Stellen wir uns vor, wir hätten eine Zeitmaschine, die uns am 07.01.2017 an den Punkt zurückbringen würde, an dem das Opernblog am 25.10.2008 gestartet ist. Zu einer Inszenierung, die damals der Auslöser war, mit dem Schreiben zu beginnen. Wie würde sie wohl nach den acht Jahren Erfahrungen mit Opern und Inszenierungen wohl wirken, diese Hector-Berlioz-Oper Benvenuto Cellini? Was würde ich wohl diesmal drüber schreiben? Nur so viel: Nach einem Umweg über Bonn ist diese Inszenierung von Laura Scozzi wieder in Nürnberg zu sehen gewesen. Die Begegnung mit der Vergangenheit war einfach wunderbar. Diese Inszenierung an der Oper in Nürnberg enthält so viele liebevolle Details, dass man auch noch nach acht Jahren ins Schwärmen kommt. Nun spielt die Oper ja eigentlich 1506; aber die Regie verteilt munter Kühlschränke, Fernseher, Klappsofas und Stehlampen in der Requisite.
Cellini ist ein unangepasster Künstler mit lyrischem, hohen Tenor, aber leichten Bauchansatz und Rastalocken, die er unter einer grauen Mütze sammelt. Auf einem olivenfarbenem Sweatshirt steht in Gelb sein Lebensmotto: Live fast and die young. Auch an den roten Sneakern ist er immer bestens zu erkennen. Cellini ist ein Bronzekünstler, der gegen Ende der Oper noch einen Auftrag des Papstes zu erfüllen hat. Durch ein Fenster kommt er zu einer Teresa, die im Schlafanzug auf einem Gitterbett mit rosa Zudecke auf ihn wartet. Ihr Vater, der Schatzmeister des Papstes Balducci hält die Tochter weg von der Welt, gefangen in ihrer Welt mit rosa Stehlampe, rotem Fernsehern und Postern von Hollywood-Filmgrößen. Ihren Kummer über die Gefangenschaft kompensiert sie mit einer Fressattacke auf Joghurt, das sie gleich zu Beginn genüsslich, während einer Arie löffelt. Die Leistung gleichzeitig zu essen und eine Koloratur zu singen, ist mir von damals noch im Gedächtnis geblieben. Sie ist einfach ein 17-jähriges Mädchen, das dem falschen Mann versprochen ist. Der Bildhauer Fieramosca versucht auch, seinen gelben Blumenstrauß an die Frau zu bringen. Scheitert aber letztendlich. Draußen vor dem Fenster tobt der Karneval in Rom. Cellini heckt mit ihr einen Fluchtplan aus, bei dem er sich als Abt verkleidet nähert und mit Teresa fliehen will. Beide Männer sind nun im Schlafzimmer. Während sie Fieramosca in den Schrank versteckt, überlegt sie beim Zähneputzen, wie sie die Situation ihrem Vater erklären will. Sie lenkt den Vater letztendlich ab, in dem sie sagt, es wäre ein Mann im Zimmer und die Aufmerksamkeit auf Fieramosca lenkt. Dieser wird nun von den Nachbarinnen als Wüstling beschimpft, umtanzt und schließlich aus der Wohnung geworfen. Cellini gelingt unterdessen die Flucht aus dem Zimmer.
Der zweite Akt beginnt im Dunkeln. Cellini denkt und singt über Teresa. Nach und nach füllt sich der Bühnenboden mit Doubles von Cellini, alle im gleichen Shirt und mit gleicher Mütze. Die bewegen sich auch noch synchron. Als sich der Boden der Taverne mit 17 Doppelgängern von Cellini gefüllt hat, ist klar: Das sind Cellinis Freunde und Schüler, die gekommen sind, mit ihm zu zechen. Es wird eine rote Säule zur Bar umfunktioniert, am rechten Ende sieht man eine Neonleuchte mit dem Begriff Bar. Es finden Trinkspiele statt und es wird lautstark gesungen, bis schließlich eine lange Rechnung mit Getränken fällig wird, die zu zahlen sind. Begleitet ist das wieder von einer wunderbaren Balletteinlage der Kellner, wobei auch schon mal ein Tablett zu Boden fällt. Die Rechnung soll schließlich mit dem Geld des Schatzmeisters Balducci bezahlt werden, an die aber wieder mal eine Bedingung geknüpft ist: Der Guss der Perseusstatue soll vollendet werden. Da der Geldgeber knausrig war, beschließt, man ihn auf den Colonna-Platz zu verhöhnen. Auch dies hört Fieramosca. In seiner Verzweiflung erklärt er nun seinem Freund Pompeo, was Cellini geplant hat. Dieser gibt ihm den Rat, ebenfalls als Abt zu erscheinen und den Plan zu durchkreuzen. In der Szene auf dem Colonna-Platz sieht man das Volk von Rom