Jaques’ Offenbachs Großherzogin von Gerolstein wird derzeit im Fürther Stadttheater in einer Inszenierung von Georg Blüml gezeigt. Das Herzogtum Gerolstein verdient sein Geld mit dem Gerolsteiner Mineralwasser, dem Verkauf der Gerolsteiner Rauchzipfel-(Würste) und dem Tourismus. An der Handlung der Großherzogin von Gerolstein wurde lustig gedreht und man befindet sich, am Anfang der Opéra bouffon, in der Schaltzentrale der Gerolsteiner Militärs. Die Nummer 1 des Staates Puck hat eine Geheimwaffe namens Frieda entwickelt, die zum Einsatz kommt. Frieda hat quasi ein Eigenleben und fährt wie ein übergroßer Schoßhund auf der Bühne rum. An einem roten Telefon meldet sich die Herzogin zu Wort, die sich ab sofort in die Politik einmischen will. Um die Waffe Frieda einzusetzen und die Großherzogin abzulenken, wird den Nachbarn im Norden, Süden, Osten und Westen der Krieg erklärt. Die Militärs haben die Zusammensetzung des Mineralwassers geändert, das vormals muffig geschmeckt hat. Man setzt einen Stoff namens Pervertin dazu. Das so veränderte Mineralwasser riecht nach Chanel No 5. Es macht aus laschen Soldaten, kriegslüsterne Helden und aus Frauen wilde Nymphen. Der Erste, der die Wirkung erprobt, ist General Bumm. Das neue Mineralwasser hat die Truppe um den General Bumm auch dringend nötig. Es kommt zum Einsatz der Geheimwaffe Frieda. Eine gemischte Truppe aus Männern und Frauen tut ihren Dienst an der Grenze. Dort treffen wir auch auf Wanda, die Chefin des Tourismusverbandes und ihren Verlobten Fritz. Fritz und Wanda planen nach ihrer Hochzeit, einen Gnadenhof zu eröffnen, die Produktion der Würste auf Tofuwürste umzustellen und Ökostrom zu produzieren. Auch General Bumm hat ein Auge auf Wanda geworfen. Der schlaffen Truppe wird nun Gerolsteiner 69 vorgesetzt und sofort verwandeln sie sich in Kampframbos. Nur Fritz, der Pazifist, widersetzt sich dem Getränk und wird zum Strafdienst an der Grenze verdonnert. Dort kommt es zu einer Annäherung zwischen Wanda und Fritz. Küssen wäre ja im Dienst nicht verboten. Die Herzogin ist ganz wild auf die Männer in Uniform und kommt zur Inspektion der Truppen. Sie soll den Fürsten von San Pellegrino heiraten, wozu sie aber keine Lust hat. Stattdessen sucht sie sich aus den inspizierten Truppen Fritz aus. Diesen befördert sie im Handumdrehen zum General. Als die Großherzogin nun selbst das neue Wasser probiert, wird auch sie zur Kampfamazone. Fritz hat immer noch keine Lust auf Krieg, obwohl er jetzt General ist. Während General Bumm zum normalen Soldaten degradiert wird. Mit dem Degen des Vaters der Großherzogin soll Fritz nun gegen die Feinde zu Felde ziehen. Die sechs roten Fahnen am Ende des ersten Akts erinnern an die Inszenierungen der Führung im Dritten Reich.
Im zweiten Akt führt Wanda Touristen durch das Schloss der Großherzogin. Dabei gibt sie die Schauergeschichten des blauen Salons zum Besten, der als Hinrichtungszimmer gedient hat. Die Touristen benehmen sich aber nicht immer korrekt, fotografieren oder verlassen den roten Teppich. Am Ende jeder Führung verkauft die überzeugte Vegetarierin ihre Gerolsteiner Rauchzipfel. Es tritt auch der Fürst von San Pellegrino in Erscheinung, der alt und etwas verwirrt ist. Er stellt immer der jungen Julia nach und verfolgt sie durch das ganze Schloss. Die Situation spitzt sich zu, als die Großherzogin von Gerolstein einen Annäherungsversuch an Fritz startet. Der ist inzwischen siegreich aus dem Krieg zurückgekehrt. Statt zu kämpfen, hat er Gerolsteiner 69 eingesetzt, was dazu geführt hat, dass die Soldaten sich verbrüdert haben, statt sich zu bekämpfen. Durch einen Klappmechanismus wird der Thronsaal im Nu zum Schlafgemach der Fürstin. Hier versteckt sich Fritz nun unter der Bettdecke, während Wanda ihre Touristen durchführt. Nun wird Fritz von seiner Verlobten im Bett der Großherzogin entdeckt unter dem Blitzlichtgewitter der Kamera der Touristen. In Wanda erkennt die Großherzogin ihre Nebenbuhlerin. Da auch Fritz immer noch auf die Hochzeit mit seiner Verlobten besteht, verspricht die Großherzogin die Hochzeitssuite herzurichten im blauen Salon. Fritz freut sich, dass er nun nach der erfolgreichen Schlacht, endlich Wanda heiraten darf und ihm die Großherzogin auch noch die Hochzeit zahlt. In Wirklichkeit ist die Großherzogin aber ziemlich enttäuscht von Fritz und beschließt ihn mithilfe der Nummer 1, einem Sergeant und General Bumm umzubringen. Mit einem Büstenhalter, der schießen kann, will nun die Großherzogin in die Schlacht gegen Fritz ziehen.
