Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg
Boris Godunow war die diesjährige Eröffnung der Spielzeit an der Nürnberger Oper. Peter Konwitschny inszeniert die Urfassung von 1869 dieser Oper von Modest Mussorgski in Kooperation mit der GöteborgsOperan und dem Theater Lübeck. Das Ganze kommt als recht farbenfrohe Konsumkritik daher, ohne mit dem Finger auf die derzeitigen Machtverhältnisse in Russland anzuspielen. In zwei Stunden, sieben Bildern und in russisch erlebt man den Aufstieg von Boris Godunow zum Zaren und seine Abdankung.
Zu Beginn des ersten Bildes sieht man das Volk betrunken vor einem Kasperle Theater. Dass dies eigentlich ein Platz vor einer Kirche sein soll, erklärt dann das Libretto. Das Volk wird vom Vogt Nikitsch in Form einer Figur angetrieben, dem künftigen Zaren zu loben. Boris zögert aber noch, sein Amt anzunehmen. In einer Banderole laufen die Lobpreisungen des Volkes über die Bühne. Die feierliche Musik steht im krassen Gegensatz zum Kasperle Theater, in dem die Figuren der Zarenwahl handeln.
Im zweiten Bild ist man immer noch vor dem Kasperle Theater. Boris hat die Wahl schließlich doch angenommen und erscheint als Puppe vor dem Volk. Die Musik spielt mit Glocken auf. Als Dreingabe spielt eine Puppenband aus drei Handpuppen mit Balalaikas, die von einem Krokodil gefressen werden. Das Volk jubelt jedenfalls dem neuen Zaren zu, der mit Spielzeugschubkarren Dukaten und Aktien unter das arme Volk bringt. Es wird für die Zarenpuppe ein roter Teppich ausgerollt. Um den Zaren zu huldigen, gibt man goldene Fähnchen aus. Wer jetzt mit den Schenkungen des Zaren noch nicht einverstanden ist, wird mit Maschinengewehrsalven auf Linie gebracht. Am Ende dieses Bildes bricht das Kasperle Theater zusammen.
Im dritten Bild sieht man das zusammengebrochene Bühnenbild. Man befindet sich in einem Kloster, wo der einarmige Mönch Pimen die russische Geschichte niederschreibt. Mit einem angespitzten Kreuz nutzt er die Rücken der Mönche als Schreibfläche und ritzt ihnen Buchstaben ein. Diejenigen, die diese Prozedur überstanden haben, dürfen stinkende Zigaretten rauchen. Der Mönch Pimen hat vom Mord an dem Zarewitsch gehört und erzählt dies dem Mönch Grigori. Pimen meint, der Zarewitsch wäre jetzt so alt wie er und Boris eigentlich unrechtmäßig an der Macht. Fasziniert von der Geschichte, will Grigori durch einen Traum angestachelt, die Stelle des Zarewitsch einnehmen und dessen Tod rächen.
Im vierten Bild haben die Mönche Zuflucht vor den Soldaten des Zaren in einer Spelunke gesucht. Sie wollen über die polnische Grenze. Hinter einem roten Vorhang vergnügt sich die Wirtin mit einem Gast. Aber auch die Mönche finden gefallen an der Wirtin und nötigen sie, immer neue Tetrapaks mit Wein aus dem Keller zu bringen. Die Mönche haben inzwischen Tarnanzüge an, aber auch ihre Kutten dabei, die sie hastig überstreifen, als die Soldaten des Zaren anrücken. Diese laufen auf den Knien und sind nur halb so groß. Die Soldaten haben einen Haftbefehl für Grigori dabei, da der aber der einzige ist, der lesen kann, lenkt er den Verdacht auf die beiden anderen Mönche. Einer glaubt dem vorgelesen nicht und entziffert mühevoll den Steckbrief. Der gesuchte Grigori wird dadurch enttarnt und flüchtet unter Maschinengewehrfeuer.
Im fünften Bild trauert die Tochter Xenia des Zaren in einem goldenen Zimmer um ihren toten Bräutigam. Eine kleiner Version des Kasperle Theater findet sich auch hier. Daneben ein großer Globus, auf dem Boris Sohn die Karte von Russland lernt und Kriegsspielzeug. Boris wird von Gewissensbissen geplagt. Schuiski meldet, dass ein falscher Zarewitsch in Polen aufgetaucht ist, der den Thron für sich beansprucht. Dies führt schließlich dazu, dass Boris halluziniert und in seinem Sohn den toten Zarewitsch sieht.
