Antonín Dvořáks Oper Rusalka ist derzeit im Nürnberger Opernhaus zu sehen. Dieter Kaegi hat die Inszenierung mit ökologisch-kritischen Aspekten versehen. Die Inszenierung ist eine Koproduktion mit der Opéra de Monte-Carlo.
Zu Beginn sieht man zwei Balletttänzer mit einem Motorrad und einer tschechischen Flagge an einen kreisrunden Tümpel fahren, der scheinbar mit dem Auto oder dem Zweirad gut zu erreichen ist. Das Paar legt die Kleider ab und begeht scheinbar Selbstmord in dem See. Um den See tanzen drei Nixen in Form von Puppen. In dem Tümpel wohnt nämlich der Wassermann (Nicolai Karnolsky), für mich der eigentliche Held der Inszenierung. Er singt in einem echten Wasserbecken und darf nach Herzenslust planschen. Als Trophäe von den Motorradfahrern hat er eine tschechische Flagge erbeutet. Er verjagt auch die drei Waldnymphen, die ihn zu Anfang provozieren. Rusalkas seine Tochter hat eine lange blaue Robe an, sodass man das als Schwimmflossen vermuten kann. Sie singt in einem Reifen aus Rehgeweihen das berühmte Lied an den Mond (měsíčku na nebi hlubokém). Für dieses Lied hätte die Sopranistin (Ekaterina Godovanets) Szenenapplaus verdient. Es kommt immer wieder ein Prinz zum See, der es Rusalka so angetan hat, dass sie für ihn Mensch werden will. Dafür ruft sie die Hexe Jeibaba an, die mit drei Gehilfen erscheint. In ihrem anthrazitfarbenen Catsuit und mit dem eiförmig geformten Hinterkopf ist sie eine nahezu außerirdische Erscheinung, die auch in Deep Space Nine mitspielen könnte. Bei der Beschwörung der Elemente legt sie einen echten Feuerkranz um den See. Rusalka hat ab sofort Beine, kann aber kein Wort mit dem Prinzen sprechen. Das ist natürlich in einer Oper etwas ungeschickt für die Hauptfigur, die auch prompt mehr als einen Akt lang nichts mehr zu singen hat. Es kommt der Prinz als Jäger an den See, der angeblich einem weißen Reh gefolgt wäre. Dort trifft er jetzt Rusalka und verliebt sich prompt in die stumme Rusalka. Gestikulierend versucht sie, ihn vor den Gefahren des Sees zu warnen. Der Prinz nimmt sie aber mit auf sein Schloss.
Die höfische Gesellschaft hat mit schrillem Outfit und neonfarbenen Perücken in einem Spiegeltrapez Platz genommen. Auch der Tümpel des Wassermanns scheint nicht weit vom Schloss entfernt zu sein. Mit Ferngläsern beobachten die vier höfischen Paare die stumme Rusalka sehr misstrauisch. Der Prinz sei in seinem Liebesleben sehr wankelmütig, sagen auch die Hofangestellten, und zwar der Förster und der Küchenjunge. Von dem beharrlichen Schweigen Rusalkas irritiert, wendet er sich einer fremden Fürstin zu, die der Hofgesellschaft viel besser zu passen scheint. Über den Tümpel spannt sich eine goldene Brücke. Aus ihm kommt das Liebespaar des Anfangs und tanzt eine Balletteinlage. Rusalka spricht nun plötzlich wieder zum Wassermann und beklagt ihr Los. Der Wassermann versucht wütend den Prinzen in den See zu ziehen und prophezeit ihm sein Ende. Aber auch die fremde Fürstin erkennt, dass der Prinz immer noch vom Zauber Rusalkas gefangen ist und verlässt ihn.