Im dritten Akt sieht man Wanda und Fritz im Hochzeitsgewand. Sie wollen ihre Hochzeitsnacht genießen. Fritz eröffnet nun Wanda, dass ihre Hochzeitssuite im blauen Salon angerichtet ist. Wanda weiß nun aus ihrer Geschichtserfahrung, dass die Großherzogin einen Mordanschlag plant. Unterdessen entdeckt aber der Fürst von San Pellegrino die Wirkung des Mineralwassers und wird zum Rambo. Die Großherzogin ist nun von dessen Liebeskünsten begeistert und lässt von ihren Racheplänen gegen Fritz ab, bevor die Militärs zuschlagen. Fritz wird wieder zum einfachen Soldaten degradiert und Soldat Bumm wieder zum General.
Gut, wenn man sich darauf einlässt, dass die Handlung ziemlich umgekrempelt worden ist, kann man an dem ganzen Spaß finden. Die Eigenproduktion des Stadttheaters Fürth kommt mit viel Slapstick und reichlich anzüglich daher. Es kommt Pyrotechnik zum Einsatz und der Witz mit dem Mineralwasser und der Führung der Touristen durch das Schloss wird reichlich strapaziert. Im Original wird statt des Wassers Alkohol verwendet. Der Bezug zum Mineralwasser ist aus heutiger Sicht natürlich logisch, hat aber mit der Vorlage nicht so viel zu tun. Prinz Paul kommt als Pellegrino reichlich vertrottelt und lispelnd rüber. General Bumm war am Tag meines Besuchs leider heiser, weshalb seine Solos von anderen im Stück übernommen wurden. Das war teilweise etwas irritierend. Gerade die Nummer ‘A cheval sur la discipline’ litt darunter etwas. Die vielen politischen Anspielungen auf die Situation zwischen Deutschland und Frankreich der damaligen Zeit kommen heute natürlich nicht mehr an. Daher geht so eine Umarbeitung natürlich durch. Auf Youtube gibt es die Grand-duchesse in einer ebenfalls sehenswerten Inszenierung. Das bietet sich vielleicht als Vorbereitung auf den Besuch im Stadttheater an. Musikalisch wird auch einiges zitiert, was in der Operette normalerweise nicht vorkommt. So hört man sowohl Offenbachs Barcarole aus den Hofmanns Erzählungen als auch einen Satz aus dem Ballett Gayaneh des sowjetisch-armenischen Komponisten Aram Chatschaturjan besser bekannt als Säbeltanz.