am Eingang zum Theater. Man muss sich erst einmal die Eintrittskarten abholen und stellt sich brav an. Gekleidet ist man als Volk mit neongelben Perücken, mit weißer Halskrause, aber ansonsten schwarz. Für die falsch-falschen Äbte gibt es aber keine Tickets, sodass sie mit einer Pistole die Kassiererin bedrohen. Die rückt dann doch noch zwei Karten raus. Scheinbar war es im 16. Jahrhundert auch schon schwierig an Theaterkarten zu kommen. Das Possenspiel gegen Balducci ist eine Castingshow, in der ein römischer Tenor gegen einen Konkurrenten auftritt. Aber auch hier kämpft man schon mit den Tücken der Technik und bimmelnden Handys beim Publikum. Beim römischen Tenor ist die Jury so gelangweilt, dass sie auf dem Buzzer einschläft. Entschieden wird das Casting letztendlich durch einen Schusswechsel, in dem auch die Mitjuroren außer Gefecht gesetzt werden. Es tauchen aber auch die richtigen falschen Äbte auf, nämlich Cellini mit Ascanio. Leicht sind die richtig-falschen Äbte von den falschen-falschen Äbten am Schuhwerk zu unterscheiden. So viel falsche Äbte, das kann nicht gut gehen und richtig. Pompeo wird im Tumult von Cellini erstochen. Als noch ein Kanonenschlag das Ende des Karnevals ankündigt, ist das Chaos perfekt. Man verhaftet Fieramosca und Cellini kann aus dem Tumult entkommen. Nach so vielen Äbten braucht es eine Pause.
Im dritten Akt ist es Cellini gelungen, im Schutz weißer Mönche zu fliehen, die zufällig am Colonna-Platz waren. Er hat zwar noch Blut an der Kutte, aber die Freude bei Teresa über das Wiedersehen ist groß. So inszeniert man kurzerhand einen One-Night-Stand auf einem blauen Klappsofa. Balducci tritt noch mal auf und verlang abermals, dass Teresa diesen heiraten soll. Nun erscheint aber noch eine weiße Glitzerausgabe des Papsts Clemens VII, gefolgt von drei, leicht anders orientierten Begleitern. Unter seiner Kopfbedeckung trägt der Papst aber einen Zopf und als Cellini seine Forderungen stellt, unter der die Perseus-Statue gegossen werden soll, zückt der ein weißes Handy und verlangt die Ordner. Die Forderungen sind: Straffreiheit für ihn, wegen des Mordes und die Hand von Teresa. Sollte die Perseusstatue an diesem Tag noch gegossen werden, geht alles klar, meint der Papst. In dem ganzen Gussstress wünscht sich Cellini nur noch weg in die Berge. Man sieht in Zeitlupentempo eine Traumsequenz von einem Hirten in den Bergen, der bei seinen Schafen Käse produziert. Aus dem Bühnenboden fährt eine Alpenhütte und nimmt Cellini wirklich weg. Nun kommt es aber zu Schwierigkeiten. Die Arbeiter streiken, das Metall reicht nicht. Die Begleiter des Papstes kommen mit weißen Nonnenhauben in das Gusswerk und prompt wenig später mit angebranntem Kopfschmuck wieder raus. Der Papst macht es sich unterdessen auf dem blauen Sofa gemütlich, raucht einen Joint und beackert den Kaffeeautomaten, der mit einer blinkenden Madonna einen Kaffee auswirft. Der Guss gelingt letztendlich, als alle Kunstwerke von Cellini in den Schmelztiegel fliegen. Am Ende findet die gewohnte Party statt, die Cellini auf einem Sockel stellt. Im Hintergrund sieht man ein Bild der Perseusstatue.
Auch nach acht Jahren ist die komische Oper von Laura Scozzi immer noch frisch. Genau wie damals habe ich mich an der hervorragenden Choreografiearbeit dieses Werks erfreut. Wie die Personen sich über die Bühne bewegen ist einfach ganz hervorragend. Auch die Vermischung der heutigen Zeit mit dem 16. Jahrhundert ist sehr komisch. Die Joghurt-Arie bleibt einem da hängen oder die Szene mit dem Papst am Kaffeeautomaten. Teresa von Hrachuhí Bassénz stellt eine überzeugende 17-jährige Teenagerin dar. Mirko Roschkowski stellt den Kunstrebellen Cellini etwas ironisch dar, während Guido Johannes Rumstadt durch das pathetische Werk von Hector Berlioz führt. Da es Berlioz mit der Historie nicht so genau nahm, warum sollte die Regie es dann tun? Das alles ist wirklich sehr unterhaltsam. Meine Begeisterung von damals hält auch der heutigen Sicht noch Stand.
Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg
Die Staatsoper im Schillertheater zeigt in dieser Spielzeit wieder Puccinis ‚La Bohème‘. Jetzt hat diese Inszenierung von Lindy Hume aus dem Jahr 2001 schon ein gewisses Alter, dennoch ist auch die 62. Aufführung dieses Werks sehenswert. Dies liegt vor allem daran, dass man sich mit einer aufwendigen Inszenierung ziemlich nach am Textbuch gehalten hat. Außerdem gab Aleksandra Kurzak ihr Rollendebüt als Mimi. Auch mit Abdellah Lasri als Rodolfo hat man eine gute Wahl getroffen. Alternierend singt die Rolle auch Piotr Beczala.
Auf dem Bühnenvorhang sieht man Eiskristalle. Ohne Ouvertüre geht es gleich los mit der Handlung. Auf einem Lehnsessel sitzt ein gealterter Rudolfo und lässt so die Geschehnisse seiner Jugend um die Näherin Mimi noch einmal Revue passieren. Ein verkanteter Würfel grenzt den Raum ab, in dem die Studenten-WG lebt. Sie besteht aus Rodolfo, Marcello, Schaunard und Colline. Rechts steht ein großes Gemälde und Marcello der Maler, versucht sich an dem Auszug Mose aus Ägypten. In der Mitte im Hintergrund steht eine alte Schaufensterpuppe. Da es an diesem Winterabend kalt ist und man kein Holz hat, verheizt man in dem Gusseisenofen das Werk von Rodolfo. Aber die Not scheint ein Ende zu haben, als Schaunard, der Musiker in das Zimmer kommt. Er hat einen Auftrag erhalten und Essen mitgebracht und Holz. Getrübt wird die Stimmung erst, als Benoît der Vermieter die Miete für das letzte Quartal eintreiben will. Als sie ihn mit Wein den Vermieter zum Reden bringen und er mit Frauen prahlt, spielen sie sich entsetzt auf, wie er nur seine Frau betrügen könne. Damit haben sie ihn in der Hand und er geht, ohne die Miete zu bekommen. Fröhlich gehen die Studenten ins Café Momus. Dann kommt die Nachbarin Mimi in die Wohnung auf der Suche nach Feuer für die Kerze. Sie erleidet einen Schwächeanfall und verliert den Schlüssel. Die nun folgende Szene enthält gleich drei bekannte Stücke (Che gelida manina, Sì. Mi chiamano Mimì, O soave fanciulla). Man kommt sich näher im Dunkeln. Als die Freunde rufen, öffnet sich die Bühne. Die Seitenwände werden weggefahren und das Podest mit dem Boden und Rodolfo und Mimi fährt zur Seite. Als es dann zum Schluss des Bildes auch noch schneit, ist der Winterzauber perfekt.
Das zweite Bild beginnt mit vielen Leuten auf der Bühne und mit einer Weihnachtslichterkette. Zu Walzerklängen sieht man ein Standardtänzerpaar tanzen. Es sind sehr viele Leute auf der Bühne und es hat sich auch ein Weihnachtsmann drunter gemischt. Aber halt, der Spielzeugverkäufer Parpignol ist eine sehr graue Erscheinung mit seinem Fahrrad voller Spielzeug. Rodolfo kauft seiner Mimi einen rosa Haarreif. Man befindet sich vor dem Café Momus, das mit einer Leuchtwand und mit einem großem „M“ dargestellt wird. Links am Bühnenrand stellt nun Rodolfo Mimi seinen Freunden vor. Im roten Licht der Bar sieht man eine grüne Leuchtgirlande in Form des Wortes Momus. Davor gibt es eine Treppe zur Bar. Eine etwas schrille Musetta in einem lila Abendkleid hat nun ihre Auftrittsarie mit Quando m’en vò. Dabei versucht sie ihr ehemaliger Geliebter Marcello eifersüchtig zu machen, indem er mit einer anderen Frau relativ brutal tanzt. Marcello kann aber Musetta nicht widerstehen. Ihren älteren Liebhaber schickt sie unter einem Vorwand zum Schuster. Der Flirt mit Marcello hat gewirkt, jetzt bleibt nur noch, dass ihr Liebhaber die offene Rechnung zahlt.