Rusalka steht vor dem verschlossenen Bühnenraum und begehrt Einlass in die Wasserwelt. Rusalka ruft erneut Jeibaba an, die ihr wieder helfen soll. Die Hexe sagt, dass sie sich nur erlösen könnte, wenn sie den Prinzen umbringt. Sie gibt ihr ein Messer in die Hand. Es öffnet sich der Bühnenraum und man sieht das Motorrad versenkt im See. Auch der Mond liegt als übergroße Weihnachtskugel neben dem See. Rusalka lehnt es ab, den Prinzen zu töten und wirft die Messer in den Teich. Sie will lieber in ewiger Verdammnis als Irrlicht leben und jedem, der sich nähert, den Tod bringen. Auch der Förster und der Küchenjunge des Schlosses suchen Hilfe bei Jeibaba. Sie behaupten, eine Zauberin hätte den Prinz verhext, der nun schwermütig wäre. Dabei picknicken sie am Seerand und werfen ihre Fast-Food-Abfälle in den See. Dies provoziert den Wassermann, der die beiden verjagt. Die Nixen erzählen vom Los Rusalkas. Es folgt auch der Prinz an den See und sucht sein weißes Reh. Rusalka tritt nun mit schwarz-geschminktem Mund auf und gibt dem Prinzen mitten im Teich den Todeskuss. Dabei regnet es auf der Bühne.
Die Musik ist sehr breit angelegt und klingt wunderbar symphonisch. Rusalka ist wirklich eine sehr schöne Oper, bei dem das Orchester unter Markus Bosch zeigen kann, wie Wohlklang aus dem Orchestergraben sich anhören kann. Die Aufführung in tschechischer Sprache ist natürlich eine Herausforderung. Man merkt schon, dass die fremde Fürstin als Muttersprachlerin mit dem Text deutlich weniger hadern musste, als die anderen. Michael Putsch als Prinz war an diesem Abend leider etwas angeschlagen und hatte dennoch schwierige Passagen zu meistern. Mit der ökologisch ausgerichteten Kritik an der Konsumgesellschaft hatte ich so meine Schwierigkeiten. Es war immer sehr schön, wenn man wirklich das Märchen vor Augen hatte. Da stören die Modernisierungsansätze doch etwas.
Quelle: Staatstheater Nürnberg
In Nürnberg steht die Oper Andrea Chénier von Umberto Giordano auf dem Spielplan in einer Inszenierung von Guy Montavon. Die Oper ist dem Verismo verpflichtet, handelt von der wirklich existierenden Person des Dichters Andrea Chénier, basiert aber eher auf Fiktion als auf harten Fakten.
Im ersten Bild befindet man sich in einem grauen Salon im Schloss Coigny. Der Lakai Carlo Gérard prophezeit der höfischen Gesellschaft den Untergang. Ein Bote aus Paris bringt die Kunde, dass sich Paris im Aufstand befindet. Auch Maddalena, die Tochter der Gräfin Coigny muss sich in ein weißes Seidenkostüm zwängen. Für die feinen Herren wird nun ein grüner Teppich ausgerollt. Die höfische Gesellschaft hat sich in bunte Abendgarderobe gekleidet, die die Auswüchse des Rokoko zeigt. Die Frauen tragen hohe Turmfrisuren und aberwitzig weite Reifröcke. Die Farben waren sicher damals nicht so knallig, wie in dieser Inszenierung, dennoch hat die Kostümschneiderei sichtlichen Spaß gehabt, diese höfische Gesellschaft, so in Szene zu setzen. Die Damen lassen sich auf der Decke nieder und bringen ein Lied über die Schäferinnen dar, wobei sie nett im Takt wippen. Von der Decke hängen übergroße, weiße Lilien: Das Zeichen der französischen Könige. Ein Adeliger steigt in eine Schaukel und falls es den Begriff Luftharfe noch nicht gegeben hat, so ist er hiermit erfunden. Er steigt zur Decke und gibt ein Luftharfensolo. Der Dichter Andrea Chénier klagt die Adligen wegen ihrer Leichtlebigkeit an. Alle außer Maddalena sind empört. Nun hebt sich der graue Raum und es kommen Bauern herein, die der höfischen Gesellschaft den Garaus machen. Die Adligen, bis auf die Gräfin Coigny, werden von den Aufständischen erschlagen, wobei auch noch die Lilien zu Boden fallen. Als die Bauern abziehen, tanzt Madame Coigny alleine ihre Gavotte weiter, als ob nichts passiert wäre.