Quelle: StadttheaterTV - Youtube-Kanal des Stadttheaters Fürth
Kritik in den Nürnberger Nachrichten: Mineralwasser macht müde Männer munter
Kritik in der bayrischen Staatszeitung: Eindeutig zweideutig
Auch Orpheus und Eurydike sind im Hier und Jetzt angekommen. Orpheus ist ein Komponist und Geiger, der seine Ehefrau mit seiner Fiedelei aus der Fassung bringt. Sie haben ihre Geliebten in einem mehrstöckigen Gebäude im ersten Stock, in der Eurydike ihren Mann mit dem Schäfer und Honigverkäufer Aristeus betrügt. Am gleichen Stock eine Wohnung weiter betrügt Orpheus seine Frau ebenfalls mit einer Nymphe. Man ist reichlich voneinander genervt und wirft sich vor dem Fahrstuhl die gegenseitigen Fehltritte vor. Eurydike beschließt, sich ganz Aristeus und seinem veritablen Schäferhund Zerberus (Bongo im realen Leben) hinzugeben. Bisher hat eine Person dem Treiben zugesehen, die sich im Zuschauerraum aber lautstark zu Wort meldet. Es ist die öffentliche Meinung, in Person einer strengen Mittvierzigerin mit blonder Turmfrisur und grünem Kleid. Im Erdgeschoss bedient Eurydike in einem Friseursalon im Turbo-Gang ihre Kunden, die ihre Launen herhalten müssen. Da wird in Windeseile shampooniert, sodass die Kunden schon mal die Flucht ergreifen. Orpheus geht so lange zu seinen Orchesterkollegen in den Orchestergraben. An einer kleinen Kunstgrünfläche, die als Ersatz für das Getreidefeld herhalten muss, gibt sich Aristeus nach einer kurzen Umziehaktion als Pluto zu erkennen. Eurydike wird von einer Schlange gebissen, die Orpheus vorher aus dem Geigenkasten geholt und im Kunstgrün versteckt hat. Sie fällt tot um. Pluto schreibt noch einen Abschiedszettel, den er an die Friseursalontür hängt. Diesen Zettel liest nun Orpheus und freut sich diebisch, dass seine Frau nicht mehr lebt. Dies verkündet er gleich per Telefon und führt einen Freudentanz auf. Jetzt wird es der öffentlichen Meinung aber zu viel und sie schreitet ein. Angesichts seiner Stellung als Komponist und Musiker könne er sich ein solches Verhalten nicht leisten. Zeternd fährt sie mit ihm im Aufzug, der auch prompt auf dem Weg nach oben stecken bleibt. Zwei Monteure versuchen, die Panne zu beheben. Widerwillig folgt ihr Orpheus in den Olymp, zu dem sie der Fahrstuhl bringt.
Im Zwischenspiel sieht man die Szenen der Beziehung zwischen Orpheus und Eurydike, als sie sich als Kinder begegnet sind, als Teenager, dann als junge Erwachsene. Dabei wird klar, wie sehr Orpheus sich immer mehr seiner Geige und der Musik widmet und selbst die Gartenarbeit mit dem Rasenmäher seiner Frau überlässt. Man hat sich also über die Jahre gänzlich entfremdet.
Der nun folgende Götterolymp ist ein richtiges Altenheim. In Rollstühlen und an Gehhilfen hält sich die müde Götterschaft auf den Beinen. Manche liegen auf Tragen. Selbst der Götterherr Jupiter muss an den Tropf und liegt teilweise geschwächt am Boden. Die Immobilie Olymp steht zum baldigen Verkauf und es kommen immer wieder Interessenten vorbei, die von einer Immobilienmaklerin, der öffentlichen Meinung, durch das Olymp geführt werden. An dem Fahrstuhl hängt ein Schild: Attraktive Immobilie in Kürze frei. Am Dach steht eine Sat-Schüssel und die Düsenflugzeuge kreisen über dem Olymp. Als Interessenten steht da der Dalai Lama, Mohammed und Gott in der Warteschlange. Selbst der Götterbote Merkur kommt nur auf Tempo, weil ihn ein Pfleger mit schnell dem Rollstuhl durch die Gegend fährt. Merkur bringt die Botschaft, dass Pluto Eurydike in die Unterwelt entführt hat. Sogleich erhält der taufrische Pluto eine Vorladung von Jupiter. Pluto leugnet aber und es kommt zum Tumult bei den Göttern. In einer Powerpoint-Präsentation halten sie Jupiter die eigenen Verfehlungen vor. Jetzt kommt zu allem Unglück Jupiters auch noch die öffentliche Meinung in Begleitung von Orpheus aus dem Aufzug. Die öffentliche Meinung vor allem fordert Aufklärung und dass die Eheleute wieder zusammengeführt werden. Jupiter beschließt, mit seiner gesamten Gefolgschaft in die Unterwelt aufzubrechen und die Sache aufzuklären.
