Bild: Flickr.com von copepodo
Die wiederaufgenommene Nabucco-Inszenierung von Immo Karaman in Nürnberg bedient sich sehr der Stummfilm und schwarz-weiß Ästhetik. Das fängt schon ganz am Anfang an, als eine Einblendung, wie in alten Stummfilmen auf einem schwarzen Bühnenkasten zu sehen ist. Der Schriftzug, mit dem die Szenen vorab kurz beschrieben werden, ist ganz auf die Stummfilm-Zeit zugeschnitten. Auch Fenena, die im Tempel zu Jerusalem in einer Horde schwarz-gekleideter Hebräer gefangen ist, hat eine Strass-Abendrobe an. Abigaille, die etwas brünnhildenhaft von Aarona Bogdan dargebracht wird, hat hier ihren Auftritt. Begleitet von blau angemalten Kriegern mit nacktem Oberkörper, befreit sie, begleitet von ihrem Vater Nabucco die Gefangene Fenena. Als Fenena vor dem Eintreffen der Assyrer von Zaccaria getötet werden soll, rette sie davor Ismaele. Die Hebräer verschwinden alle in dem Kasten und werden sozusagen nach Babylonien verschifft. Im zweiten Akt muss Abigaille erkennen, dass sie Tochter einer Sklavin ist. Der Vater hat in seine Abwesenheit nicht ihr, sondern Fenena die Macht übertragen. Abigalle lässt das Gerücht verbreiten, ihr Vater sei gefallen. Begleitet eben von den Kriegern und den babylonischen Göttern, entsteht ein dramatisches Gerangel um die Königskrone Nabuccos, das erst beendet wird, als Nabucco selbst auftaucht und die Krone wieder an sich nimmt. Nabucco leidet aber an Größenwahn und lässt sich nun selbst als Gott huldigen. Das ruft die den Unmut der Hebräer hervor, auf deren Seite sich nun Fenena schlägt. Im Stück ‘S’appresan gl’istanti’ kündigt sich das Unheil in Form eines weißen, baumartigen Gebildes an, das Nabucco trifft und ihn als Strafe für seinen Hochmut in den Wahnsinn treibt. Abigaille hat jetzt ihre Chance und nimmt die Macht an sich. König Nabucco irrt dabei nur noch in zerrissener Kleidung und mit langem Bart umher und darf ihre Befehle abzeichnen. Auf den Stufen der hängenden Gärten bietet sich im dritten Akt ein nettes Bild, das man so schon mal in einem Stummfilm gesehen haben könnte. Dreimal versucht der Oberpriester Abigaille zu einem Urteil gegen ihre Schwester zu ermutigen, in gespieltem Entsetzen wirft Abigaille jedes Mal einen goldenen Schemel von den Stufen, der prompt wieder durch einen weiteren ersetzt wird. Abigaille versucht nun die Hebräer und Fenena zu vernichten, indem sie den Wahnsinn des Vaters ausnützt. Beim Verrat schwebt ein Schwein über Abigaille, dessen tieferer Sinn sich nicht erschließt. Das nun folgende “Va pensiero” wird ganz in dem Filmkasten inszeniert. Die Hebräer sind hinter dem Gefängnisgitter quasi unsichtbar. Vor dem Verlies sieht man Nabucco. Das jüdische Volk ist also an den Wassern Babylons hinter Gittern und streckt die Hände ans Licht. Fenena soll nun hingerichtet werden. In der Not wendet sich Nabucco an den Gott der Hebräer. Nabucco verlässt der Wahnsinn erst, als er Baal abschwört und dem Gott der Hebräer Abbitte leistet. Er eilt in den Tempel und rettet Fenena. Inzwischen hat er wieder einen blauen Königsmantel an. Das projizierte Götzenbild im Kasten zerreißt mit einem Schlag. Getroffen von dem einstürzenden Götzenbild ist Abigalle schwer verwundet und übergibt nun Ismaele Fenena. Nabucco lässt die Hebräer ziehen. Mit einem etwas kitschigen Schlussbild, das ebenfalls aus den 10 Geboten stammen könnte, endet die Inszenierung in Farbe.