Im zweiten Bild, einige Jahre später hat die Revolution an Schärfe zugelegt. In dem Pariser Café hängen Spiegel in Guillotine-Form, die sich bewegen. Andrea Chénier erfährt, dass er auf der Hinrichtungsliste steht. Mit einem Pass soll er sich retten. Allerdings schreibt ihm eine Unbekannte, mit Rosenwasser getränkte, Briefe. Es tauchen auch zwei Adlige auf, die von den Revolutionsgarden exekutiert werden. Man vermutet schon, dass Andrea Chénier eine Beziehung zu einer Adligen unterhält. In einer dunklen Ecke von Paris kommt es dann wirklich zum Treffen von Maddalena und Chénier. Allerdings meldet der Spitzel dieses Treffen Gérard, der inzwischen im Revolutionsrat ist. Dieser fordert Maddalena für sich. Es kommt zu einem Duell zwischen Gérard und Andrea, wobei dieser Gérard in den Bauch schießt. Der Verwundete hat natürlich Andrea erkannt, gibt aber zum Protokoll, dass er den Angreifer nicht erkannt hat.
Im dritten Bild befindet man sich im Sitzungssaal des Tribunals. Die Sitzreihen hängen an Drähten, sind beweglich und können zu einer Tribüne aufgefahren werden. Gérard fordert die Anwesenden auf, für die Revolution zu spenden. Das Vaterland braucht Geld, da es von den europäischen Mächten bedrängt wird. Man führt die alte Madelon vor, die ihren Enkel als Soldat preisgibt. Gérard klagt nun Andrea an, um seinen Nebenbuhler zu beseitigen. Maddalena erscheint im leeren Tribunalssaal und bietet sich selbst Gérard an, wenn Andrea frei kommt. Das nun folgende “la mamma morta” ist wohl das bekannteste Stück aus der Oper. In dieser Arie schildert Maddalena den Tod ihrer Mutter. Zu tiefst erschüttert erkennt Gérard, dass es ein Fehler war, Andrea zu verurteilen und versucht nun alles, sein Urteil rückgängig zu machen. Hereingeführt werden nun vier Angeklagte, unter ihnen sind auch der Dichter und Madame Legray. Es ist aber schon zu spät, die Revolution und die Geschworenen um Dumas und das ganze Volk im Tribunalssaal fordern den Tod des Dichters.
Im vierten Bild sitzt der Dichter allein unter vielen Ketten im rot beleuchteten Kerker. Von der Decke hängen Ketten. Es zeigt sich noch einmal Gérard, der noch einmal die Begnadigung zu erreichen versucht. Am Boden liegen viele Zettel mit Gedichten. Mit seinem Freund Roucher geht er noch einmal die letzten Verse durch. Es erscheint Maddalena. Sie besticht den Gefängniswärter, anstelle der verurteilten Madame Legray, mit Andrea zusammen zur Guillotine fahren zu können. In fast wagnerscher Breite gestehen sich Maddalena und der Dichter ihre Liebe. Das Lichtspiel wechselt auf Tag und es ist klar, dass sie zusammen sterben werden. Die Revolutionäre rücken an und die beiden Liebenden begeben sich auf den Weg, wobei mit einem lauten Rasseln, die Ketten fallen.
Der Dirigent Philipp Pointer führt mit sehr viel Wucht durch dieses Verismo-Stück. Das bringt vor allem Vincent Wolfsteiner als Andrea manchmal, vor allem zum Ende hin, an seine Grenzen. Mikolaj Zalasinski gibt einen wunderbaren Gérard mit allen seinen Wendungen und bekommt mit Ekaterina Godovanets als Maddalena den meisten Applaus. Besonders loben muss man die aufwendigen Kostüme von Roswitha Thiel. Für die Augen sind die wirklich ein besonderes Highlight. Die Oper wird nicht so selten aufgeführt, wie man meinen könnte, ist aber bisweilen etwas sperrig. Die richtigen Opern-Hits, die ins Ohr gehen, sind nicht dabei. Man verzichtet bei der Aufführung auf waghalsige Regie-Experimente und es gelingt ein interessanter Opernabend mit einem etwas unbekannteren Werk.
