Tannhäuser-Dich teure Halle
Wenn man ganz schnell ist, kann man auch Karten für eine Tannhäuser-Aufführung des Meininger Staatstheaters auf der Wartburg bekommen. Gegeben werden dort im Frühjahr und im Herbst immer einige Aufführungen des Tannhäusers (meist drei bis sechs). So in etwa 200 Leute finden Platz und der Aufwand ist enorm, ein ganzes Wagnerorchester inklusive Chor auf die Höhen der Wartburg zu bringen. Der zweite Akt des Tannhäusers, der Sängerkrieg spielt ja in dem Festsaal. Während die Legenden ihren Ursprung in Sammlungen mittelhochdeutscher Sangspruchgedichte haben, nimmt es Wagner da nicht so genau. Sein heutiges Aussehen verdankt er der historistischen Erneuerung der Wartburg im 19. Jahrhundert. Dennoch ist es einfach ein tolles Opernerlebnis, die gesamte Oper mit fast vier Stunden Länge im Festsaal aufgeführt zu sehen, der zwar keine optimale, aber eine ausreichend trockene Akustik bietet. Zudem lassen sich mit den baulichen Gegebenheiten vor Ort, interessante Effekte mit Chören und Einspielungen erreichen, die man so nur dort umsetzen kann. Gelegentliche Operngänger seien gewarnt: Es ist der gesamte Tannhäuser, der hier aufgeführt wird und wenn man keine Affinität zu Wagners Musik hat, können das lange vier Stunden werden. Zudem muss aufgrund der räumlichen Einschränkungen auf ein Bühnenbild verzichtet werden, dennoch agieren die Sänger im Festsaal und singen kein Konzert rein vom Blatt. Die Umsetzung ist halbszenisch. Ein kleiner Hinweis sei noch gegeben, im Café Gandem lässt sich vor dem Konzert ein Konzertteller vorbestellen, der einem den langen Opernabend auch überstehen lässt. Ebenso hilfreich ist es, ein Taxi von der Wartburg am Abend runter zu bestellen. Seit 2003 kann man dieses Opernevent immer wieder buchen.
Schon der Venushügel ist eine Improvisation. Eine barfüßige Venus, dargestellt durch Deniz Yetim betritt barfüßig im roten Kleid mit einem langen Schal die Bühne. Tannhäuser hat die Sinnkrise im Venushügel und sehnt sich nach Menschen, Frühling und Glockengeläute. Gerade dadurch, dass das Bühnenbild fehlt, kann Corby Welch sich ganz auf das Streitgespräch mit Venus konzentrieren und ist nicht durch Regieeinfälle abgelenkt. Ein Hirte singt von einem Balkon im Festsaal ein Frühlingslied. Gerade der Pilgerchor, der durch den seitlichen Säulengang vorbeizieht nutzt die Besonderheit des Spielorts aus. Man hört Trompeteneinspielungen aus der Ferne. Nun treffen der Landgraf und Wolfram und die Sänger ein. Sie erkennen ihren Mitsänger, dessen Hochmut scheinbar erloschen ist. Die Sänger tragen noch Kutten und können Tannhäuser schließlich bewegen auf die Wartburg zu Elisabeth zu gehen. Elisabeth und Tannhäuser waren befreundet.
Im zweiten Akt gehen die Lichter bei der berühmten Hallenarie von Elisabeth an. Eine stimmlich in Hochform singende Lena Kutzner mit blondem Haar ist die ideale Besetzung eine verliebten Elisabeth, die sich auf die Rückkehr von Tannhäuser freut. Das Liebesduett der beiden verfolgt Wolfram nur aus der Ferne und Tannhäuser und Elisabeth gestehen sich ihre Liebe. Der Landgraf bemerkt die Liebe seiner Nichte und will ein großes Sängerfest geben, an dem Elisabeth dem Gewinner einen Preis übergeben soll. Auf dem oberen Gang findet sich unbemerkt der Chor ein und die Oper wird an dieser Stelle fast zum Orkan, der einen mitreist in die Handlung. Der Landgraf stellt die Aufgabe: Jeder Sänger solle das Wesen der Liebe beschreiten. Die Sänger aus dem ersten Akt haben jetzt mittelalterliche Kutten an. Wolfram von Eschenbach, Biterolf und Walter von der Vogelweide stellen die Liebe als sehr sittlich da, was Tannhäuser immer spöttisch und amüsiert kommentiert. Schließlich preist Tannhäuser den Taumel und das Entzücken der Liebe im Venusberg. Das lässt die Ritter entsetzt auf Tannhäuser mit Schwertern einschlagen, bis sich Elisabeth effektvoll dazwischenwirft und meint, dass sie im Spiel die wahrhaft Betrogene ist. Tannhäuser erwacht aus seinem Taumel und der Landgraf schickt ihn zur Reue nach Rom, um beim Papst Vergebung zu suchen. Mit dem Ruf "Nach Rom" stürzt Tannhäuser aus dem Saal.
Im letzten Akt haben sich die Reihen schon deutlich gelichtet im Publikum. Elisabeth erscheint in Schwarz mit einem Rosenkranz. Sie wartet auf Tannhäuser. Als der Pilgerchor einen halben Meter hinter mir einsetzt, ist das einer dieser Gänsehautmomente, die man nur hier erleben kann. Die Herren des Pilgerchors erscheinen aber im Anzug. Tannhäuser ist aber nicht unter ihnen. Die enttäuschte Elisabeth will nun nur noch den Tod. Nach ihrer Arie, läuft sie, wie unter Hypnose den Gang entlang, der Wartburg entgegen. Wolfram ahnt ihr Ende und schluchzt immer wieder. Dann kommt doch noch Tannhäuser, der von seinem Scheitern beim Papst erzählt. Verzweifelt ruft Tannhäuser nach dem Venusberg. Der Spuk hat erst ein Ende, als Wolfram sagt, dass Elisabeth für Tannhäusers Erlösung gestorben ist. Der nun einsetzende Schlusschor macht das Event perfekt.
Wenn man Wagner mag, ist die Aufführung auf der Wartburg unbedingt zu empfehlen. An den Abgängen im Publikum zu urteilen, hatten einige nicht mit der kompletten Wagneroper gerechnet. Die Einschränkungen des Spielorts sind Herausforderung für die Regie von Ansgar Haag. Das Orchester ist natürlich etwas verkleinert, was aber dem Fortissimo im zweiten Akt nicht geschadet hat. Der zweite Akt in der Festhalle, an dem sich das Ereignis zugetragen haben soll, ist an Superlativen nicht zu überbieten. Killian Farrell dirigierte einen ausgewogenen Tannhäuser, der richtig gut zum Tragen kommt an dem Ort. Am Ende gab es stehenden Applaus für dieses Ereignis. Mit anderen Worten, das war wirklich das Highlight der dieses Opernjahres für mich, da kommt so schnell keine Aufführung mehr ran.
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