Die wahren Stars des Abends sind aber die Männerstimmen, Mikolaj Zalasinski als Nabucco, König von Babylon und Nicolai Karnolsky als Zaccaria. Aber auch Aarona Bogdan als Abigaille mit Wagnernote macht ihre Sache gut. Hat sie doch die schwierigsten Passagen gegen den lauten Chor zu bestehen. Auch die ganze Inszenierung als Monumentalfilm-Epos gelingt gut, obwohl jetzt nicht die großen Effekte im Bühnenbild aufgefahren werden. Das Opernhaus war an diesem Abend bis zum letzten Platz ausverkauft und das Publikum honorierte die sehr gute Leistung mit langanhaltendem Applaus. Peter Tilling ist neu am Pult und führte gekonnt und sehr ausgewogen durch den Abend. Auch bei einer Wiederholung, war ich wieder fasziniert, wie vor drei Jahren.
Quelle: Staatstheater Nürnberg
In einer Neuinszenierung von Gabriele Rech läuft am Nürnberger Opernhaus derzeit Othello von Verdi. Man hat Othello zeitlich etwas zurechtgerückt und befindet sich irgendwo in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Auf die Frage in der Vorbesprechung, ob die Inszenierung modern oder schön sei, antwortete sie gekonnt: Schön und modern. Jetzt ist Verdis späte Oper keine Nummernopern mehr, sondern besteht zu 80 Prozent aus Rezitativen. Für mich der Versuch, die Ideen von Wagner aufzugreifen, der zur damaligen Zeit in Italien sehr in Mode war. Die Vorlage von William Shakespeare wurde aufgegriffen, aber mehrfach von Verdi überarbeitet, da er mit dem Endergebnis lange Zeit nicht zufrieden war. Othellos Gegenspieler kommt eine tragende Rolle zu, weshalb die Oper besser Jago heißen sollte.
Mit einem lauten Orchesterbrausen befindet man sich an den Küsten Zyperns. Vor einer Wand, auf der eine Gewitterstimmung aufgemalt ist, singt die Bevölkerung Zyperns und beobachtet, wie das Schiff von Othello strandet. Man sieht, wie das Schiff im Sturm anlegt und Othello auf wundersame Weise gerettet wird. Aus dem ersten Rang schmettert er ein lautes Esultate in den Zuschauerraum. Das Volk ist in teilweise in Militäruniformen, es gibt aber auch einen Priester und leichte Damen. Man feiert die Rettung von Othello und zündet in einem Ölfass ein kleines Freudenfeuer an. Dort werfen sie auch Fotos hinein. In der Feier der Rettung von Othello mischt sich Jago unter das Volk. Jago wurde bei der Beförderung übergangen zugunsten von Cassio. Da er auf Cassio neidisch ist, versucht er mit einem Trinkspiel eine Schlägerei zu provozieren. Ziel ist es, Cassio bloß zu stellen und mit der entstehenden Rauferei Othello und seine Frau Desdemona zu wecken. Und falls man es noch nicht wusste, es gibt schon Papstar Trinkbecher in Zypern, mit den sich trefflich Trinkspiele realisieren lassen. Rodrigo und Cassio geraten also aneinander und es kommt wirklich dazu, dass Othello aufwacht, um den Streit zu schlichten. Dabei degradiert er Cassio. Othello hat sich trotz seiner schwarzen Hautfarbe, die hier nur leicht angedeutet ist, einen Rang in Venedigs Flotte als Feldherr erarbeitet. Darauf ist sein Diener Jago aber neidisch, obwohl er ihn eigentlich wegen seiner Hautfarbe ablehnt. Wieder allein singen Othello und Desdemona ein wunderschönes Duett. Dass sie dabei vor den Hafentoren stehen und weit voneinander entfernt ist, ist etwas merkwürdig. Man befindet sich im Offizierskasino und versucht sich im zweiten Akt zu zerstreuen. Jago aber setzt alles daran, Othello zu vernichten. Dabei