Quelle: Staatstheater Nürnberg
Kritik in den Nürnberger Nachrichten: Die Liebe überwindet jede Barrikade
Zur Nachhilfe in Sachen Pop-Musik hat es mich in das Beatles-Musical All you need is love verschlagen. Man lässt dort einen fiktiven Roadie, der die Beatles von Anfang an begleitet hat, die Geschichte der Liverpooler Band erzählen. Das Ganze kommt bisweilen mehr als Dokumentation der Band daher, dann laufen historische Filmschnipsel und Aufnahmen der Band über die Projektionsfläche der Bühne. Manchmal driftet es aber auch in Richtung Revival-Show ab, in der sich die Hits aneinander reihen. Das Publikum war vermutlich in der Jugend ebenfalls Beatles-affin und ist inzwischen 50 bis 60 Jahre alt. Die Show startet mit dem Hit come together und einem get back und nimmt einen vom letzten Konzert der Beatles auf dem Gebäude der Apple Studios im Jahre 1969 zurück zu den Anfängen. Der Roadie erzählt, wie es zur Trennung der erfolgreichsten Band der Welt im Jahr 1970 kam. Dann geht es wirklich zu den rockigen Anfängen der Band im Kaiser Keller in Hamburg. Das war die Chance für die junge Liverpooler Band, in Deutschland groß raus zu kommen. Damals traten sie noch mit Tony Sheridan auf. Weil sich der Name Beatles zu sperrig anhörte, entschied sich die Plattenfirma Polydor die Formation Beat Brothers zu nennen. Mit richtigen Rock n Roll Hits wie shake it baby und roll over Beethoven merkt man wie stark die Beatles am Anfang noch im dieser Musikrichtung verwurzelt waren. Bert Kaempfert will die Band groß rausbringen, aber mehr als Begleitband zu Tony Sheridan. Die Beatles planen schon groß raus zu kommen mit eigenen Hits, während man sich bisher noch auf Elvis Hits wie Its alright mama konzentrierte. Es tritt wieder der Roadie auf, der eine Platte in einem Plattenladen der Beatles aus Hamburg sucht. Dort hat man aber nur Gitte Ich will nen Cowboy als Mann. Der Roadie empfiehlt dem Plattenverkäufer den Cavern-Club in Liverpool. Dort entdeckt sie Brian Epstein und bringt sie in den Star Club. Er versucht die Single love me do bei verschiedenen Radiostationen anzubringen, kauft 10000 Platten um die Chartposition zu verbessern, aber weder BBC, noch die amerikanischen Radiostationen springen auf den Hit an. Einzig Radio Luxemburg spielt die Beatles non stopp. Brian Epstein löst den Plattenvertrag mit der Polydor. Bert Kaempfert hat nur an Tony Sheridan Interesse und lässt die Beatles ziehen, da er von deren Eskapaden in Hamburg genug hat. Im nächsten Zug versucht man 12 Titel der Band auf eine LP zu bringen. In den Abbey Road Studios werden 11 Titel aufgenommen. Man entscheidet sich twist and shout als 12 Titel aufzunehmen. Schon am 9. September 1963 hat man fünf Titel der Band gleichzeitig in den Billboard-Charts. Jetzt fehlt nur noch ein großer Hit in den USA. Mit I wanna hold your hand gelingt der Band schließlich der Nummer 1 Hit in den USA. 1965 hören im Shea Stadion 55000 Fans die Band. Dann ist Pause. Es folgen die Filme: A hard days night und Help. Mit dem Erfolg entwickelt sich die Band aber immer mehr zur Studioband und produziert Hits wie Yellow Submarine. Dazu sieht man dann Originaleinspielungen aus dem Film. Auch dem Marihuana ist man nicht abgeneigt, wie der Roadie mit einer Tüte und viel Nebenschwaden zeigt. Ganz in Repliken der Originalkostüme performt die Band nun St. Peppers lonely hearts club band. Brian Epstein stirbt unerwartet im Jahre 1967 mit 32, vermutlich an einer Überdosis Schlaftabletten. Danach zerstreitet sich die Band immer mehr Paul auf der einen Seite, der Rest der Band auf der anderen. Es folgen dennoch immer wieder Hits wie All you need is love oder Revolution. Am Ende der Vorstellung ist man wieder auf dem Dach der Apple-Studios in London und sieht den letzten öffentlichen Auftritt der Band. Mit einem nachdenklichen Hey Jude endet die Dokumentation. Danach folgen noch mehrere Hits als Zugaben wie day tripper, back in the ussr und twist and shout.
