60er Jahre mit viel Haarspray und nostalgischem Blick zurück, in der man es problemlos gelang, mit etwas Kleber, Tinte und Radiergummi Schecks zu fälschen, mit Uniformen zu beeindrucken und die Rollenverständnisse scheinbar noch gefestigt waren. Passend zur großen Frank Abagnale Show, die gleich zu Beginn des Musicals von einem swingendem Frank William Abagnale Orchestra begleitet wird. Was zunächst mit einer Schießerei am Flughafen von Miami beginnt, mündet ziemlich schnell in einer großen TV-Show über den Hauptdarsteller. Mit zwei Showtreppen, etwas bunter LED-Beleuchtung und einer großen Schrift: ‚live on air‘ erklärt die Hauptperson nun, wie es zur Schießerei am Flughafen kommen konnte. Sein Verfolger Hanratty gesteht ihm die Zeit er, denn er will wissen, wie Frank sich durch das Leben als Pilot, Arzt und Anwalt geblufft hat. Hanratty ist vor allem daran interessiert, wie er zum Anwaltstitel in New Orleans kam. Also lässt er Frank sein Leben erzählen.
Das beginnt zunächst recht harmonisch. Frank Abagnale Senior war Soldat in Frankreich und hat sich dort auf einem Abend für die Truppe, in die dort auftretende 16-jährige Paula verliebt. Sein Vater war einer von 200 Soldaten und wollte genau dieses Mädchen an dem Abend haben. Franks Mutter schmückt einen Christbaum. Die Zeiten für Franks Vater stehen schlecht, er verkauft seinen Cadillac um Rückstände zu begleichen und einen Farbfernseher zu kaufen. Frank selbst muss von der Privatschule runter an eine staatliche Schule. Mit seinem Nadelstreifenjackett wird er dort fälschlicherweise als Aushilfslehrer angesehen. Das ist eigentlich seine erste Rolle, die er mehrere Tage spielt, bis die Direktorin einschreitet. Er hätte einen Ausflug in eine Pommes-Frittes-Fabrik organisiert und zu einem Elternabend eingeladen. Sein Vater sieht das eher belustigt, so nach dem Motto, der Junge schafft es zu beeindrucken. Als er eines Abends nach Hause kommt, sieht er neben der Umzugskiste, seine Mutter in den Armen des besten Freundes seines Vaters. Die Beziehung seiner Eltern kommt ins Wanken. Seine Mutter und sein Vater entfremden sich immer weiter. Frank befindet sich plötzlich mitten in einer Gerichtsverhandlung, bei der ein Richter mit überlangem schwarzem Talar bittet, Frank sich zwischen Vater und Mutter zu entscheiden. Frank bekommt von seinem Vater 20 Schecks. Mit einem Trick schafft er es aus dem Vorort New Rochelle, nach Manhatten. Jetzt gibt es einen kurzen Werbeblock, bei dem Werbung für Kleber, Tinte und Tippex gemacht wird. Frank fängt an die Schecks zu fälschen und löst bei immer anderen Filialen der Banken diese Schecks ein, was seine Verfolger auf den Plan ruft. Mit einem weiteren Trick verschafft er sich nun durch ein Foto die Kopie eines Ausweises eines Piloten, er gibt sich dabei als Reporter einer Schülerzeitung aus. Er lernt den Jargon der Flieger, lässt sich eine Uniform abmessen und auf Rechnung ausstellen. In einer blauen Glitzerjacke genießt er nun die Zeit zwischen den Flügen und weitet damit seinen Aktionsradius in Sachen Scheckbetrug aus. Wieder taucht Frank als gemachter Pilot bei seinem Vater auf und bietet ihm Hilfe an. Frank glaubt immer wieder dran, dass seine Eltern zusammenfinden. Der Vater schickt ihn aber weg. Es folgt ein Running Gag über ertrinkende Mäuse in Milch, bei der die erste ertrinkt und die zweite mit ihren Beinen solange rudert, bis die Milch zu Butter wird und sie entkommen kann. Als Pilot hat er auch eine Affäre mit einem Playmate. Für 1000 Dollar bekommt er eine Nacht mit ihr, die er wieder mit einem falschen Scheck bezahlt. Das Hotelzimmer ist aber leer und sein Verfolger Hanratty durchwühlt den Müll nach Hinweisen auf den Fälscher. Etwas weiter in Los Angeles treffen Hanratty und Frank das erste Mal aufeinander. Der Verfolger hat ihn schon fast, als er sich dann als Clark Kent ausgibt, der selbst hinter dem Fälscher her wäre. Frank hat jetzt die Telefonnummer des Verfolgers und nach einer Flucht nach Washington baut sich ein fast mystisches Verhältnis zwischen den beiden auf. An Weihnachten wären wohl beide alleine und hätten niemand zum Reden.