ist seine Grundhaltung sehr nihilistisch. Sein Credo, dass er an nichts glaubt, singt er vor der Feuerschutzwand des Bühnenraums. Es gibt dazu wieder die besagten leichten Damen, die zur Zerstreuung der Offiziere dienen sollen. Auf der Bühne steht ein großer Billardtisch. Das Volk Zyperns kommt mit einem Kinderchor daher, um Desdemona zu huldigen. Die Kinder spielen die Heldentaten Othellos nach und das Werben von Othello um Desdemona. Dabei streuen sie Blütenblätter und erzählen von seinen Reisen über die Meere. Jago spinnt nun seine Intrige gegen Othello weiter. Er sagt Desdemona ein Verhältnis zu Cassio nach, da sie sich immer wieder bei Othello einsetzt und um Gnade wegen seiner Degradierung bittet. Othello ist von der Aussicht, betrogen zu werden schon so außer sich, dass er einen Billard-Kö zerbricht. Auf dem Billardtisch betrinken sich Jago und Othello nun. Jago erzählt nun von dem Liebestraum von Cassio, wo bei der zerbrochene Kö wohl etwas missbraucht wird (nicht ganz jugendfrei). Othello fordert nun einen Beweis und Jago beschließt Othello einen Beweis für Desdemonas Untreue zu liefern. Othello hat Desdemona ein Taschentuch geschenkt, das er bei Cassio gesehen hat. Dass dieses noch im gleichen Akt und am selben von Desdemona benutzt wurde, hätte Othello eigentlich auffallen können, aber wo bleibt bei Liebe schon die Logik.
Othello beschwört nach der Pause Desdemona, auf das Taschentuch aufzupassen. Es wäre eine Art Talisman eingewebt und hätte Zauberkräfte. Wieder im Casino versucht Jago, Cassio zum Erzählen von seiner Liebschaft zu überreden. Othello denkt, er spreche von Desdemona, versteckt sich hinter dem Billardtisch und rastet völlig aus. Während Cassio sich über zwei Damen am Billardtisch hermacht. Cassio zieht das Taschentuch und damit ist für Othello klar, dass er betrogen wurde. Es trifft eine Abordnung des Dogen in Abendkleidern und Smoking ein. Othello wird abkommandiert. Dies wird auch in einer Videoprojektion auf die Rückwand des Bühnenraums übertragen. Othello setzt Cassio wieder als Hauptmann ein und beobachtet Desdemonas Verhalten. In jeder Regung von ihr, sieht er schon ein Zeichen ihrer Untreue und rastet von der Gesandtschaft aus und wirft seine Geliebte auf den Boden. Nun malt er sich gänzlich schwarz an. In einer Nachtszene bettet sich Desdemona nun in ihrem Hochzeitkleid zur Ruhe. Sie hat ihr Brautkleid an und denkt an ihren eigenen Tod. Othello schleicht sich nun im Dunkeln an und löscht die zwei Kerzenleuchter. Für ihn erscheint der sogenannte Ehrenmord an Cassio und Desdemona nun als einziger Ausweg. Dabei hat er Rodrigo beauftragt, Cassio umzubringen, während er Desdemona erwürgen will. Durch einen Kuss von Othello geweckt, beteuert sie weiterhin ihre Unschuld, wird aber letztendlich von Othello umgebracht. Wie sie es nun schafft, trotz des Erstickungstodes durch den Schleier, noch einmal zu singen, ist für mich echt opernlike. Der Plan gleichzeitig Cassio zu beseitigen scheitert, denn Cassio bringt Rodrigo um. Die Dienerin ruft nun um Hilfe, dass Desdemona umgebracht wurde. Cassio, Ludovico und Jago tragen die tote Desdemona raus aus dem Ehebett. Es wird klar, dass Jago der Drahtzieher des Unheils war und der macht sich nun durch den Zuschauerraum auf die Flucht. Am Ende ist Othello allein auf der Bühne und schlitzt sich mit dem letzten Ton die Kehle auf.