Man ist nach dem Musical jedenfalls wieder im Bilde über den Werdegang der Band. Der erfundene Roadie verleiht dem Geschehen einen roten Faden. Man erlebt die Entwicklung von einer Rock n Roll-Band zu einer Hippie-Band. Zu den jeweiligen Auftritten ziehen sich die Musiker relativ häufig um und spielen die Lieder dann auch in der Garderobe von damals. Interessant sind die Filmdokumente, die zu den Beatles-Hits abgespielt werden. Teilweise gelingt es der Band lippensynchron zu den Film-Aufnahmen zu singen. Der Ton kommt dann live von der Band. Auf der Projektionsfläche werden die Live-Bilder mit den Bildern von damals kombiniert. Stimmlich muss man natürlich vor allem in den Höhen bei Paul McCartney Abstriche machen. Am Ende wurden jedoch von den Fans Feuerzeuge und Knicklichter gezündet. Bei Hey Jude singt dann doch nach einer Anlaufphase der ganze Saal mit und fordert dann auch reichlich Zugaben ein, die dann auch gegeben werden. Für einen echten Beatles-Fan ist der Abend sicher unterhaltsam.
Noch bis zum 24. März läuft die Blogparade von livekritik.de zum Thema Via Smartphone live aus einer Kulturveranstaltung berichten gut oder schlecht?. Ich beteilige mich einfach mit diesem Beitrag an diesem Thema.
Als Besitzer eines Twitterkontos liegt es nahe, dies auch für Kulturveranstaltungen zu nutzen. Mein Opernblog und mein Twitterkonto sind schließlich verbunden. Dennoch bin auch ich da der Meinung, dass mich Twitter im Opernhaus zu sehr ablenken würde. Wenn ich weiß, dass ich nach der Veranstaltung noch für mein Blog einen Beitrag verfasse, versuche ich mich auf die Vorstellung zu konzentrieren. Eine weitere Nachrichtenquelle wie Facebook oder Twitter würde der anschließenden Kritik genauso abträglich sein, wie ein Übermaß an Pausensekt. Ich möchte aber dennoch nicht auf mein Smartphone während der Vorstellung verzichten. Das hat einfach den Grund, dass ich mir Aufführungsdetails gerne notiere, die ich in der Aufführung bemerkenswert fand und gerne im Abschluss erwähnen möchte. Meist kommen da 20-30 Punkte pro Aufführung zusammen, das alles zu tweeten wäre zwar ein interessanter Aspekt, reißt die Einzelpunkte aber aus dem Kontext und würde den Followern vermutlich keinen Spaß machen. Während der Aufführung ist mein Handy im Flugmodus, so dass ich mich immer etwas ungehorsam fühle, dass ich der Aufforderung, das Mobiltelefon komplett auszuschalten nicht nachkomme. Auch in der Pause lasse ich das Telefon im Flugmodus, werde aber schon von dem ein oder anderen Operngast kritisch beäugt, wenn ich mir Notizen mache. Da hat das Gerät nun mal einen schlechten Ruf und man scheint auch einer dieser Handy-Maniacs zu sein, die genauso wie die Raucher, auf der Balkonbrüstung stehen und ihrer Sucht nachkommen. Es jedem, der da kritisch schaut, zu erklären, dass das für die Blog-Arbeit nach dem Vergnügen ist, ist müßig. Daher nehme ich die kritischen Blicke zur Kenntnis, wurde aber schon das ein oder andere mal mit einem schrägen Kommentar versehen. Ist das Event vorbei, kommt die Blog-Arbeit und da setze ich natürlich wieder Twitter ein, um auf meinen Blogeintrag aufmerksam zu machen. Das funktioniert ziemlich gut, wie ich an den Zugriffen erkennen kann. Dafür ist der Einsatz von Twitter wieder in Ordnung. Einen Smartphone-Einsatz im Opernhaus halte ich durchaus für sinnvoll, wenn auch sehr dosiert und eher im Flugmodus. Zu Twitter im Anschluss sage ich beherzt ja, während der Oper verzichte ich da lieber zu Gunsten des anschließend Blogs.