Das dritte Bild gibt etwas Rätsel auf. Auf den Bühnenvorhang werden Regentropfen projiziert. Auf einer Uhr sieht man, dass es sieben Minuten vor zwölf ist. Von dem Gasthaus nahe einer Zollschranke vor der Stadt lässt die Inszenierung nur die Uhr, ein paar Parkbänke und einen Mülleimer übrig. Mimi und Rodolfo haben sich getrennt. Sie sucht Rat bei Marcello. Rodolfo hat Mimi aus Eifersucht verlassen. Ihm ist der Husten zudem nicht geheuer und er könne ihr nicht helfen, wegen seiner Armut. Die Gründe für die Trennung hört Mimi mit und verrät sich durch ihren Husten. Man beschließt sich erneut zu trennen, aber erst im Frühling. Musetta und Marcello indes haben aber wieder Streit und trennen sich erneut.
Für das vierte Bühnenbild erfolgt ein langwieriger Umbau. Man sieht die Rückseite eines Gebäudes. Marcello malt die Wand an. Auf einer schiefen Ebene steht ein Bett. Die Junggesellen haben wieder Hunger und es gibt nur Heringe zu essen. Dann dreht sich die Bühne und man sieht wieder das kahle Zimmer. An den Wänden sind rote Schmierereien und zwar die Worte „Vipère“ und „Sorcière“, die Marcello in Eifersucht auf Musetta angebracht hat. Es kommt die geschwächte Mimi herein. Man beschließt, ihr zu helfen. Musetta versetzt ihre Ohrringe, um ihr den Wunsch nach einem Muff für ihre kalten Hände zu erfüllen. Auch der Mantel wird versetzt und es gibt dafür Arznei. Dennoch kommt für Mimi jede Hilfe zu spät. Sie stirbt im Sessel, als Rodolfo gerade abgelenkt ist. Die Mimi-Rufe von Rodolfo gehen mir dabei jedes Mal unter die Haut.
Die Bohème ist wohl eine der meist gespieltesten Opern überhaupt. Es gibt unzählige Einspielungen. Die Inszenierung in Berlin punktet dabei mit einer ziemlich getreuen Umsetzung, weit ab von schrägen Regieeinfällen. Auch die Sänger können überzeugen, sodass man einen Besuch dort ohne Einschränkung empfehlen kann. So gab es zum Schluss reichlich Applaus für diese Wiederaufnahme am Schillertheater.
In einer Inszenierung von Thomas Enzinger ist derzeit das Musical „Sugar – Manche mögen’s heiß“ im Staatstheater in Nürnberg zu sehen. Jule Styne schrieb 1973 ein Musical nach der Story des Films. Jetzt hat man in den Hauptrollen nicht Marilyn Monroe, Tony Curtis und Jack Lemmon, sondern eher Sophie Berner, Andreas Köhler und Oliver Severin. Auch wenn einen Männer in Frauenkleider eher an den Klamauk um Charlies Tante erinnern, ist die Handlung doch ausgesprochen witzig. Man greift teilweise auf Originaldialoge des Films zurück und auch wenn die Tanznummer den Abend auf fast drei Stunden strecken, man geht doch froh gelaunt aus dem Theater. Bekommt man doch solide Tanznummern, Revue-Einlagen und Gesangsnummern zu sehen. Auf witzige Weise greift das Musical das Thema Gender und Geschlechterrollen auf.
Zu Beginn sieht man einen Nachtklub, in dem sich die Halbwelt amüsiert. Die Damen der Society Syncopators sind in Revuekleidern angezogen und verbringen ihren letzten Auftritt in Chicago. Da zwei Musikerinnen, die Bassistin und das Saxofon aus der Truppe ausgestiegen sind, sucht man Ersatz. Schnell finden sich arbeitslose Musiker ein, die aber das Problem haben: Sie sind Männer. Als Ersatzjob lässt man sie einen Botendienst für den machen für Mr. Bienstock, den Manager der Truppe. Sie sollen aus einer Garage Noten aus dem Auto holen. Aber es ist Wirtschaftskrise in Chicago – 1929 - die Chance steht schlecht, sonst Arbeit zu kommen. Vor einer brennenden Mülltonne und einer Hochhausfassade sammeln sich die Musiker. Dann kommen sie wirklich zu der Garage, wo schon drei Gangster Wache halten. Argwöhnisch lassen sie Joe und Jerry passieren. Dann kommt das Unheil in Form einer steppenden Gangsterformation in Nadelstreifen. Fünf Ganoven um den Anführer Spats Palazzo (Gamasche) machen den Wächtern an der Garage den Garaus. Dies sehen nun Joe und Jerry und sind damit Zeugen der Schießerei. Im nächsten Bild sieht man eine Zugfront des Dixieland-Express. Im Seminole-Ritz-Hotel in Miami soll der nächste Auftritt der Band sein. Um sechs Uhr ist Abfahrt und die beiden Musiker reihen sich in die Damencombo ein. Ausgestattet mit Perücken, Brustattrappen und Stöckelschuhen gehen sie als etwas schrullige, heißere Neuzugänge mit der Damencombo