In Nürnberg steht die Oper Andrea Chénier von Umberto Giordano auf dem Spielplan in einer Inszenierung von Guy Montavon. Die Oper ist dem Verismo verpflichtet, handelt von der wirklich existierenden Person des Dichters Andrea Chénier, basiert aber eher auf Fiktion als auf harten Fakten.
Im ersten Bild befindet man sich in einem grauen Salon im Schloss Coigny. Der Lakai Carlo Gérard prophezeit der höfischen Gesellschaft den Untergang. Ein Bote aus Paris bringt die Kunde, dass sich Paris im Aufstand befindet. Auch Maddalena, die Tochter der Gräfin Coigny muss sich in ein weißes Seidenkostüm zwängen. Für die feinen Herren wird nun ein grüner Teppich ausgerollt. Die höfische Gesellschaft hat sich in bunte Abendgarderobe gekleidet, die die Auswüchse des Rokoko zeigt. Die Frauen tragen hohe Turmfrisuren und aberwitzig weite Reifröcke. Die Farben waren sicher damals nicht so knallig, wie in dieser Inszenierung, dennoch hat die Kostümschneiderei sichtlichen Spaß gehabt, diese höfische Gesellschaft, so in Szene zu setzen. Die Damen lassen sich auf der Decke nieder und bringen ein Lied über die Schäferinnen dar, wobei sie nett im Takt wippen. Von der Decke hängen übergroße, weiße Lilien: Das Zeichen der französischen Könige. Ein Adeliger steigt in eine Schaukel und falls es den Begriff Luftharfe noch nicht gegeben hat, so ist er hiermit erfunden. Er steigt zur Decke und gibt ein Luftharfensolo. Der Dichter Andrea Chénier klagt die Adligen wegen ihrer Leichtlebigkeit an. Alle außer Maddalena sind empört. Nun hebt sich der graue Raum und es kommen Bauern herein, die der höfischen Gesellschaft den Garaus machen. Die Adligen, bis auf die Gräfin Coigny, werden von den Aufständischen erschlagen, wobei auch noch die Lilien zu Boden fallen. Als die Bauern abziehen, tanzt Madame Coigny alleine ihre Gavotte weiter, als ob nichts passiert wäre.
Im zweiten Bild, einige Jahre später hat die Revolution an Schärfe zugelegt. In dem Pariser Café hängen Spiegel in Guillotine-Form, die sich bewegen. Andrea Chénier erfährt, dass er auf der Hinrichtungsliste steht. Mit einem Pass soll er sich retten. Allerdings schreibt ihm eine Unbekannte, mit Rosenwasser getränkte, Briefe. Es tauchen auch zwei Adlige auf, die von den Revolutionsgarden exekutiert werden. Man vermutet schon, dass Andrea Chénier eine Beziehung zu einer Adligen unterhält. In einer dunklen Ecke von Paris kommt es dann wirklich zum Treffen von Maddalena und Chénier. Allerdings meldet der Spitzel dieses Treffen Gérard, der inzwischen im Revolutionsrat ist. Dieser fordert Maddalena für sich. Es kommt zu einem Duell zwischen Gérard und Andrea, wobei dieser Gérard in den Bauch schießt. Der Verwundete hat natürlich Andrea erkannt, gibt aber zum Protokoll, dass er den Angreifer nicht erkannt hat.
Im dritten Bild befindet man sich im Sitzungssaal des Tribunals. Die Sitzreihen hängen an Drähten, sind beweglich und können zu einer Tribüne aufgefahren werden. Gérard fordert die Anwesenden auf, für die Revolution zu spenden. Das Vaterland braucht Geld, da es von den europäischen Mächten bedrängt wird. Man führt die alte Madelon vor, die ihren Enkel als Soldat preisgibt. Gérard klagt nun Andrea an, um seinen Nebenbuhler zu beseitigen. Maddalena erscheint im leeren Tribunalssaal und bietet sich selbst Gérard an, wenn Andrea frei kommt. Das nun folgende “la mamma morta” ist wohl das bekannteste Stück aus der Oper. In dieser Arie schildert Maddalena den Tod ihrer Mutter. Zu tiefst erschüttert erkennt Gérard, dass es ein Fehler war, Andrea zu verurteilen und versucht nun alles, sein Urteil rückgängig zu machen. Hereingeführt werden nun vier Angeklagte, unter ihnen sind auch der Dichter und Madame Legray. Es ist aber schon zu spät, die Revolution und die Geschworenen um Dumas und das ganze Volk im Tribunalssaal fordern den Tod des Dichters.
Im vierten Bild sitzt der Dichter allein unter vielen Ketten im rot beleuchteten Kerker. Von der Decke hängen Ketten. Es zeigt sich noch einmal Gérard, der noch einmal die Begnadigung zu erreichen versucht. Am Boden liegen viele Zettel mit Gedichten. Mit seinem Freund Roucher geht er noch einmal die letzten Verse durch. Es erscheint Maddalena. Sie besticht den Gefängniswärter, anstelle der verurteilten Madame Legray, mit Andrea zusammen zur Guillotine fahren zu können. In fast wagnerscher Breite gestehen sich Maddalena und der Dichter ihre Liebe. Das Lichtspiel wechselt auf Tag und es ist klar, dass sie zusammen sterben werden. Die Revolutionäre rücken an und die beiden Liebenden begeben sich auf den Weg, wobei mit einem lauten Rasseln, die Ketten fallen.
Der Dirigent Philipp Pointer führt mit sehr viel Wucht durch dieses Verismo-Stück. Das bringt vor allem Vincent Wolfsteiner als Andrea manchmal, vor allem zum Ende hin, an seine Grenzen. Mikolaj Zalasinski gibt einen wunderbaren Gérard mit allen seinen Wendungen und bekommt mit Ekaterina Godovanets als Maddalena den meisten Applaus. Besonders loben muss man die aufwendigen Kostüme von Roswitha Thiel. Für die Augen sind die wirklich ein besonderes Highlight. Die Oper wird nicht so selten aufgeführt, wie man meinen könnte, ist aber bisweilen etwas sperrig. Die richtigen Opern-Hits, die ins Ohr gehen, sind nicht dabei. Man verzichtet bei der Aufführung auf waghalsige Regie-Experimente und es gelingt ein interessanter Opernabend mit einem etwas unbekannteren Werk.
Quelle: Staatstheater Nürnberg
Kritik in den Nürnberger Nachrichten: Die Liebe überwindet jede Barrikade