Frank hat von der Verfolgung genug, er zieht sich nach Atlanta zurück. Dort will er eigentlich kürzertreten, gibt sich aber wieder als Kinderarzt aus und wird Chef der Notaufnahme. Es findet eine wilde Party der Bewohner des Nobelviertels in Atlanta statt, bei der recht freizügig bekleidete Krankenschwestern mit Ärzten anbandeln. Obwohl Frank kein Blut sehen kann, wird er Oberarzt dort. Unterstützt wird er dabei von Brenda. Seine Verfolger sind nicht untätig und haben eine lange Computerliste mit vermissten Schülernamen. Hanratty hat ziemlich schnell rausgefunden, welcher Schüler der richtige ist und befragt seine Mutter und seinen Vater, nach Franks Verbleib. Sein Vater wehrt total ab, Frank wäre auf dem Weg nach Vietnam, um sein Vaterland zu verteidigen. Allerdings findet Hanratty einen Brief mit einem Absender aus Atlanta, wo Frank ja untergekommen ist. Brenda versteht unterdessen nicht, warum Frank ausgerechnet sie ausgesucht hat. Es gäbe doch bessere Frauen überall, auch in Nürnberg. Die Verfolger sind weiter hinter ihm her und er flieht mit Brenda zu ihren Eltern. Brenda stellt ihren Eltern Frank vor, Brendas Vater ist Anwalt, worauf sich Frank als Anwalt zu erkennen gibt. Für den Vater Mitch ist es aber nur wichtig, dass Frank Lutheraner ist, und fordert ihn zum Tischgebet auf. Es folgt die Mitch-Show, bei der drei Elterndoubles auftreten mit Pappblasinstrumenten. Jetzt begeht Frank einen Fehler, indem er seinen Arztnamen in einer Verlobungsanzeige veröffentlicht. Dies führt Hanratty zu ihm. Frank muss flüchten, verrät Brenda aber noch den richtigen Namen. Es folgt eine wunderbare Einlage a la Diana Ross & the Supremes, bei der Brenda erzählt, wie sehr sie Frank liebt und dass sie ihn nie verraten würde.
Damit sind wir wieder am Anfang des Stücks mitten in der Schießerei. Hanratty informiert Frank, dass sein Vater betrunken bei einem Treppensturz ums Leben gekommen sei. Frank erkennt, dass sein letzter Halt verloren ist. Er stellt sich der Polizei, bekommt 15 Jahre als Gefängnisstrafe. Davon werden im 8 wegen guter Führung erlassen. Mit Handschellen aneinandergekettet, gibt es nun das Finale und die Auflösung. Frank arbeitet mit seinem Wissen als FBI-Mitarbeiter zusammen mit Hanratty, um Scheckbetrüger zu fassen. Am Ende gesteht Frank, dass er für die Anwaltsprüfung in New Orleans wirklich 14 Tage gelernt hat und diese bestanden hatte.
Zunächst hat das Musical alles, um richtig durchzustarten. Zwei Showtreppen, bunte LED-Lichter, eine swingende Band mit 14 Mann (Jürgen Grimm und seine Big Band). Gerade der Dialog mit dem Orchester ist immer wieder witzig, wie Frank die passende Untermalung zu der Szenerie einfordert. Mir badet das Musical aber insgesamt auch etwas zu sehr in den Klischees, so finde ich sexy Krankenschwestern und Tänzerinnen mit Playboy-Hasenohren zum Finale vielleicht vor dem Mief der 50/60er Jahre noch vorzeigbar. Insgesamt geht das aber heute irgendwie nicht mehr durch. Die kaputte Beziehung der Eltern und die etwas grobe Darstellung des Vaters als Hochstapler und Säufer ebenso. Die Mutter macht als Beziehungshopperin auch keine gute Figur. Da fällt einem sofort der Spruch ein: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Ob letztlich die Anhäufung vieler Klischees wie im Film Casablanca, letztlich zum Kult ausreichen, bezweifle ich etwas. Das Publikum war aber gut unterhalten, das Haus war voll und das Opernhaus um einen Kassenknüller reicher. Es sei dem Staatstheater gegönnt, denn getanzt und gespielt wird auf hohem Niveau.
Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg
Zu einer Aufführung von Anastasia hat es mich nach Stuttgart gezogen. Das Musical um die Zarentochter Anastasia, dabei versucht man den Spagat zwischen einem Bergmann-Film und dem Zeichentrickmusical. Man darf sich da nicht auf das geschichtliche Glatteis führen lassen. Stimmen zwar Personen, Stadtansichten und Kostüme, ist es von der Handlung her doch pure Fiktion. Abwertend könnte man jetzt von Fake-News oder Geschichtsklitterung sprechen. Dennoch lässt das Musical geschickt die Frage offen, ob die gefundene Zarentochter doch wirklich echt war. Die Musik von Stephen Flaherty schafft es geschickt, jeder Person eigene Motive zuzuordnen, die dann im Verlauf immer wieder aufgegriffen werden. Eine Bühnen füllende LED-Wand erzeugt auch mit sparsamer Dekoration immer wieder neue Räume.
Es beginnt im Jahr 1907, als Maria Fjodorowna-auch genannt Nana- sich von der Enkelin verabschiedet, aus Petersburg aufbricht und nach Paris geht. Eine Spieldose, die sie von ihrer Oma bekommt, soll für Anastasia eine wichtige Rolle spielen. Bei dem Walzer der Spieldose verschwindet Anastasia als kleines Mädchen und kommt in der nächsten Szene als Jugendliche hinter der Säule hervor. Man erlebt die Revolution im Jahr 1917 aus Sicht der Romanows im Winterpalast in Petersburg. Man ist gerade beim Tanz, die ganze Zarenfamilie ist festlich gekleidet in Weiß, als die Revolution mit rotem Feuer über sie hereinbricht. Es zersplittern scheinbar die Scheiben und die Revolutionsgarden erschießen die Familie aus dem Hinterhalt. Das Zersplittern der Scheiben geschieht mit Hilfe der LED-Panels. In der nächsten Überblendung ist man 10 Jahre weiter im Jahr 1927. Gleb Vaganov verspricht in Leningrad eine gute Zukunft nach der Liquidation der Romanovs. Anya leidet an Amnesie und ist sehr schreckhaft. In einer Folgeszene suchen Dimitry und Vlad eine Schauspielerin, die die Rolle der überlebenden Anastasia einnehmen soll. Ihre Großmutter hat in Paris eine große Belohnung ausgesetzt, auf die Überbringung der echten Zarentochter Anastasia. Die drei Damen, die sie geladen hatten, sind alle durchgefallen, als Anya auftaucht. Diese kann sich vage an einen Abend im Jussupow-Palast erinnern. Mit einer Familienaufstellung auf einer Kreidetafel und Details über die Zarenfamilie trainiert man Anya die Rolle der Zarentochter an. Anya wird aber von Gleb verhaftet, in einer Schreibstube hört man Gerüchte, dass die Zarentochter noch lebt. In einer kurzen Sequenz macht sich Gleb über die schlecht funktionierenden Telefone russischer Bauart lustig, dennoch ist er linientreu. Gleb bestellt Anya in sein Büro und warnt sie davor, die Rolle der Anastasia zu spielen. Sein Vater hätte die Romanovs getötet und mit einer angeblichen Anastasia würde er ähnlich verfahren. Mit einer Verwarnung lässt er Anya laufen. Dimitry und Anya treffen vor einem Prospekt der Heilig-Blut-Kathedrale zusammen. Er zeigt Anya eine Spieldose, die ihm bei der Oktoberrevolution zufiel, aber nicht öffnen konnte. Anya öffnet die Spieldose ohne Probleme, somit glaubt er auch, Anastasia vor sich zu haben. Sie erinnert sich an die Romanows und gibt zu, dass ein Diamant in ihrer Kleidung eingenäht war. Man hätte den Diamanten im Krankenhaus in ihrer Kleidung gefunden. Damit haben Dimitry, Vlad und Anya genug Geld, nach Paris zu fahren. Am Bahnhof von St. Petersburg trifft Anya auf Ipolitov, der sich vor ihr verneigt. Intellektuelle und flüchtige Adelige singen am Bahnhof ein ergreifendes Abschiedslied von Petersburg (Mein Land) und steigen in einen skelettierten Wagen auf die Reise nach Paris. Mit Einblendungen russischer Landkarten und Drehbewegungen des Wagons, simuliert man die Bahnreise nach Paris. Kurz vor der Grenze müssen sie jedoch vom Wagen springen, bei einer Kontrolle wird Graf Iplitov erschossen und man sucht Anya. Gleb erhält die Nachricht in Leningrad, dass Anya flüchten konnte und nimmt die Verfolgung auf. Zu Fuß erreichen Dimitry, Vlad und Anya einen blühenden Obstgarten vor Paris. In einem Schwenk sieht man den Eifelturm und Paris. Sie haben es geschafft.