Kaum in der Unterwelt angekommen, klettert Eurydike aus dem schwarzen Sarg. Als Aufpasser hat Pluto Styx organisiert, der als Führer-Imitation auf die Bühne kommt. Er ist der Prinz von Arkadien, war ein großer Herrscher und ist jetzt schwer abhängig vom Wasser des Flusses Lete, des Flusses des Vergessens. In der Hölle tummeln sich in einem BMW auch Stalin, Gaddafi und Osama bin Laden. Über diesen Regieeinfall kann man nun geteilter Meinung sein. Jedenfalls scheint in der Hölle deutlich mehr los zu sein, als im Olymp. Eurydike wird in einer Toilette gefangen gehalten. Auf der Wand steht “fuck jupi", dennoch gelingt Jupiter herauszubekommen, dass hinter der Toilettentür Eurydike sitzt. Er beschließt, sich als Fliege zu verwandeln und durchs Schlüsselloch zu krabbeln. Das folgende Fliegenduett ist wirklich ein großer Wurf. Die in einer großen Projektion spielende Eurydike flirtet mit der Fliege, die immer frecher wird. Jupiter lässt sich als Fliege mal am Flügel kraulen, mal setzt er sich keck vor das Dekolleté. Dabei wird er an Seilen über die Projektionsfläche gezogen, was wirklich gut gelingt. Schließlich wird die Fliege von Eurydike gefangen. Summend verspricht er, sie aus dem Versteck zu entführen. Jetzt kommt der betrunkene Styx in die Toilette und Eurydike kann entkommen. Der herbeigeeilte Pluto kann nur noch ihre Flucht feststellen.
Im nun folgenden Höllen-Cancan zeigt die Unterwelt, was in ihr steckt. Die Götter sind alle in Violett angerückt. Eurydike ist als Bacchantin verkleidet und hofft während des Menuetts der Götter zu entkommen. Wer jetzt hier mit einem echten Cancan und fliegenden Röcken rechnet, wird enttäuscht. Die tanzenden alten Götter bringen das einfach nicht mehr hin. Jupiter ist von Eurydike ebenfalls angetan und flirtet heftig mit ihr, bis die Göttergattin Juno kommt und ihn abbringt. Die Party nimmt so richtig Fahrt auf, als die Diktatoren tablettweise Koks in die feiernden Götter blasen. Man sieht Marilyn Monroe, eine tanzenden Michael Jackson, Lady Di, Jackie Kennedy und Amy Winehouse und viele andere mehr. Immer wieder versucht, Jupiter seiner Frau zu entkommen und Eurydike zur Flucht zu verhelfen. Juno und die öffentliche Meinung fordern aber, Eurydike ihrem Mann zurückzugeben. Jupiter stellt aber die Bedingung, dass er 15 Schritte in Richtung Ausgang gehen müsse, ohne sich umzudrehen. Durch einen Blitzschlag, ausgelöst durch eine Digitalkamera von Jupiter, dreht sich aber Orpheus um und seine Frau muss als Bacchantin bei den Göttern bleiben. Orpheus muss allein in die Oberwelt zurück, was ihm nicht unangenehm erscheint. Die öffentliche Meinung ist im Schlussbild gefesselt an einer Dancing-Pole.
Man mag Laura Scozzi, oder man mag sie nicht. Die Inszenierung ist eine Zusammenarbeit mit Stadttheater Bern, der Opéra National de Bordeaux und der Opéra Municipale de la ville de Marseille. Sehr temporeich und reichlich entstaubt kommt diese Operette von Jacques Offenbach daher. Wer mit dem Operettenstaub einer Anneliese Rothenberger rechnet, wird hier mit einer frivolen Spielvariante konfrontiert, die wesentlich näher an den Wurzeln der Operette ist. In der etwas hibbeligen Friseuse Eurydike kann man auch das Alter-Ego von Laura Scozzi sehen. Sehr temporeich spielt sie sich durch die vier Bilder. Wenn dann noch ein charmanter Pluto (Tilman Lichdi) dabei ist und ein etwas tappiger Götterherrscher Pluto (Martin Berner) kann eigentlich nicht mehr viel schief gehen. Gerade die Szene mit den Diktatoren ist sicher nicht ohne, muss man aber eher als britischen Humor à la Monty Python sehen. Operette ist, wenn man trotzdem lacht.
Quelle: Staatstheater Nürnberg
Kritik Nürnberger Zeitung: Opernhaus: Offenbachs “Orpheus in der Unterwelt”
Monique Wagemakers Tristan in Nürnberg wurde schon in die Kinos in Deutschland und auf BR-Klassik übertragen. Wer beide Termine versäumt hat, hat jetzt noch Gelegenheit, diese Oper live zu erleben. Zu sehen und zu hören gibt es einen sehr stimmigen Tristan, während die Bayreuther Inszenierung von Marthaler so seine Tücken hatte, ist hier die Umsetzung durchaus gelungen. Zu Beginn der Aufführung gab es einen Hinweis, dass die Isolde dargestellt von Lioba Braun etwas indisponiert sei. Davon war in der folgenden Aufführung vielleicht im dritten Akt etwas leicht zu spüren. Lioba Braun absolvierte die Isolde mit Bravour.
