Was macht man mit einer einst sehr erfolgreichen Sängerin, die 2012 gestorben ist und viele Nummer 1 Hits hatte. Bevor sie ganz in Vergessenheit gerät, setzt man ein Musical auf mit allen ihren Hits. Das Ganze verpackt man in ein Zelt an den Dom und schon hat man einen Musical Hit. Vielleicht liegt der ausgebliebene Wow-Effekt einfach daran, dass hier die Rede von Whitney Houston ist und ich schon damals kein großer Fan ihrer Songs war. Jemand zu finden, der die Songs genauso bringt, wie diese Ausnahmekünstlerin, ist sicher sehr undankbar. Zudem saßen wir in Reihe 9, Platz 40/41 und damit direkt vor der Box.
Der laute Knall vor dem ersten Stück „Queen of the Night“ lässt einen ziemlich zusammenzucken. Whitney Houston spielte in dem Film aus dem Jahr 1992 eine erfolgreiche Sängerin namens Rachel Marron, die von einem Stalker verfolgt wird. Man sieht in den ersten Szenen, wie der Bodyguard namens Frank Farmer angeworben wird, für die Sicherheit des Stars zu sorgen. Dieser weigert sich und wird mit Geldangeboten geködert. Schließlich wird er doch schwach und willigt ein, Rachel zu beschützen. Es gibt einen Vorfall, bei dem ein rotes Kleid entwendet wird. Die Sicherheitsstandards sind niedrig in dem Haus von Rachel, sodass es ihm ohne Probleme gelingt ins Haus vorzudringen. Frank bringt also die Sicherheitsstandard auf Vordermann, worüber Rachel gar nicht begeistert ist. Sie möchte nicht in Angst leben, die Briefe des Stalkers hat man vor ihr geheim gehalten. Rachel hat zudem ein 10-jähriges Kind, das Frank ein rotes ferngesteuertes Auto zeigt. Beide kommen ins Gespräch. Rachel hat auch noch eine Schwester Nicki, die in einem Nachtclub singt. Frank besucht deren Auftritt, um sie zu beschützen. Schließlich wird die Lage brenzlig, als der Stalker sich ins Haus einschleicht und den Sohn Fletcher bedroht. Rachel möchte einmal in die Stadt gehen und da der Bodyguard keine Begleitung erlauben würde, entschließt sich Rachel, mit Frank in die Stadt zu gehen. Sie gehen in eine Karaoke-Bar, in dem schrecklich schräg gesungen wird. Auch Frank gibt ein Lied zum Besten und der Darsteller kann tatsächlich nicht singen. Als Frank Rachel auffordert, einen ihrer Songs zu singen, wird dieser Auftritt viral und findet sich auf vielen Handys wieder. Sie ist das Gespräch der Stadt anschließend. Anschließend ist Frank mit Rachel im Bett. Inzwischen versucht man die Herkunft einer E-Mail zu klären. Man bekommt bei der Schlussszene einen Verdacht, dass Nicki aus Eifersucht gehandelt haben könnte und den Stalker selbst engagiert hat.
Wieder mit einem lauten Knall beginnt der zweite Akt. Frank ist mit der ganzen Gefolgschaft in das Blockhaus seiner Eltern geflohen. Hier erfährt man, dass Frank bei einem Einsatz bei einem Gouverneur versagt hat. Auch wäre er zu spät wegen des Einsatzes zum Tod seiner Mutter gekommen. Nicki gibt schließlich zu, auf eine E-Mail des Erpressers an ihre Schwester geantwortet zu haben. Der Erpresser schleicht sich in die Blockhütte und ersticht Nicki, als sie im Wohnzimmer des Blockhauses alleine ist. Es kommt zur Oscar-Verleihung, bei der man einen erneuten Anschlag auf Rachel erwartet. Der Erpresser hat die Beziehung zu Frank mitbekommen, daher beschließt Frank sich zu trennen. Beruf und Karriere gehen ihm vor. Inzwischen hat Rachel auch eingesehen, dass sie Schutz braucht. Es kommt zum großen Finale. Es rückt die Security im Musicaldome aus und erschreckt unbedarfte Handynutzer bei der Nutzung von WhatsApp mit einem barschen: Handy aus! Bei der Oscar-Verleihung wirft sich Frank vor Rachel und schützt sie. Angeschossen treffen sie sich ein letztes Mal in der Wohnung, wo Frank seinen Nachfolger vorstellt. Mit der letzten Nummer „I will always love you“ endet das Musical.