Im zweiten Akt steht das lebensfrohe Paris ganz im Kontrast zu Leningrad. Mit einer großen Revuenummer begrüßt Paris die drei Neuankömmlinge. Die lebensfrohe Zofe Lily Malevsky-Malevitch von Maria Fjodorowna macht das Nachtleben unsicher. Ihre Herrin hat nach vielen falschen Anastasias die Hoffnung 1927 noch die richtige Anastasia zu finden, fast aufgegeben. Sie zitiert die vielen Betrügerinnen, die es nur auf ein Ticket nach Paris oder die Belohnung abgesehen hätte. Lily geht in den Club Newa und tanzt dort mit exilierten russischen Adeligen (Land, das einmal war). Gleb versucht ebenfalls dort Einlass zu bekommen, wird aber aufgrund seiner Schuhe als Russe erkannt und nicht hineingelassen. Im Newa-Club versucht man, die guten Zeiten mit einer Party wach zu halten. Lily trifft dann auf Vlad, mit dem sie eine Affäre hatte. Er hatte ihr einen Diamantring gestohlen, weshalb sie die Affäre beendete. Dennoch lässt sie die Romanze wiederaufleben. In einer Albtraumszene erscheinen Anastasia die ermordeten Romanows. Dimitry erinnert sich an eine Begegnung mit Anastasia und Anya führt diese Erinnerungen weiter. Nun folgt eine Szene in der Pariser Oper man erlebt eine Aufführung von Schwanensee mit sechs Balletttänzern. Man fädelt mit etwas Umwegen ein Treffen zwischen der Großmutter, ein, denn auch Lily erkennt in Anya die Zarentochter. In einem Hotelzimmer sprechen sich dann Anya und die Großmutter aus. Anya nennt ihre Großmutter Nana, wie sie sonst immer gerufen wurde und erstmals glaubt die Großmutter, am Ziel zu sein. Letztlich überzeugt ist sie, als Anya ihr die Spieldose zeigt. Die Presse bekommt davon Wind und am nächsten Tag fällt die Meute über die Großmutter und Anya her. Maria Fjodorowna gibt Anya Bedenkzeit. Dimitry hätte auf die Belohnung für die Vermittlung verzichtet. Es kommt zu einer etwas merkwürdigen Konfrontation zwischen Gleb und Anya, bei der Anya inzwischen sehr sicher ist, Anastasia zu sein. Sie fordert ihn auf, sie zu erschießen, was er aber nicht kann. Schließlich lässt Anya die Spieldose im Bett zurück und folgt Dimitry in einem roten Kleid zur Brücke. Maria Fjodorowna spendet die Belohnung für wohltätige Zwecke und hat die Suche nach Anastasia aufgegeben.
Wenn man auch nur einen Artikel über Maria Fjodorowna gelesen hat, so erkennt man relativ schnell, dass die Geschichte erfunden ist. Es bestehen Parallelen zur Lebensgeschichte von Anna Anderson, die sich als Anastasia ausgab. Zwar gibt es stimmige Details, wie die Familienaufstellung der Zaren mit dem kranken Zarewitsch, dennoch bleibt das Ganze ein Disney Märchen. Maria Fjodorowna war immer auf der Suche nach ihrem Sohn, von dem sie bis zum Tode, trotz erdrückender Beweise im dänischen Exil glaubte, er würde noch leben. Heute weiß man durch DNA-Tests, dass alle Damen, die sich in den 20er Jahren als Anastasias ausgegeben haben, Hochstaplerinnen waren. Man ist aus heutiger Sicht, ebenfalls durch DNA-Tests, sehr sicher, dass Anastasia, wie alle Romanows ermordet worden ist. Es bleiben aber tolle Impressionen von St. Petersburg hängen durch die LED-Panels und von Paris und der Oper. Die Musik von Stephen Flaherty geht gut ins Ohr und die Spieluhrenmelodie zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte. Die Texte sind sehr gut aus dem Englischen übersetzt. Judith Caspari als Anastasia und Daniela Ziegler als ihre Großmutter spielen sehr gut. Richtig rocken tut die Szene Lily aka Jacqueline Braun, als lebensfrohe Hofdame. Man träumt von Paris, St. Petersburg und für Träume und Märchen ist Disney ja bekannt. Davon zeugt auch die opulente Kostümausstattung. Wer von Disney einen wahrheitsgetreuen Blick auf die Oktoberrevolution in Russland und die Zarenfamilie erwartet, ist hier definitiv falsch verbunden.