auf Tour. Zuletzt kommt auch noch die Ukuele-Spielerin Sugar Kane zum Zug. Bienstock muss noch die Zeche für das Taxi zahlen und schon ist die Combo perfekt. Sweet Sue, die Chefin der Combo ist immer kurz vor dem Magengeschwür, wegen ihrer Mädels. Schon die Zugfahrt hat einige Tücken parat. So verliert Sugar Kane einen Flachmann, wobei Alkohol in der Mädchencombo eigentlich verboten ist. Die Zurechtweisung erfolgt umgehend. Man macht es sich in den roten Schlafabteilen gemütlich. Die Enge des Zugs ist für die Verkleidung als Frau schwierig, so verlieren die beiden Musiker ihre Perücken, die Brustattrappen verrutschen. Sie werden fast beim Rasieren erwischt und nicht zuletzt schmeißen die Mädchen eine Cocktail-Party im Abteil. Aber eines ist klar, sowohl Joe und Jerry sind dem Charme von Sugar Kane erlegen. Schließlich kommen sie doch heil in Miami an und sind noch unentdeckt. Im warmen Süden warten zur Winterszeit die reichen Millionäre auf nette Damengesellschaft. Darunter auch Sir Osgood Fielding III, der mit seinen Gefährten ein nettes Krückstockballett tanzt. Sir Osgood ist gerade frisch geschieden. Mit den anderen tanzt er mit Stock, dass er noch immer auf Abenteuer aus ist. Er verguckt sich sogleich in Daphne und singt selbst aus Opernarien den Bajazzo. Man kommt schließlich im Hotelzimmer an. Dort hat Joe den Koffer von Mr. Bienstock entwendet. Er ist entschlossen, den Traum vom Millionär für Sugar wahr zu machen. Sie hatte sich im Zug schon geäußert, wie sie sich den Millionär vorstellt.
Im zweiten Akt begibt sich Joe als Shell-Junior an den Strand von Miami Beach, während Jerry als Daphne mit den Mädchen an den Strand folgt. Um einen großen Strandball haben sich die Mädchen versammelt. In dem mittleren der drei Strandkörbe sitzt nun Joe mit einem Fernrohr. Er stellt Sugar ein Bein und nimmt so mit ihr Kontakt auf. Er hätte eine Jacht, sein Hobby wäre Muschelsammeln, daher hätten sie das auch als Firmensymbol gewählt. Jerry ist jetzt ziemlich sauer auf seinen Freund, muss aber unter einem Strandkorb die Flucht ergreifen vor Sir Osgood. Jerry alias Daphne ist sich aber sicher, dass das nichts wird. Er ruft den Musikern im Graben zu, dass sie spielen können, bis sie schwarz werden. Aber der reiche Millionär hätte eine Jacht und ein Truthahndinner arrangiert. Die Mannschaft hätte Ausgang und Daphne und er wären alleine an Bord. Jerry sieht das als Chance, die Jacht des Millionärs zu nutzen und Sugar so weiter zu täuschen. Er verdonnert Daphne dazu, mit Sir Osgood an Land tanzen zu gehen, während er mit Sugar auf der Jacht ist. Die Jacht fährt aus dem Boden und ist mit den Glühbirnen und dem Oberdeck eine beeindruckende Erscheinung. Sugar verfällt der Täuschung. Aber Joe sagt, dass er eine Blockade hat, seit seine Verlobte einen Unfall hatte. Da hilft auch eine kurze Einspielung aus Titanic und die entsprechende Pose nichts. Sein Herz wäre ein Eisblock und Sugar muss ihre gesamte Verführungskunst anwenden, um Joe zu erweichen. Unterdessen hat Daphne einen Verlobungsantrag bekommen. Kurzzeitig ist Jerry wirklich der Meinung, er könne den echten Millionär heiraten. Joe holt ihn da ziemlich unsanft auf den Boden der Tatsachen zurück. Allerdings ist er von dem diamantenen Verlobungsgeschenk beeindruckt. Jetzt haben die Damen einen Auftritt. Auch die steppende Gangstertruppe aus Chicago ist eingetroffen und sucht Joe und Jerry. Dann kommt die wunderbare Nummer „I Wanna Be Loved by You“ von Sugar Kane, sie ist noch ganz sicher, dass sie einen Millionär hat. Jetzt drohen Joe und Jerry aber aufzufliegen. Sie flüchten aus dem Ballsaal des Seminole-Ritz und geben sich Sugar zu erkennen. Diese ist deprimiert und greift wieder zum Alkohol. Spats und ein Gangster stürmen die Damentoilette. Der Rest der Gangstergang meint, in der Toilette wären Joe und Jerry. Es kommt zu Schießerei, bei der alle Gangster im Maschinengewehrhagel sterben. Am Schluss ist man wieder auf der New Caladonia, der Jacht von Sir Osgood. Nun geht auch Daphne aus der Deckung und sagt, dass er Osgood nicht heiraten kann. Sugar und Joe sind auch mit an Bord. Den finalen Satz von Jerry: Ich bin ein Mann, kommentiert Sir Osgood nur mit einem: Nobody’s perfect.