Wenn man jetzt ein Fan von altersgerechter Beschallung ist, ist man nach dem Muscial hin und weg. Die Auftritte der Rachel werden eingerahmt mit Tänzern und Feuerfontänen. Die Gigs sind echt ein Hingucker und als sie zum Schluss mit vielen Spotlights angeleuchtet nach oben fährt im schwarzen Kleid, ist gelungen. Leider muss ich sagen, dass ich auch nach dem Musical und der ganzen Lektüre über Whitney Houston kein Fan der Diva geworden bin. Es war ok, da wir in Köln waren und die Kartenpreise stark gefallen waren, haben wir uns das Stück angesehen. Whitney Houston quasi im Ausverkauf – oder wie schnell doch der Starruhm verblasst.
Wir befinden uns im Jahre 2017 n. Chr.. Das ganze Staatstheater Nürnberg ist von Richard Wagner besetzt... Das ganze Staatstheater Nürnberg? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkerter Hain hört nicht auf, mit Belcantogesängen Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für den römischen Legionär, der als Besatzer in dieser Oper keinen guten Stand hat. Mitten in dem Ringgedöns nimmt die Oper in Nürnberg einen echten Belcantoschinken ins Repertoire. Norma, die Oper um eine gallische Druidin, die an den Regeln der Druiden zerbricht und letztendlich am Scheiterhaufen stirbt. Was den Regisseur Stéphane Braunschweig dazu treibt, die Oper in einer Art Bunker spielen zu lassen wissen wir nicht.
Das Volk ist aufgereiht und wartet aber auf die Weissagungen der Norma. Die Frauen in einheitlichen blauen Röcken und die Männer in grauen Mänteln. Auch die heilige Eiche, an der Norma die Misteln im Schattenspiel schneidet, ist nur ein Bonsai, der in einer Käseglocke auf die Bühne getragen wird und durch geschickte Beleuchtung riesig groß wird. Mit einem roten Rosenstrauß kommt der Bösewicht der Oper Pollione auf die Bühne, dabei bekommt er Schützenhilfe von seinem Freund Flavio. Die Zeit wäre noch nicht gekommen, meint Norma. Von Pollione hat Norma heimlich zwei Knaben, die in dieser Inszenierung durch einen Jungen und ein Mädchen dargestellt werden. Ein schwarzer Gazevorhang teilt Norma vom Volk, als sie über ihren inneren Konflikt spricht. Das erklärt auch Ihr Zögern. Aber Pollione ist schon wieder auf Frauenjagd und hat sich in Adalgisa verguckt. Dies Novizin soll bald ihr Gelübde auf Keuschheit ablegen. Sie wird durch Pollione bedrängt. Dieser entblößt vor lauter Erregung seine Brust. Wer jetzt noch mehr erwartet, wird enttäuscht. Adalgisa hat es aber überzeugt, sie will ihm nach Rom folgen. Norma quält sich, da Pollione ohne sie nach Rom zurückwill. Adalgisa öffnet sich aber Norma, die erkennt auch Parallelen zum Werben ihres Liebhabers. Es kommt aber zum großen Zusammentreffen der Hauptakteure und Norma ist außer sich, dass Adalgisa sich genau in Pollione verliebt hat. Der Bunker öffnet eine Drehtür, an die man ein weißes Bett mit Messingstäben vor einen roten Vorhang montiert hat. Dort sieht man die Kinder. Norma schwört Rache.