Teilweise gelingt es der Inszenierung, den Helden Othello als schwer traumatisierten Kriegshelden darzustellen. Mit viel Alkohol versucht er, sich über die traumatischen Ereignisse der Schlachten und seine Eifersucht hinwegzutrösten. Dabei läuft er in den knapp zwei Stunden auf Dauerhochtouren. Diese aufbrausende Überspanntheit des Othello gelingt es nur ansatzweise herüberzubringen. Das Amokläuferpotenzial könnte hier durch David Yim noch tiefer ausgelotet werden. Dagegen ist Jago (Mikolaj Zalasinski) durchweg in Bestform, wie er durch die ganze Oper intrigiert ist hervorragend umgesetzt. An dem Frauenbild, das scheinbar nur die leichte Form kennt, sollte man arbeiten. Es kommt in der Oper keiner gut weg. Da sind die zutiefst traumatisierten Männer, die nur Alkohol, Frauen und den Kampf im Kopf haben. Aber auch die Frauen kommen ihren Anteil, die hier hauptsächlich als Huren ihre Plätze finden. Die Musik durch Guido Johannes Rumstadt ist stellenweise sehr knallig und lässt den Solisten wenig Luft. Die Bühnenausstattung ist aber weitgehend gut umgesetzt.
Quelle: Staatstheater Nürnberg
In einer Kooperation mit der Straßburger Oper ist derzeit das Barockwerk Platée von Jean-Philippe Rameau zu sehen. Fast wäre das Ballet Buffon durch das Opernraster gefallen. Auf BR-Klassik war die Live-Übertragung zu hören am 08.06. und nur vom Anhören wirkt diese Oper nicht besonders anziehend. Aber Mariame Clément hat eine wirklich interessante Inszenierung umgesetzt, weshalb sich ein Besuch der Oper lohnt. Nur soviel gleich vorab, die Oper spielt nicht in einer Sumpflandschaft in der Nähe des Berges Cithareon. Man findet sich in einem 50er Jahre Interieur, das aus einem ‚Schöner Wohnen‘ der damaligen Zeit entsprungen sein könnte. Die Handlung ist eigentlich schnell erzählt. Die von der Sintflut übrig gebliebene Wassernymphe macht sich Hoffnung auf eine Hochzeit mit dem Göttergatten Jupiter. Thalie und Momus, der Gott des Spottes wollen die Göttergattin Juno von ihrer krankhaften Eifersucht befreien, in dem sie Jupiter mit der hässlichen Wassernymphe verkuppeln. Die Nymphe in ihrer Einfalt glaubt, wirklich die Auserwählte zu sein und wird am Ende vorgeführt. So richtig Mitleid kann man mit der Nymphe nicht haben, denn schon von Anfang an ist klar, dass die Götter sie nur als Spielzeug ansehen. Der Sumpf ist ein übergroßes Aquarium in der Wohnlandschaft. Während die Götter Merkur und Momus vor einem kleinen Aquarium sitzen und dort eine rote Krawatte rein halten, an der sie Platée aus dem Sumpf holen in ihre Götterwelt, stapft diese zwischen einer übergroßen Olivenschale, Salzletten und Crackern unbeholfen mit ihrem Amphibienschwanz in die Götterwelt. Platée geht zuerst davon aus, dass Cithareon aka Momus der Auserwählte ist, erfährt aber von ihm, dass der Götterherr selbst Gefallen an Platée