Hamlet - Schlag nach bei Shakespeare
Brett Deans Oper Hamlet aus dem Jahr 2017 war dieses Jahr die Eröffnung der Opernfestspiele im Bayrischen Staatstheater München. Dieses Werk war in Glyndebourne ebenfalls mit dem Dirigenten Vladimir Jurowski erfolgreich debütiert. Mit dem Hamlet Sänger Allan Clayton hat man den Hamlet der Uraufführung in der Besetzungsliste, der zweifellos eine gute Wahl ist. Mit der Musik von Brett Dean mutet man den illustren Premierengästen harte Kost zu. Man wartet nach den ersten Klängen gespannt darauf, wann die ersten aus dem Publikum das Haus verlassen. Nach 35 Minuten gab es erwartungsgemäß die ersten Ausfälle im Parkett, die den wabernden Klangteppich zu anstrengend fanden. Wenn man immer sagt, dass Musik, Gesang, Inszenierung und Text in der Oper eine Einheit bilden, so gilt dies besonders für dieses Werk. Man hangelt sich im Text förmlich am englischen Original von Shakespeare entlang und bleibt relativ gut textverständlich, obwohl die Balance zwischen Sängern, Chor und Orchestergraben manchmal ins Schlingern gerät und das Tosen im Orchester zu laut wird.
Wie jeder Hamlet, der Sohn des Dänenkönigs ist, startet das Bühnenbild mit einem Dialog zwischen Hamlet und Orphelia, seiner Geliebten. Während des Beginns fällt einem der Witz ein, stimmen die sich gerade noch ein? Oder hat es schon angefangen? Ja, dieser hypernervöse Klangteppich ist Programm. Als Bühnenbild hat man einen Palastsaal im neoklassizistischen Stil, der sich während der Vorstellung immer mehr auflöst. Man stellt fest, dass alle Sänger weiß geschminkt sind und überlegt, ob es auch eine White-Facing-Debatte gibt? Wenn der geforderte mindestens 32-stimmige Chor zur Hochzeit der Königin mit Hamlets Onkel einsetzt, entfaltet die Musik ihren Duft. Man stellt schnell fest, der Klang ohne eingängige Melodien, wird über die nächsten 3h zum fixen Bestandteil. Man klebt förmlich an den Übertiteln und folgt gespannt dem Libretto. Denn mit dem Textbuch zur Oper hat man mit Shakespeare einen echten Profi vor sich, der die Psychologie der Figuren interessant vorantreibt. Als Hamlets Vater in seinem Wahn auftritt und Rache für den Mord fordert, wird Hamlet wahnsinnig. Die Königin der Dänen rätselt nun über den veränderten Sohn, aber man hat schnell eine schlüssige Erklärung. Es wäre die unerwiderte Liebe zu Orphelia und nicht etwa die Musik, wie man lästern könnte. Im Schloss tauchen nun zwei Countertenöre auf, ehemalige Mitstudenten von Hamlet, die wie Bürobeamte aussehen und immer im Falsett fiepsen müssen. Dabei hätten die nun wirklich das Format für eine Purcell-Oper. Man lässt Orphelia mit Hamlet alleine, ihr Vater hätte alle Liebesbriefe abgefangen. Hamlet weißt sie ab mit den Worten: Geh in ein Kloster, die Liebe ist vorbei. Dieses Zitat ist mir aus eine Castorf Inszenierung in der Volksbühne Berlin gut bekannt. Hamlet engagiert eine Schauspielertruppe. Hamlets Plan ist, seinem Onkel, der für den Mord an seinem Vater verantwortlich ist und der nun Gemahlin seiner Mutter ist, die Ermordung in einem Theaterstück zu präsentieren. Wie zu Shakespeares Zeiten, spielen die Schauspieler das „Drama Die Ermordung des Gonzago“, das erstaunliche Parallelen zu der Ermordung von Hamlets Vater aufweist. Hamlet kommentiert die Geschehnisse auf der Bühne, die von einem Akkordeon begleitet werden. Interessanterweise spielt derselbe Schauspieler nun den König, der auch der Geist von Hamlets Vater war. Wie zu Shakespeareszeiten wird die Frauenrolle der Königin im Stück von einem Mann gespielt, denn Frauen waren damals auf der Bühne verboten. Letztlich gelingt die Provokation, der Mörder springt auf und ist vom Stück aufgewühlt. Aber Hamlet kann den geplanten Mord an seinem Onkel nicht ausführen, der in einem Gebet nach einer Möglichkeit sucht, sich reinzuwaschen. Also geht er ins Gemach seiner Mutter, stellt die zur Rede und ersticht in seinem Wahn Orphelias Vater.
