Im weißen Rößl - Wunderbar divers
Durch Zufall war ich in der 46. Vorstellung in der Comödie vom „Im Weißen Rössl“. Es handelte sich bei der Inszenierung um eine Übernahme aus Bad Kissingen. Jetzt hat Bad Kissingen aber andere Platzverhältnisse, als die Comödie in Fürth. Daher musste das Bühnenbild verkleinert werden. Zudem verzichtet man auf ein Live-Orchester. Die Toneinspielungen kommen vom Band, was aber verblüffend gut funktioniert. Auch auf einen Kinderchor muss man leider verzichten. Dennoch spielen die 16 Protagonisten im Stück + zwei Statistinnen für eine steppende Plüschkuh im ersten Akt hervorragend, jedoch wünschte man sich an der ein oder anderen Stelle schon Übertitel. Dennoch, das Zusammenspiel in der Musik klappte in der Nachmittagsvorstellung hervorragend. An der Handlung hat man etwas gedreht, wenn man das Original kennt. Zudem hat man aus den drei Akten einen Zwei-Akter gemacht und lässt die Stücke teilweise in anderer Reihenfolge ablaufen.
Zu Beginn der Operette von Ralph Benatzky dreht der Zahlkellner Leopold an der Preisschraube und erhöht den Preis für das Paprikahuhn von 3 auf 8 EUR. Die ankommenden zahlungskräftigen Touristen unter Zeitdruck scheint das nicht zu stören. Der Zahlkellner Leopold ist natürlich besetzt mit Volker Heißmann, der diese Rolle schon im Opernhaus Nürnberg übernommen hat. Klar, ist es eine Comödien-Vorstellung und der etwas brachiale Humor ist hier Programm. So bekommt der Zahlkellner eine deftige Backpfeife von seiner Chefin Josepha Vogelhuber, als er ihr ein Liebesmenü auf die Speisekarte setzt. Denn sie ist eigentlich verliebt in einen rollschuhfahrenden Rechtsanwalt aus Berlin, den Dr. Otto Siedler. Der trifft dieses Jahr aber verspätet ein und Josepha hält ihm extra das Balkonzimmer frei. Es kommt der Fabrikant Gieseke mit seiner Tochter Ottilie auf die Bühne. Pikanterweise ist Dr. Siedler der Anwalt der Gegenseite in einem Patentstreit um knöpfbare Unterwäsche. Um Dr. Siedler eines auszuwischen vergibt er das Balkonzimmer an Gieseke. Das ständige hin und her der Koffer treibt Piccolo in den Wahnsinn. Gieske ist von der Gegend um den See nicht sehr begeistert, denn das Essen schmeckt ihm nicht. Etwas Grünen-Bashing ist auch dabei als der Zahlkellner von seinen Kurgästen auf Diät erzählt und der Name von Ricarda Lang fällt. Die servierten Beuscherl erkennt Gieseke als saure Lunge, also serviert man auch ihm künstliches Paprikahuhn. Es tritt Martin Rassau als Christel von der Post auf und hat sofort alle Lacher auf seiner Seite. In gelben Strümpfen und im gelben Post Outfit ist er eine Karikatur eine Drag Queen. Der ältliche Piccolo ist gut zwei Köpfe kleiner und reicht der Christel gerade bis an den Busen. Zudem beweist sich diese Christel als sehr trinkfest und trinkt unter dem Applaus des Publikums, eine Maß Bier in einem Zug. Ottilie und Dr. Siedler treffen aufeinander und Dr. Siedler ist schlagartig in Ottilie verliebt. Um Dr. Siedler eines auszuwischen, der Konkurrent des Zahlkellner Leopolds ist, arrangiert Leopold ein Champagner-Tête-à-Tête im Kuhstall inklusive steppender Kuh. Interessanterweise hat die Kuh die besungenen himmelblauen Augen. Im Hintergrund spielt Piccolo den Liebesboten Amor inklusive Engelsflügeln. Der schöne Sigismund ist der Sohn des Konkurrenten Sülzheimer von Gieske, wieder gespielt von Martin Rassau, galoppiert mit den Kellnerinnen auf die Bühne. Es tritt die Konditorgehilfin Klärchen auf und deren Torte landet im Gesicht von dem schönen Sigismund. Den Kommentar ‚Schön‘ der Sigismund daraufhin entfleucht, kennt man aus Dick und Doof. Dieser hat eine Atze-Schröder-Perücke auf und man erkennt sofort, dass das eine Perücke ist. Darunter kommt die Glatze von Martin Rassau zum Vorschein. Klärchen und Siegismund verlieben sich. Es kommt zur Entlassung von Leopold wegen seiner Aufdringlichkeit gegenüber Josepha Vogelhuber. Er kann einfach nicht zusehen, wie sich Josepha und Dr. Siedler vermutlich näherkommen. Er kündigt mitten in der Saison. Als er mit den gepackten Koffern gehen will, fragt er geknickt wohin. Das Publikum ruft: nach Fürth! Worauf Heißmann gekonnt pariert und als Gast zurück ins Hotel geht. Zusehen ist nun ein bezaubernde Revue-Szene mit rosa Fächern.