Was ein vergnüglicher Abend im Opernhaus. Auch wenn die Kritiker meinten, die Handlung wäre auf den knapp drei Stunden eher bemüht, empfand ich die Vorstellung als sehr kurzweilig. Man bekommt tolle Tanznummern, Steppnummern und Revueeinlagen zu sehen. Von den bekannten Filmhits von Marilyn Monroe gibt es aber nur einen zu hören. Der Rest wurde im Bigband-Sound dazu komponiert. Es gibt ein ansprechendes Bühnenbild und auch die Story ist frisch und immer noch sehr weit oben in den Film-Rankings. Die Vorlage von Billy Wilder ist einfach gut und gerne erinnert man sich wieder an den Film. Ein paar Ungereimtheiten gibt es in der Filmvorlage ebenfalls. So hatte Shell 1929 nur eine Tankstelle und die Bemerkung von Sugar, sie würde nach Verlassen von Joe immer an jeder Ecke an ihren Millionär durch eine Tankstelle erinnert, greift zumindest rein historisch nicht. Auch das Motiv, als Zeugen des Mordes von Spats umgebracht zu werden, lässt Joe und Jerry länger in Deckung bleiben, als es eigentlich vernünftig wäre. Während Charlies Tante nur an, der Oberfläche kratzt, war „Manche mögen’s heiß“ wegen seiner anrüchigen Story auf FSK18 hochgesetzt. Auch die Schießerei fand man damals als unpassend in einer Komödie. Solche strengen Moralvorstellungen hat man zum Glück heute nicht mehr. Inzwischen wird der Film als beste amerikanische Komödie gehandelt und ein Besuch des Musicals ist lohnenswert.
Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg
Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg
Boris Godunow war die diesjährige Eröffnung der Spielzeit an der Nürnberger Oper. Peter Konwitschny inszeniert die Urfassung von 1869 dieser Oper von Modest Mussorgski in Kooperation mit der GöteborgsOperan und dem Theater Lübeck. Das Ganze kommt als recht farbenfrohe Konsumkritik daher, ohne mit dem Finger auf die derzeitigen Machtverhältnisse in Russland anzuspielen. In zwei Stunden, sieben Bildern und in russisch erlebt man den Aufstieg von Boris Godunow zum Zaren und seine Abdankung.
Zu Beginn des ersten Bildes sieht man das Volk betrunken vor einem Kasperle Theater. Dass dies eigentlich ein Platz vor einer Kirche sein soll, erklärt dann das Libretto. Das Volk wird vom Vogt Nikitsch in Form einer Figur angetrieben, dem künftigen Zaren zu loben. Boris zögert aber noch, sein Amt anzunehmen. In einer Banderole laufen die Lobpreisungen des Volkes über die Bühne. Die feierliche Musik steht im krassen Gegensatz zum Kasperle Theater, in dem die Figuren der Zarenwahl handeln.
Im zweiten Bild ist man immer noch vor dem Kasperle Theater. Boris hat die Wahl schließlich doch angenommen und erscheint als Puppe vor dem Volk. Die Musik spielt mit Glocken auf. Als Dreingabe spielt eine Puppenband aus drei Handpuppen mit Balalaikas, die von einem Krokodil gefressen werden. Das Volk jubelt jedenfalls dem neuen Zaren zu, der mit Spielzeugschubkarren Dukaten und Aktien unter das arme Volk bringt. Es wird für die Zarenpuppe ein roter Teppich ausgerollt. Um den Zaren zu huldigen, gibt man goldene Fähnchen aus. Wer jetzt mit den Schenkungen des Zaren noch nicht einverstanden ist, wird mit Maschinengewehrsalven auf Linie gebracht. Am Ende dieses Bildes bricht das Kasperle Theater zusammen.