Der erste Akt scheint in einem überdimensionalen nautischen Kompass zu spielen. Das zeltartige Gemach ist eine Vertiefung im Boden. Kurwenal und Tristan scheinen auf der Überfahrt nach Cornwall, die Richtung vorzugeben. Sie haben beide lange Samurai-Hosen an. Ihre Mannschaft scheint an roten Seilen die Segel zu hissen. Isolde hat ein langes, rotes Abendkleid an. Alle Darsteller sind barfüßig. In einer Vertiefung beklagt Isolde ihr Los, dass gerade Tristan der Brautwerber für König Marke ist, der ihr den Verlobten Morold getötet hat. Als Tantris suchte er einst Heilung bei Isolde, da er durch Morolds vergiftetes Schwert verwundet wurde. Isolde heilte ihn damals, erkannte aber an einer Scharte im Schwert, dass Tantris in Wahrheit Tristan ist. Der Splitter steckte noch in Morolds Kopf. Sie wollte damals schon Tristan umbringen, hat die Tat aber nicht durchführen können. Tantris schwor ihr damals Dankbarkeit und Treue. In einer kleinen braunen Schatulle hat Isoldes Vertraute Brangäne Zaubertränke von Isoldes Mutter aufbewahrt. Isolde sagt, dass der Todestrank allein, sie aus dieser Lage befreien könnte, und weißt sie an, den Todestrank in eine goldene Schale zu gießen. Tristan verspricht sie Sühne, wenn sie beide den Trank trinken werden. Als Tristan den ersten Teil des Tranks getrunken hat, entreißt ihm Isolde die goldene Schale und trinkt hastig den Rest. Die Schale fliegt in das Unterdeck. Brangäne hat aber den Todestrank mit dem Liebestrank vertauscht. Nur mit Mühe kann man die Liebenden auseinanderhalten, als König Marke, der eigentliche Brautwerber für Isolde, erscheint.
Im zweiten Akt wird aus dem Kompass der Brunnen in einem Innenhof von König Marke. Wie ein Mond brennt eine runde Fackel über dem Brunnen, ihr Verlöschen ist das Zeichen für Tristan, dass er zu Isolde kommen darf. Isolde gibt ihm das Zeichen selbst. Die Szene spielt wirklich im bläulichen Dunkel. Wie zwei Teenager fallen die Liebenden übereinander her und wälzen sich am Boden. Sie preisen die Nacht in einem langen Liebesdialog, wobei die Übertitel im Opernhaus wirklich eine große Hilfe sind, dem Gespräch der beiden zu folgen. Sie ignorieren Brangänes Warnrufe und ersehnen den Liebestod als höchste Vollendung ihrer Liebe. Markes Hofstaat kommt von der nächtlichen Jagd zurück. Tristan und Isolde werden von Melot verraten. Tief enttäuscht erinnert Marke Tristan daran, wie er ihn quasi als Sohn aufgenommen hatte, als seine Frau keine Kinder bekommen konnte. Tristan beschließt, sich der Realität zu stellen und in den Tod vorauszugehen. Er fragt Isolde, ob sie ihm folgen würde. Mit einem letzten Kuss von Tristan an Isolde fühlt sich Melot so provoziert, dass er schließlich ausholt und Tristan eine große Bauchwunde verpasst.
Im dritten Akt wird aus dem Brunnen ein Platz mit Erde in Tristans Burg Kareol in der Bretagne. Ein Hirte spielt auf einer Schalmei, von diesen Tönen geweckt, erlebt Tristan noch mal im Fiebertraum sein Leben und seine Liebe zu Isolde. Kurwenal sagt, er habe bereits nach Isolde geschickt, die auch dieses Mal die Wunde von Tristan heilen soll. Mehrere Male scheint Tristan ein Schiff zu sehen, es entpuppt sich aber immer wieder als Täuschung. Als Isolde dann wirklich kommt, liegt Tristan in den letzten Zügen auf der Erde. Tristan darf in dieser Inszenierung in den Armen Isoldes sterben, wie es vorgesehen ist. Ein zweites Schiff legt an, Kurwenal meint, es seien feindliche Eindringlinge und veranstaltet mit seinem Schwert ein Blutbad. Kurwenal selbst fällt auch. Tatsächlich ist Marke aber gekommen, der inzwischen die Sache mit dem Liebestrank weiß und die beiden vermählen wollte. Er beklagt die Toten. Bei Isoldes Verklärung zu ‘Mild und leise’ steht Tristan aber noch einmal auf. In einer Vision ähnlich der Szene auf der Titanic, steht Tristan bei dem letzten Takten der Oper hinter Isolde.