Im sechsten Bild ist das Volk zu Reichtum gekommen und erscheint ganz in Gold mit blonden Perücken und goldenen Einkaufstaschen. Auf der Bühne steht ein überdimensionaler Einkaufswagen in Form eine Hüpfburg. Das Volk scheint durch die Gaben des Zaren korrupt. Es gibt nur einen, der die Wahrheit sagt und Boris als Herodes beschuldigt, der das Blut des Zarewitsch an den Fingern hat. Dieser Affront stimmt Boris zunächst milde und er setzt dem Narren seine Krone auf. Als er von der Bühne geht, bringen aber seine Gefolgsleute den Narren um.
Im letzten Bild erscheinen die Bojaren in schwarzen Anzügen. Pimen, der Mönch, hat es zu Boris geschafft und erzählt auf einer Projektionsfläche von einem Blinden, der am Grab des Zarewitsch sein Augenlicht wieder bekommen hat. Diese Schilderung bewegt Boris so, dass er ein Büßerkleid anzieht und die Krone an seinen Sohn übergibt. Damit entweicht die Luft aus der Hüpfburg. Er selbst lässt einen goldenen Ballon steigen und legt seine Krone am rechten Bühnenrand ab. Schließlich steigt er in den Orchestergraben und verschwindet nach einem Monolog über die Machtergreifung.
Die Oper lässt nach dem Durchsehen einige Fragen offen. So wirkt das Kasperle Theater am Anfang etwas seltsam zu der dick auftragenden Musik mit Glocken. Man hätte sich da vielleicht eher etwas Zarenpomp gewünscht, der zur Musik besser gepasst hätte. Durch die Umbaupause zwischen den Bildern geht etwas das Tempo aus der Handlung raus, die schon etwas weit von einer klassischen Opernhandlung entfernt ist. Viele Hauptpersonen machen es nicht einfach, einen roten Faden in dem Stück zu finden. Zudem hat man es hier mit der Originalfassung zu tun, sodass die Zusammenfassungen in der Literatur alle nicht ganz stimmig sind. Die Handlung zerfällt durch die ganze Unterteilung in sieben Bilder ziemlich und es ist nicht gerade einfach, am Ball zu bleiben. Von der Musik her, ist es aber auf jeden Fall sehr schön, denn Nicolai Karnolsky gibt einen wunderbaren Boris ab, mit all seiner Zerrissenheit. Positiv ist mir das farbenfrohe Bühnenbild in Erinnerung geblieben, nach einem grau/schwarzen Tristan aus der Met, ein willkommener Kontrapunkt. Ob es jetzt immer passend war, sei dahingestellt. Peter Konwitschny steht einfach für Regietheater, aber darauf hatte ich mich ja schon eingestellt.
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Quelle: Soundcloud | Staatstheater Nürnberg
Manchmal kommt einen der Zufall zu Hilfe und man darf nach 247 Jahren die Orpheus und Eurydike-Version für einen Soprankastraten erleben. Countertenor Valer Sabadus sang hier am Markgrafentheater unter der Leitung von Michael Hofstetter und dem Vocalforum und Orchester namens recreationBarock die Titelrolle. Gesungen wurde in Italienisch mit deutschen Übertiteln. Man spielte eine 80-minütige Fassung der Oper. Die szenische Umsetzung übernahm das Kabinetttheater Wien. Geschickt wurden hier die Sänger teilweise in den Bühnenkasten mit einbezogen. Leider sind die Figuren aus dem zweiten Rang etwas klein, sodass man mit einem Opernglas besser dran gewesen wäre. Das ein oder andere Detail im Bühnenbild ist mir dadurch vielleicht entgangen. Dennoch steht das Musikfestival Styriarte in Graz für eine Größe der alten Musik, den verstorbenen Dirigenten Nikolaus Harnoncourt und man muss vor allem die musikalische Qualität der Aufführung loben. Valer Sabadus ist als Orpheus eine hörenswerte Sensation. Gluck versuchte mit dieser Reformoper einen Neuansatz in der Musik. Die handelnden Personen sollen fühlende Wesen sein und nicht nur flache Charaktere, die sich in Vokalakrobatik ergießen. Die Geschichte von Orpheus wurde auf Wunsch von Maria Theresia mit einem Happy End versehen.