Im dritten Bild sieht man das zusammengebrochene Bühnenbild. Man befindet sich in einem Kloster, wo der einarmige Mönch Pimen die russische Geschichte niederschreibt. Mit einem angespitzten Kreuz nutzt er die Rücken der Mönche als Schreibfläche und ritzt ihnen Buchstaben ein. Diejenigen, die diese Prozedur überstanden haben, dürfen stinkende Zigaretten rauchen. Der Mönch Pimen hat vom Mord an dem Zarewitsch gehört und erzählt dies dem Mönch Grigori. Pimen meint, der Zarewitsch wäre jetzt so alt wie er und Boris eigentlich unrechtmäßig an der Macht. Fasziniert von der Geschichte, will Grigori durch einen Traum angestachelt, die Stelle des Zarewitsch einnehmen und dessen Tod rächen.
Im vierten Bild haben die Mönche Zuflucht vor den Soldaten des Zaren in einer Spelunke gesucht. Sie wollen über die polnische Grenze. Hinter einem roten Vorhang vergnügt sich die Wirtin mit einem Gast. Aber auch die Mönche finden gefallen an der Wirtin und nötigen sie, immer neue Tetrapaks mit Wein aus dem Keller zu bringen. Die Mönche haben inzwischen Tarnanzüge an, aber auch ihre Kutten dabei, die sie hastig überstreifen, als die Soldaten des Zaren anrücken. Diese laufen auf den Knien und sind nur halb so groß. Die Soldaten haben einen Haftbefehl für Grigori dabei, da der aber der einzige ist, der lesen kann, lenkt er den Verdacht auf die beiden anderen Mönche. Einer glaubt dem vorgelesen nicht und entziffert mühevoll den Steckbrief. Der gesuchte Grigori wird dadurch enttarnt und flüchtet unter Maschinengewehrfeuer.
Im fünften Bild trauert die Tochter Xenia des Zaren in einem goldenen Zimmer um ihren toten Bräutigam. Eine kleiner Version des Kasperle Theater findet sich auch hier. Daneben ein großer Globus, auf dem Boris Sohn die Karte von Russland lernt und Kriegsspielzeug. Boris wird von Gewissensbissen geplagt. Schuiski meldet, dass ein falscher Zarewitsch in Polen aufgetaucht ist, der den Thron für sich beansprucht. Dies führt schließlich dazu, dass Boris halluziniert und in seinem Sohn den toten Zarewitsch sieht.
Im sechsten Bild ist das Volk zu Reichtum gekommen und erscheint ganz in Gold mit blonden Perücken und goldenen Einkaufstaschen. Auf der Bühne steht ein überdimensionaler Einkaufswagen in Form eine Hüpfburg. Das Volk scheint durch die Gaben des Zaren korrupt. Es gibt nur einen, der die Wahrheit sagt und Boris als Herodes beschuldigt, der das Blut des Zarewitsch an den Fingern hat. Dieser Affront stimmt Boris zunächst milde und er setzt dem Narren seine Krone auf. Als er von der Bühne geht, bringen aber seine Gefolgsleute den Narren um.
Im letzten Bild erscheinen die Bojaren in schwarzen Anzügen. Pimen, der Mönch, hat es zu Boris geschafft und erzählt auf einer Projektionsfläche von einem Blinden, der am Grab des Zarewitsch sein Augenlicht wieder bekommen hat. Diese Schilderung bewegt Boris so, dass er ein Büßerkleid anzieht und die Krone an seinen Sohn übergibt. Damit entweicht die Luft aus der Hüpfburg. Er selbst lässt einen goldenen Ballon steigen und legt seine Krone am rechten Bühnenrand ab. Schließlich steigt er in den Orchestergraben und verschwindet nach einem Monolog über die Machtergreifung.
Die Oper lässt nach dem Durchsehen einige Fragen offen. So wirkt das Kasperle Theater am Anfang etwas seltsam zu der dick auftragenden Musik mit Glocken. Man hätte sich da vielleicht eher etwas Zarenpomp gewünscht, der zur Musik besser gepasst hätte. Durch die Umbaupause zwischen den Bildern geht etwas das Tempo aus der Handlung raus, die schon etwas weit von einer klassischen Opernhandlung entfernt ist. Viele Hauptpersonen machen es nicht einfach, einen roten Faden in dem Stück zu finden. Zudem hat man es hier mit der Originalfassung zu tun, sodass die Zusammenfassungen in der Literatur alle nicht ganz stimmig sind. Die Handlung zerfällt durch die ganze Unterteilung in sieben Bilder ziemlich und es ist nicht gerade einfach, am Ball zu bleiben. Von der Musik her, ist es aber auf jeden Fall sehr schön, denn Nicolai Karnolsky gibt einen wunderbaren Boris ab, mit all seiner Zerrissenheit. Positiv ist mir das farbenfrohe Bühnenbild in Erinnerung geblieben, nach einem grau/schwarzen Tristan aus der Met, ein willkommener Kontrapunkt. Ob es jetzt immer passend war, sei dahingestellt. Peter Konwitschny steht einfach für Regietheater, aber darauf hatte ich mich ja schon eingestellt.