Norma plant den erweiterten Suizid mit ihren Kindern. Mit einem Dolch schleicht sie sich an das Bett der Kinder und versteckt schnell das Messer unter dem Kissen. Hin und hergerissen, zwischen der Rache an Pollione und der Mutterliebe, verzichtet sie letztendlich auf den Mord. Norma sagt, Adalgisa solle mit den Kindern und Pollione nach Rom. In einem wunderbaren Duett mit Adalgisa beschwört diese die Liebe zu Pollione. Eine Rückkehr zu Norma lehnt Pollione aber ab. Wutentbrannt schlägt Norma nun auf das Schild des Irminsul rechts. Im Hintergrund sieht man jetzt die Eiche in groß. Es kommt zu einer kurzen Kriegsszene in der die gallischen Krieger zum Kampf rufen. Es wird ein Opfer gefordert. Ein in den heiligen Hain eingedrungener Römer soll es sein, der kommt gerade recht. Es ist natürlich Pollione. Norma kann den Vater ihrer Kinder trotz all der Rache nicht töten. Wieder nimmt ihn Norma hinter dem Gazevorhang zur Seite und überlegt, wie sie die Liebe zu Pollione retten kann. Sie droht ihm, Adalgisa am Scheiterhaufen zu opfern, seine Kinder zu töten. All das hilft nichts. So lässt sie denn einen Scheiterhaufen für eine Priesterin errichten, die das Keuschheitsgelübde gebrochen hat. Als das Volk nun den Namen fordert, nennt sie ihren eigenen. In einer Projektion geht Norma dem Scheiterhaufen entgegen. Pollione ist von ihrer Selbstaufgabe so berührt, dass er ihr auf den Scheiterhaufen folgt.
Ja, der Widerstand gegen den Ring mit dieser Oper ist gelungen. Die armenische Sopranistin Hrachuhí Bassénz lotet die Rolle der Norma in aller ihrer Zerrissenheit fast perfekt aus. Auch Ida Aldrains Leistung als Adalgisa ist hervorragend. Den erkrankten David Yim vertritt Joska Lehtinen mit Bravour. Letztendlich ist das wirklich eine schöne Oper, die die Romantik vorwegnimmt. Die Staatskapelle unter der Leitung von Volker Hiemeyer spielt vielleicht am Anfang etwas zu laut auf. Das mag wohl der viele Wagner in der Spielzeit bewirkt haben. Das Orchester nimmt sich aber zum Schluss immer weiter zurück. Es gibt wenig zu kritisieren in dieser Norma, vielleicht die Inszenierung - mit dem Monsterbonsai.
Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg
Das Theater Ulm hatte die letzte Aufführung der Pique Dame von Tschaikowsky in Fürth im Stadttheater durchgeführt. Inszeniert wurde von Igor Folwills sehr konventionell im besten Sinne. Als zu Beginn eine Ankündigung vor der Ouvertüre erfolgte, dass der Sänger des Tschekalinski erkrankt sei, horchte ich auf. Man hatte aber Ersatz in Joshua Lindsay gefunden, der die Partie leider nur in Russisch könne. Die Oper sei aber insgesamt in Deutsch. Diese deutsch-russische Kombination hatte durch die Übertitel keinerlei negative Folgen, dennoch war es witzig, wenn Russisch gefragt wurde und die Antworten dann in Deutsch kamen. Die Aufregung hatte dem Ansager scheinbar so zugesetzt, dass der Eugen Onegin ankündigte. Es lief dann aber doch Pique Dame. Die nächste Überraschung sollte sein, dass die alte Gräfin, die Pique Dame, erst 35 Jahre ist. Der Sänger des jugendlichen Hermann aber schon 65. Eine klassische Inszenierung rundete die Aufführung zu einem gelungenen, aber langen Opernabend ab. Bei den Aufteilungen der Akte orientierte man sich an den Bildern der Oper und machte mitten im zweiten Akt eine Pause. Auch zwischendrin erfolgten immer wieder längere Umbaupausen. Zentrales Element der Inszenierung war eine dreiteilige Spiegelwand mit Türen, die sich immer wieder verschieben und neu arrangieren lässt.