Zu Beginn sieht man im linken Guckkasten einen Grabhügel und eine Hand, die Sand schaufelt. Den Tod von Eurydike hat Orpheus nicht verwunden. Etwas später sieht man in einem Schattenspiel, wie er nach einem Rotweinglas greift. In endloser Mühe versucht ein Sisyphos, einen Stein einen Hügel hochzuschieben. Es werden im Mittelteil der Bühne Trauerbriefe geschrieben. Doch Orpheus will den Verlust nicht hinnehmen. Aus einem Kirchenmodell entspringt ein kleiner Amor. Dieser meinte, Zeus hätte ein Einsehen und wenn es Orpheus gelänge, die wilden Furien am Eingang der Unterwelt milde zu stimmen. Zudem müsste er seine Frau aus dem Hades heraus führen, ohne diese anzusehen. Zerberus wird als Teufel mit einem Drachen dargestellt und die Furien sind weiße Masken, die sich zur Musik bewegen. Der grüne Drache funkelt mit gelben Augen, lässt aber dann Orpheus passieren. Es folgt ein Bild vom Elysium in einem goldenen Rahmen. Man sieht eine grüne Landschaft, einen Regenbogen und Zebras, Schafe, Tiger und Löwe friedlich vereint. In der Zwischenmusik des „Reigens seliger Geister“ sucht Orpheus seine Frau. Von den Klängen seiner Leier wird sie schließlich angelockt und durch eine Felsenschlucht heraus aus der Unterwelt geführt. Im mittleren Bühnenkasten spielen dabei die Puppen und links und rechts singen die Sänger. Aber es kommt, wie es kommen muss. Eurydike stellt die Frage, warum Orpheus sie nicht ansehen würde, und meinte, sie würde lieber sterben, als so ignoriert zu werden. Schließlich kann Orpheus nicht anders und dreht sich um. Da sieht man, wie Eurydike in eine Puppe verwandelt im linken Bühnenkasten erstirbt. Das nun folgende „Che farò senza Euridice“ ist wirklich der größte Hit aus der Oper und wird von Valer Sabadus wunderbar verziert. Nie klingt er an der Stelle an der Oberkante, was die Stimme hergibt. Erneut beklagt er sein Leid und will sich umbringen. Da hat der Amor ein Einsehen und vereint die Liebenden. Am Ende sieht man eine Prozession von Bischöfen, die Amor als Heiligen verehren.
Am Ende gab es lang anhaltenden Applaus für diese Opernaufführung im schönen Markgrafentheater in Erlangen. Gerade dieser Raum ist mit dem kleinen Orchester, dem Chor und den wunderbaren Solisten gut beschallt. Das war wirklich ein Highlight, den Orpheus in dieser Fassung erleben zu dürfen. Aber auch Tatjana Miyus als Eurydike und Tanja Vogrin als Amor wurden mit viel Applaus bedacht. Einen Eindruck vom Hit der Oper vermittelt dieses YouTube-Video. Zu hören ist Valer Sabadus:
Quelle: YouTube | galahadlancerot
Verena Stoiber inszeniert in Nürnberg Verdis Rigoletto. Was zu seiner Zeit 1851 ein wahrer Theaterskandal war, nämlich die Geschichte der Ausschweifungen des Herzogs von Mantua, hat eine neue Facette erhalten. In der Inszenierung ist Gilda nicht die echte Tochter von Rigoletto dem buckligen Hofnarren, sondern des Grafen von Monterone. In der Ouvertüre sieht man, wie Rigoletto die Tochter des Grafen entführt. Das Mädchen wehrt sich heftig gegen die Entführung. Das ist vielleicht ein Erklärungsversuch, warum sich die Tochter und ihr Vater mit „Sie“ anreden und der Hofnarr seine angebliche Tochter so gerne versteckt hält. Man mixt hier den Entführungsfall von Madeleine McCann in Portugal aus dem Jahr 2007 in diesen Verdi rein. Immer wieder sieht man Plakate, auf denen in drei Sprachen (Vermisst, Troviamo, Missing) steht. Auch schleicht der Graf von Monterone wiederholt über die Bühne als Penner mit leerem Kinderwagen, in schmutziger Kleidung und mit Einkaufstaschen.
