Madama Butterfly - Zarte Töne auf monumentaler Bühne
Manchmal muss man auch Glück haben mit Freiluftveranstaltungen, so wie wir in Bregenz auf der Seebühne bei Madame Butterfly. Andreas Homoki hat nach dem monumentalen Rigoletto auf ein schlichtes, gebrauchtes, gewelltes, übergroßes Blatt Papier gesetzt. Die Madama Butterfly läuft jetzt das zweite Jahr und man hat das eigentliche Solisten-Stück mit Statisten aufgepeppt. So gibt es eine Gruppe von weißen Geistern, Butterflys Verwandtschaft und ein Geisha-Gefolge, bei denen das Wired Aerial Theatre und die Statisterie der Bregenzer Festspiele zum Einsatz kommt. An dem Abend führte Yi-Chen Li die Wiener Symphoniker durch Puccinis Partitur. Große Chorszenen gibt es in diesem Stück ebenfalls nicht, allenfalls Untermalungen einiger Stellen in der Partitur. Madame Butterfly eignet sich eigentlich nicht besonders für die Seebühne, dachte ich zuerst. Dennoch gelingen mit Lichteffekten auf dem hellen Japanpapierblatt immer wieder Gänsehautmomente. Gerade die Arie „un bel di, vedremo“, der Summchor oder die letzte Arie der Madame Butterfly sind ganz große, eindringliche Momente. Die einzelnen Personen wirken bisweilen etwas verloren auf dem großen Blatt Papier. Geschickt nutzt man den Geisterchor, um Personen von der Bühnen verschwinden zu lassen. Der Wind an dem Abend verlieh den weißen oder rot-weißen Kostümen die nötige Dramatik.
Zu Beginn der Aufführung treiben sich einzelnen Geister schon eine Viertelstunde vor dem Beginn auf der Bühne herum. Als Pinkerton und Sharpless, die beiden männlichen Hauptrollen auftreten, reißen sie zwei Löcher in das Papier der Bühne. Zu den Klängen der amerikanischen Nationalhymne fährt ein riesiger Fahnenmast aus dem rechten der beiden Löcher. Vermuten kann man nur den Hauskauf, der nun von Pinkerton getätigt wird. Zudem legt Pinkerton gleich seine Absicht offen, einmal eine amerikanische Frau zu heiraten. Für 999 Jahre hätte er das unsichtbare Haus mit der Geisha gekauft, mit dem Recht, monatlich zurück zu treten. Zur Hochzeit mit Madame Butterfly kommt mit den Geishas in Rot zusammen, die Verwandtschaft in Grün. Madame Butterfly ist von nobler Herkunft und erst 15 Jahre alt. Sie packt die Hinterlassenschaften ihrer Familie aus einer Kiste aus. Ein Ottoké ist dabei und ein Dolch. Es wird angedeutet wird, dass Butterflys Vater Selbstmord auf Befehl ausgeführt hatte. Pinkerton ist als Marinesoldat in einem auffälligen blauen Anzug zur Hochzeit erschienen. Als herauskommt, dass Butterfly auch noch im Missionshaus gewesen, mischt sich Onkel Bonze aus dem Hintergrund ein und verflucht sie und die Ehe. Der Onkel nur als Fratzenprojektion auf dem Papier zu sehen. Dennoch stellt sich eine romantische Stimmung ein, als ein Mond auf das Papier geworfen wird.
Im zweiten Akt kommt Butterfly mit einer amerikanischen Fahne aus einer Blattfalte. Inzwischen hat Butterfly ihr rot-weißes Hochzeitskleid gegen eine blau-weißes Kleid getauscht und somit sich auch optisch Pinkerton abgeglichen. Leider wird sie von Geldnöten geplagt. Pinkerton ist aber inzwischen das dritte Jahr weg. Er hätte ihr gesagt, er komme wieder, wenn das Rotkehlchen brütet. Sie fragt Sharpeless, ob die Rotkehlchen in Amerika seltener brüten, weil sie es in Japan schon dreimal getan hätten. Man legt Butterfly nahe doch einen japanischen Fürsten Yamadori zu heiraten. Der erscheint auf einer Sänfte mit einer langen roten Robe, getragen von sechs Trägern im Wasser des Bodensees. Butterfly hat einen kleinen Sohn, den sie Sharpless zeigt. Die Dienerin Suzuki jagt den Heiratsvermittler Gozo mit einem Rechen über die Bühne, als er falsche Gerüchte über die Herkunft des Kindes verbreitet. Mit einem lauten Donner hört man nun die Kanonen. Butterfly erwartet die Ankunft von Pinkerton und schmückt die Bühne mit Blumen und möchte Frühlingsduft für seine Ankunft verbreiten. Auch auf das Papier werden Blütenblätter projiziert. In der nun folgenden Traumsequenz sieht Butterfly Pinkerton Geschenke bringen für ihren Sohn. Es ertönt der bekannte Summchor. Aber das ist nur ein Traum vor dem dritten Akt. Es fährt ein überdimensioniertes Papierschiff an den rechten Bühnenrand, in dem Butterfly kurz verschwindet.
Im letzten Akt kommt kurz Pinkerton mit seiner Frau. Pinkerton hält die Situation nicht aus und flüchtet wieder. Er begegnet Butterfly im letzten Akt nicht mehr, sondern lässt seiner Frau, im linken Pettycoat die Aufgabe, den Sohn von Butterfly und ihm nach Amerika zu bringen. Butterfly verabschiedet sich vom Sohn. Die Geister haben einen Dolch gebracht, mit dem sich Butterfly schließlich, wie ihr Vater das Leben nimmt. Der Bogen Papier geht von unten her zuerst in einer Projektion, am oberen Bühnenrand aber dann tatsächlich auch in Flammen auf. Butterflys Leben ist verbrannt wie das Blatt Papier.
Ich war zu Anfang skeptisch, ob die Madama Butterfly auf der großen Bühne funktionieren würde, aber das tut sich wirklich sehr gut. So waren auch an diesem, etwas regnerischen Tag, alles Plätze ausverkauft. Gerade als es Dunkel wird, scheint das Blatt magisch über dem See zu schweben. Sehr positiv ist mir an diesem Tag die Tonanlage aufgefallen, was früher für mich immer wieder ein Kritikpunkt in Bregenz war. Mit den LED-Lichtern zusammen hat man die Technik modernisiert, was ich sehr wohlwollend aufgenommen habe. Elena Guseva hat an dem Abend eine makellose Butterfly gesungen, würdig in den Duetten begleitet von ihrer Dienerin Suzuki (Aytaj Shikhalizada). Die Männer sind bei diesem Puccini die Bösen und ich kenne wenig Bühnenfiguren, die so unsympathisch sind wie Pinkerton. Łukasz Załęski als Pinkerton und Yngve Søberg als Sharpless erfüllen an diesem Abend ihren Auftrag, die Bösen zu sein. Als der Regen dann um 23:30 einsetzt, war man schon am Parkplatz.
Quelle: YouTube | Bregenzer Festspiele
Quelle: YouTube | grizzly2000
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