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Quelle: Soundcloud | Staatstheater Nürnberg
Manchmal kommt einen der Zufall zu Hilfe und man darf nach 247 Jahren die Orpheus und Eurydike-Version für einen Soprankastraten erleben. Countertenor Valer Sabadus sang hier am Markgrafentheater unter der Leitung von Michael Hofstetter und dem Vocalforum und Orchester namens recreationBarock die Titelrolle. Gesungen wurde in Italienisch mit deutschen Übertiteln. Man spielte eine 80-minütige Fassung der Oper. Die szenische Umsetzung übernahm das Kabinetttheater Wien. Geschickt wurden hier die Sänger teilweise in den Bühnenkasten mit einbezogen. Leider sind die Figuren aus dem zweiten Rang etwas klein, sodass man mit einem Opernglas besser dran gewesen wäre. Das ein oder andere Detail im Bühnenbild ist mir dadurch vielleicht entgangen. Dennoch steht das Musikfestival Styriarte in Graz für eine Größe der alten Musik, den verstorbenen Dirigenten Nikolaus Harnoncourt und man muss vor allem die musikalische Qualität der Aufführung loben. Valer Sabadus ist als Orpheus eine hörenswerte Sensation. Gluck versuchte mit dieser Reformoper einen Neuansatz in der Musik. Die handelnden Personen sollen fühlende Wesen sein und nicht nur flache Charaktere, die sich in Vokalakrobatik ergießen. Die Geschichte von Orpheus wurde auf Wunsch von Maria Theresia mit einem Happy End versehen.
Zu Beginn sieht man im linken Guckkasten einen Grabhügel und eine Hand, die Sand schaufelt. Den Tod von Eurydike hat Orpheus nicht verwunden. Etwas später sieht man in einem Schattenspiel, wie er nach einem Rotweinglas greift. In endloser Mühe versucht ein Sisyphos, einen Stein einen Hügel hochzuschieben. Es werden im Mittelteil der Bühne Trauerbriefe geschrieben. Doch Orpheus will den Verlust nicht hinnehmen. Aus einem Kirchenmodell entspringt ein kleiner Amor. Dieser meinte, Zeus hätte ein Einsehen und wenn es Orpheus gelänge, die wilden Furien am Eingang der Unterwelt milde zu stimmen. Zudem müsste er seine Frau aus dem Hades heraus führen, ohne diese anzusehen. Zerberus wird als Teufel mit einem Drachen dargestellt und die Furien sind weiße Masken, die sich zur Musik bewegen. Der grüne Drache funkelt mit gelben Augen, lässt aber dann Orpheus passieren. Es folgt ein Bild vom Elysium in einem goldenen Rahmen. Man sieht eine grüne Landschaft, einen Regenbogen und Zebras, Schafe, Tiger und Löwe friedlich vereint. In der Zwischenmusik des „Reigens seliger Geister“ sucht Orpheus seine Frau. Von den Klängen seiner Leier wird sie schließlich angelockt und durch eine Felsenschlucht heraus aus der Unterwelt geführt. Im mittleren Bühnenkasten spielen dabei die Puppen und links und rechts singen die Sänger. Aber es kommt, wie es kommen muss. Eurydike stellt die Frage, warum Orpheus sie nicht ansehen würde, und meinte, sie würde lieber sterben, als so ignoriert zu werden. Schließlich kann Orpheus nicht anders und dreht sich um. Da sieht man, wie Eurydike in eine Puppe verwandelt im linken Bühnenkasten erstirbt. Das nun folgende „Che farò senza Euridice“ ist wirklich der größte Hit aus der Oper und wird von Valer Sabadus wunderbar verziert. Nie klingt er an der Stelle an der Oberkante, was die Stimme hergibt. Erneut beklagt er sein Leid und will sich umbringen. Da hat der Amor ein Einsehen und vereint die Liebenden. Am Ende sieht man eine Prozession von Bischöfen, die Amor als Heiligen verehren.
Am Ende gab es lang anhaltenden Applaus für diese Opernaufführung im schönen Markgrafentheater in Erlangen. Gerade dieser Raum ist mit dem kleinen Orchester, dem Chor und den wunderbaren Solisten gut beschallt. Das war wirklich ein Highlight, den Orpheus in dieser Fassung erleben zu dürfen. Aber auch Tatjana Miyus als Eurydike und Tanja Vogrin als Amor wurden mit viel Applaus bedacht. Einen Eindruck vom Hit der Oper vermittelt dieses YouTube-Video. Zu hören ist Valer Sabadus:
Quelle: YouTube | galahadlancerot