Die Szene des ersten Akts zeigt einen südländischen Innenhof mit Fenstern und Rollläden. Dieser Hof ist leider in einem erbarmungswürdigen Zustand und drückt vielleicht die Tristesse des Stücks aus. Es findet an einer u-förmigen Tafel die Hochzeit der Gräfin von Ceprano statt. Auch hier stellt der Herzog der Braut immer wieder nach, meist in Begleitung eines Glases Sekt. An der Hochzeitstafel stehen weiße Plastikgartenstühle. Um für seine Avancen freie Bahn zu haben, schlägt Rigoletto dem Grafen vor, Ceprano umbringen zu lassen. Auf der Hochzeitsgartenparty geht es daher hoch her, am Rande links wird sogar gegrillt. Mit einer Grillwurst fuchtelt auch Rigoletto rum. Rigoletto treibt es mit seinen Späßen soweit, dass er den Grafen auf der Hochzeit ins Ohr beißt. Nun taucht der Graf von Monterone mit einem Kinderwagen auf. Monterone wird als Penner mit leerem Kinderwagentrolley dargestellt, der an der Suche seiner Tochter verzweifelt ist. Er ist wirklich in einem erbärmlichen Zustand aus dem Gefängnis gekommen und bringt ein erstes Suchbild seiner Tochter mit. Dieses Fahndungsfoto zerreißt Rigoletto, der den Verbleib von Monterones Tochter verheimlichen will. Er spricht den Fluch auf den Grafen und den Herzog aus. Gilda, die angebliche Tochter von Rigoletto wird in einem Verließ versteckt gehalten. Eifersüchtig mahnt Rigoletto sie, nicht auszugehen, außer in die Kirche. Doch sie hat schon die Bekanntschaft eines armen Studenten gemacht mit Namen Gualtier Maldè, ausgerechnet beim Kirchgang. Dass das niemand anderes als der Herzog von Mantua selbst ist, ahnt Gilda nicht. Aber der versichert ihr seine Liebe und lässt sich von ihr an die Hose fassen, die er halb öffnet. Der Graf flüchtet nun. Warum sie sich bei dem Lied „Gualtier Maldé! ...Caro Nome“ in einer Nachtszene mit dem Messer ritzt, erschließt sich nicht und passt nicht unbedingt zur verträumten, spielerischen Musik. Mitten auf der Bühne sitzt sie mit ihrer Bettdecke und dem Messer, nur warum? Nun schlagen die Höflinge zu und entführen Gilda, die sie für Rigolettos Geliebte halten. Sie halten weiße Tücher hoch und schubsen Gilda hin und her. Rigoletto selbst bekommt bei der Flucht mit der Leiter eine Schweinemaske aufgesetzt, sodass er nicht weiß, dass er bei der Entführung seiner eigenen Tochter mitgeholfen hat. Die Höflinge machten ihm Glauben, man entführe die Gräfin Ceprano. Sie treiben den Spaß so weit, dass sie Rigoletto die Hose runter ziehen. Am Ende ist er verzweifelt.
Im zweiten Akt ist der Herzog nun verärgert, dass man seine neue Geliebte entführt hat. Aus Wut ballert er in die Luft. Die Geliebte wäre aber schon im Palast meinen die Höflinge. Die Höflinge stehen im ersten Stock des Hinterhofs und haben das Wort ‚Ve-nd-et-ta‘ auf die Brust gemalt. Mit aufreizenden Bewegungen im Beckenbereich ärgern sie Rigoletto, der seine Tochter sucht. Dieser ist immer noch an die Leiter gekettet. Er stellt klar, dass die Entführte nicht seine Geliebte ist, sondern seine Tochter. Gilda betritt nur in Unterwäsche bekleidet den Hof. Sie ist schockiert, dass ihr Vater der Hofnarr ist. Rigoletto ist schockiert, dass sich seine Tochter ausgerechnet in den Herzog verliebt hat. Nun taucht erneut Monterone auf mit dem Kinderwagen. Er ist auf dem Weg ins Gefängnis. Der Kinderwagen geht am Ende der Szene in Flammen auf, als Rigoletto beschließt, mit Gilda fortzugehen, und am Herzog Rache zu nehmen. Mit einem Koffer zerrt er Gilda weg vom Hof.
Im dritten Akt ist man im Hause eines Mörders und seiner Schwester. Hinter einer Stuhlansammlung links verstecken sich Rigoletto und Gilda. Rigoletto hat 20 Scudi für den Mord an den Herzog aufgetrieben. Er will seiner Tochter zeigen, dass der Herzog weiterhin Frauen nachstellt. Vier leichte Damen machen klar, dass Sparafucile, der Mörder, ein Bordell unterhält. Seine Schwester Maddalena lockt mit roter Perücke und in Leder die Gäste an. Darunter auch der Herzog, wieder mit Champagner-Flasche. Dass er total testosterongesteuert ist, bringt er mit einem Revolver zum Ausdruck, in dem er in der berühmten „La donna è mobile“-Arie mit der Pistole schießt. Ich fand das ziemlich störend. Eigentlich umgarnt er Maddalena, hier aber bedroht er mit zwei Pistolen Sparafucile und seine Schwester. In der Spelunke von Sparafucile hängen nun noch mehr Suchbilder von Gilda. Aus Liebe zu Maddalena soll aber nicht der Herzog, sondern der Erste umgebracht werden, der an die Tür klopft. Es gibt ein Gewitter und Gilda, die den Plan der Mörder mitgehört hat, beschließt sich für den Herzog zu opfern. Warum der Leichensack, den der Mörder nun übergibt, einen Koffer enthält, ist wieder so ein Rätsel. Eigentlich sollte da Gilda drin liegen, die aber blutüberströmt aus ihrem Verlies kommt. Sie kommt noch einmal zu sich, stirbt aber letztendlich vor Rigoletto, der sie versucht im Clownskostüm von der Bühne zu ziehen.
