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Wir hatten Glück und hatten noch etwas Gelegenheit von der Einführung des Stück mitzubekommen. Das war sehr hilfreich, um das Bühnenbild zu verstehen. Die Inzenierung wurde verlegt und spielt im Irland der Neuzeit. Der Bürgerkrieg in Nordirland wird als Ausgangspunkt für die Inszenierung von Dieter Kaegi und Bühnenbildnerin Monica Frawley genommen. Das Bühnenbild besteht aus Stehlen, die man in Belfast nutzt, um die Viertel der unterschiedlichen Glaubensrichtungen abzugrenzen. Diese dienen mit ihren Guckschlitzen einmal als Festung, mal als Mauer. Das heutige Irland verändert auch die Sichtweise auf das Stück. Im Mittelpunkt steht schon noch die Liebe zwischen Arturo und Elvira, aber der romantisch-verklärte Aspekt und das Patriotische fallen weg. Die Verklappung der Toten Soldaten in Säcken in ihre Gräber ist schon ziemlich drastisch. Auch die Jagdszene, in der Elvira Ricardo das Herz des erlegten Wildes in die Hand gibt ist ziemlich eklig. Sir Giorgio, Elviras Ersatzvater kommt nicht besser weg. Irritiert nimmt man die Übergriffe auf Elvira wahr. Das ist wirklich kein netter Onkel und passt so gar nicht zum Text, der gesungen wird. Ganz überzeugend ist die Hochzeitszene mit dem a te o cara, die mir persönlich am Besten an der ganzen Oper gefällt. Arturos (Tilman Lichdi) Spitzentöne sind live einfach umwerfend. Die Hochzeitsgesellschaft spielt die Reise nach Jerusalem, während Arturo unter den Gefangenen die Köngin entdeckt. Unter dem Schleier, der eigentlich für Elvira gedacht ist, flieht die Königin von der Festung. Riccardo stellt die Flüchtenden noch zur Rede, muss aber feststellen, dass sich unter dem Schleier nicht Elivra befindet und lässt die Königin mit Arturo fliehen. Die Flucht von Arturo führt bei Elivra nicht nur zu einem Wahnsinnsanfall, sondern auch zu wunderschönen Belcanto Arien. O rendetemi la speme und Vien, diletto gehören ebenfalls zu den Bravourarien. Hier muss man wirklich Hrachuhí Bassénz loben, die an diesen Stellen eine überzeugende schauspielerische Leistung bietet. Der zweite Akt wird ganz von diesen beiden Arien dominiert. Nach der Schlacht kommt Arturo wieder zu Elivra zurück. Sie kommt wieder zur Besinnung. Arturo wird aber zur Rede gestellt und schließlich mit einem lauten Pistolenknall hingerichtet. Da war ich zumindest wirklich überrascht. Die Schlußszene ist dann eher als Traumszene zu verstehen, in der Arturo dann durch einen Boten freigesprochen wird. Elvira und Arturo treten nochmals im Hochzeitsgewand auf und beenden die Aufführung. Ja, da steht man nun, ist betroffen von dem unerwarteten Ende, der so sicher nicht im Opernführer steht. Nürnberg ist doch für eine Überraschung gut.
Das Südthüringisches Staatstheater hat die Handlung des Fidelio in unsere Zeit zu transferieren klappt sehr gut. Der Kerkermeister Rocco und Jaquino treten in schwarzer Uniformkluft auf und rasseln während des ersten Aktes gehörig mit Ketten und Handschellen. Marzelline wird von Jaquino wirklich ruppig behandelt. Jaquinos auftreten unterstreicht eine kurze Topffrisur mit viel Brilliantine und ein leicht östlicher Akzent. Dann erscheinen die Gefangenen in Orange mit einem LED-Licht am linke Fuß. Unschwer sind Parallelen zu den Gefangenen auf Guantanamo zu erkennen. Die Häftlinge drehen während des ersten Aktes ihre Kreis im hinteren Feld der Bühne. Das gesamte Bühnenbild ist einfach nur schwarz, was aber zu der Kerkeroper passt. Im Boden beleuchten Neonlichtröhren die Szene, wenn die Handlung außerhalb des Kerkers ist. Eine Trennwand zu den Gefangenen vermittelt recht authentisch den Eindruck einer Guantanamo-Barrake. Beim Auftakt zum zweiten Akt lässt sich Herr Hans Urbanek Zeit. Zum einen herrscht nach der Pause eine ziemliche Unruhe und wiederholt klingelt ein Handy. Nach mehreren Anläufen, bei der er den Taktstock auch mal aus der Hand legt, gelingt der Einstieg in den zweiten Akt. Florestans Fiebervision von Eleonore klingt sehr plausibel. Dann kommt der Auftritt von Pizarro, der mit einem Dolch in der Hand, Florestan erstechen will. Fidelio gibt sich als Eleonore zu erkennen und droht mit einer Waffe. Schließlich tritt der Minister in Erscheinung. Hinter einem Pult, das dem Ansprache-Pult des Präsidenten gleicht, verkündet der Minister die Befreiung. Der Auftritt von Don Pizzaro mit Aktenkoffer versetzt das Ganze schon sehr ins Heute. Der Jubelchor gelingt und die Gefangenen sind frei. Insgesamt scheint das Orchester gerade in der Anfangsphase etwas mit der Akustik im Haus zu kämpfen. Es gelingt dann aber doch ein stimmiger Orchesterklang, wobei die Streicher etwas dünn besetzt scheinen. Die Sänger haben es bei der dick aufgetragenen Musik erfahrungsgemäß schwer. Dennoch gelingt mit der Verlegung der Handlung ein gelungener Opernabend im Fürther Stadttheater.