gefunden hätte. Begleitet von ihren Geschöpfen, die ein hinreißendes Wasserballett im Trockenen vollführen, ist am Ende des ersten Akt Platée schließlich allein auf sich gestellt. Ganz aufgehübscht im rosa Kleid muss sich Platée nun auf die Ankunft des Gottes vorbereiten. Die Göttergattin Juno wird mit einem Düsenflugzeug nach Athen umgeleitet, damit sich ihr Eintreffen auf der Hochzeit etwas verzögert. Der Gott offenbart sich ihr als Eule und Vögel, die aus den Kulissen geräuschvoll hervorschießen. Selbst die Souffleuse darf mitspielen mit zwei Vogelattrappen. Am Ende bricht Jupiter in einem rosa Cadillac mit Blitz und Donner hervor, in dem es aus dem Motor des Wagens gehörig kracht und donnert. La Folie warnt Platée mit diversen Geschichten aus der Mythologie von Daphne und Apollo vor einer Liaison. Der Einschub in der Götterwelt hat einem roten Fernseher Platz gemacht, in dem Western laufen. Die Tänzer machen sich immer wieder über Platée lustig. Im dritten Akt hat Platée nun ein Brautkleid an. Dann trifft die illustre Hochzeitsgesellschaft auf: Maria Theresa, Superman und etliche Prominenz aus den 50ern stellen sich zur Hochzeit ein. Auch Momus im Marilyn-Kleid, als Amor verkleidet, erscheint. La Folie tritt als Freiheitsstatue von einem erneuten Wasserballett begleitet auf und will die Hochzeit vollziehen. Jupiter kann sein Ja-Wort noch so lange herauszögern, bis Juno eintrifft. Als Juno den Schleier hebt, muss sie erkennen, dass die Eifersucht unbegründet war. Im allgemeinen Gelächter und mit Racheschwüren von Platée endet die Oper und Platée muss zurück ins Aquarium.
Wir hatten an dem Tag Glück, dass die Aufführung überhaupt stattfinden konnte. Da das Werk selten aufgeführt wird, lässt sich auch für ausgefallene Ensemble-Mitglieder schlecht Ersatz finden. Für Leah Gordon sprang an diesem Abend Csilla Csövári ein. Während sie von einem Double auf der Bühne gespielt wurde, sang sie von der Seite die Partien der La Folie und der Thalie. In einer der wenigen Frauenrollen für Männern in Opern hört und sieht man als Platée einen wunderbaren Tilman Lichdi. Besonderes Lob verdient die Personenführung im Stück, die Joshua Monten einfallsreich gelöst hat. Während der Fernsehszene sieht man eine noch nie da gewesene Cowboy- und Indianer-Quadrille. Durch die Ballett-Einlagen auf der Bühne hält man auch durch, dass eigentlich relativ wenig Handlung im Stück ist. Dies macht sich vor allem zum Ende hin bemerkbar, wird aber durch die Regie-Einfälle weitgehend aufgefangen.
Kritik in den Nürnberger Nachrichten: Alles ist nur ein Spaß auf Erden
Quelle: Staatstheater Nürnberg
Antonín Dvořáks Oper Rusalka ist derzeit im Nürnberger Opernhaus zu sehen. Dieter Kaegi hat die Inszenierung mit ökologisch-kritischen Aspekten versehen. Die Inszenierung ist eine Koproduktion mit der Opéra de Monte-Carlo.