Quelle: YouTube | Stage Entertainment
Ein Musical aus den 90er Jahren, nämlich Miss Saigon, hat mich nach Köln verschlagen. Dort hat man das Stück für drei Monate in einer überarbeiteten Version von 2013 wieder ins Programm genommen. Die Dialoge wurden etwas verändert, es gibt ein paar neue Sequenzen und ein neues Lied für Ellen. Dieses Musical war eine Art Schlüsselerlebnis, bei dem die Leidenschaft für Oper entstanden ist. So hat dieses Musical eben kaum Sprechpassagen und in den 155 Minuten wird viel gesungen, auf Englisch mit roten Seiteneinblendungen. Man hat aber die Szenen, die mich damals beeindruckt hatten, wie der Hubschrauberstart an der Botschaft in Saigon und die Szene mit dem Cadillac kurz vor Schluss trotz der Einschränkungen des Musicaldomes unverändert gelassen. So war das ein sehr würdevoller Trip in die Vergangenheit des Opernblogs. Die Handlung ist an Puccinis Madame Butterfly angelehnt. Der Offizier Chris hat von einer Nacht mit der Vietnamesin Kim ein Mischlingskind. Die Handlung springt dabei immer etwas und erzählt dann teilweise in Rückblenden, wie es zu der Trennung in Saigon kam und warum Chris in Amerika wieder geheiratet hat. Das Musical endet tragisch, als Kim die Hoffnung hat, mit Chris nach Amerika gehen zu können. Sie muss aber erkennen, dass er inzwischen verheiratet ist und nur sein Kind holen will. Sie erschießt sich am Ende.
Die Handlung startet in einem Nachtklub von Saigon. Die 17-jährige Kim flüchtet vor den Kriegswirren in die Stadt, es herrscht Endzeitstimmung. Der sogenannte Engineer, eine Art Zuhälter, organisiert die Wahl der Miss Saigon. Eine Gruppe Gis darunter Chris kommen in die Bar. Die ist drehbar und vielseitig verwendbar. Links neben der Bar gibt es eine bunte Musikbox. Chris ist vom schüchternen Auftreten Kims fasziniert. Kim und Chris kommen sich beim Tanz zu Saxofonklängen näher. Sie verschwinden in ein Zimmer in der rechten Bühnenhälfte. Chris verliebt sich so kurz vor Kriegsende tatsächlich in Kim und löst sie aus. Die schönste Szene in dem Stück ist für mich immer noch die Hochzeitszeremonie, die dann stattfindet. Dort singen die Damen der Bar ein vietnamesisches Lied. Drei Jahre später ist die Zeit vorangeschritten. Die roten Soldaten von Ho Chi Minh haben die Macht übernommen und marschieren martialisch auf. Ein roter Glücksdrache mit echtem Rauch eröffnet die Szene. Die roten Horden legen ein Ballett mit Gewehren und dreieckigen Hüten hin. Im Hintergrund ist eine überlebensgroße Büste von Ho Chi Minh. Der Ex-Verlobte von Kim ist ein Kommissar und bittet seine Verlobte zurückzukommen. Sie lebt in einem Flüchtlingslager. Unterdessen träumt Chris immer noch von Kim in Amerika bei seiner neuen Frau Ellen. Kim kann nicht zurück zu dem Kommissar, da sie ein Kind von Chris hat. Als dieser den Sohn beseitigen will, erschießt sie ihren Ex-Verlobten. Der Engineer, der Kim im Flüchtlingslager ausfindig gemacht hat, erkennt die Chance des Sohnes eines GIs und gibt sich als Kims Bruder aus. Er hat sogar noch Juwelen aus den besseren Zeiten von Saigon aufgehoben. Sie schließen sich dem Flüchtlingsstrom an und verlassen Vietnam.