Zu einem wahren Publikumserfolg könnte sich das Weiße Rössl am Nürnberger Opernhaus entwickeln. Denn was ist schöner, als die Sommerfrische am Wolfgangsee nach einem langen Winter. Als Zahlkellner Leopold hat man Volker Heißmann engagiert, der sich mit Mikrofon tapfer durch die etwas tiefergelegte Partie singt. Schon vor der Aufführung spielt eine Blaskapelle im Foyer Volksweisen. Die Platzanweiserinnen und das Publikum selbst kommen teilweise in Dirndl und in Lederhose. Das Bühnenbild ist sehr aufwendig und liebevoll gestaltet von Toto und Thomas Enzinger und zeigt schon vor der Aufführung den Seeblick von St. Wolfgang auf das Familienbad. Das überdimensionale Ölgemälde dient als Bühnenvorhang. Zu Anfang lässt man eine Jodlerin (Andrea Jörg) gegen einen überdimensionierten Dorfhahn im Wettjodeln antreten. Auch das berühmte weiße Ross tritt selbst auf der Bühne während der Ouvertüre auf. Mit roten Hufen traben zwei Männer zur Musik über die Bühne. Die Postfrau am rechten Bühnenrand stemmt unterdessen im gelben Dirndl zünftig ihre zwei Maß. Es tritt gleich zu Beginn eine Touristengruppe auf, die für den Aufenthalt am Wolfgangsee nur zehn Minuten eingeplant hat. Als es ans Abrechnen geht, wird es für den Zahlkellner hektisch und er muss sich energisch gegen die Truppe Touristen durchsetzen. Seine wahre Aufmerksamkeit gilt aber seiner Chefin Josepha Vogelhuber. Ihr zuliebe greift der Zahlkellner sogar zum Saxophon und bringt ihr das Lied “es muss was Wunderbares sein” dar. Die hat als Wirtin zum weißen Rössl schon fünf Zahlkellner verschlissen, die nach dem Tod ihres Mannes, ihr schöne Augen gemacht hatten. Josephas Herz gilt aber dem Gast Dr. Siedler. Dieser fährt mit einem Fahrrad über die Bühne und verursacht prompt einen Unfall, wobei er von Josepha verarztet wird. Dr. Siedler nimmt seit 7 Jahren regelmäßig das einzige Zimmer mit Balkon. Da hat er die Rechnung aber ohne Wilhelm Giesecke(Uwe Schönbeck) gemacht, der ebenfalls für sich ein Zimmer mit Balkon beansprucht. Der Fabrikant ist seiner Tochter Ottilie zuliebe an den Wolfgangsee gefahren, kommt aber schon bei der Speisekarte ins Straucheln. Zu dessen Beruhigung ist aber Pferd gerade aus. Um Dr. Siedler aus Eifersucht eins auszuwischen, quartiert Leopold den Fabrikanten ins selbe Zimmer ein. Die beiden geraten aneinander und der arme Piccolo Gustl muss so oft die Koffer des Fabrikanten hoch und runterschleppen, bis er diese entnervt aus dem Fenster wirft. Wilhelm Gieseke erkennt in Dr. Siedler den Anwalt seines Konkurrenten, mit dem er im Rechtsstreit um ein Kleidungspatent steht. Dummerweise verliebt sich Dr. Siedler aber nun in Ottilie, die Tochter des Fabrikanten. Schließlich gibt der Fabrikant klein bei und überlässt das Zimmer dem Konkurrenten. Leopold überredet nun Ottilie zu einem romantischen Treffen mit Dr. Siedler im Kuhstall. Hier werden drei Kühe mit großem rosa Plastik-Euter in bunten Treiben der Sennerinnen gemolken und wen es interessiert, die mittlere Kuh heißt Zenzi. Leopold zündet dem Paar Sielder/Ottilie sogar eine Kerze an, damit im Kuhstall so richtig romantische Stimmung aufkommt. Ottilie und Doktor Siedler umgarnen sich bei ‘Die ganze Welt ist himmelblau’ mit blauen Gymnastik-Wettkampf-Bändern. Am Ende des Tages kommt eine richtige Revuenummer mit Schirmen und echtem Regen. Die Situation zwischen Josepha und Leopold spitzt sich im zweiten Akt zu. Josepha setzt ihn damit vor die Tür und kündigt ihm als Nummer 6 der Zahlkellner. Der Piccolo Gustl findet das vor allem wegen einer offenen Rechnung von 35 Gulden traurig, trägt das aber dann mit Fassung. Josepha versucht nun, den mürrischen Giesecke bei Laune zu halten. Dieser schwärmt immer nur vom Ostseebad Ahlbeck. Giesecke kommt aber erst so richtig in Schwung, als sein Konkurrent per Telegramm anbietet, die beiden Kinder Ottilie und Sigismund zu verbandeln und dem Zwist