Zu Beginn sieht man zwei Balletttänzer mit einem Motorrad und einer tschechischen Flagge an einen kreisrunden Tümpel fahren, der scheinbar mit dem Auto oder dem Zweirad gut zu erreichen ist. Das Paar legt die Kleider ab und begeht scheinbar Selbstmord in dem See. Um den See tanzen drei Nixen in Form von Puppen. In dem Tümpel wohnt nämlich der Wassermann (Nicolai Karnolsky), für mich der eigentliche Held der Inszenierung. Er singt in einem echten Wasserbecken und darf nach Herzenslust planschen. Als Trophäe von den Motorradfahrern hat er eine tschechische Flagge erbeutet. Er verjagt auch die drei Waldnymphen, die ihn zu Anfang provozieren. Rusalkas seine Tochter hat eine lange blaue Robe an, sodass man das als Schwimmflossen vermuten kann. Sie singt in einem Reifen aus Rehgeweihen das berühmte Lied an den Mond (měsíčku na nebi hlubokém). Für dieses Lied hätte die Sopranistin (Ekaterina Godovanets) Szenenapplaus verdient. Es kommt immer wieder ein Prinz zum See, der es Rusalka so angetan hat, dass sie für ihn Mensch werden will. Dafür ruft sie die Hexe Jeibaba an, die mit drei Gehilfen erscheint. In ihrem anthrazitfarbenen Catsuit und mit dem eiförmig geformten Hinterkopf ist sie eine nahezu außerirdische Erscheinung, die auch in Deep Space Nine mitspielen könnte. Bei der Beschwörung der Elemente legt sie einen echten Feuerkranz um den See. Rusalka hat ab sofort Beine, kann aber kein Wort mit dem Prinzen sprechen. Das ist natürlich in einer Oper etwas ungeschickt für die Hauptfigur, die auch prompt mehr als einen Akt lang nichts mehr zu singen hat. Es kommt der Prinz als Jäger an den See, der angeblich einem weißen Reh gefolgt wäre. Dort trifft er jetzt Rusalka und verliebt sich prompt in die stumme Rusalka. Gestikulierend versucht sie, ihn vor den Gefahren des Sees zu warnen. Der Prinz nimmt sie aber mit auf sein Schloss.
Die höfische Gesellschaft hat mit schrillem Outfit und neonfarbenen Perücken in einem Spiegeltrapez Platz genommen. Auch der Tümpel des Wassermanns scheint nicht weit vom Schloss entfernt zu sein. Mit Ferngläsern beobachten die vier höfischen Paare die stumme Rusalka sehr misstrauisch. Der Prinz sei in seinem Liebesleben sehr wankelmütig, sagen auch die Hofangestellten, und zwar der Förster und der Küchenjunge. Von dem beharrlichen Schweigen Rusalkas irritiert, wendet er sich einer fremden Fürstin zu, die der Hofgesellschaft viel besser zu passen scheint. Über den Tümpel spannt sich eine goldene Brücke. Aus ihm kommt das Liebespaar des Anfangs und tanzt eine Balletteinlage. Rusalka spricht nun plötzlich wieder zum Wassermann und beklagt ihr Los. Der Wassermann versucht wütend den Prinzen in den See zu ziehen und prophezeit ihm sein Ende. Aber auch die fremde Fürstin erkennt, dass der Prinz immer noch vom Zauber Rusalkas gefangen ist und verlässt ihn.
Rusalka steht vor dem verschlossenen Bühnenraum und begehrt Einlass in die Wasserwelt. Rusalka ruft erneut Jeibaba an, die ihr wieder helfen soll. Die Hexe sagt, dass sie sich nur erlösen könnte, wenn sie den Prinzen umbringt. Sie gibt ihr ein Messer in die Hand. Es öffnet sich der Bühnenraum und man sieht das Motorrad versenkt im See. Auch der Mond liegt als übergroße Weihnachtskugel neben dem See. Rusalka lehnt es ab, den Prinzen zu töten und wirft die Messer in den Teich. Sie will lieber in ewiger Verdammnis als Irrlicht leben und jedem, der sich nähert, den Tod bringen. Auch der Förster und der Küchenjunge des Schlosses suchen Hilfe bei Jeibaba. Sie behaupten, eine Zauberin hätte den Prinz verhext, der nun schwermütig wäre. Dabei picknicken sie am Seerand und werfen ihre Fast-Food-Abfälle in den See. Dies provoziert den Wassermann, der die beiden verjagt. Die Nixen erzählen vom Los Rusalkas. Es folgt auch der Prinz an den See und sucht sein weißes Reh. Rusalka tritt nun mit schwarz-geschminktem Mund auf und gibt dem Prinzen mitten im Teich den Todeskuss. Dabei regnet es auf der Bühne.