Musikalisch hat Gábor Káli den Zauber der Oper herbeiholen können. Was in der Premiere bei Markus Bosch als zu laut angemahnt wurde, erschien mir sehr ausgeglichen. Großartig war Mikolaj Zalasinski als Rigoletto. Die Rolle des Herzogs ist dabei ziemlich schwer zu besetzen, David Yim hatte an diesem Abend mit der Partie vor allem in den Höhen etwas Probleme. Michaela Maria Mayer stellte die verzweifelte Tochter gut dar. Ja, bleibt dieser Regieansatz, den ich nur zum Teil für gut befinden kann. Die Geschichte der Kindesentführung erscheint mir zu gewagt, der Borderlineansatz zu isoliert und der dritte Akt mit den Pistolen etwas zu unlogisch. Man könnte sagen, das Ganze ist überinszeniert oder recht weit hergeholt. Dennoch ist der Rigoletto eine schöne Oper, die auch an dem Freitagabend sehr gut besucht war.
Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg
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Quelle: Soundcloud | Staatstheater Nürnberg
Als Gastspiel des Theaters Ulm durfte ich einmal mehr der Oper Werther von Jules Massenet lauschen. Wenn auch die Regie von Antje Schupp so einige Einfälle hatte, die sich einem nicht sofort erschließen, war es musikalisch in jeder Hinsicht beachtlich, was geboten wurde. Die Regie hatte den Werther in die aktuelle Zeit verlegt, wo es einerseits Dosenbier und Burger King-Fast-Food gibt, andererseits aber noch Unmengen von Briefen verfasst werden. Schon die Projektion des Werthers mit einem roten Schriftzug zur Ouvertüre erinnert an Gruselschocker aus den 30er Jahren.
Zu Beginn des ersten Aktes sieht man eine Art Filmset. Links steht ein Schreibtisch mit Overheadprojektor, auf denen der junge Werther immer wieder Folien mit französischem Text auflegt. Im Hintergrund der Bühne sieht man eine Projektion des schreienden Manns (Der Wahnsinn) aus der Allegorie der Liebe, zwar seitenverkehrt, aber gut zu erkennen. Das Ganze mutet wie ein Filmset an. Der Abendschoppen des Amtmanns im Goldenen Stern findet im Stehen statt. Dabei wird reichlich Dosenbier vergossen. Die Kinder, die im Juli schon ein Weihnachtslied geprobt haben, werden mit einer Burger-King-Tüte abgefüttert von Charlotte, in die sich Werther sofort verliebt. Unbill droht aber von Albert, dem Verlobten, der mit einem Kunstblumenstrauß unerwartet bei seiner Verlobten auftaucht. Charlotte hatte ihrer Mutter am Sterbebett versprochen, standesgemäß zu heiraten. Nach dem gemeinsamen Besuch eines Balls finden die beiden sich auf einem grünen Wiesenpodest wieder, das vom Bühnenhimmel heruntergelassen wurde. Dort legt Werther im Mondschein einen Hermelinmantel um seine Geliebte. Der Zauber der Mondnacht ist gebrochen, als Charlotte Werther gesteht, dass sie einem anderen versprochen ist.
Es findet ein fließender Übergang zum zweiten Akt statt. Die Unterseite der grünen Wiese beherbergt ein Nazerenerbild mit einem Kreuz. Es werden drei Paletten mit roten Grablichtern heruntergelassen. Das Bild wird geteilt und der nun entstehende Raum, soll vor der Kirche spielen. Hier feiert der Pfarrer seine goldene Hochzeit. Charlotte und Albert haben seit drei Monaten geheiratet. Albert belastet etwas das schlechte Gewissen mit Werther. Darauf trinken die beiden Bier aus Bügelflaschen. Nun rät Charlotte, Werther solle sie verlassen und in drei Monaten, zu Weihnachten zurückkehren. Als die Gäste mit einer Polonaise erscheinen, eilt Werther davon.
Im dritten Akt ist Charlotte förmlich unter der Last der Gedichte und Briefe begraben. Werther schreibt wie ein Wahnsinniger Gedichte und Briefe und legt sie auf den großen Haufen. Warum er mit einer Maske auftritt, erschließt sich nicht. Es ist Weihnachten. Stürmisch umarmt er die Geliebte. Es ertönt das Lied des Ossian, das wunderbare Lied „Pourquoi me réveiller“. Charlotte weißt ihn erneut zurück. Werther fordert die Pistolen von Albert und plant sich umzubringen.