Bei allen modernen Ansätzen schafft es Monique Wagemakers, entscheidende Schlüsselszenen werksgetreu umzusetzen. Die eingeblendeten Übertitel offenbaren, wie textlastig dieser Tristan doch ist. Ich hatte die Oper auch auf BR-Klassik gehört, aber das Erlebnis live mit Bildern ist noch ein ganz anderes. Nach mehreren Versuchen mit dem Tristan findet man mit dieser Inszenierung, sich recht gut zurecht, auch wenn man das Stück bisher nicht kennt. Dennoch ist der Tristan sehr wagneresk, d. h. lange Monologe, volles Orchester, wenig Handlung. Auch mit den Harmonien im Tristan hat man als Anfänger sicher etwas mehr zu kämpfen, als bei anderen Wagneropern. Lioba Braun als Isolde und Vincent Wolfsteiner als Tristan schaffen es, die hoffnungslos verliebten überzeugend darzustellen.
Quelle: Staatstheater Nürnberg
Kritik in den Nürnberger Nachrichten: Tristan ‘janz weit draußen’
Das Nürnberger Opernhaus zeigt den Troubadour in einer Inszenierung von Balázs Kovalik. Der bestechende Einfall dabei ist ein Beichtstuhl. Immer wenn die Figuren aus dem Beichtstuhl auftreten, sind das nur Geister und Erzählungen längst vergangener Tage. Das ist wichtig, um die Figuren einordnen zu können.
Im Schloss Aliafera erzählt Ferrando die Geschichte des Hauses Luna. Die Geschichte ist ein wahrer Schauerroman von einer Zigeunerin, die einen der Söhne des Grafen Luna verzaubert haben soll. Deswegen wurde sie zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Sie beauftragte ihre Tochter Azucena, Rache zu nehmen. Die Tochter der Zigeunerin hätte aus Rache das andere, nicht verzauberte Kind ins Feuer geworfen. Die Asche des Kindes verteilt Ferrando aus einer Urne auf die reichlich gedeckte Tafel. Diese hat er vorher aus dem Schrank geholt, aus der auch die angebliche Hexe und deren Tochter erschienen sind. Die Tafelgesellschaft wartet auf die Ankunft des Grafen Luna, der dem Troubadour nachgeht. Der Graf in Gestalt von Mikolaj Zalasinski ist ein wahres Bariton-Kraftpaket, mal im schicken Anzug, mal im Pelzmantel mit bloßem Oberkörper daher kommt. Der Troubadour tritt mit einer E-Gitarre und roter Lederjacke auf, die seltsamerweise Harfenklänge produziert, und bringt seine Eleonore ein Ständchen. Eleonore gibt sich etwas wie pretty woman, mit Stilettostiefel und kurzem Rock. Diese setzt zu einem Synchrontanz mit Manrico an und scheint den Graf keck zu provozieren. Der Graf von Luna erkennt in Manrico seinen politischen Feind, der nun frecherweise noch um Leonora buhlt. Es kommt zum Gefecht, bei dem der Graf von Manrico überwältigt wird. Es fliegen Serviertabletts, die prompt eingesammelt werden. Manrico lässt den Graf schließlich am Leben, wird aber von den Gefährten niedergemacht.
Der Wechsel zum Zigeunerchor ist quasi fließend. Wie die Gästeschar des Schlosses Alferia nun plötzlich die Zigeunerschar in der Biskaya darstellen soll, bleibt dem Zuschauer verborgen. Die Zigeunertochter Azucena macht Manrico schwere Vorwürfe, dass er den Grafen nicht getötet hat. Zum Stride la vampa kommt aus dem Schrank wirklich ihrer Mutter und geht über die Bühne, während sich ein Heizkörper in einer Wand zeigt. Der Heizkörper verdeutlicht vermutlich deren Feuertod. Azucena hält derweil eine Babypuppe in der Hand, die eigentlich ihr Kind ist. Sie gesteht, dass sie durch den Feuertod ihrer Mutter verwirrt, ihr eigenes Kind ins Feuer geworfen zu haben. Daraus schließt Manrico, dass er nicht der Sohn der Zigeunertochter ist. Er meint auch, als dass er beim Duell mit dem Grafen eine Stimme gehört hat, die ihn verboten hat, diesen zu töten. Ein Bote sagt, dass Leonora in ein Kloster eintreten will. Manrico bricht auf und trifft vor dem Kloster auf den Grafen Luna. Dieser hat nun wirklich nur eine rote Hose und einen Fellmantel an. Mit bloßem Oberkörper schiebt er eine blonde Schaufensterpuppe vor sich her. Frauen will dieser Mann einfach besitzen, ebenso wie Eleonore. Zur Unterstützung seiner Truppen setzt der Graf sogar Kindersoldaten ein. Beide kämpfen erneut gegeneinander und Manrico und Eleonore fliehen nach Castellor. Was bei dieser Szene ein Motorradhelm zu suchen hat, erschließt sich mir nicht.