So gerät der Sommertag auf einer St. Petersburger Promenade sehr dunkel. Eine Parkbank steht mit dem Rücken zum Publikum, dahinter befindet sich ein künstlicher Stein. Angedeutet ist eine Allee durch einen getrockneten Baum. Auf der Bühne stehen beleuchtete Standuhren. Jeletzki stellt seine Braut Lisa vor, die Hermann als seine Geliebte wiedererkennt. Lisas Großmutter sei eine reiche Gräfin, die ihr Vermögen mit drei Karten im Spiel in Paris gemacht hat. Das Geheimnis dieser Karten würde sie hüten, die hätte sie sich durch ihre Hingabe erkauft. Der Verrat des Geheimnisses würde ihren Tod bedeuten. Es folgt eine düstere Sturmszene, bei der Hermann dem Wind schwört, dass Lisa niemals die Frau des Fürsten wird.
Im nächsten Bild sieht man Lisa mit ihrer Freundin Pauline beim Klavierspielen. Zu Besuch sind 14 weitere Freundinnen in Weiß. Zuerst singt Pauline eine traurige Weise, dann beschließen ihre Gäste, ein lustiges, russisches Tanzlied anzustimmen. So viel Lebenslust ruft eine schwarz gekleidete Gouvernante auf den Plan. Lisa steht kurz vor der Verlobung und ist betrübt, da sie eigentlich Hermann liebt. Dies vertraut sie auch Pauline an. Beglückt macht sie alle Türen auf und durch die Nacht erscheint dann Hermann plötzlich im Palast. Die Stimmen rufen jetzt die Gräfin auf den Plan und gerade noch rechtzeitig kann sie Hermann verstecken. Die Gräfin fährt dabei immer in einem Rollstuhl über die Bühne. Als die Gräfin weg ist, gibt Lisa Hermanns Drängen nach.
Im dritten Bild hat man die Spiegelwand längs gestellt. Man befindet sich auf dem Maskenball des Fürsten Jeletzki, der wirklich einen tollen Bariton hat. Lisa weicht dem Fürsten aus. Es folgt eine Einlage beim Ball von der ‚standhaften Schäferin‘. In einer Imitation komponiert Tschaikowsky hier im Stil von Mozart ein Schäferspiel. Dort widersteht eine Harlekin-Chloe auf einem Stein dem Werben des reichen Plutus. Sie entscheidet sich für den armen Daphnis. Insofern nimmt hier das Spiel im Spiel die Handlung vorweg. Zum Finale des Schäferspiels regnet es Blütenblätter aus dem Bühnenhimmel. Lisa hält es nicht mehr aus und gibt Hermann den Schlüssel zur Tapetentür zu ihrem Zimmer. Am Maskenball feiert man die Ankunft der Zarin Katharina. Hiermit endet die Oper mitten im zweiten Akt, aber mit einem großartigen Finale.
Nach der Pause denkt die Gräfin wehmütig an ihre edle Zeit in Paris. Sie stimmt eine Ariette aus Grétrys Richard Löwenherz auf Französisch an. Die Spiegelwand ist geteilt und auf der Bühne stehen viele Kerzen. Eine Standuhr ist quer gekippt und links hinten gibt es ein Madonnenbild. Hermann muss an dem Jugendbildnis der Gräfin vorbei, wobei ihm sehr mulmig ist. Auf dem Vorhang sieht man übergroß einer Projektion der Gräfin. Er bedroht die Gräfin mit dem Revolver und will sie eigentlich nur zu erschrecken, um an ihr Geheimnis zu kommen. Letztlich betet er vor dem Madonnenbild und die Gräfin stirbt in ihrem Rollstuhl an den Folgen des Schreckens. Lisa kommt hinzu, ist entsetzt und schickt Hermann weg.