Im Zwischenspiel zum vierten Akt sieht man nun, wie sich Werther mit einer Pistole umbringt. Es wird ein Double auf die Bühne gelegt. Der Sänger des Werthers agiert nun quasi als Geist während der langen Sterbeszene. Die Körperpuppe wird dann weggetragen. Werthers letzter Wunsch ist es fernab vom Friedhof bei den zwei Linden, begraben zu werden. Man hört die Weihnachtsgesänge der Kinder und sieht zwischen den Leinwänden ein gleißendes Licht.
Leider ließ sich der Werther (Michael Burow-Geier) an diesem Abend ansagen, dass er leicht erkältet sei. Gehört hat man das etwas, wenn man aber die Leistung ansieht, die diese Rolle an den Sänger stellt, war das immer noch sehr gut. Jongbae Jee am Dirigentenpult für das Philharmonisches Orchester der Stadt Ulm sehr gut durch die dichte Partitur, die für meinen Geschmack, deutliche Anklänge bei Puccini hat. Der frenetische Applaus der jungen Zuschauer war deutlich zu hören. Die unglückliche Liebesgeschichte als Vorlage zweier realen Personen, die Goethe da verarbeitet hat, spricht damals wie heute, vor allem das junge Publikum an. Sorgt auch die Regie hier und da für Irritationen, musikalisch konnte sich das hören lassen. Die Oper war zuerst nicht angenommen worden, musste in Wien aufgeführt werden, wurde aber dann über Paris zu einem Welterfolg.
Was treibt einen heutzutage noch in ein ‚Ballet héroïque‘ von Jean-Philippe Rameau aus dem Jahr 1735? Das kann nur eine kurzweilige, abwechslungsreiche Inszenierung von Laura Scozzi sein. In der vorletzten Aufführung am Opernhaus in Nürnberg, habe ich es doch noch geschafft. Dabei ist die Handlung doch so aktuell. Die Anhänger der Göttin Hébé werden von Bellone in den Krieg entführt - Das Europa der damaligen Zeit verlor sich in endlosen Erbfolgekriegen - daher macht sich Gott Amor unterstützt von drei vorwitzigen Amoretten auf in die weite Welt. Man sieht eine Revue von vier Miniopern aus den äußeren westlichen und östlichen Gefilden. Damit das Reisepensum auch an einem Abend zu bewältigen ist, gründet Amor eine Reisegesellschaft: Die Eden Voyage. Diese lässt die Amoretten im weißen Großraumflugzeug um die Welt fliegen. Wenn auch die Musik, bis auf die letzte Nummer, einem Rondeau, die ‚Air des Sauvages‘ nichts so richtig im Gedächtnis bleibt, so ist der Ausflug in die weite Welt durchaus unterhaltsam und überbrückt auch drei Stunden mit hauptsächlich Rezitativen in der Barockmusik. Geprägt wird das Stück durch kurze arienähnliche Einschübe. Am Ende jeder Minioper bekommt man ein Divertissement zu hören. Den Stoff für die Entreés bilden Zeitungsmeldungen aus der damaligen Zeit.
Das Stück beginnt mit einem Prolog im Garten Eden. Auf der Bühne sieht man einen grünen Urwald mit einem kleinen Wasserfall und grünem Kunstrasen. Und richtig, hier im Garten Eden trägt man für 20 Minuten wenig Textil. Fünf nackte Paare tanzen kunstvolle Reigen und stellen mit ihren Tänzen gewisse Gemälde nach. So ist das Gemälde, der Sündenfall von Lucas Cranach eindeutig zu erkennen. Es wird geseufzt, gezittert und immer wieder Reigen getanzt. Alles könnte idyllisch diese drei Stunden so weitergehen, würde da nicht Bellone mit einem Quad und einem bunten Gefolge den Garten Eden stürmen. Im Gefolge von Bellone befindet sich ein Chips essender Papst mit vier Kardinälen, ein Popstar mit Groupies, ein Fußballspieler, diverse Businessleute mit Handy und Soldaten. Die Gefolgschaft von Bellone schafft es in kurzer Zeit, den Garten Eden mit Pizzaschachteln und Fast Food-Abfällen zuzumüllen. Die Männer der Anhängerschaft der Hébé bekommen Gewehre, Aktentaschen und folgen Bellone nach. Hébé ruft nun Amor zu Hilfe, der mit seinen drei Helfern, den Amoretten, auf der weiten Welt neue Liebespaare finden soll. Es wird schnell eine Passagierkontrolle für die Eden Voyage-getaufte Luftfahrtlinie aufgebaut. An dieser Kontrolle scheitert doch tatsächlich die dritte Amorette mit ihrem Koffer voller Pfeile. Der Scanner schlägt mit einem roten Licht an. Der Koffer muss zurückbleiben.