Die Musik ist sehr breit angelegt und klingt wunderbar symphonisch. Rusalka ist wirklich eine sehr schöne Oper, bei dem das Orchester unter Markus Bosch zeigen kann, wie Wohlklang aus dem Orchestergraben sich anhören kann. Die Aufführung in tschechischer Sprache ist natürlich eine Herausforderung. Man merkt schon, dass die fremde Fürstin als Muttersprachlerin mit dem Text deutlich weniger hadern musste, als die anderen. Michael Putsch als Prinz war an diesem Abend leider etwas angeschlagen und hatte dennoch schwierige Passagen zu meistern. Mit der ökologisch ausgerichteten Kritik an der Konsumgesellschaft hatte ich so meine Schwierigkeiten. Es war immer sehr schön, wenn man wirklich das Märchen vor Augen hatte. Da stören die Modernisierungsansätze doch etwas.
Quelle: Staatstheater Nürnberg
In Nürnberg steht die Oper Andrea Chénier von Umberto Giordano auf dem Spielplan in einer Inszenierung von Guy Montavon. Die Oper ist dem Verismo verpflichtet, handelt von der wirklich existierenden Person des Dichters Andrea Chénier, basiert aber eher auf Fiktion als auf harten Fakten.
Im ersten Bild befindet man sich in einem grauen Salon im Schloss Coigny. Der Lakai Carlo Gérard prophezeit der höfischen Gesellschaft den Untergang. Ein Bote aus Paris bringt die Kunde, dass sich Paris im Aufstand befindet. Auch Maddalena, die Tochter der Gräfin Coigny muss sich in ein weißes Seidenkostüm zwängen. Für die feinen Herren wird nun ein grüner Teppich ausgerollt. Die höfische Gesellschaft hat sich in bunte Abendgarderobe gekleidet, die die Auswüchse des Rokoko zeigt. Die Frauen tragen hohe Turmfrisuren und aberwitzig weite Reifröcke. Die Farben waren sicher damals nicht so knallig, wie in dieser Inszenierung, dennoch hat die Kostümschneiderei sichtlichen Spaß gehabt, diese höfische Gesellschaft, so in Szene zu setzen. Die Damen lassen sich auf der Decke nieder und bringen ein Lied über die Schäferinnen dar, wobei sie nett im Takt wippen. Von der Decke hängen übergroße, weiße Lilien: Das Zeichen der französischen Könige. Ein Adeliger steigt in eine Schaukel und falls es den Begriff Luftharfe noch nicht gegeben hat, so ist er hiermit erfunden. Er steigt zur Decke und gibt ein Luftharfensolo. Der Dichter Andrea Chénier klagt die Adligen wegen ihrer Leichtlebigkeit an. Alle außer Maddalena sind empört. Nun hebt sich der graue Raum und es kommen Bauern herein, die der höfischen Gesellschaft den Garaus machen. Die Adligen, bis auf die Gräfin Coigny, werden von den Aufständischen erschlagen, wobei auch noch die Lilien zu Boden fallen. Als die Bauern abziehen, tanzt Madame Coigny alleine ihre Gavotte weiter, als ob nichts passiert wäre.