Nach der Pause passt das Bühnenbild, dass die ganze Zeit schon aussieht wie ein Gewölbe aus der Festung Castellor. Man sieht Feldbetten mit verwundeten Soldaten. Der Graf Luna belagert die Festung. Azucena wird vom Grafen und Ferrando in dessen Lager erkannt als die Zigeunerin, die damals seinen Bruder verbrannt haben soll. Aus dem Schrank kommt diesmal, neben der Zigeunerin auch der alte Graf Luna. Azucena wird daher zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Davon bekommt nun Manrico wieder etwas mit. Das folgende Di quella pira ist natürlich ein Knüller der Oper, als Manrico beschließt, seine Mutter zu retten und die Belagerung zu durchbrechen.
Leider misslingt dieser Ausfall. Es gibt viele Tote zu beklagen, die alle samt im Bühnenboden verklappt werden. Eleonore versucht nun, einen Tausch einzugehen. Sie bietet sich dem Grafen an, der daraufhin eine Champagnerflasche köpft. Leonora aber nimmt Gift, um sich selbst zu töten. Schon geschwächt schleppt sie sich in den Kerker und befreit dort, den mit Paketband verklebten Manrico. Der glaubt, dass sie einen hohen Preis für seine Freiheit bezahlt hat. Leonora stirbt in Manricos Armen. Der Graf Luna hat dies nun beobachtet und führt nun Manrico zum Schrank zur Hinrichtung durch das Beil. Als Manrico schließlich tot ist, triumphiert Azucena, dass ihre Mutter nun gerächt ist. Aus dem Schrank kommt noch einmal plakativ die Feuersäule.
Mit der Inszenierung hatte ich so meine Schwierigkeiten, weil die einzelnen Orte nicht deutlich genug getrennt sind. So gehen erster und zweiter Teil und dritter und viertel Teil nahtlos ineinander über und sind nicht deutlich genug getrennt durch umbauten im Bühnenbild. Das Ganze scheint sich ständig in dem Gewölbe der Festung Castellor abzuspielen. Die Klosterszene wird durch eine Lazarettfeldbettenszene ersetzt. Alles etwas schwierig zu verstehen. Durch etwas zu viele Requisiten wirkt das Szenario etwas unaufgeräumt. Gut war dagegen der Einfall mit dem Beichtstuhl. Die Sänger waren glänzend aufgelegt. Vor allem das Testosteronpaket Graf Luna sticht hervor. Die Handlung der Oper ist einigermaßen verworren, die einzelnen Arien-Stücke dagegen sind umwerfend gut. Allein schon wegen der hohen musikalischen Qualität lohnt ein Besuch.
Quelle: Staatstheater Nürnberg
Kritik in den Nürnberger Nachrichten: Große Tragödie mit einem Hauch Dekadenz
Marthaler lässt Wagners Tristan in Bayreuth auf einem Kreuzfahrtschiff spielen. Von den Kostümen her ist es von Anna Viebrock in die 60er Jahre versetzt. Während der drei Akte begibt man sich immer weiter in die unteren Geschosse des Schiffs. Marthalers Inszenierungen zeichnen sich immer durch kleine Details aus. Kritiker werfen in in diesem Stück vor, es würde zu sehr stagnieren, nur das ist gerade das Ziel.