In einer Videoeinspielung sieht man nun, wie die Amoretten in dem Düsenflugzeug um die Weltkugel fliegen. Die Einspielung überbrückt immer die Umbaupause auf der Bühne.
Im ersten Entreé, dem großmütigen Türken, landet man am Strand an einem Industrieabfluss ins Mittelmeer irgendwo in der Nähe von Alanya. Ein fliegender Flugzeugsessel bringt die Amoretten dorthin. Emilie lebt als Sklavin bei Pascha Osman. Dieser will die westlich angezogene Frau in Orange unbedingt haben. Sie hat aber ihr Herz an Valerian verloren. In einer Sturmsequenz wird der Sonnenschirm von dem Strand gefegt und man sieht, wie ihm Hintergrund ein Spielzeugschiff strandet. In einem versenkten Bassin retten nun die Amoretten mit einem Schmetterlingskescher, die Spielzeugpuppen vom gestrandetem Schiff. Eine Amorette stürzt sich mit vollem Körpereinsatz in die Fluten des Mittelmeers und wird mit einem Kraken am Kopf aus dem Wasser gezogen. Es landet eine bunte Truppe von Flüchtlingen an der Küste, denen der Pascha erst einmal Geld für Pässe abnimmt. Die Amoretten belohnen sich mit einer kleinen Shoppingtour auf eine griechische Insel. Sie haben H&M-Taschen mit der Aufschrift Έρως dabei. Diese H&M-Taschen der Amoretten sind in jedem Entreé der kleine Gag am Rande, so wie die T-Shirts auf denen zunächst I ♥ You steht. Der Sultan erkennt in Valerian seinen Befreier und lässt die Flüchtlinge und Emilie weiterziehen auf eine griechische Insel. Die Amoretten ziehen Spielzeugboote in Richtung Griechenland. Ihnen scheint aber der Weg nicht klar zu sein, weshalb die dritte Amorette die Landkarte zurate zieht. Jetzt geschieht aber die Wende und Emilie geht zurück zum Sultan.
Im zweiten Entreé befindet man sich in Peru. Vor einer Hotelpostkarte von einem Pool treffen sich Phani und Carlos. Als sich der Vorhang hebt, sieht man eine Drogenplantage im Hochland Perus. Dort herrscht Huascar und verehrt den Sonnengott. Mit Feinrippunterhemd, Tattoos und Cowboy-Stiefeln betrinkt er sich mit Alkohol. Am Tisch steht ein Teller mit weißem Pulver. Man meint Anleihen der Partei des Leuchtenden Pfads in Peru zu sehen. Wieder erscheinen die Amoretten mit H&M-Taschen diesmal mit Machu Pichu als Aufdruck. Als T-Shirts haben sie diesmal I ♥ Sun stehen. Man sieht die Arbeiter bei der Kokaernte. Von dem weißen Pulver, das hier produziert wird, nimmt auch die dritte Amorette einen tiefen Zug und tanzt dann ausgelassen. Huascar versucht Phani mit gezogenem Messer, gewaltsam für sich zu gewinnen. Mittels einer Pyroshow löst er ein Erdbeben aus. Carlos seilt sich aus der Bühnendecke ab und entlarvt den Schwindel. Als sich Phani erneut auf die Seite von Carlos schlägt, stürzt sich Huascar ins Feuer.