Den zweiten Akt eröffnet eine Einblendung von Mischlingskindern. Chris setzt sich für die sogenannten Bui-Doi ein, die in einem Programm nach Amerika geholt werden sollen. Die Mischlingskinder leben unter erbärmlichen Umständen in Heimen. Chris erfährt, dass er selbst einen Sohn hat, der mit Kim inzwischen in Bangkok lebt. Chris beschließt, mit Ellen nach Bangkok zu fahren. Er landet in der roten Halbwelt von Bangkok. Unter roter Reklame vertickt der Engineer billige Frauen an Sextouristen. Aber der Engineer ist nicht mehr der Chef und selbst Flüchtling. Kim wird von dem Mord an ihrem Verlobten von Albträumen geplagt, die Erinnerungen an Chris und ihren Ex-Verlobten vermischen sich. In Bangkok holen Chris die Kriegserinnerungen an den Fall von Saigon ein, als es selbst unter dramatischen Umständen aus der Botschaft fliehen muss. In dieser Szene sieht man zuerst eine Laserprojektion, dann eine 3,5 Tonnen schwere Hubschrauberattrappe, die mit lautem Geknatter von der Botschaft abhebt. Am Zaun der Botschaft hofft unter den chaotischen Umständen Kim vergeblich, mitreisen zu können. Man landet wieder in der Gegenwart und Kim trifft auf Ellen im Hotelzimmer. Hier trifft Kim dann unvorbereitet auf Ellen, die nur den Sohn ihres Ehemanns holen will. Inzwischen träumt der Engineer bereits von Amerika. In dieser Szene ist der Cadillac dann weiß und nicht rosa, wie 1995. Eine leichte Dame in weißem Pelz und mit blonder Perücke fährt ein. Der Engineer sagt, dass sein Geschäft mit der Liebe überall auf der Welt funktionieren wird. 7 Tänzerinnen und 14 Tänzer setzen den Traum von Amerika vor eine Freiheitsstatue als weiße Gittermaske gekonnt mit einer Revuenummer um. Kim packt die Sachen für ihren Sohn. Der Engineer bringt Kims Sohn Tam zu Chris. Abschließend schießt sich Kim aus Verzweiflung hinter dem Vorhang.
Ob die Tänzerinnen wirklich die beschriebenen 1kg Perlen in den leichten Kostümen hatten und ob Kim wirklich alles sieben verschiedenen Frisuren ohne Perücke bestritten hat, lässt sich aus der 22. Reihe nicht mehr sagen. Es ist und bleibt eines der Mega-Musicals der 90er Jahre, das in der neuen Fassung auf keinen Fall angestaubt ist. Die Eindringlichkeit, mit der die Folgen des Krieges in Vietnam geschildert werden, ist beeindruckend. Die Szene mit dem Hubschrauber und dem Chaos an der Botschaft beim Fall Saigons einfach großartig. Ein Besuch der Neuauflage lohnt sich in jedem Fall. Aus heutiger Sicht ein Meilenstein der Musicalgeschichte. Das Bild an einem Flughafen mit einem Mischlingskind, das sich von seiner Mutter verabschiedet, als es nach Amerika reist zum Vater, ist der Ausgangspunkt.
Als Gastspiel der Frank Serr Showservice Int. wurde in Fürth einmalig Hair gezeigt. Das Musical aus der Flower-Power-Zeit sorgte seinerzeit mit der Geschichte um Drogen, freie Liebe und Frieden für ziemlichen Aufruhr. Man muss sich aber vor Augen halten, dass man hier die Musicalversion von Hair sieht und nicht die Filmadaption von Miloš Forman. Es gibt keine Geschichte um die Millionärstochter und Claude, auch die Eltern hat man gnadenlos gestrichen. Auch fehlt die Verwechslungsgeschichte am Ende, als George und Claude die Rollen tauschen.
Los geht es eigentlich schon im Foyer, als uns ein Hippie um ein Bier anschnorrt. Er gibt nicht nach, bis wir wirklich den 1,50 EUR springen lassen und ihm ein Pils kaufen. Auch auf der Bühne im Stadttheater entfaltet sich schon vor dem eigentlichen Stück Flower-Power. Auf der Bühne wird getanzt und geklatscht, in den ersten Reihen wird rumgetollt. Echte Anarchie eben. Die Generation 50 plus im Saal nimmt es gelassen hin. Es steht ein Stahlgerüst auf der Bühne, das etwas an eine Mondlandefähre erinnert. Links daneben ist eine Liveband. Man bezeichnet das Stück gerne als Musical ohne Libretto, denn die Handlung ist nur schemenhaft zu erkennen. Claude hat seinen Einberufungsbescheid erhalten und trifft in New York Berger und Sheila. Während sich Claude entscheiden muss, ob er dem Einberufungsbescheid nach Vietnam Folge leisten will, versuchen sich die Hippies in einem Tribe um Berger als Aussteiger. Es gibt eine Friedensdemo, bei dem das Publikum mitskandieren soll. Gespielt wird meist in Englisch, aber zum besseren Verständnis hat man auch eine deutsche, schwangere in den Tribe gemischt. In der WG geht es nur um Drogen. Die Frage ist nicht, ob man hier in der WG Drogen nimmt, sondern warum es Leute gibt, die keine nehmen. Es stellen sich einige Mitglieder des Tribes vor. Es erscheint sogar ein Mitglied des Tribes mit einem Freiheitsstatuen-Kostüm und einer übergroßen Tüte Marihuana. Zwischen George Berger und Sheila ist es auch nicht unbedingt einfach, als sie ihm ein gelbes Satinhemd schenkt, dass er vor ihren Augen zerreißt. Er mag kein Gelb, die Begründung. Man feiert sich im ersten Akt hauptsächlich selbst und verhackstückt schon mal die US-Hymne. Dies ist bisweilen ziemlich laut. Man entledigt sich der Zwänge und verbrennt in einer Tonne symbolisch BHs und Einberufungsbescheide. Es folgt das Hare-Krishna-Lied und gegen Ende des ersten Akts sind die Darsteller tatsächlich fast nackt, was durch das Dunkel auf der Bühne etwas verschämt angedeutet wird.