Im ersten Akt sieht man Isolde und Brangäne in Sesseln sitzen. Schon während der Ouvertüre hat so einer der Fußschemel ein gewisses Eigenleben und rutscht am braunen Oberdeck hin und her. Das Schiff steuert nach Cornwall. Im Bühnenhintergrund sieht man Kurwenal und Tristan stehen. Kurwenal hat einen Schottenrock an. Brangäne wird vorgeschickt, die beiden Herren heranzuholen. Diese Mission ihrer Begleiterin scheitert aber. Wütend wirft Isolde immer wieder Klappstühle an Deck um, bis sie ihrer Begleiterin den Grund ihres Aufruhrs zu verstehen gibt. Ihr Verlobter Morold wäre von Tristan getötet worden. Im Zweikampf wegen Zinsstreitigkeiten hätte auch Tristan eine Wunde erhalten. Unter dem Decknamen Tantris wäre er aber erschienen bei ihr, um Heilung zu erbitten. An einem Stück Klinge in Morolds Schädel hätte sie erkannt, dass Tantris in Wahrheit Tristan ist. Diese Stück Klinge passte genau in Tantris Schwert. Tristan wäre genesen, aber bald als Werber für die Hand Isoldes im Auftrag seines Onkels König Marke erschienen. Brangäne überlegt nun, wie sie König Markes Gunst mithilfe eines Tranks gewinnen könne. Den hat sie in einer braunen Reisetasche dabei. Die Giftküche stammt von Isoldes Mutter und enthält einen Liebestrank und einen Todestrank. Isolde meint nun, mit dem Todestrank den Mord an Morold rächen zu können. Als Tristan wieder die Bühne betritt, beschließt er den Trank zu sich zu nehmen. Als er das Fläschchen halb getrunken hat, entreißt Isolde aber den Trank und nimmt den Rest zu sich. Brangäne hat den Todestrank aber mit dem Liebestrank vertauscht.
Im zweiten Akt befindet man sich im gelben Mitteldeck des Schiffs. Brangäne und Isolde habe sich im Abendkleid auf zwei Sitzen bequem gemacht. Tristan eilt herbei und wartet auf ein Zeichen. Isolde gibt ihm das in Form einer verlöschenden Deckenbeleuchtung. Das Duett zwischen Tristan und Isolde gerät so intensiv, dass sie Brangänes Mahnrufe überhören. Brangäne hat in Melot einen Feind Tristans ausgemacht. Dieser bricht nun zusammen mit König Marke und Kurwenal herein. Irritiert schaut Isolde immer wieder an die Decke, wie dort einzelne Lampen ausgehen. König Marke sieht sein Vertrauen in Tristan als seinen Brautwerber betrogen. Tristan fragt nach, ob Isolde bereit sei, ihm in die Nacht zu folgen und führt das Messer Melot gegen sich. Dieser wendet sich und wird mehrfach von Melot mit dem Messer verletzt.
Im letzten Akt befindet man sich im weißen Unterdeck des Schiffes. Der Hirte eher ein Elektriker, der sich um die Neonleuchten kümmert. Kareol, die Burg von Tristans Vätern liegt also im Unterdeck. Tristan liegt in einem Pflegebett, das von einer Eingrenzung umgeben ist. Kurwenal hat Isolde als Heilerin für Tristan gerufen. Mehrfach glaubt dieser nun, Isoldes Schiff zu sehen. Wieder und wieder verwünscht er den Liebestrank. Als nun Isolde endlich ankommt, fährt er das Bett hoch, bricht aber dann vor dem Lager zusammen. Leider stirbt nun Tristan nicht in Isoldes Armen, wie vorgesehen, sondern bleibt am Boden liegen. Nun kommen auch Melot und Marke an. Isolde ist nun selbst ohnmächtig im Pflegebett. Als Brangäne Melot vom Liebestrank berichtet, erwacht Isolde noch mal kurz, nur um sich dann endgültig das Laken über den Kopf zu ziehen. Unter den Klängen von Isoldes Verklärung endet die Oper.
Das Bühnenbild von Marthaler steht und fällt mit der Schiffsparabel. Das mag man nun passend finden, oder wie es eine englisch-sprechende Youtube-Nutzerin bezeichnet, als den worst-Tristan-ever. Marthalers Bühnenbilder leben von Ruhe und Details, da rutscht hier mal ein Hocker über die Bühne, dort flackert mal eine Neonleuchte. Leider beschränkt sich das bei dieser Inszenierung auf weniger Einfälle, als sonst üblich. Das lässt natürlich Raum für die Musik, die entweder als zartes Duett, wie im zweiten Akt oder im Vollformat, wie bei Isoldes Verklärung einher kommt. Die Hauptpersonen, allen voran Kurwenal von Jukka Rasilainen gespielt oder König Marke von Kwangchul Youn, waren sehr gut. Robert Dean Smith wusste sich in der Partie des Tristan zu behaupten und Iréne Theorin als Isolde verdient ebenso Beachtung.
Kritik in der Nürnberger Zeitung: “Tristan und Isolde” in Bayreuth