Und noch eine Oper, die sich bisher den Modernisierungsansätzen erfolgreich zur Wehr gesetzt hat. Aida wurde aus dem Theben und der Ägyptischen Epoche in die Zeit der 50er Jahre verfrachtet. Amneris kommt eher als eine Art Evita Peron daher mit blauem Cocktailkleid und Ascot-Hut. Der Pharao erinnert an einen Diktator. Das Ganze spielt in einem weißen Saal mit fünf prunkvollen Lampen. Das ist alles sehr im Stil der Fünfziger Jahre gehalten. Der erste Akt gelingt da noch ganz gut. Die Kriegsplanung von Radames auf einer Art großen Billard-Tisch, der mit Sand gefüllt, die Kriegsplanung der Ägypter gegen die Äthiopier darstellen soll. Aida singt ihre Arie auf dem Tisch, es fließt über dem Tisch literweise das Theaterblut und erinnert daran, dass es sich um eine echten Krieg der Ägypter gegen die Äthiopier handelt. Das Kriegsgeschehen kommt in Form von alten schwarz-weiß-Aufnahmen von Bomben-Angriffen daher und wird in die weiße Bühne projeziert. Das im zweiten Akt stattfindende Kriegsgeschehen wird dort sehr drastisch verdeutlicht. Die Flagge der Pharaonen in schwarz, rot, weiß erinnert an die deutsche Kriegsflagge. Der Triumphmarsch nimmt dann Aida in die Klemme, die Trompeten beschallen sie mal von links, mal von rechts. Sie kann dem scheppern der Siegsfanfaren nicht entkommen. Es war doch der Sieg, den sie eigentlich gegen ihr eigenes Volk, Radames gewünscht hat. Dieser Triumph ist nun endgültig ihr Untergang. Die Versetzung in die Zeit von Evita Peron gelingt in den ersten beiden Akten recht gut. Das Aufgebot an Sängern ist gewaltig und das musikalische Ergebnis ist beeindruckend. Gespannt wartet man auf die Nilszene und wird von einer Anhäufung von Kartons und Müllsäcken überrascht. Es ging ein Raunen durch das Publikum, ob der Müllsäcke im Nildelta. Und dann scheint Daniel Herzog irgendwie die Ideen ausgegangen zu sein. Radames singt sein Duett mit Aida am Ende gänzlich allein in seinem Grab. In dem großartigen Schlussduett fehlt Aida und es ist nicht klar, ob sich Aida wirklich in der Grabkammer befindet. Der weiße Saal öffnet sich und man sieht das gesamte Theben im Hintergrund.
David Yim ist wirklich ein beeindruckender Radames, Jordanka Milkova eine tolle Amneris, die dem Schaumbad entsteigt, Ränke schmiedet und in schierer Verzweiflung auch Radames im dritten Akt fast erwürgt, so dass dieser laut auf der Bühne keucht. Mardi Byers kann in den leisen Stellen der Aida-Partien glänzen, setzt sich aber gegen das ganze Orchester wenig durch. Musikalisch ist an der Oper wirklich nichts auszusetzen. Und über Müllsäcke im Nildelta lässt sich doch vortrefflich Kritiken schreiben.