Im zweiten Akt nimmt die Handlung etwas Fahrt auf. Der Tribe will seine Liebe als Protest gegen die Einberufung von Claude an das Wehramt senden. Die Rassenthematik kommt zum Thema, wobei die Mulit-Kulit-Truppe damit scheinbar kein Problem mehr hat. Es gibt eine schöne Musiknummer mit LED-Kerzen, die der Anfangsszene des Films angelehnt ist, bei der die Einberufungen verbrannt werden. Man veralbert mit einer Pseudoerschießung das Militär. Auch wenn es damals keine LED-Effekte gegeben hat, so in bunt ist das schon sehr schön anzusehen. Claude bekommt schließlich seine langen Haare geschoren. Der Tribe kann die Einberufung von Claude nicht verhindern. Claude stirbt letztendlich im Vietnamkrieg und bekommt ein Heldenbegräbnis unter der Flagge. Zum Finale kommt das Bekannte: Let the sun shine in… Spätestens hier, rockt das ganze Publikum mit. Die Musik mit seinen 30 Einzeltiteln von Galt MacDermot hat letztendlich gesiegt. Im Programmheft wird versprochen, dass man sich nach der Aufführung jünger fühlt. Auf einen Teil des Publikums scheint dies wirklich zuzutreffen.
Das Ganze mutet etwas wie ein blumiger Blick zurück in die 68er Generation an. Die hat längst selbst im Saal des Stadttheaters Platz genommen und sieht ihrer eigenen Vergangenheit entgegen. Es ist eine Zeitreise, bei der man heute oft fragt: War das wirklich alles so? In Zeiten von sozialen Netzwerken scheinen solche Freiräume pure Utopie. Liebe, Drogen und Musik: Kein Blick aufs Handy oder mal kurz was auf Facebook checken. Die Freiheit liegt wohl schon 50 Jahre zurück. Allerspätestens im Finale des zweiten Akts ist man mitten drin: Let the Sunshine In.
In einer deutschen Erstaufführung zeigt das Stadttheater Fürth ‚Die Story meines Lebens‘, ein Musical von Neil Bartram und Brian Hill. Das zwei Personen-Stück kommt dabei ohne großes Bühnenbild aus. Ein paar Stapel mit dickem, weißen Papier, eine Leiter von der Decke, eine Tür und ein Podium; das war es dann aber auch für Martin Maria Blau. Man soll sich bei dem Stück ganz auf die Dialoge der beiden Hauptdarsteller konzentrieren. Im Wesentlichen geht es dabei um einen erfolgreichen Buchautor namens Thomas Weaver, der eine Grabrede für seinen besten Freund Alvin Kelby halten soll. Thomas Borchert als Thomas versucht dabei, die leeren Blätter mit Inhalten zu befüllen. Leider fällt ihm zu seinem Freund zuerst nicht viel ein, als er alleine auf der Bühne sitzt. Ein paar Minuten später kommt sein Freund als Geist ihm zu Hilfe. In 1h 45min ohne Pause entwickelt sich zuerst langsam, dann aber doch spannend die Geschichte seiner Freundschaft mit Alvin (Jerry Marwig). Thomas leidet etwas unter einer Schreibblockade. Aufgezogen ist die Story chronologisch in Geschichten der beiden Personen seit ihrer Schulzeit. Es beginnt mit einer Episode aus der ersten Klasse. Eine Miss Wilkinson mit Damenbart ist Lehrerin. Thomas verkleidet sich zu Halloween als Engel Clarence aus dem Film: Ist das Leben nicht schön? Alvin ist der einzige, der seine Verkleidung erkennt. Alvin hat sich als seine Mutter mit Bademantel und Lockenwickler verkleidet, die zu dem Zeitpunkt schon tot ist. Etwas später bekommt Thomas von Alvin im Buchladen von Alvins Vater ein Buch mit den Abenteuern von Tom Sawyer geschenkt. Das Buch verändert Thomas Leben und er beschließt, Autor zu werden. Alvin ist immer der Außenseiter, der als Freigeist beschrieben werden kann. Während Thomas aus der Kleinstadt ausbrechen will und auf das College will, bleibt Alvin als Hilfe beim Buchgeschäft seines