Ottilie und Dr. Siedler machen im zweiten Akt eine Berg-Tour. Als Ottilie die Blumen vermisst, entfaltet Dr. Siedler einen grünen Kunstrasen mit Plastikblumen. Auch Gieseke ist auf einer Bergtour mit Piccolo, als er meint: er wäre keine Gämse, ist kurz eine ausgestopfte Gämse zu sehen. Es kommt zu einer wahren Skandal Nummer im Dritten Reich, der Badeszene. Während es sich die Damen auf den Liegestühlen gemütlich machen. Machen sich die Herren frei und verstecken ihre Blöße hinter roten Handtüchern. Jetzt hat man 2024 natürlich bei der Handtuch Nummer, bei der meist zwei Männer tanzen und die Handtücher so geschickt führen, dass man nie genau weiß, ob sie nackt sind. Ein dunkelhäutiger Kellner hat aber einen interessanten Stringtanga mit Kleeblatt an. Der Skandal ist perfekt. Herr Gieseke hat inzwischen den lästigen Hahn erschossen. Es wird nochmal turbulent, als sich der Kaiser höchstpersönlich zum Schützenfest angekündigt hat. Jetzt ist der aber im Bahnstreik bei Ischgl stecken geblieben und in Maske erscheint als Kaiser Franz-Josef, der Leopold selbst. Als Volker Heißmann als Kaiser auf die Bühne kommt, ist das Publikum gefragt. Man ist dazu angehalten die Winkelemente im Zuschauerraum zu nutzen, aufzustehen und dem falschen Kaiser lautstark die Nationalhymne entgegen zu schmettern. Das Publikum macht da auch wirklich mit. Der Kaiser tröstet Josepha sich damit abzufinden, dass Dr. Siedler eine andere hat. Dann gibt es sich als Leopold zu erkennen. Erst jetzt kommt eine Hommage an den Regen am Wolfgangsee, das sich mit einem LED-Gewitter ankündigt. Mit roten und weißen Schirmen gibt es zu der Melodie „Wenn es hier mal richtig regnet“. Wer einmal in einer Regenfront am Wolfgangsee war, wie ich 2023, weiß, dass hier viel Wahrheit rein getextet ist. Natürlich darf auch hier ein Frankenwappen nicht fehlen. Als Leopold nun endgültig gehen will, fordert er ein Zeugnis von Josepha. Diese schreibt in sein Buch: "Entlassen als Zahlkellner, aber engagiert auf Lebensdauer als Ehemann".
Die Musik von Ralph Benatzky macht Lust, sich wieder mal durch die Operette zu hören. Es sind wirklich viele, schöne bekannte Stücke drin, die alle so in den 30er Jahren und der Swing-Ära verortet sind. Der vermeintliche ‚judenbezug‘ der Komponisten und die Skandalszene mit dem Bad führten zu einem Aufführungsverbot im Dritten Reich. Natürlich zünden die Komiker Heißmann/Rassau ein Gag Feuerwerk, das hier im Detail sicher den Blogbeitrag sprengen würde. Ich war im besten Sinne unterhalten bei dieser Variante der Operette. Ich frage mich natürlich, wo der Spoiler Alarm bleibt, dass hier unsittliche Gags gestartet werden und man ein Frauenbild verbreitet, das nicht mehr ganz in Ordnung ist, nach heutiger Deutung. Aber man ist mit einer Drag-Christel, einem farbigen Kellner und dem Männer-Handtuch-Ballett wunderbar divers aufgestellt, sodass man in diesem Fall gerne Nachsicht walten lässt.
Einen Kommentar hinterlassen