Was passiert wenn man die Handlung des Entführung aus dem Serail, statt auf einem Landgut des Bassa Selim im 16. Jhd., in der Realität des 21. Jhd. spielen lässt ? Das Serail hat sich gewandelt und es gibt nicht einen Hauch von 1001 Nacht. Es scheint mehr eine umgebaute Eckkneipe in Nürnberg zu sein, die statt eines Harems, einem deutsch-türkischen Freundschaftsclub gewichen ist. Dadurch wirkt das Stück unangenehm nahe und bei manchem Spruch über das Wesen der Türken, fragt man sich dann plötzlich? Darf man das so sagen. Wenn der Oper alles märchenhafte genommen ist, kommt harter Deutsch-Türkischer Alltag auf die Bühne. Der erste Akt spielt vor dem Deutsch-Türkischen Lokal. Osmin vertreibt sich die Zeit mit Backgammon, während Belmonte ankommt und Einlass begehrt. Die aufwändig gestaltete Fassade zeigt eine Eckkneipe in einem 19. Jhd-Bau inklusive Graffitti und Neonbeleuchtung. Die ersten Takte der Arie sind dann auch konsequent in türkisch gesungen. Auch Osmin spricht immer wieder türkisch. Das wirkt ungemein echt und überrascht. Bassa Selim ist ein junger Türke in weißem Anzug, der absoluter Herr in seinem Block ist. Mehmet Yilmaz spielt den Ghetto-Herrscher sehr überzeugend und unterlegt die Dialoge immer wieder mit türkisch. Gerade wenn er in Wut ist, dass Konstanze seinem Werben nicht nachgibt, entfahren ihm immer wieder türkische Worte. Blondchen als Engländerin spricht konsequenterweise dann auch ein paar Sätze in Englisch. Ja wir hatten mit den Damen nur die zweite Besetzung erwischt. Hinako Yashikawa als Blonde und Cornelia Götz mussten aushelfen und waren nun vielleicht nicht so perfekt, wie sich das mancher gerne gewünscht hätte. Die zweite Szene spielt dann im inneren des Clubs und erinnert stark an das Innere einer Moschee. Es wird wirklich kein Klischee ausgelassen, die Neonbeleuchtung, der Ayran-Schrank mit Glastür, die Theke. Auch der Chor ist ganz türkisch gekleidet. Constanze tritt dann wirklich ganz in ein weißes Glitzerkostüm als veritable Türkin gekleidet auf. Sie singt ein Teil ihrer Arien in einem rosa Zimmer im ersten Geschoss. Das Serail ist also in den Club integriert. Die Arie “Matern aller Arten” von Konstanze gesungen durch Cornelia Götz geriet dann doch ganz passabel. In den Club war auch ein Raki und Weinlager integriert. Dies wurde von Pedrillo, gesungen durch Jeff Martin aufgefüllt und beim “Vivat Bacchus” auch geleert. In der Pause war es allerdings soweit, dass mancher die Aufführung lieber verließ. Ob es an der Zweitbesetzung oder dem ausgefallenen Einfall lag, ist nicht ganz klar. Hinter uns saß eine Schar SMS-sender Mädchen, die für einen gewissen Geräuschpegel sorgten. Außerdem gingen einige Leute bei den Arien raus und bei den türkischen Passagen rein, was wiederum dafür spricht, dass die Inszenierung ganz neue Leute angesprochen hat. Christof Prick hatte jedenfalls das Orchester gut im Griff und führte temporeich durch das Stück. In der dritten Szene kam dann eine Baumarktleiter zum Einsatz, der die Damen aus dem Serail auf die Straße entführte. Konstanze hatte gepackt und nur eine Tasche, während Blondchen gleich mehrere türkische Einkaufstaschen gefüllt hatte und somit die Gags auf ihrer Seite hatte. Bassa Selim spricht Konstanze und die ertappten Entführer frei.
Insgesamt war es doch ein gelungener Abend mit einer einfallsreichen Inszenierung von Andreas Baesler, der überraschen konnte. Fast fühlte man sich an die gute alte Kloke-Zeit erinnert, bei der jede Aufführung ein Erlebnis war. Die Oper Nürnberg kommt wieder in Form und ist wieder für eine Überraschung gut.
Ja möge dieser Winter nie zu Ende gehen! Ein Zitat aus dem zweiten Bild von Puccinis Oper La Boheme. Es ist schon die richtige Jahreszeit für eine Oper, die um die Weihnachtszeit spielt. Es schneit auf der Bühne und die vier Freunde in Puccinis Oper versuchen sich durch das Verbrennen eines Manuskripts das Zimmer zu wärmen. Warm anziehen müssen sie sich, denn im Orchestergraben heizen die Nürnberger Philharmoniker unter der Leitung von Christoph Gedschold den Sängern ziemlich ein. Gar nicht so einfach für eine an Mandelentzündung leidende Melanie Hirsch und den Tenor Timothy Richards sich dagegen zur Wehr zu setzen. In den ersten beiden Bildern ist der Dirgient gnadenlos und nimmt sich erst nach der Pause zurück. Die Bühne wird umrahmt von einer Brückenkonstruktion, auf der in dem zweiten Bild Leute flanieren. Das zweite Bild ist insgesamt moderat turbulent. In Berlin habe ich in der Deutschen Oper schon ein schlimmeres Durcheinander gesehen. Die einzelnen Gesangsgruppen sind farblich gleich in Gruppen angezogen, was ich einen ziemlich interessanten Einfall fand. Man behält so auch im Durcheinander des Weihnachtstrubels des Quartier Latin einen Überblick. Parpingol ist als Clown dargestellt, der die Kinder reich beschenkt. Der dritte Bild bietet musikalisch nicht so viel. Weniger eingängig als die große Arie der Musetta (Quando me vo) oder die Arie des Rudolfo (Che gelida manina) im ersten Bild. Das letzte Bild lebt dann von Zitaten aus dem ersten. Dramatisch ist dann schon, wie sich dann Timothy Richard mit den Mimi-Rufen in Che ha detto il medico verabschiedet. Da kommt es dann wirklich gut, dass sich der Dirigent etwas zurücknimmt. Überhaupt ist der Walisische Tenor der Star des Abends. Mit einer Puccini-Oper in den Ohren waren alle der Meinung: Möge dieser Winter nie zu Ende gehen.