Vaters. Es kommt noch mal zu einem Halloween, wo sich Alvin noch Mal als seine Mutter mit Lockenwicklern verkleidet. Highschool-Jungs verfolgen ihn, ziehen im den Nachtmantel der Mutter aus und werfen ihn in den Fluss. Alvin erzählt nun, dass die Erinnerungen an seine Mutter verblasst sind und der Nachtmantel die einzige Erinnerung war. Zur Aufnahme ins College muss Thomas eine Geschichte abgeben. Er schreibt die Geschichte vom Schmetterling, der das Wetter mit seinem Flügelschlag beeinflusst. Dies ist eine Geschichte, die er zusammen mit Alvin erlebt hat. Zum Abschied gibt Alvin Thomas einen Kuss auf den Hals, es soll der erste von vielen Abschieden werden. Regelmäßig zu Weihnachten kommt Thomas aber wieder nach Hause und macht mit seinem Freund Engel im Schnee und sehen den besagten Film. Thomas schreibt wieder an einer Kurzgeschichte, hat aber immer noch keine Idee. Es kommt, wie es kommen muss. Thomas bringt eines Tages Anne mit, ein Fan. Alvin ist wenig begeistert. Aber auch für Thomas läuft es nicht rund. Er überlegt, ob die Beziehung zu Anne nicht etwas früh kommt. Überhaupt hat er wenig Zeit, wegen seiner Karriere. Er kommt auf die Idee nach dem Tode von Alvins Vater, diesen in die Stadt einzuladen. Während sich Alvin ziemlich freut, ist Thomas immer mehr im Stress. Er erzählt seinem Freund nicht, dass er die Beziehung zu seiner Freundin pausieren will, um an seiner Karriere zu arbeiten. Die Freundin reagiert mit Unverständnis. Thomas bitte darauf hin Alvin nicht in die Stadt zu kommen. Alvin ist bitter enttäuscht, dennoch bleibt er ein großer Fan von Thomas, der als Kurzgeschichten immer Geschichten aus der Jugend mit Alvin niederschreibt. Er erinnert sich daran, als er Alvin das letzte Mal gesehen hatte. Jetzt kommt raus, dass Alvin Selbstmord begangen hatte. Eine Enttäuschung mit Thomas war die Grabrede für Alvins Vater. Statt eine eigene Geschichte für den Vater von Alvin zu schreiben, zitiert Thomas nur einen bekannten Schriftsteller. Wieder ist Alvin enttäuscht und hält die Grabrede für seinen Vater selbst. Eine Woche später, so erfährt man dann springt Alvin an Weihnachten von der Brücke. Diesmal überwindet Thomas seine Schreibblockade und schreibt eine Grabrede für Alvin, die als einer Sammlung Geschichten für Alvin besteht.
Das Musical beginnt sehr langsam, fast zäh. An vielen Stellen diktiert Alvin Thomas, was er schreiben soll. Thomas wiederholt das Gesprochene, während er es niederschreibt. So nach und nach dämmert es auch Thomas, dass er am Tode Alvins nicht unschuldig ist. Ein wesentliches Element ist dabei der Film ‚Ist das Leben nicht schön?‘ aus dem Jahr 1946. Dort will sich die Hauptperson Weihnachten von der Brücke stürzen, wie es dann Alvin auch getan hat. Ein Engel hält ihn davon im Film ab, der ihm zeigt, wie seine Heimatstadt ohne ihn aussehen würde. In einer Tradition sehen sich Thomas und Alvin den Film immer wieder zu Weihnachten an. Während Thomas die Trauerrede entwickelt, stellt er fest, dass er am Tode seines Freundes nicht unschuldig ist. Gerade der Moment, wo man entdeckt, wie wichtig Alvin im Leben des Schriftstellers Thomas war, macht das Musical spannend. Zu recht erhält Thomas Borchert und Jerry Marwig am Ende stehende Ovationen. Mir hat es gefallen, ein leises Musical mit Emotionen, sehr weit von den poppigen Disney-Musicals weg, die man so kennt. Die Texte wurden von Thomas Borchert selbst aus dem Englischen übertragen. Eine Viermann-Band liefert die Musik zu den Texten.
Quelle: YouTube | Stadttheater Fürth