Im nächsten Bild sieht Hermann die Vision des Trauerzugs, der die Gräfin zu Grabe trägt. Die Bühne ist kahl, in blauem Licht und am Bühnenende stehen fünf Standuhren. Im Traum erscheint ihm nun die Gräfin, die ihm die drei Karten verrät. Es sind die Drei, die Sieben und das Ass. Hermann eilt nun zu Lisa.
Lisa erwartet ihn schon und hofft, dass er vor 0 Uhr eintrifft. Die Uhrzeit des Eintreffens sieht sie als Zeichen dafür, dass er unschuldig ist. Trifft er vor 0 Uhr ein, ist er unschuldig. Nach 0 Uhr ist er eindeutig schuldig. Ihre große Arie singt sie vor der Spiegelwand in einem schwarzen Samtgewand. Hermann kommt schließlich kurz nach 0 Uhr und erzählt ihr von den Karten und dass er spielen muss. Er will dies eigentlich nur tun, um ihr ein besseres Leben zu ermöglichen. Sie ist aber enttäuscht von ihm. Der Tod Lisas in der Newa, wird durch die einklappende Spiegelwand dargestellt.
Im Spielsaal trifft nun Hermann auf und will die drei Karten ausspielen. Er setzt 40000 Rubel auf die erste Karte. Auch die nächste Karte ist die vorhergesagte. Als er den Einsatz verdreifacht, will jetzt niemand mehr spielen, nur der Fürst wagt einen letzten Einsatz. Die dritte Karte ist nun aber nicht das vorhergesagte Ass, sondern die Pique Dame. Hermann verliert den Verstand und sein Vermögen. Er hält dies für ein Zeichen der toten Gräfin und ersticht sich, auf dem Spieltisch stehend.
Auch wenn der Abend sicher nicht perfekt war, hat er mir doch sehr gut gefallen. Punkten konnte da vor allem das Orchester, das die Dramatik der Oper gut unterstrich. Das Orchester hat das Stadttheater teilweise zu beben gebracht, wobei auch die ruhigen Momente in der Ariette gut ausgekostet wurden. Sängerisch musste man natürlich mit dem Stammhaus in Ulm arbeiten und die Alterskonstellationen sind da etwas seltsam anmutend. Auch der Mix aus russischen Einwürfen von Tschekalinski hatte einen interessanten Effekt. Den Chor fand ich beachtlich, denn gerade das Schlussbild vor der Pause, als alle am Bühnenrand sangen, war eindrucksvoll. Jeletzki(Kwang-Keun Lee) und die Gräfin(Chiao Shih) waren wirklich gut und die Partie des Hermann(Hans-Günther Dozauer) ist eben sehr lang und schwer, die der Lisa(Josefine Weber) ebenfalls. Den düsteren Stoff, in dem immer wieder die drei Karten beschworen werden, finde ich auch sehr interessant. Ich hatte die Pique Dame vorher noch nie gesehen. Bei allem, was man kritisieren könnte, gab es doch einen langen Schlussapplaus. Bravo Ulm.
Quelle: YouTube | Theater Ulm - PIQUE DAME von Pjotr Iljitsch Tschaikowsky
Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg
Georg Schmiedleitner hat in Nürnberg mit einer Wozzeck-Inszenierung geglänzt. Das dreiteilige Bühnenbild besteht aus Zimmern, die sich gegeneinander verschieben lassen und ist in Weiß gehalten. Einen wesentlichen Anteil am Erfolg hatte sicher auch die Musik, die von Gábor Káli dazu geliefert wird und ein Wozzeck in Form von Jochen Kupfer, der wahrscheinlich nur in der Inszenierung so gut funktioniert. Diesmal ist Wozzeck kein Mann von unten, sondern einer aus der unteren Mittelschicht, der schon mal bei Amazon und Zalando groß einkauft. Die Schulden, die er anhäuft, muss er in Diensten bei dem Hauptmann und als Versuchspatient bei einem Arzt abstottern.
Zuerst hebt sich der Vorhang und man sieht die Darsteller in einer Pose. Ohne Musik fährt der Vorhang wieder runter, bevor es dann eigentlich losgeht.
Schon anfangs ist Wozzeck dem Hauptmann zu diensten und peitscht diesen in einer Sadomaso-Tortur mit einem Riemen aus. Hier wird der Hauptmann nicht rasiert, sondern lässt sich, nur mit einer Unterhose bekleidet, von Wozzeck quälen. Die beiden debattieren über Wozzecks Kind, das nicht den Segen der Kirche hat. Auf einem kleinen Rasenstück treffen sich Andres der Jäger und Wozzeck. Der Jäger hat gelbe Kopfhörer auf, während Wozzeck über die menschliche Gesellschaft nachdenkt. Dann erfolgt ein Schwenk zu Marie, seiner Frau. Die erfreut sich an einem Smartphone-Video einer Militärkapelle. Dort hat sie den Tambourmajor entdeckt. Mit diesem hat sie in der Folge dann eine Affäre. Der Sohn ist zwar mit einem blinkenden Hoverboard gut mit Technik versorgt, wirkt aber unglücklich. Vielleicht liegt das auch an seinem Vater, der von Visionen ablenkt, ist und kein Ohr für sein Kind hat. Für Wozzeck ist diese Familienidylle das Glück. In roten LEDs sieht man eine große Aufschrift: Glück im Hintergrund. Dann muss er aber weiter zum Doktor, der mit Wozzeck ein Ernährungsexperiment macht. Nicht nur er muss Erbsenbrei essen, es gibt noch ein paar Mitstudienobjekte, die fleißig Erbsenbrei essen. Der Doktor geht ihn zwar an, dass er seinen Urin nicht abgegeben hat. Man hantiert mit Urinflaschen, die für das Experiment des Doktors wichtig sind. Er möchte nachweisen, dass einseitige Ernährung geisteskrank macht. Unterdessen verführt der Tambourmajor Marie.
Im zweiten Akt sieht man dann Marie, die geschenkte Ohrringe bekommen hat für ihre Liebesdienste am Tambourmajor. Dass Marie genau zwei Ohrringe gefunden hat, kommt Wozzeck merkwürdig vor, er lässt sie aber passieren. Wozzeck trifft in der Stadt auf eine Gruppe Patienten um den Doktor und den Hauptmann. Die Patienten gehen an Gehhilfen, einer ist schon tot. Der Hauptmann wird vom Doktor mit einer erfundenen Diagnose zum Thema Schlaganfall provoziert. Als sie Wozzeck erblicken, machen sie sich über ihn lustig, dass er die Affäre mit Marie nicht mitbekommen hat. Wozzeck fragt nun bei Marie nach, was es auf sich hat mit der Aussage. Sie provoziert ihn aber weiter. Darauf flüchtet er sich ins Wirtshaus. Dort sieht man, wie sich der Tambourmajor und Marie sich vergnügen. Es kommt eine ganze Batterie Flaschen herein. Nach dem Besäufnis lässt der Tambourmajor Wozzeck zusammenschlagen.
Im dritten Akt sucht Marie in der Bibel Trost. Das Kind ist weiter deprimiert und klebt mit Tape die Stoffpuppen an die Wand. Wozzeck tötet mit einem Cuttermesser Marie, wobei das Blut in Schmiedleitner-Manier spritzt. Wozzeck geht wieder in Kneipe und feiert weiter. Aber dort entdeckt man das Blut an seinen Armen, für das er keine Erklärung hat. In Verzweiflung über seine Tat bringt sich Wozzeck im See um. Man erlebt eine Art Traumsequenz, in der er und Marie wieder vereint sind. Im letzten Bild sieht man die Kinder die Szenen nachspielen. Am Hoverboard, statt auf einem Steckenpferd, kreiselt einsam und alleine der Sohn von Wozzeck, nun als Waise.
Ja, die Musik von Alban Berg ist dissonant und das Stück ist weit von Heiterkeit entfernt. Dennoch lohnt es sich, über den Tellerrand der Melodik hinauszusehen. Die Kritiken für den Wozzeck waren generell gut und das helle Bühnenbild erinnert immer etwas an das Arztsetting. Wozzecks gibt es nicht nur in der Vergangenheit, sondern sie leben hier und jetzt, bestellen bei Zalando und wissen manchmal nicht, wie sie das Geld für diesen Lebensstil aufbringen sollen. Die moderne Technik hat mit Smartphone und Hoverboard Einzug gehalten in dieses Stück und schlägt so den Bogen zur Gegenwart. Es ist weit von lustig entfernt, was dort auf der Bühne abgeht, aber das ist bei dem Thema ja klar.
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Quelle: Soundcloud | Staatstheater Nürnberg
Das Theater Freiburg hat Händels Giulio Cesare ans Stadttheater in Fürth gebracht. In einer Inszenierung von Florentine Klepper darf man sich ins Jahr 48 v. Chr. führen lassen und die turbulente Zeit von Cäsar in Ägypten erleben. Erst einmal zu positiven Aspekten: Man hat die männlichen Hauptrollen des Julius Cäsar und des Ptolemäus mit Alti besetzt, auch Sextus ist mit Sharon Carty gut besetzt. Dafür muss man aber bei der Inszenierung etwas leiden. Die handelnden Personen werden in eine Art Verhörraum aus den 70er Jahren eingepfercht. Im Hintergrund ist ein großer Spiegel, bei dem eine Gruppe von fünf Überwachern das Geschehen begutachten. Links und rechts am Bühnenrand sind zwei Überwachungskameras. Die Wände sind mit Türen versehen, durch die die Akteure immer einen Fluchtversuch starten.
Julius Cäsar sabotiert schon gleich zu Beginn die Überwachungskamera rechts. Der Eröffnungschor davor kommt leider aus der Konserve und scheppert ziemlich in den Boxen. Als nächste kommt Cornelia mit ihrem Sohn Sextus auf die Bühne. Der Kopf ihres Mannes ist ebenfalls auf der Bühne. Ptolemäus, der Bruder Cleopatras hat den Gegner Cäsars umbringen lassen, um Cäsar milde zu stimmen. Statt nun mit dem Tode des Widersachers zufrieden zu sein, ist Cäsar außer sich und spricht von einer schändlichen Tat. Cornelia wird beim Anblick des Kopfes ihres Mannes ohnmächtig. Dies passiert nicht immer, aber immer öfter in der Inszenierung. Ihr Sohn schwört Rache und eine der Seitenschübe öffnet sich und gibt einen Passbildautomaten frei. Der Sohn wird überhäuft von Bildern aus dem Automaten, als er beschließt, seinen Vater zu rächen. Nun kommt aber auch der eigentliche Böse auf die Bühne: Ptolemäus, der Bruder Cleopatras. In seinem blauen Batikanzug mit roten Socken und rotem Schlips krönt sein Haupt eine Afrofrisur. Als Erstes muss er nun einen Friedensvertrag mit Cäsar unterschreiben. Insgesamt ist er aber eher ein König Kallewirsch auf Speed, dem man jede Gemeinheit zutraut, auch die Ermordung Pompeos. Mit seinem durchdringenden Alt hat er die Gunst des Publikums schnell gewonnen. Um die etwas sterile Szenerie aufzumischen, werden von rechts in einer Luke immer wieder Paket angeliefert. Amazon scheint auch in den Container zu liefern, und zwar Blumen für Achillas, mit der er Cornelia den Hof macht oder auch die Asche des Pompeo, die seine Gattin über die Bühne verstreut, wenn es ihr Wachheitszustand gerade zulässt. Manchmal verbringt sie aber auch die Zeit in einem dieser Seitenschübe an einem Telefon, auf der Flucht vor Achillas. Der wirbt um die Frau des Pompeo. Über der Asche des Pompeo grübelt Cäsar über die Vergänglichkeit des Lebens. An der Urne holt er sich dabei blutige Hände. Cleopatra stellt sich dagegen als Lydia dem siegreichen Cäsar vor. In einem roten Kleid und eben einer solchen Afrofrisur wie ihr Bruder umgarnt sie Cäsar. Als sie beobachtet, wie Sextus sich an Ptolemäus rächen will, unterstützt sie ihn bei der Tat. Nach dem zweiten Akt ist Pause und Zeit für ein paar Zuschauer durch Buhrufe, ihr Missfallen kundzutun.
Nach der Pause im dritten Akt wird es noch mal richtig schwierig. Zur Eröffnung sieht man eine lange Szene im Dunkeln, bei denen die Darsteller mit Taschenlampen leuchten. Einem Zuschauer wird das zu viel und er klatscht. Gefühlt dauert dieser Anfang ewig, da man außer den Taschenlampen nichts sieht und auch keine Musik hört. Auf der Bühne herrscht ein ziemliches Durcheinander. Dass es sich hierbei um ein Waldstück in der Nähe von Alexandria handeln soll, erkennt man vielleicht an der Monstera deliciosa, die sich über den Beobachtungsspiegel rankt. Es kommt zu einer Auseinandersetzung zwischen Cäsar und Ptolemäus, bei dem Ptolemäus dem unterlegenen Cäsar ins Bein beißt. Blutend flüchtet der sich auf eine herausgefahrene Toilette. Seine Schwester fesselt Ptolemäus mit einem orangem Stromkabel. Auf einem Overheadprojektor schreibt Cäsar das Wort Krieg, das Ptolemäus zum Sieg ausbessert. Achillas wurde bei dem Kampf tödlich verwundet, unschwer an dem riesigen Blutfleck zu erkennen. Als Cäsar später in der Kabine mit dem WC von leisen Winden singt, hat er ein paar unfreiwillige Lacher auf seiner Seite. Nun hat Ptolemäus kurzzeitig Oberwasser und läuft mit grünen High Heels über die Bühne, aber es soll nicht mehr lange dauern, bis er unter einem Tisch liegend von Sextus ermordet wird. Während nun fünf Männer mit Krokodilmasken (Sobek?) den Pharao raus begleiten, kommen wieder andere in weißen Anzügen und reinigen den Tatort. Während noch einmal der Schlusschor aus den Boxen scheppert, kommen die Überwacher hinter der halbdurchsichtigen Glasscheibe hervor und machen ein Selfie mit einem roten Handy von Cäsar. Man hat es überstanden.
Hätte ich mich nicht so gut auf diese Oper vorbereitet, wäre es schwer gewesen, den etwas ausgefallenen Regieeinfällen zu folgen. Selbst ich war versucht, immer wieder einmal die Augen zuzumachen, um mich besser auf die Musik konzentrieren zu können. Die beiden Alti besonders Ptolemäus hatten mir es an diesem Abend angetan. Das Orchester ging sehr robust an das Werk heran, etwas mehr Nuancierungen hätte ich mir hier vielleicht gewünscht. Dennoch kam die Brillanz des Werkes zum Vorschein. Allerdings sind für meine Ohren 3 ½ Stunden Händel eine Herausforderung. Bei anderen Komponisten sind solche Längen kein Problem. Ich fand den Beifall für die Musiker gerechtfertigt, die Buhrufe für die Regie aber auch. Das Konzept in einer Art Überwachungsraum auf die Zeit und die Figuren von damals zurückzuschauen, erschloss sich mir zumindest nicht.
Quelle: YouTube | Theater Freiburg