Im zweiten Bild, einige Jahre später hat die Revolution an Schärfe zugelegt. In dem Pariser Café hängen Spiegel in Guillotine-Form, die sich bewegen. Andrea Chénier erfährt, dass er auf der Hinrichtungsliste steht. Mit einem Pass soll er sich retten. Allerdings schreibt ihm eine Unbekannte, mit Rosenwasser getränkte, Briefe. Es tauchen auch zwei Adlige auf, die von den Revolutionsgarden exekutiert werden. Man vermutet schon, dass Andrea Chénier eine Beziehung zu einer Adligen unterhält. In einer dunklen Ecke von Paris kommt es dann wirklich zum Treffen von Maddalena und Chénier. Allerdings meldet der Spitzel dieses Treffen Gérard, der inzwischen im Revolutionsrat ist. Dieser fordert Maddalena für sich. Es kommt zu einem Duell zwischen Gérard und Andrea, wobei dieser Gérard in den Bauch schießt. Der Verwundete hat natürlich Andrea erkannt, gibt aber zum Protokoll, dass er den Angreifer nicht erkannt hat.
Im dritten Bild befindet man sich im Sitzungssaal des Tribunals. Die Sitzreihen hängen an Drähten, sind beweglich und können zu einer Tribüne aufgefahren werden. Gérard fordert die Anwesenden auf, für die Revolution zu spenden. Das Vaterland braucht Geld, da es von den europäischen Mächten bedrängt wird. Man führt die alte Madelon vor, die ihren Enkel als Soldat preisgibt. Gérard klagt nun Andrea an, um seinen Nebenbuhler zu beseitigen. Maddalena erscheint im leeren Tribunalssaal und bietet sich selbst Gérard an, wenn Andrea frei kommt. Das nun folgende “la mamma morta” ist wohl das bekannteste Stück aus der Oper. In dieser Arie schildert Maddalena den Tod ihrer Mutter. Zu tiefst erschüttert erkennt Gérard, dass es ein Fehler war, Andrea zu verurteilen und versucht nun alles, sein Urteil rückgängig zu machen. Hereingeführt werden nun vier Angeklagte, unter ihnen sind auch der Dichter und Madame Legray. Es ist aber schon zu spät, die Revolution und die Geschworenen um Dumas und das ganze Volk im Tribunalssaal fordern den Tod des Dichters.
Im vierten Bild sitzt der Dichter allein unter vielen Ketten im rot beleuchteten Kerker. Von der Decke hängen Ketten. Es zeigt sich noch einmal Gérard, der noch einmal die Begnadigung zu erreichen versucht. Am Boden liegen viele Zettel mit Gedichten. Mit seinem Freund Roucher geht er noch einmal die letzten Verse durch. Es erscheint Maddalena. Sie besticht den Gefängniswärter, anstelle der verurteilten Madame Legray, mit Andrea zusammen zur Guillotine fahren zu können. In fast wagnerscher Breite gestehen sich Maddalena und der Dichter ihre Liebe. Das Lichtspiel wechselt auf Tag und es ist klar, dass sie zusammen sterben werden. Die Revolutionäre rücken an und die beiden Liebenden begeben sich auf den Weg, wobei mit einem lauten Rasseln, die Ketten fallen.
Der Dirigent Philipp Pointer führt mit sehr viel Wucht durch dieses Verismo-Stück. Das bringt vor allem Vincent Wolfsteiner als Andrea manchmal, vor allem zum Ende hin, an seine Grenzen. Mikolaj Zalasinski gibt einen wunderbaren Gérard mit allen seinen Wendungen und bekommt mit Ekaterina Godovanets als Maddalena den meisten Applaus. Besonders loben muss man die aufwendigen Kostüme von Roswitha Thiel. Für die Augen sind die wirklich ein besonderes Highlight. Die Oper wird nicht so selten aufgeführt, wie man meinen könnte, ist aber bisweilen etwas sperrig. Die richtigen Opern-Hits, die ins Ohr gehen, sind nicht dabei. Man verzichtet bei der Aufführung auf waghalsige Regie-Experimente und es gelingt ein interessanter Opernabend mit einem etwas unbekannteren Werk.
Quelle: Staatstheater Nürnberg
Kritik in den Nürnberger Nachrichten: Die Liebe überwindet jede Barrikade