der Fabrikanten ein Ende zu setzen. Auch Gieseke macht eine Bergtour, bei der er in einem Seil in einem Korb von einem Führer die Berge hoch zum Gipfel gezogen wird. Der Sigismund kommt in einem weißen Auto angefahren, interessiert sich aber lieber für Klärchen mit dem Sprachfehler. Zum Einstieg der Szene schmettert Sigismund ein wunderbares: O sole mio. Während Sigismund keine Haare hat, was Klärchen sehr lustig findet, findet Sigismund den Sprachfehler drollig. Auf dem Wolfgangsee kommen sich die beiden bei einer Badeszene näher, in dem sie gemeinsam in einem Boot über den See rudern. Man sieht ein Flossenballett und der Chor versucht sich sogar in einem kleinen Sigismund-Rap. Gieseke erreicht nun ein Telegramm von der gelben Postbotin. Da er sich nicht ausweisen kann, bittet er Dr. Siedler ihn zu identifizieren. In dem Telegramm steht, dass Sigismund Ottilie heiraten soll, damit Frieden ist. Da sich nun unvermittelt der Kaiser angekündigt hat, ist Josepha gezwungen, den Zahlkellner kurzfristig wieder einzustellen. Für die Begrüßung des Kaisers muss nun die Hymne “Oh du mein Österreich” einstudiert werden. Da Leopold das Volk anspricht geht nun das Licht im Zuschauerraum an und man ist gehalten dort mitzusprechen und sich bei der Ankunft des Kaisers zum Schützenfest auch anständig von den Sitzen zu erheben. Es wird eine Flagge links ausgerollt. Der Kaiser reitet nun auf dem weißen Ross herein und steigt sehr ungeschickt und gar nicht kaiserlich vom Ross. Derweil spielt eine Blaskapelle so falsch, wie man nur spielen kann. Das Volk hat Österreich-Flaggen in der Hand und Leopold soll den Kaiser begrüßen. Die Ansprache verhaut der Zahlkellner gründlich, als der am Balkon Josepha neben Dr. Siedler sieht. Josepha hat sogar sein grünes Lieblingsdirndl an. Bei einem Frühstück, bei dem Josepha dem Kaiser die hocherwürdigen Semmeln schmiert, gesteht Josepha dem Kaiser, dass sie Dr. Siedler liebt. Sie erkennt aber auch, an dem Spruch des Kaisers im Gästebuch, dass Dr. Siedler nicht für sie bestimmt ist. Die Zitherbegleitung hier verleiht dem Ganzen Flair. Bei einer Bergtour finden nun Sigismund und Klärchen endgültig zueinander. Sigismund gibt sich als Klärchens Sprachlehrer aus. Die Situation zwischen Dr. Siedler und Ottilie ist dann auch geklärt. In einer finalen Szene will sich nun Leopold endgültig von Josepha zurückziehen und verlangt sein Zeugnis. In dem steht, dass er sie als Zahlkellner verlassen hat, aber als Ehemann auf Lebenszeit eingestellt ist. Am Ende sieht man alle drei Paare, die sich in der Operette gefunden haben.
Das Opernhaus macht bei dieser Inszenierung einiges richtig: Die Operette lebt vom Wortwitz des Fabrikanten Gieseke und dem Zahlkellner Leopold. Daher ist es nur logisch, die Rolle mit einem Mann vom Fach zu besetzen. Volker Heißmann hat Gastronomieerfahrung und komödiantisches Talent, das vor allem bei der Mitmachnummer zur Begrüßung des Kaisers zur Geltung kommt. Bei der Nummer macht wirklich der ganze Saal mit, auch die 9 Euro-Plätze. Auch ist es richtig, bei der Operette nicht an der Ausstattung zu sparen. Das Bühnenbild ist wirklich liebevoll und aufwendig. Der Running-Gag zwischen der Jodlerin und dem Hahn des weißen Rössl ist vielleicht ein paar Mal zu oft dran, aber irgendwie auch lustig. Viele Melodien aus der Operette kennt man und man ist immer versucht mitzusummen. Auch über die Urururgroßmutter des Leopolds, die angeblich aus Fürth kommt, muss man schmunzeln, da Leopold doch das ein oder andere Mal ins Fränkisch verfällt. Ein Schelm wer Böses dabei denkt, dass am Wolfgangsee Dr. Siedler Birnen statt Pfirsichen serviert werden. Mit den Worten des Kaisers: Es war sehr schön. Es hat mich sehr gefreut!
Quelle: Staatstheater Nürnberg
Kritik in der Nürnberger Zeitung: Oh du falsches Operettenglück
Kritik in den Nürnberger Nachrichten: Zwischen Jodeldiplom und Alpenkulisse