Nach der Pause haben sich die Reihen noch etwas gelichtet, aber viele sind gespannt, wie das Drama weitergeht. Orphelias Bruder will nun den ermordeten Vater rächen. Unterdessen ist Orphelia durch die Geschehnisse wahnsinnig geworden. Spärlich bekleidet und mit Blumenstängeln singt sie eine große Arie und tanzt im Wahn über die Bühne. Es kommt zu einem wirkungsvollen Verschwörungsduett zwischen dem Onkel und dem Bruder Orphelias. Man beschließt mit einem vergifteten Florett und einem Gifttrunk Hamlet zu beseitigen. Unterdessen stürzt sich Orphelia in den Fluss und klingt als Echo aus den Logen der Staatsoper. Es senkt sich eine Fläche vom Bühnenhimmel mit einem Erdhaufen. Es ist der Totengräber, wieder derselbe Darsteller John Tomlinson, den man schon in zwei königlichen Rollen gesehen hat. Der Totengräber findet den Schädel des Hofnarren, der Hamlet großgezogen hat. Hamlet verliert sich in Erinnerungen an ihn. Es wird Hamlet aber klar, dass das Grab für Orphelia ist. Die Trauergemeinde erscheint mit Orphelias Bruder, der Königin und dem Gemahl. Es kommt zu einer Rangelei zwischen Orphelias Bruder und Hamlet. Die beiden Countertenöre informieren über ein Preisgeld, dass der König ausgesetzt hat.
So und nun passiert eine interessante Wendung, denn zum Finale dem endgültigen Showdown aller Figuren musste ich den Besuch der Vorstellung abbrechen, was ich wirklich sehr bedauert habe. Der letzte Zug zurück fuhr so unglücklich früh, dass ich die Vorstellung verlassen musste. Für mich hieß es ab hier: Schlag nach bei Shakespeare. Ich habe das Finale dann in BR-Klassik am Handy verfolgt und da war das Ganze dann wie ein zusammengefallenes Soufflé. Die Musik, eben noch für gut befunden, zerfiel zum besungenen Staub. Eben noch von dem Gesehenen begeistert, machte die Musik allein so gar keinen Sinn mehr. Womit man wieder bei der Ausgangthese ist: Musik, Gesang, Inszenierung und Text in der Oper bilden eine Einheit. Ein Teil für sich, macht bei diesem Hamlet keinen Sinn und ist wertlos. Ich habe mir am Ende sagen lassen, dass es keine Buhs gegeben hätte. Letztlich siegt bei dem Stück das Libretto und die Werktreue zu Shakespeare mit seinen Figuren. Die Musik ist nichts, was man sich einmal so auf der Stereoanlage anhören würde, aber als Untermalung des wahnsinnigen Geschehens auf der Bühne, taugt sie äußerst gut. Dennoch wird es das Stück schwer haben, einen dauerhaften Platz im Repertoire zu finden. Und warum musste ich nur ständig an den Komponisten Antony Swindelle aus Alma Deutschers Oper denken? Aber lassen wir das lieber.
Quelle: YouTube | BayerischeStaatsoper
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