Im dritten Entreé nach einer Pause findet man sich in der Wüste Persien. Man sieht einen Mast mit einem Lautsprecher und Telefonleitungen. Mitten auf der Bühne steht eine Waschmaschine. Beherrscht wird das Bühnenbild von Männern in schwarzen Anzügen, die zum Gebet rufen. Darunter haben sich auch die Amoretten gemischt. Thematisiert wird hier in dem Tableau recht plastisch die Rolle der Frau in Persien. Die Waschmaschine wird in Betrieb genommen und dient zum Waschen der Gebetsteppiche. Es geht um die Liebe Fatime zu Tacmas dem persischen Prinzen. In Verkleidung trifft Fatime auf ihre Rivalin, die aussieht wie ein Paris Hilton Double. Fatime stellt aber fest, dass der flatterhafte Tacmas ihr treu ist. Es folgt ein Blumenfest, bei dem die Blumen, Frauen in weißen Dessous sind. Diese kommen in einem Viehwagen an. Es wird ein langer Teppich ausgerollt, auf dem die Frauen dann mit hochhackigen Schuhen laufen müssen. Sie bekommen zudem blonde Perücken aufgesetzt. Gespielt werden nun Szenen vom Eheleben in Persien. So bekommt eine Frau vier Mädchenpuppen in die Hand gedrückt, bis endlich der ersehnte Junge da ist. Wieder andere Frauen werden geschlagen und malträtiert. Auf den H&M Taschen der Amoretten befindet sich nun ein arabischer Schriftzug. Als T-Shirt haben die Amoretten ein Herz hinter Gittern. Während die eigene Frau dazu verdonnert wird, eine Arie im Tschador im italienischen Stil zu singen, lässt sich Tacmas ganz von den Frauen in Dessous umschwärmen. Es folgt eine Abfolge von Transparenten, was Frauen weltweit als Folge von Gewalt zustoßen kann. Erwähnt werden die Schicksale von Erika, Fatime, Flore, Lian und Jasmin. Am Ende verschwinden die Damen in Dessous und Tacmas stellt seiner eigenen Frau hinterher. Diese nimmt nun die Kopfbedeckung ab und zeigt ihm die kalte Schulter.
Das vierte Entreé zeigt Umweltaktivisten im Sequoia-Nationalpark. Zu sehen sind die Stämme der Mammutbäume. Es findet eine Demo gegen die Zerstörung der Wälder statt. Die Amoretten kommen wieder mit Fahrrädern und ihren H&M-Taschen mit der Aufschrift Niagara Falls. Am T-Shirt steht diesmal I ♥♥. Es hilft aber auch hier nichts. Das Indianermädchen soll sich zwischen einem Spanier und einem Franzosen entscheiden. Der Bau des Eigenheims findet statt, die Wälder bekommen ein Transparent mit Werbung und Bauabsperrungen. Nun werden zwei Werbetafeln heruntergelassen. Der Spanier wirbt mit einer Küche, während der Franzose mit einem Bett wirbt. Es folgt die Air des Sauvages, bei der man einen Lebenslauf im Schnelldurchlauf erlebt. Ein Ehepaar kommt herein und stellt Soja in den Ofen und erhält einen Braten. Wenig später stellen sie als werdende Eltern Genmais in den Ofen und erhalten eine Pute. Zum ersten Geburtstag des Sohnes kommt Palmöl in den Ofen und heraus kommen Cookies. Schließlich ist der Jugendliche selbst auf der Bühne mit Kopfhörern und holt sich eine Pizzaschachtel aus dem Ofen. Anschließend ist das Paar alt und wird in einem Papp-Familiengrab beerdigt. Zima sagt sowohl dem eifersüchtigen Spanier, als auch dem flatterhaften Franzosen ab. Sie entscheidet sich für Adario, den Indianerjungen.
Am Schluss befindet man sich mit den Umweltaktivisten wieder im Garten Eden. Die Männer kommen zurück und Hébé ist mit ihren Jüngern vereint. Am Ende läuft auch ein altes Ehepaar über die Bühne. Schließlich kommt eine schwangere Eva mit einem angebissenen Apfel auf die Bühne.
So macht ein Barockabend Spaß. Zugegeben, das Stück hat seine Längen, bei denen die Regie aber immer wieder gute Einfälle hat. Das reicht von der ausgefeilten Tanzeinlage im Garten Eden, bis zu kleinen Details wie die T-Shirts der Amoretten und die Einkaufstaschen. Es macht auch Spaß, die Sänger immer wieder in unterschiedlichen Rollen zu erleben. So singt Martin Platz alle Tenorrollen dieses Stücks. Hrachuhí Bassénz erscheint in der Rolle der Emilie und der Fatime, wo sie die einzige italienisch geprägte Arie vor einem Mikrofon singen darf. Viel Applaus bekommen verdientermaßen die Tänzer als Anhängerin der Hébé. Während man die Partien der Entreés meist mit Stammpersonal der Oper besetzt hat, dirigiert ein Spezialist das Orchester: Paul Agnew. Dieser hat sich auf französische Barockmusik spezialisiert. Das Stück gastierte mit unterschiedlichem Erfolg schon in Toulouse und Bordeaux. Während es in Toulouse einen Run junger Konzertbesucher auf die Karten gab, ist Bordeaux der Inszenierung weniger aufgeschlossen gegenübergestanden. Das sehr gut besuchte Haus in Nürnberg zeigt aber, dass man den Humor von Scozzi durchaus versteht und schätzt.
Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg